Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.07.2018, RV/3100226/2016

Familienbeihilfenanspruch für ca einjährigen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen und Besuch von Deutschkursen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100226/2016-RS1
Der Besuch von Deutschkursen und die Ablegung von Deutschprüfungen zum Nachweis der Deutschkenntnisse eines Drittstaatsangehörigen für die (beabsichtigte) Aufnahme eines Studiums an einer österreichischen Universität stellt keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar.
RV/3100226/2016-RS2
Wird nach der Ablegung der Matura in einem Drittstaat ein beabsichtigtes Studium in Österreich gar nicht aufgenommen (sondern erfolgt nach einem Jahr die Rückkehr in den Drittstaat), besteht für die Zeit bis zum beabsichtigten Studienbeginn kein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R****** in der Beschwerdesache B****** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 17. Feber 2015 betreffend Abweisung eines Antrages auf Familienbeihilfe ab November 2014
zu Recht erkannt: 

I.

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang:

Mit am beim Finanzamt eingelangten Antrag begehrte die Kindesmutter die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren volljährigen Sohn S****** rückwirkend ab November 2014. Sie selbst sei Drittlands- Staatsbürgerin und mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Der Sohn wäre ebenfalls Drittlands- Staatsbürger, verfüge über einen Aufenthaltstitel für den Zeitraum bis und wäre am nach Österreich eingereist.

Unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit b bis e FLAG 1967 wurde der Antrag mit Bescheid vom 17. Feber 2015 abgewiesen. Der Besuch von im Allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichteten Veranstaltungen könne nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 FLAG 1967 gewertet werden. Dies selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere Berufsausbildung nützlich sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Sohn habe im Juli 2014 in [Drittland] die Matura absolviert. Der frühest mögliche Zeitpunkt an der Universität Innsbruck ein ordentliches Studium zu beginnen, wäre das Wintersemester 2015 gewesen. Als Nicht-EWR-Bürger wäre als Aufnahmebedingung eine "Deutschnachweis (Level B2)" erforderlich. Da der Sohn das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 erfüllt seien, werde gebeten, die Beschwerde positiv zu beurteilen.

Über Vorhalt des Finanzamtes wurde weiters bekannt gegeben, dass der Sohn am bfi diverse Deutschkurse besucht habe. Mit Zeugnis vom  wird bescheinigt, dass der Sohn die Prüfung "ÖSD Zertifikat B2" bestanden habe. Einem weiteren vorgelegten Zeugnis ist zu entnehmen, dass er im August 2015 den Deutsch-Test für Österreich bestanden und die Niveaustufe B1 erreicht habe. Mit wäre in [Drittland] das Studium "Angewandte Informatik" begonnen worden.

Im Feber 2016 wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Wiederum begründete das Finanzamt dies damit, dass ein Sprachkurs nicht als Berufsausbildung iSd FLAG 1967 anerkannt werden könne. Auch der Umstand, dass Kenntnisse der deutschen Sprache Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums in Österreich sei, ändere daran nichts.

Auf Grund des fristgerecht gestellten Vorlageantrages, in welchem die Argumente der Beschwerde wiederholt wurden, legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

2. Sachverhalt:

Der nachfolgende Sachverhalt ergibt sich aus den Vorbringen der Beschwerdeführerin und den im Verwaltungsakt aufliegenden Unterlagen.

Der Sohn der Beschwerdeführerin, geboren am [Geb.Dat], lebte in [Drittland] und legte dort im Juli 2014 die Reifeprüfung ab. In der Folge reiste er nach Österreich zu seiner Mutter, die so wie er die Drittlands- Staatsbürgerschaft besitzt, mit einem österreichsichen Staatsbürger verheiratet ist und seit 2009 in Österreich lebt. Dem Sohn wurde ein Aufenthaltstitel für den Zeitraum bis erteilt. Im Streitzeitraum war er bereits volljährig.
Beginnend mit besuchte der Sohn in Innsbruck diverse Deutschkurse an Bildungseinrichtungen (11.8. bis 4.9.: 60 Unterrichtseinheiten Deutsch Grundstufe A2.1, 8.9. bis 2.10.: 60 Unterrichtseinheiten Deutsch Grundstufe A2.2, 6.10. bis 30.10.: 60 Unterrichtseinheiten Deutsch Mittelstufe B1.1, 3.11. bis 27.11.: 60 Unterrichtseinheiten Deutsch Mittelstufe B1.2, bis : 60 Unterrichtseinheiten Deutsch Mittelstufe B2.1, 19.1. bis 12.2.: 60 Unterrichtseinheiten Deutsch Mittelstufe B2.2). Am 6. Feber 2015 trat er zur ÖSD-Prüfung "B2-Mittelstufe Deutsch" an. Mit Zeugnis vom wurde die erfolgreiche Ablegung der Prüfung "ÖSD Zertifikat B2" bescheinigt. Am wurde der "Deutsch-Test für Österreich" erfolgreich abgelegt.
Eine Anmeldung an einer österreichsichen Hochschule setzt den Nachweis von entsprechenden Deutschkenntnissen voraus.
In der Folge begann der Sohn im September 2015 ein Studium an einer Drittlands- Bildungseinrichtung.

3. Rechtslage:

Nach § 2 Abs 1 FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist (lit b) bzw für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird (lit d).

4. Erwägungen:

Ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe ab dem strittigen Zeitpunkt könnte beim vorliegenden Sachverhalt einerseits darauf beruhen, dass der Sohn sich in diesem in Berufsausbildung befunden hat, andererseits auf dem Anspruchsgrund der Zeit zwischen zwei dem Abschluss der Schulausbildung und dem frühest möglichen Beginn einer weiteren Ausbildung.

a) Anspruchsgrund "Berufsausbildung":

Dem FLAG 1967 ist im hier entscheidenden Kontext keine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche jedenfalls eine geeignete Grundlage für die Auslegung eines interpretationsbedürftigen Gesetzesbegriffes bildet, sind unter "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu verstehen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl bspw das Erkenntnis ). Dabei muss das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Ausbildungsfortgang und den Ausbildungserfolg nach außen in Erscheinung treten, wobei insbesondere auch das Antreten zu vorgesehenen Prüfungen als essentieller Bestandteil einer Berufsausbildung anzusehen ist ().
Ziel einer "Berufsausbildung" ist - wie sich aus der Rechtsprechung weiter ergibt - die Vermittlung einer ausreichenden fachlichen Qualifikation, die es dem Auszubildenden ermöglicht, einen angestrebten Beruf ausüben zu können und so selbsterhaltungsfähig zu werden. Dass (allenfalls auch umfangreiche) Sprachkurse für sich alleine nicht geeignet sind eine derartige Qualifikation zu gewährleisten, hat bereits der Unabhängige Finanzsenat bereits in zahlreichen Entscheidungen (vgl zB , , usw.) zum Ausdruck gebracht und gilt dies auch für die vom Sohn der Beschwerdeführerin besuchten Sprachkurse. Dass diese für sich nicht geeignet sind, die Grundlage für die Ausübung eines Berufes zu schaffen zieht auch die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben offensichtlich nicht in Zweifel, da sie im Antragsformular zwar angibt, ihr Sohn befände sich in Berufsausbildung, in der Beschwerde und im Vorlageantrag jedoch ausschließlich auf den Anspruchsgrund des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 verweist.

Im Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof auch explizit ausgeführt, dass der Besuch von im Allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichteten Veranstaltungen nicht als Berufsausbildung gewertet werden kann. Dies - so der Gerichtshof weiter - selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere spezifische Berufsausbildung Voraussetzung oder nützlich ist.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wäre nur dann gegeben, wenn im Rahmen einer einheitlichen im Allgemeinen auf eine Berufsausbildung ausgerichteten (stufenweise aufgebauten) Bildungsmaßnahme im Lehrplan auch einzelne Ausbildungsschritte vorgesehen sind, die für sich alleine betrachtet keine Berufsausbildung darstellen würden (zB der im Rahmen einer einheitlichen Berufspilotenausbildung verpflichtend zu absolvierende Kurs zur Erlangung des Privatpilotenscheines). In einem derartigen Fall wäre es nicht zulässig, die einheitliche Ausbildung in Teilbereiche aufzuteilen, sondern sei eine gesamtheitliche Beurteilung vorzunehmen.

Dass für die Aufnahme eines Studiums in Österreich ein Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse erforderlich ist bedeutet jedoch nicht, dass die Absolvierung der Sprachkurse als Teil eines Studiums anzusehen sind. Die Sprachkurse waren nicht im Rahmen des Lehrplanes einer im Allgemeinen auf eine Berufsausbildung ausgerichteten (Gesamt)Veranstaltung verpflichtend zu absolvieren. Vielmehr liegen im gegenständlichen Fall im Vorfeld des Studienbeginns absolvierte allgemeine und nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichtete Sprachkurse vor und kann die Absolvierung dieser einen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht begründen (vgl auch ).

b) Anspruchsgrund "Zeit zwischen Schul- und weiterer Berufsausbildung":

Der Sohn der Beschwerdeführerin hat die Reifeprüfung im Juli 2014 abgelegt. Die Beschwerdeführerin begründet den von ihr als bestehend angesehenen Anspruch damit, dass dem Sohn der Beginn des Studiums in Österreich frühestens im Wintersemester 2015/16 möglich gewesen wäre.
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob dies tatsächlich so zutrifft. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl zB ) ausführt, wird im Falle des Unterbleibens der Ausbildung diese Berufsausbildung eben nicht begonnen. Dabei kommt es auf die Gründe (wie zB Nichtbestehen eines Aufnahmetests oder Nichtvorhandensein einer ausreichenden Anzahl von Ausbildungsplätzen), aus welchen der Beginn der Ausbildung unterbleibt, nicht an. Eine lediglich angestrebte, letztlich aber nicht begonnene Ausbildung stellt nach der Rechtsprechung gerade keine Berufsausbildung, die einen Beihilfenanspruch vermittelt, dar. Das angeführte Erkenntnis vom ist zwar zu § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 ergangen, es ist jedoch auch für den vorliegenden Fall einschlägig, da ein Beihilfenanspruch nach lit e - wortgleich mit § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 - ebenfalls vom frühestmöglichen Beginn (oder der frühestmöglichen Fortsetzung) einer Berufsausbildung abhängt.
Nachdem der Sohn der Beschwerdeführerin nach dem ca einjährigen Aufenthalt in Österreich wieder nach [Drittland] zurückkehrte und dort ein Studium begonnen hat (welches er bereits unmittelbar nach Ablegung der Matura beginnen hätte können), können die Argumente, für ein Studium in Österreich wäre der Nachweis entsprechender Deutschkenntnisse und die erfolgreiche Absolvierung eines Aufnahmeverfahrens Voraussetzung gewesen, weshalb ein Studienbeginn frühestens im Wintersemester 2015/16 möglich gewesen wäre, mangels tatsächlichem Beginns dieses Studiums in Österreich nicht zu einem Beihilfenanspruch führen.

5. Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht hat im vorliegenden Fall auf Basis der bestehenden einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschiedén. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher nicht zu beantworten, weshalb eine (ordentliche) Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

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