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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.07.2018, RV/3100581/2017

Kein Recht auf Akteneinsicht bei der Finanzpolizei im Rahmen einer Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/13/0062. Mit Erk. v. abgeändert.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/3100581/2017-RS1
Die Akteneinsicht nach § 17 Abs. 1 AVG setzt ein Verwaltungsverfahren bei der Behörde, der gegenüber die Einsicht begehrt wird, voraus, in dem der Auskunftswerber Parteistellung hat. Im Rahmen eines von der Bezirksverwaltungsbehörde durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahrens (hier nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz) besteht kein abgesondertes Recht auf Akteneinsicht bei der Finanzpolizei, welche die Kontrolle durchgeführt und in der Folge Anzeige erstattet hat.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf, Adr, vertreten durch V., Rechtsanwalt, Adr1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Akteneinsicht,

zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung der Akteneinsicht bezogen auf alle Unterlagen, die die Amtshandlung "Kontrolle um 20.05 Uhr" betreffend "X.", Adr2, Bf" betreffen.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom als unzulässig zurück.

Begründend führte es aus, dass die Kontrollhandlung am nach dem AuslBG, dem ASVG, gemäß § 366 Abs. 1 GewO, dem AlVG und § 143 BAO durch Organe der Finanzpolizei erfolgt sei. Aus dieser Kontrollhandlung resultiere eine Strafanzeige wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Abgabenrechtliche Konsequenzen seien nicht aktenkundig. Da es sich bei der Kontrollhandlung um eine sogenannte ordnungspolitische Maßnahme gehandelt habe, sei für das Verfahren und damit auch für die Akteneinsicht die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die zuständige Behörde. Es werde darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Akteneinsicht, auch wenn dieser ein Abgabenverfahren betroffen hätte, abzuweisen gewesen wäre, da das hierfür notwendige abgabenrechtliche Interesse nicht dargelegt worden sei.

Dagegen wurde mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und im Wesentlichen begründend vorgebracht, dass es offenkundig sei, dass die Organe der Finanzpolizei nicht nur abgabenrechtliche Interessen bei ihrer Kontrolle verfolgt hätten. Die Feststellung, dass "abgabenrechtliche Konsequenzen aus der Kontrollhandlung nicht aktenkundig sind" sei weder nachprüfbar, noch sei für diese Feststellung eine Beweismittel angeführt worden.

Darüber hinaus könne es als unstrittig vorausgesetzt werden, dass dann, wenn sich aus den Konsequenzen der Kontrolle ergäbe, dass tatsächlich ein Beschäftigungsverhältnis von der Finanzpolizei aufgedeckt wurde, der Beschwerdeführer als Arbeitgeber in Betracht komme und daher für dieses aufgedeckte Dienstverhältnis auch Abgaben zu zahlen habe. Das "abgabenrechtliche Interesse" liege daher jedenfalls vor.

Aus § 12 BAO (gemeint wohl AVOG) und korrespondierend aus § 26 Abs. 2 AuslBG lasse sich entnehmen, dass die Finanzpolizei ganz offenbar auch andere als abgabenrechtliche Interessen zu verfolgen habe. Weshalb dann trotzdem die BAO als Verfahrensrecht zur Anwendung gelangen solle, sei nicht nachvollziehbar und auch nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes zu entnehmen. Die verfahrensrechtliche behördliche Handlung einer Strafanzeige wegen Übertretung des AuslBG müsse sich an den Kriterien des Art. 6 EMRK messen lassen. Das Akteneinsichtsrecht müsse sich daher auch auf jene Teile des Verfahrens beziehen, die bei der Finanzpolizei geführt werden. Es zeige sich, dass die Finanzpolizei nicht immer den vollständigen Akt vorlege, sondern offensichtlich zunächst Aktenteile zurückbehalte und das Verfahren bei der Strafbehörde beobachte und nachdem der Angezeigte seinerseits konkrete Behauptungen und Beweismittel aufstellt habe bzw. vorlege, versuche mit den zurückgehaltenen Beweismitteln die Angaben des Beschuldigten zu widerlegen. Die Akteneinsicht bei der ermittelnden Behörde sei auch nichts Besonderes, sondern durchaus gängig. Auch die (Kriminal-)Polizei mache bestimmte Erhebung und übermittle sie dann der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht. § 51 StPO berechtige freilich den Beschuldigen "in die der Kriminalpolizei ... Ergebnisse des Ermittlungs- und Haupverfahrens Einsicht zu nehmen".

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Ein abgabenrechtliches Interesse sei weder im Antrag noch in der Beschwerde dargetan worden. Aktenführende Behörde nach dem AuslBG sei die Bezirksverwaltungsbehörde, weshalb entsprechende Gesuche um Akteneinsicht an diese zu richten seien.

Dagegen wurde mit Eingabe vom der Vorlageantrag gestellt

Ergänzend brachte der Beschwerdevertreter mit Eingabe vom unter Zitierung von § 26 AuslBG vor, dass kein Zweifel daran bestehen könne, dass die Finanzpolizei als Organ der Abgabenbehörde gehandelt habe, weshalb eben richtigerweise bei der Abgabenbehörde Akteneinsicht zu gewähren sei. Es werde ersucht eine Verhandlung anzuberaumen, um die Rechtssache einer Entscheidung zuzuführen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Am führten Organe der Finanzpolizei im Betrieb des Beschwerdeführers in Innsbruck, einer Pizzeria, eine Kontrolle nach dem AuslBG, dem ASVG, dem § 366 Abs. 1 GewO und nach § 143 BAO durch. Das als "Information über die durchgeführte Kontrollhandlung" bezeichnete Schreiben, in dem die Rechtsgrundlagen für die Kontrolle aufgelistet sind, wurde von dem im Betrieb anwesenden Herrn A. nicht übernommen.

Feststellungen, die zu einem Abgabenverfahren geführt hätten, wurden im Rahmen dieser Amtshandlung nicht getroffen.

In Bezug auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz wurde keine Person angetroffen, die den Kontrollorganen Auskünfte erteilen und Einblick in die Unterlagen gewähren konnte. In der Folge wurde von der Finanzpolizei wegen Verletzung der Verpflichtungen nach § 26 Abs. 1 AuslBG am Anzeige bei der Bezirksverwaltungsbehörde erstattet.

Mangels Vorliegens eines Abgabenverfahrens im Zusammenhang mit der beschwerdegegenständlichen Kontrollhandlung scheidet eine Akteneinsicht nach § 90 BAO aus. Für den Beschwerdeführer ist es in diesem Zusammenhang weder erforderlich abgabenrechtliche Interessen geltend zu machen oder zu verteidigen noch abgabenrechtliche Pflichten zu erfüllen.

Das Vorbringen, dass im Falle eines von der Finanzpolizei festgestellten Beschäftigungsverhältnisses der Beschwerdeführer als Arbeitgeber in Betracht käme und hierfür Abgaben zu bezahlen habe, geht insofern ins Leere, als bei der Bezirksverwaltungsbehörde nicht ein illegales Beschäftigungsverhältnis zur Anzeige gebracht worden ist, sondern dem Beschwerdeführer die Verletzung seiner Verpflichtungen aus § 26 Abs. 1 AuslBG vorgeworfen wurde. Der Beschwerdeführer vermochte auch kein konkretes aus der Kontrollmaßnahme sich ergebendes Abgabenverfahren zu benennen.

Nach § 17 Abs. 1 AVG können Parteien, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anders bestimmt ist, bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von den Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen.

Nach § 24 VStG gelten die Bestimmungen über die Akteneinsicht des AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren

Die Akteneinsicht setzt danach ein Verwaltungsverfahren bei der Behörde, der gegenüber die Einsicht begehrt wird, voraus, in dem der Auskunftswerber Parteistellung hat, also vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 17 Rz 2 (Sand , rdb.at) mit Hinweisen zur Rechtsprechung, insb. ).

Das den Beschwerdeführer betreffende Verwaltungsverfahren (Verwaltungsstrafverfahren wegen Nichterfüllung der Verpflichtungen nach § 26 Abs. 1 AuslBG) wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck geführt. Das Recht auf Akteneinsicht kann daher auch nur bei dieser Behörde bzw. zutreffendenfalls bei dem im Instanzenzug befassten Verwaltungsgericht geltend gemacht werden und umfasst auch die Ermittlungsergebnisse der Finanzpolizei. Dass die Finanzpolizei organisatorisch Organe der Abgabenbehörde sind, ändert an der im konkreten Fall für die Akteneinsicht zuständigen Behörde nichts.

Allfällige Verletzungen von Verfahrensvorschriften und damit auch eine allfällige unzulässige unvollständige Zurverfügungstellung von Akten und Aktenteilen im Rahmen der Akteneinsicht sind bzw. wären im betreffenden Verwaltungstrafverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck geltend zu machen gewesen. Ein darüber hinaus gehendes zusätzliches Recht auf Akteneinsicht beim Finanzamt bzw. bei der Finanzpolizei besteht mangels einer dem § 51 StPO vergleichbaren Regelung im AVG nicht.

Die Zurückweisung des Antrages auf Akteneinsicht durch das Finanzamt wegen Unzuständigkeit erfolgte daher zu Recht.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung setzt den rechtzeitigen Antrag des Beschwerdeführers voraus (§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO). Das Ersuchen eine Verhandlung anzuberaumen im die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom begründet keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung (vgl. ua). Im Hinblick darauf, dass im gegenständlichen Beschwerdefall nur eine Rechtsfrage zu klären war, hält der entscheidende Richter die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch von Amts wegen nicht für erforderlich.

Unzulässigkeit einer Revision.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbe-sondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ab. Das Bundesfinanzgericht konnte sich, soweit nicht ohnehin kein Zweifel an der Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen besteht, auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einem vergleichbaren Fall stützen, von der es nicht abgewichen ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.3100581.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at