Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2018, RV/7103076/2010

Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103076/2010-RS1
Von einer Kapitalerhöhung iSd § 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988 kann nur dann und insoweit gesprochen werden, als das nominelle Stammkapital erhöht wurde, nicht aber, wenn einer gesellschaftsrechtlichen Einzahlungsverpflichtung nachgekommen wurde.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. vertreten durch Weinberger & Höchtl Steuerberatung OG, Mariazeller Straße 150, 3100 St. Pölten, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vom , betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2008, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Bei der beschwerdeführenden GmbH (Bf.) fand eine auch das Jahr 2008 umfassende Außenprüfung statt. Aus Tz. 1 des darüber gemäß § 150 BAO erstellten Berichtes ist Folgendes zu entnehmen:

"Gewinnausschüttung 2008

Sachverhalt:
Mit Generalversammlungsbeschluß vom wurde im Jahr 2008 eine Gewinnausschüttung in Höhe von 82.500,- beschlossen und durchgeführt. Im Firmenbuch wurde am eine tatsächliche Kapitalerhöhung von 65.000,-- vermerkt und eingetragen.
Buchhalterisch wurde der gesamte Betrag von 82.500,- auf das Konto Stammkapital umgebucht. Die bis dato noch nicht einbezahlte Stammeinlage von 17.500,- wurde abgedeckt. Das neue Stammkapital wird in der Bilanz mit 100.000,- ausgewiesen. Die Gewinnausschüttung wurde nicht der Kapitalertragsteuer unterzogen.

Laut Prüfung:
Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch Gewährung von Freianteilen bezw. Gratisaktien (Kapitalberichtigung) nach dem Kapitalberichtigungsgesetz BGBl. Nr. 171/1967 ist nach § 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988 als steuerfreie Ausschüttung verbunden mit einer Wiederanlage in die Gesellschaft zu sehen.
Nach Ansicht der Prüfung verursacht die bloße Abdeckung der noch nicht voll einbezahlten Stammeinlage (StK alt 35.000,-) von 17.500,- keine tatsächliche Kapitalerhöhung.
Es werden keine neuen Anteile geschaffen. Die Gewinnausschüttung in Höhe von 17.500,- ist daher nicht steuerfrei und unterliegt der Kapitalertragsteuer von 25%. Die Kapitalertragsteuer von 4.375,- wird vorgeschrieben."

Gegen den aufgrund dieser Prüfungsfeststellung erlassenen Haftungsbescheid brachte die Bf. mit folgender Begründung Berufung (nunmehr Beschwerde) ein:

"1. Sachverhalt
Für das Jahr 2008 fand eine Betriebsprüfung bei der Bf. statt. Wie dem Betriebsprüfungsbericht über die Schlussbesprechung in der Teilziffer 1 zu entnehmen ist, wurde im Jahre 2008 eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt und das nominelle Kapital erhöht. Die Kapitalerhöhung wurde - wie von der Betriebsprüfung richtig festgestellt - von einem nominellen Stammkapital von € 35.000,00, davon einbezahlt € 17.500,00, auf € 0,00 nominell € 100.000,00, davon eingezahlt € 100.000,00, erhöht.

2. Berufungsbegründung
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 29 EStG ist die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln steuerfrei. Diese Bestimmung korrespondiert mit § 94 Z 9 EStG: Bei der Ausgabe von Anteilsrechten aufgrund einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln unterbleibt der Kapitalertragssteuerabzug.
Die Bestimmung im § 3 EStG ist im allgemeinen Teil „Steuerbefreiungen“ enthalten. Diese Bestimmung greift daher für alle Einkunftsarten. § 94 EStG ist bei den nichtbetrieblichen Einkunftsarten geregelt. Für diese Einkunftsarten gilt das Zu- und Abflussprinzip.
Es ist daher - unter der Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise
als Grundpfeiler der Bundesabgabenordnung - auf die tatsächlichen Zu- und Abflüsse abzustellen. Der Gesellschafter der Bf., ..., hat durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (von eingezahlt € 17.500,00 auf eingezahlt € 100.000,00) weder einen Zu- noch einen Abfluss getätigt.

Die Begünstigungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 29 EStG in Verbindung mit dem Kapitalberichtigungsgesetz hat als wirtschaftliche Zielsetzung die Stärkung der Eigenmittel und des Eigenkapitals von Kapitalgesellschaften. Genau dies ist erfolgt.

Im GmbH-Gesetz ist geregelt, dass auf Stammeinlagen 1/4 geleistet werden
muss, 3/4 können als ausstehende Einlage verbleiben. Das Mindeststammkapital, welches eingezahlt sein muss, beträgt € 17.500,00. Es wäre daher genauso vorstellbar, dass eine GmbH mit einem Stammkapital von € 70.000‚00 lediglich eine eingezahlte Stammeinlage von € 17.500,00 aufweist. Erfolgt hier eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln auf 100.000,00, so wäre bei einer Auslegung der Begünstigungsbestimmung des § 3 EStG lediglich ein Betrag von € 30.000,00 steuerfrei, der verbleibende Betrag von € 52.500,00 würde der Kapitalertragssteuer unterliegen. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise handelt es sich jedoch um den gleichen Vorgang wie bei der Bf., welcher jedoch zu einer unterschiedlichen Besteuerung führte.

3. Anträge
Es wird daher beantragt:
a) die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln für die tatsächliche Erhöhung als steuerfrei zu behandeln..."

Das Finanzamt legte die Berufung - damals zulässigerweise - ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem UFS vor.

Hingewiesen wird darauf, dass die am beim Unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind.

Nachdem der ursprünglich zuständige Richter verstorben war, wurde die Beschwerde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom mit Wirksamkeit vom dem nunmehr ausgewiesenen Richter übertragen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Prüfungsfeststellungen und ist unstrittig.

2. Rechtliche Würdigung

§ 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988 lautet:

"(1) Von der Einkommensteuer sind befreit:...

29. Der Erwerb von Anteilsrechten auf Grund einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln."

Wie die Bf. richtig ausführt, korrespondiert diese Bestimmung mit § 94 Z 9 EStG 1988, derzufolge bei der Ausgabe von Anteilsrechten auf Grund einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 3 Abs. 1 Z 29) der Abzugsverpflichtete keine Kapitalertragsteuer abzuziehen hat.

Die Kapitalberichtigung iSd KapitalberichtigungsG BGBl 1967/171 gilt steuerlich als zweistufiger Akt, nämlich als Ausschüttung an die Anteilsinhaber und in der Folge als Einlage gegen Gewährung von neuen Anteilen (wodurch ein Zufluss und ein Abfluss vorliegt). § 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988 stellt aber derartige Vorgänge steuerfrei.

Unbestritten ist allerdings, dass im Beschwerdefall das nominelle Stammkapital von € 35.000,00, davon aber nur einbezahlt € 17.500,00, auf nominell € 100.000,00 erhöht wurde. Von einer Kapitalerhöhung im hier vorliegenden Sinn kann aber nur dann und insoweit gesprochen werden, als das nominelle Stammkapital erhöht wurde, nicht aber, wenn einer gesellschaftsrechtlichen Einzahlungsverpflichtung nachgekommen wurde (sh. Jakom/Laudacher EStG, 2018, § 3 Tz 113).

Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass im Falle, dass zusätzlich zum einbezahlten Teil des nominellen Stammkapitals in Höhe von € 17.500,00 weitere € 17.500,00 zB durch Umwandlung von offenen Rücklagen aufgebracht werden, keine Rede davon sein kann, dass eine Kapitalerhöhung vorliegt; das Stammkapital ist vielmehr unverändert bei € 35.000,00 geblieben.

Auch Achatz/Kirchmayr, Körperschaftsteuergesetz, § 10 Rz 117, vertreten die Ansicht, dass auf das Nominalkapital abzustellen ist: "In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht basiert eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln („Kapitalberichtigung“) auf dem KapitalberichtigungsG (BGBl 1967/171). Gemäß § 2 Abs 3 KapitalberichtigungsG können im Jahresabschluss offen ausgewiesene Rücklagen einschließlich eines Gewinnvortrages in Nominalkapital umgewandelt werden, soweit ihnen nicht ein Bilanzverlust gegenübersteht. In Bezug auf gebundene Rücklagen sind die Beschränkungen des § 2 Abs 3 Satz 2 und Satz 3 KapitalberichtigungsG zu beachten. Es können sowohl Kapitalrücklagen als auch Gewinnrücklagen in Nominalkapital umgewandelt werden."

Somit kann die Begünstigung des § 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988 nur für den das bisherige Nominalkapital übersteigenden Teil greifen.

3. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall vor. Der Gesetzeswortlaut und die zitierten Literaturstellen sprechen zwar eindeutig dafür, dass eine Kapitalerhöhung insoweit nicht vorliegt, als einer gesellschaftsrechtlichen Einzahlungsverpflichtung nachgekommen wurde; höchstgerichtliche Judikatur zu diesem Thema ist aber nicht ersichtlich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Anmerkung
Entspricht Rz 306 EStR
Zitiert/besprochen in
Knesl/Knesl/Zwick in BFGjournal 2018, 369
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7103076.2010

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at