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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2018, RV/2101233/2017

Krankheitskosten der Ehegattin keine außergewöhnliche Belastung beim Ehegatten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der
Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde
vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Judenburg Liezen vom betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe betragen:

Einkommensteuer 2015:


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Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
21.675,04
Gesamtbetrag der Einkünfte
21.675,04
Sonderausgaben
-590,55
-4.318,11
Selbstbehalt
2.468,67
Einkommen
19.235,05
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
3.005,79
Pensionistenabsetzbetrag
-166,25
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
2.839,54
Steuer für die sonstigen Bezüge
178,93
Einkommensteuer
3.018,47
Anrechenbare Lohnsteuer
-3.887,15
Rundung
-0,32
Festgesetzte Einkommensteuer
-869,00

Die Fälligkeit ist der Lastschriftanzeige (Buchungsmitteilung) zu entnehmen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I.

Der Beschwerdeführer (Bf.) machte in der Einkommensteuererklärung 2015 unter der Kennzahl 730 eine außergewöhnliche Belastung in Höhe von 5.881,06 Euro (Krankheitskosten) geltend.

II.

Im angefochtenen Bescheid wurde die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung wegen fehlender Nachweise nicht anerkannt.

III.

In der Beschwerde vom machte der Bf. die o.a. Krankheitskosten nochmals steuerlich geltend. Laut Aufstellung setzt sich der Betrag zusammen aus Fahrtkosten (Kilometergeld) betr. die Ehegattin („mit [Ehegattin]“) in Höhe von 1.334,76 Euro, Fahrtkosten in eigener Sache in Höhe von 224,70 Euro und Arztkosten in eigener Sache: A  (A) in Höhe von 4.236,40 Euro und B (B) in Höhe von 85,20 Euro.

IV.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde unter der KZ 730 ein Betrag in Höhe von 4.511,31 Euro berücksichtigt, und zwar wurde der vom Bf. insgesamt geltend gemachte Betrag um die Fahrtkosten „mit [Ehegattin]“ (unter Hinweis auf die Höhe der Einkünfte der Ehegattin) sowie um erhaltene Kostenersätze gekürzt.

V.

Der Vorlageantrag vom richtet sich gegen die Streichung der o.a. Fahrtkosten „mit [Ehegattin]“. Laut Bf. betreffen diese Fahrtkosten Arzt- und Krankenhausbesuche.

VI.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor. Laut Finanzamt sei die Ehegattin am verstorben und hätten deren Einkünfte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum laut Lohnzettel der PVA 25.011,67 Euro betragen (kein Pflegegeldbezug, Behinderung: 60%). Eine Berücksichtigung der streitgegenständlichen Fahrtkosten „mit [Ehegattin]“ komme mangels rechtlicher Verpflichtung (mangels Unterhaltspflicht) des Bf. nicht in Betracht (die Ehegattin habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum sogar über höhere Einkünfte verfügt als der Bf.). Außerdem wären die vom Finanzamt bisher anerkannten Fahrtkosten des Bf. in eigener Sache zum Arzt (B) auf 128,10 Euro zu kürzen (falscher Zeitraum) und die bisher anerkannten Arztkosten (A) des Bf. in eigener Sache um 116,40 Euro (Abweichung des erklärten Betrages vom Betrag laut Beleg) zu berichtigen.

VII.

Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichts vom wurde der Bf. um eine Stellungnahme zum o.a. Vorlagebericht gebeten.

VIII.

Laut Vorhaltsbeantwortung vom sei die Ehegattin ab Herbst 2014 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr imstande gewesen, selbst ein Kfz zu lenken. Deshalb und auch aus sittlicher Verpflichtung habe der Bf. die angeführten Fahrten zu Ärzten und Krankenhäusern mit seinem PKW durchgeführt, wodurch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit [beeinträchtigt] worden sei. Die streitgegenständlichen Fahrten seien Besuchsfahrten im Zusammenhang mit einem plötzlich und unvorbereitet notwendigen Krankenhausaufenthalt gleichzusetzen, womit Zwangsläufigkeit gegeben sei. In der dem Finanzamt vorgelegten Aufstellung des Bf. seien von den 11 geltend gemachten Fahrten nach Graz 9 unter „mit [Ehegattin]“ erfasst, womit aber 1 fälschlicherweise dem Bf. zugeordnet worden sei. Die Honorarnote (A) vom werde nachgereicht. Nach Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens werde keine Arbeitnehmerveranlagung 2015 betreffend die Ehegattin mehr beantragt. Somit sei eine Geltendmachung der strittigen Fahrtkosten nur beim Bf. möglich, welchem die Kosten auch erwachsen seien.

IX.

Laut Stellungnahme des Finanzamts vom wären die im Vorlagebericht erwähnten Arztkosten (A) auf Grund der nachgereichten Unterlagen im beantragten (vollen) Ausmaß anzuerkennen.

Über die Beschwerde wurde Folgendes erwogen:

Strittig ist, ob die dem Bf. im Zusammenhang mit den o.a. Fahrten „mit [Ehegattin]“ erwachsenen Kosten bei diesem als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

1. Rechtsgrundlagen

§ 34 Abs. 1 EStG 1988 lautet:

Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

§ 34 Abs. 2 EStG 1988 lautet:

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

§ 34 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

§ 34 Abs. 4 EStG 1988 lautet:

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (…)

§ 34 Abs. 7 EStG 1988 lautet:

Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes: (…)

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen (…)

2. Sachverhalt
(vgl. Beschwerde; Vorlageantrag; Stellungnahme vom )

Unbestritten ist, dass der Bf. im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mit dem eigenen PKW seine erkrankte Ehegattin zu div. Ärzten und Krankenhäusern geführt hat. In diesem Zusammenhang sind ihm Fahrtkosten erwachsen.

3. Rechtliche Würdigung

3.1. Zwangsläufigkeit

Das Bundesfinanzgericht ist zur Auffassung gelangt, dass in Bezug auf die streitgegenständlichen Fahrtkosten „mit [Ehegattin]“ beim Bf. keine Zwangsläufigkeit gegeben ist, weil weder tatsächliche, rechtliche noch sittliche Gründe iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 vorliegen; dies aus folgenden Gründen:

3.1.1. Tatsächliche Gründe

Unter tatsächlichen Gründen iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 werden nach herrschender Rechtsauffassung Ereignisse verstanden, die unmittelbar den Steuerpflichtigen selbst betreffen (zB eigene Krankheitskosten etc.) (vgl. zB Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG (Stand , rdb.at), § 34 Tz 27, mwN).

Tatsächliche Gründe iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 scheiden hier daher aus.

3.1.2. Rechtliche Gründe

Rechtliche Gründe (ebenso wie sittliche Gründe) entspringen dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu anderen Personen. Sie können sich grundsätzlich aus dem Gesetz, einer vertraglichen Vereinbarung, einem Verwaltungsakt oder einem Urteil ergeben, doch darf die rechtliche Verpflichtung nicht auf einen freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein (vgl. zB Jakom/Vock EStG 2017, § 34 Rz 43, mwN). 

Eine rechtliche Verpflichtung iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 kann sich zB aus der (gesetzlichen) Unterhaltspflicht ergeben.

Nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 sind Unterhaltsleistungen nur insoweit absetzbar, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden - was bei den streitgegenständlichen Fahrtkosten offenbar der Fall ist.

Im vorliegenden Fall ist aber entscheidend, ob der Bf. zur Übernahme der Kosten verpflichtet war.

Von einer derartigen Verpflichtung des Bf. kann jedoch offenbar keine Rede sein. Die Gattin verfügte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nämlich über ausreichende, ja sogar höhere Einkünfte als der Bf., weshalb ihr die Kostentragung grundsätzlich auch zumutbar gewesen wäre (vgl. die dbzgl. Ausführungen im Vorlagebericht, wogegen der Bf. nichts vorgebracht hat).

Somit scheiden hier also auch rechtliche Gründe iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 aus.

3.1.3. Sittliche Gründe

Ebenso wie die Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann eine solche aus sittlichen Gründen nur aus dem Verhältnis zu anderen Personen erwachsen. Eine sittliche (ethische) Verpflichtung kommt in erster Linie gegenüber nahen Angehörigen bzw. Lebensgefährten in Betracht, soweit nicht ohnehin hinsichtlich dieses Personenkreises eine rechtliche Verpflichtung besteht (vgl. zB Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 34 (Stand: . rdb-at), Rz 31). Sittliche Gründe ergeben sich aus den Normenkreisen der Sittlichkeit bzw. der Sitte, wie sie im mitteleuropäischen Kulturbereich allgemein anerkannt sind. Der Steuerpflichtige darf sich der Leistung nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen nicht entziehen können (vgl. zB Jakom/Vock EStG, 2017, § 34 Rz 44, mwN).

Nach der Rechtsprechung wird in der Regel allerdings dort, wo im Falle einer Notlage eines nahen Angehörigen eine rechtliche Unterhaltsverpflichtung besteht, keine über das rechtliche Ausmaß hinaus gehende sittliche Verpflichtung bestehen (vgl. zB ; , mwN; , mwN; Jakom/Peyerl EStG, 2018, § 34 Rz 90 „Unterhalt“, mwN).

Laut , kann der Ehegatte nur im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung angehalten werden, Krankheitskosten (Arztkosten) für seine Ehegattin zu bezahlen; bezieht die Ehegattin eigene Einkünfte, so ist primär sie verpflichtet, diese Kosten abzudecken.

Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts sind die o.a. Grundsätze auch im vorliegenden Fall zu beachten.

Das führt aber zum Ergebnis, dass die Kostenübernahme durch den Bf. als sittlich nicht geboten anzusehen ist. Zwar ist es menschlich verständlich, dass der Bf. die streitgegenständlichen Fahrtkosten auf sich genommen hat; dies erfolgte jedoch freiwillig und nicht aus einer sittlichen Verpflichtung iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 heraus.

Somit scheiden hier also auch sittliche Gründe iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 aus.

3.1.4. Zusammenfassung

Die Tragung der streitgegenständlichen Fahrtkosten durch den Bf. stellt sich als das Ergebnis eines freiwilligen Verhaltens dar. Sie ist daher als nicht zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 anzusehen.

Inwiefern der vom Bf. relevierte Umstand, dass die streitgegenständlichen Kosten im Veranlagungsverfahren der Ehegattin nicht geltend gemacht wurden, an der o.a. Betrachtungsweise etwas ändern könnte, erschließt sich für das Bundesfinanzgericht nicht.

Abschließend wird die im Spruch ersichtliche Abweichung gegenüber der Beschwerdevorentscheidung noch erläutert wie folgt:

Aus der Erhöhung der Anzahl der Graz-Fahrten „mit [Ehegattin]“ von 9 auf 10 (vgl. Vorhaltsbeantwortung vom ) resultiert eine Verringerung der - als außergewöhnliche Belastung grundsätzlich anzuerkennenden - Fahrtkosten des Bf. in eigener Sache um 96,60 Euro (= 230 km x 0,42 ). Die - als außergewöhnliche Belastung grundsätzlich anzuerkennenden - Fahrtkosten des Bf. in eigener Sache sind außerdem auch noch um weitere 96,60 Euro (= 230 km x 0,42) zu kürzen, weil diese einen anderen Zeitraum betreffen (vgl. Vorlagebericht; Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom unter Hinweis auf den Vorlagebericht).

Somit ergibt sich insgesamt eine außergewöhnliche Belastung des Bf. (vor Abzug des Selbstbehalts) in Höhe von 4.318,11 Euro.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (insbes. Abweichen der Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Fehlen einer solchen Rechtsprechung, uneinheitliche Beantwortung der zu lösenden Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) zukommt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.2101233.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at