Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2018, RV/1100412/2016

Berufsausbildung im Sinne des FLAG

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/16/0164. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/1100073/2021 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin n1 in der Beschwerdesache bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt s1 vom betreffend Abweisung des Antrages vom 5. Feber 2016 auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Sohn n2 betreffend den Zeitraum bis zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Dem Antrag vom 5. Feber 2016 auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Sohn n2 betreffend den Zeitraum bis wird stattgegeben.

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers (BF) vom 5. Feber 2016 betreffend Gewährung der Familienbeihilfe für seinen namentlich genannten Sohn für den Zeitraum bis mit folgender Begründung abgewiesen:

"Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung genannten Voraussetzungen zu.

Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt:

  • Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung

  • Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung

  • Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung

  • das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht. Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.

Eine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) liegt nicht vor, wenn eine Integration in einen Betrieb bereits erfolgt ist, ein Nahebezug zum künftigen Arbeitsplatz gegeben ist und keine allgemein anerkannte Qualifikation erreicht wird."

Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde und führte wie folgt aus:

"Mein Sohn n2 absolviert ab dem die Grundausbildung für die Entlohnungsgruppe v2 beim Finanzamt s2. Für die Ausbildungsphase von 4 Jahren gebührt das Monatsentgelt entsprechend den Ansätzen des § 72 Abs. 1 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948. Erst nach Beendigung der Ausbildungsphase gemäß § 66 Abs. 2 VBG 1948 steht das volle Monatsentgelt nach § 71 VBG zuzüglich einer Funktionszulage nach § 73 VBG zu. Die Grundausbildung wird durch die Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über die Grundausbildung für die Bediensteten des Ressortbereiches (Grundausbildungsverordnung-BMF) BGBl. II Nr. 464/2015 geregelt. Mit der Grundausbildung wird Grund- und Überblickswissen vermittelt.

Das Erkennen von Zusammenhängen sowie das Kennenlernen der Organisationskultur des Ressorts bilden die Basis für eine Tätigkeit in einem der Verwaltungszweige Steuern, Zoll oder allgemeiner Dienst. Die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sind in einer kommissionellen Abschlussprüfung nachzuweisen. Analog zur Polizeigrundausbildung (BFG Anspruch auf Familienbeihilfe bei Absolvierung einer Polizeigrundausbildung (GZ. RV/5100538/2014) vom ) erfüllt die Grundausbildung der Finanzverwaltung die Kriterien eines anerkannten Lehrverhältnisses im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und hiezu ausgeführt:

"....

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 normiert, dass Familienbeihilfe zusteht, wenn ein Kind für einen Beruf ausgebildet oder in einer Fachschule weitergebildet wird und ihm durch den Schulbesuch die Ausübung eines Berufes nicht möglich ist.

Aus der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis wurden für die Beurteilung, ob eine Berufsausbildung (Berufsfortbildung) im Sinne des FLAG vorliegt, qualitative (anerkannte Einrichtung; nachvollziehbares, geregeltes Ausbildungsverfahren; Vermittlung von sowohl theoretischem, als auch praktischem Wissen; Überprüfung der Anwesenheit bzw. Anwesenheitspflicht; ernsthaftes und zielstrebiges Betreiben der Ausbildung; wenn es eine Wahlmöglichkeit gibt, ist die kürzere, kompakte Form einer Ausbildung zu wählen; regelmäßige Tests bzw. Prüfungen und/oder eine umfassende abschließende Prüfung des vermittelten Wissens; es soll die Spezialisierung für ein bestimmtes Berufsbild erfolgen, nicht jedoch die Vorbereitung/Einschulung auf einen bestimmten Arbeitsplatz; Ausbildungsziel muss demnach jedenfalls immer die Qualifikation für ein bestimmtes Berufsbild/einen bestimmten Beruf sein) und quantitative (Beanspruchung der "vollen Zeit" des Kindes,...) Kriterien herausgearbeitet.

§ 5 Abs. 1 FLAG 1967 sieht eine Einkommensgrenze im Hinblick auf eigene Einkünfte des Kindes vor, die zu einer Kürzung bzw. einem Wegfall der Familienbeihilfe führen. Eigene Einkünfte des Kindes bleiben bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Hinblick auf die genannte Einkommensgrenze außer Betracht, wenn es sich um Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis handelt. Ein "anerkanntes Lehrverhältnis" im Sinne § 5 Abs. 1 FLAG 1967 liegt im Sinne der Rechtsprechung des VfGH (, G09/94) bei einem, nach den einschlägigen Rechtsvorschriften anerkannten Ausbildungsverhältnis (Regelung durch generelle Normen) vor.

Der Bf führt aus, dass gemäß BFG die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) die Kriterien einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG erfüllt (GZ. RV/5100538/2014 vom ) und daher die Grundausbildung der Finanzverwaltung des Sohnes n2 auch die Kriterien einer Berufsausbildung iSd FLAG erfüllt.

Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung der Bundesministerien für Inneres, BGBl II 430/2006 idgF geregelt. Sie erfüllt die vom VfGH herausgearbeiteten Kriterien eines anerkannten Lehrverhältnisses im Sinne des § 5 Abs. 1 lit b FLAG. Der Ausbildungsbeitrag, welcher während der Absolvierung der Polizeigrundausbildung gebührt, ist als Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen.

Während der Dauer der Polizeigrundausbildung stehen die Polizeischüler in einem Sondervertragsverhältnis zum Bund (Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutive Ausbildung). In dieser Zeit erfolgt eine umfassende Ausbildung der Polizeischüler auf theoretischem und praktischem Gebiet, die den Großteil der Zeit des Auszubildenden in Anspruch nimmt, mit einer Abschlussprüfung endet und eine unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Polizeiberufes darstellt.

Im Gegensatz zur Polizeigrundausbildung wird im vorliegenden Fall ein Dienstverhältnis begründet. Die Ausübung des Berufes steht im Vordergrund. Bei der Grundausbildung handelt es sich grundsätzlich um die Vorbereitung/Einschulung auf einen bestimmten Arbeitsplatz. Während der Ausbildungsphase (2, 3, 4 Jahre - je nach Entlohnungsgruppe), wird ein Monatsentgelt gemäß § 72 VBG (entspricht rund 95 %) bezahlt und keine Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis iSd § 5 Abs. 1 FLAG. Die Grundausbildung geht grundsätzlich, nach erfolgreichem Abschluss der Prüfungen, automatisch in die Fachausbildung über und die Ausbildungsphase dauert an. Die Grundausbildung beim BMF ist mit Verordnung geregelt (Grundausbildungsverordnung-BMF, GAB-VO, Bundesgesetz BGBl. II Nr. 464/2015).

Die Grundausbildung der Finanzverwaltung erfüllt die quantitativen und qualitativen Elemente einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht. Die Beschwerde ist abzuweisen."

Mit am eingebrachtem Vorlageantrag wurde folgendermaßen begründend ausgeführt:

"Laut Beschwerdevorentscheidung vom kennzeichnen bestimmte Merkmale eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG.

In der folgenden Auflistung wird in Klammer dargelegt, wo sich diese Merkmale in der Finanzverwaltung finden.

qualitative Merkmale:

  • nachvollziehbares, geregeltes Ausbildungsverfahren (Ausbildungsverordnung BMF)

  • Vermittlung von theoretischem und praktischem Wissen (Theoriemodule BFA, praktische Ausbildung im Amt)

  • ernsthaftes und zielstrebiges Betreiben

  • regelmäßige Tests bzw. Prüfungen und eine umfangreiche Abschlussprüfung (BFA-Module, Dienstprüfung)

  • Spezialisierung für ein bestimmtes Berufsbild jedoch nicht für einen bestimmten Arbeitsplatz (Umlauf durch alle Abteilungen)

quantitative Merkmale:

  • Beanspruchung der vollen Zeit des Kindes (40h-Woche, Nebenbeschäftigung nur nach Genehmigung)

Entgegen der Angaben in der Beschwerdevorentscheidung erfüllt die Grundausbildung in der Finanzverwaltung also die Kriterien einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG. In der Grundausbildung wird zwar eine Zuordnung zu einem Team vorgenommen, es werden jedoch alle Abteilungen durchlaufen. Dabei wird ein Großteil der Ausbildungszeit in einem Betriebsveranlagungsteam verbracht, unabhängig davon, für welchen Arbeitsplatz eine Person vorgesehen ist. Weiters absolvieren alle Auszubildenden die idente theoretische Ausbildung (Kurse in der Bundesfinanzakademie und Schulungen im Amt), auch die Dienstprüfung nimmt keine Rücksicht darauf, für welche Tätigkeit (Innendienst, Außendienst) ein Ausbzubildender vorgesehen ist. Ein Auszubildender für die Finanzpolizei im Außendienst absolviert dieselbe Grundausbildung wie ein Betriebsprüfer oder ein Sachbearbeiter für den Innendienst. Somit kann keinesfalls von einer Einschulung auf einen bestimmten Arbeitsplatz gesprochen werden.

Während der Ausbildungsphase wird ein vermindertes Gehalt bezogen. Erst nach Beendigung der Ausbildungsphase gemäß § 66 Abs. 2 VBG 1948 steht das volle Monatsentgelt nach § 71 VBG zuzüglich einer Funktionszulage nach § 73 VBG zu. Eigene Einkünfte eines Kindes bleiben bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Hinblick auf die genannte Einkommensgrenze außer Betracht, wenn es sich um Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis handelt. Ein "anerkanntes Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 liegt im Sinne der Rechtsprechung des VfGH bei einem, nach den einschlägigen Rechtsvorschriften anerkannten Ausbildungsverhältnis (Regelung durch generelle Normen) vor.

Die Ausbildung von Lehrlingen im Allgemeinen ist vor allem im Berufsausbildungsgesetz (BAG) geregelt. Demnach sind Lehrlinge Personen, die auf Grund eines Lehrvertrages zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufes bei einem Lehrberechtigten fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung verwendet werden (§ 1 BAG).

Ein Lehrverhältnis wird nach der Verwaltungspraxis auch dann anerkannt, wenn es nach kollektiv- oder individualarbeitsrechtlichen Bestimmungen (wie Kollektivvertrag, Dienstvertrag, Ausbildungsvertrag) folgende Merkmale aufweist: genau umrissenes Berufsbild, im Allgemeinen eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren, berufsbegleitender Unterricht mit Abschlussprüfung (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 30j Rz 23).

Laut VfGH (GZ. RV/5100538/2014 vom ) erfüllt die Polizeigrundausbildung die Voraussetzungen eines Lehrverhältnisses. Die Entlohnung aus dem Ausbildungsverhältnis ist als Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit b FLAG anzusehen.

Begründet wird dies damit, dass in der Ausbildungszeit der Polizeischüler eine umfassende Ausbildung auf theoretischem und praktischem Gebiet absolviert wird. Diese nimmt den Großteil der Zeit des Auszubildenden in Anspruch, endet mit einer Abschlussprüfung und ist unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Polizeiberufes.

Diese Merkmale lassen sich - wie oben dargelegt - eins zu eins auf die Ausbildung in der Finanzverwaltung umlegen.

Somit beantrage ich im Sinne der Gleichbehandlung die Ausbildung in der Finanzverwaltung als Lehrverhältnis anzuerkennen und beantrage die Familienbeihilfe für meinen Sohn n2 für den Zeitraum 1/11 bis 8/12."

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Unbestritten steht fest, dass der Sohn des Beschwerdeführers laut Schriftsatz vom die Ausbildungsphase gemäß § 66 Abs. 2 VBG 1948 mit Ablauf des mit entsprechend entlohnungsrechtlicher Einstufung beendet hat. Laut Nachtrag zum Dienstvertrag der VB v/v2 wurde auch die entlohnungsrechtliche Einstufung ab diesbezüglich geändert.

Die Ausbildung des Sohnes erfolgte entsprechend der Grundausbildungsverordnung- (BGBl. II Nr. 464/2015).

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall,

  • ob eine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 vorlag und

  • ob es sich bei den vom Sohn des Beschwerdeführers erwirtschafteten Beträgen (Monatsentgelten) um Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis handelt.

Rechtliche Würdigung:

1. Vorliegen einer Berufsausbildung

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.

Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu in ständiger Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt, um das Vorliegen einer Berufsausbildung annehmen zu können. Ziel einer Berufsausbildung ist es demnach, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dabei muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Jede Berufsausbildung weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, die die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 35 mit Judikaturnachweisen; ; ).

Wie bereits mehrfach ausgeführt absolvierte der Sohn des Beschwerdeführers ab die Grundausbildung für die Entlohnungsgruppe v2 beim Finanzamt. Diese Ausbildung wird in der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über die Grundausbildung für Bedienstete des Ressortbereiches (Grundausbildungsverordnung-BMF) BGBl. II Nr. 464/2015 geregelt.

Das Finanzamt führt in seiner Beschwerdevorentscheidung selbst aus, welche Kriterien für das Vorliegen einer Berufsausbildung sprechen. Dabei werden qualitative und quantitative Elemente genannt.

Bei den qualitativen Kriterien werden folgende angeführt:

  • anerkannte Einrichtung

  • nachvollziehbares, geregeltes Ausbildungsverfahren

  • Vermittlung von sowohl theoretischem, als auch praktischem Wissen

  • Überprüfung der Anwesenheit bzw. Anwesenheitspflicht

  • ernsthaftes und zielstrebiges Betreiben der Ausbildung

  • bei Wahlmöglichkeit, ist die kürzere, kompakte Form einer Ausbildung zu wählen

  • regelmäßige Tests bzw. Prüfungen und/oder eine umfassende abschließende Prüfung des vermittelten Wissens

  • es soll die Spezialisierung für ein bestimmtes Berufsbild erfolgen, nicht die Vorbereitung/Einschulung auf einen bestimmten Arbeitsplatz

  • Ausbildungsziel muss die Qualifikation für einen bestimmtes Berufsbild/einen bestimmten Beruf sein;

Gemäß § 1 Abs. 1 des Abschnittes I (Anwendungsbereich und Ziele) der Grundausbildungsverordnung-BMF regelt diese Verordnung die Grundausbildung und Ausgestaltung der Dienstprüfung für alle Bediensteten im Bundesministerium für Finanzen und seinen Dienststellen, die auf Grund des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG) oder dienstvertraglicher Vereinbarungen zur Absolvierung einer Grundausbildung verpflichtet sind oder für die gemäß Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) der erfolgreiche Abschluss einer Grundausbildung als Ernennungs- oder Definitivstellungserfordernis vorgesehen ist.

In § 2 des Abschnittes I (Anwendungsbereich und Ziele) wird die Bekennung zu einem gesamthaften Bildungscurriculum angeführt, welches theoretische und praktische Qualifizierungsmaßnahmen umfasst, die mit der Grundausbildung beginnen und mit der Absolvierung von spezifischen Funktionsausbildungen und Weiterbildungsmaßnahmen (Stufenbau der Bildung) kontinuierlich fortgesetzt sowie im unterschiedlichen fachlichen und fachunabhängigen Ausprägungsstufen anhand definierter Anforderungen vertieft werden.

Die Module der Grundausbildung, die von Bediensteten des Allgemeinen Dienstes, der Steuerverwaltung und der Zollverwaltung zu absolvieren sind, befinden sich in der Anlage zu den "theoretischen und praktischen Lern- und Lehrinhalten" (siehe Seite 8 ff der VO).

Somit ist jedenfalls geklärt, dass es sich im hier vorliegenden Beschwerdefall laut zitierter Verordnung um eine anerkannte Einrichtung, ein nachvollziehbares, geregeltes Ausbildungsverfahren und die Vermittlung von theoretischem und praktischem Wissen etc. handelt. Die Anwesenheit ist Dienstpflicht und wird daher nicht in Zweifel gezogen. Auch ein ernsthaftes und zielstrebiges Betreiben der Ausbildung liegt aufgrund der Einhaltung der vierjährigen Grundausbildungspflicht und -dauer (siehe vorgelegtes Schreiben betreffend Beendigung der Ausbildungsphase vom ) vor. Die Ausbildungszeit und -methode bzw. die Form der Ausbildung war laut Verordnung vorgegeben. Auch die Ablegung (elektronischer) Teilprüfungen bzw. schriftlicher und mündlicher kommissioneller Abschlussprüfungen ist in der Verordnung auf den Seiten 8 ff fixiert, und wurden diese unbestrittenermaßen vom Sohn des Beschwerdeführers erfolgreich absolviert. Aus der Verordnung geht auch hervor, dass es sich um die Spezialisierung für ein bestimmtes Berufsbild handelt und nicht um die Vorbereitung bzw. Einschulung auf einen bestimmten Arbeitsplatz. Wie der Beschwerdeführer treffend in seinem Vorlageantrag vom ausführt, fand ein Umlauf durch alle Abteilungen statt. Das heisst aber auch, dass der Sohn nicht nur für einen bestimmten Arbeitsplatz vorbereitet bzw. eingeschult wurde.

Auf die weiteren Darstellungen in den Schriftsätzen des Beschwerdeführers wird verwiesen.

Beim quantitativen Kriterium, wurde die Beanspruchung der "vollen Zeit" des Kindes genannt. Laut Angaben des Beschwerdeführers wurde die volle Zeit des Sohnes beansprucht, indem von einer 40h-Woche auszugehen ist. Nebenbeschäftigungen sind nur nach Durchführung eines Genehmigungsverfahrens möglich. Dies blieb seitens des Finanzamtes unbestritten.

Das Finanzamt hat sich in seinen Beschwerdeausführungen inhaltlich nicht im Detail mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers beschäftigt, sondern lediglich darauf verwiesen, dass im vorliegenden Fall ein Dienstverhältnis begründet worden sei. Hiebei würde die Ausübung des Berufes im Vordergrund stehen. Bei der hier vorliegenden Grundausbildung handle es sich um die Vorbereitung/Einschulung auf einen bestimmten Arbeitsplatz. Das Finanzamt führt weiters aus, dass die Grundausbildung nach erfolgreichem Abschluss der Prüfungen automatisch in die Fachausbildung übergeht, und die Ausbildungsphase andauere.

Die unbegründete Rechtsansicht des Finanzamtes, dass hier die Ausübung des Berufes im Vordergrund stünde sowie die vorliegende Grundausbildung eine Vorbereitung bzw. Einschulung auf einen bestimmten Arbeitsplatz sei, kann vom Bundesfinanzgericht aufgrund des bisherigen Vorbringens und Sachverhaltes nicht nachvollzogen werden.

Das Bundesfinanzgericht schließt sich daher der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers in seinen Schriftsätzen an.

2. Vorliegen von Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis

Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG 1967 in der bis anzuwendenden Fassung des BGBl I 111/2010 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem es ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) bezogen hat, das den Betrag von 10.000 € übersteigt. Dabei bleiben bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes unter anderem Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis außer Betracht (lit. b leg. cit.).

Wie bereits vom Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung vom selbst ausgeführt liegt ein "anerkanntes Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , G 98/94, dann vor, wenn es sich um ein nach den einschlägigen Rechtsvorschriften anerkanntes Ausbildungsverhältnis (Regelung durch generelle Normen) handelt.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit diesem Erkenntnis in § 5 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. 376, idF BGBl. 550/1979, das Wort "gesetzlich" als verfassungswidrig aufgehoben. Die bis dahin erfolgte Einschränkung der nicht beihilfenschädlichen Bezüge des Kindes auf bloß "gesetzlich" anerkannte Lehrverhältnisse wurde als verfassungswidrig erkannt. Der Verfassungsgerichtshof sprach von "Ausbildungsverhältnissen" und beurteilte in seinen Erwägungen bei der Auslegung zu § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht "Lehrverhältnisse" im engen Sinne des Berufsausbildungsgesetzes. Dies war geboten, weil unter "Lehrverhältnissen" im Sinne des FLAG nur solche verstanden werden konnten, die unter den Anwendungsbereich des Berufsausbildungsgesetzes fielen. Diese Einschränkung wurde vom Verfassungsgerichtshof als unsachlich und somit verfassungswidrig erachtet. Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis ist unter einem "anerkannten Ausbildungsverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht jedes privatrechtlich zulässige, sondern nur ein durch generelle Normen geregeltes zu verstehen. Unter einem "anerkannten Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist ein "anerkanntes Ausbildungsverhältnis", welches durch generelle Normen wie z.B. Gesetze oder Verordnungen geregelt ist, zu verstehen.

Wie bereits mehrfach ausgeführt ist im hier vorliegenden Beschwerdefall die Grundausbildung für die Bediensteten des Ressortbereiches durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen (GAB-VO, BGBl. II Nr. 464/2015) umfassend geregelt. Das heisst aber auch, dass die vom Verfassungsgerichtshof angegebenen Voraussetzungen für das Vorliegen eines "anerkannten Ausbildungsverhältnisses" gegeben sind.

Die vom Sohn des Beschwerdeführers bezogenen Entgelte fallen damit unter die Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967. Der Grenzbetrag von € 10.000,00 wurde daher nicht überschritten.

Das Finanzamt beschränkt sich in seinen Ausführungen lediglich darauf, dass während der Ausbildungsphase ein Monatsgehalt gemäß § 72 VBG bezahlt werde, welches rund 95 % des "normalen" Gehaltes entspricht, und deshalb keine Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis iSd § 5 Abs. 1 FLAG vorliegt.

Allein der Hinweis auf das Vorliegen einer bestimmten Höhe des bezahlten Monatsentgeltes vermag aber nicht, die Rechtsansicht und das Vorbringen des Finanzamtes zu begründen und zu bejahen.

Die Beschwerde war somit erfolgreich und es war - wie im Spruch ausgeführt - zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfrage, ob im vorliegenden Beschwerdefall eine Berufsausbildung vorliegt, wurde auf Grundlage der bereits umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung beurteilt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichshofes nicht ab.

Der Frage, was unter einem "anerkannten Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG zu verstehen ist, kommt zwar grundsätzliche Bedeutung zu, diese Frage wurde jedoch bereits mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 98/94, gelöst.

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Familienbeihilfenbezug
Berufsausbildung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.1100412.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at