Hälftesteuersatz bei Betriebsaufgabe, wenn einer von zwei Gesellschaftern einer OG stirbt und das Gesellschaftsvermögen durch Anwachsung auf den verbleibenden Gesellschafter übergeht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R in der Beschwerdesache Bf, Adr, vertreten durch Stb, W, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer 2013 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Mit Gesellschaftsvertrag vom gründete der Beschwerdeführer (Bf.) zusammen mit seinem Halbbruder E die Name OHG (nunmehr Name OG).
Der Gesellschafter E ist am T.M.2012 verstorben.
Mit Schreiben vom gab der steuerliche Vertreter der Name OG dem Finanzamt bekannt, dass die OG vom verbleibenden Gesellschafter, Herrn Bf, fortgeführt worden sei. Das Gesellschaftsvermögen sei im Wege der Anwachsung auf den letzten Gesellschafter, Herrn Bf, übergegangen und die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb seien ab dem zur Gänze ihm als Einzelunternehmer zuzurechnen.
Im Beschwerdejahr 2013 erklärte der Bf. einen Veräußerungsgewinn iHv 266.130,14 € und beantragte für Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 139.785,67 € den Hälftesteuersatz.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 vom gewährte das Finanzamt den Hälftesteuersatz lediglich für Einkünfte iHv 69.892,84 € und begründete dies wie folgt:
"Für Veräußerungsgewinne steht der ermäßigte Steuersatz nur über Antrag und nur dann zu, wenn seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahre verstrichen sind. Da dies nur auf die 50% Beteiligung ab 2006 zutrifft, konnte der ermäßigte Steuersatz nur fur die Hälfte berücksichtigt werden."
Mit Schreiben vom 14. Juli 20105wurde gegen obigen Bescheid Beschwerde eingebracht und wie folgt ausgeführt:
"Unsere Beschwerde richtet sich gegen den teilweise verwehrten Hälftesteuersatz, welcher in der Begründung abgelehnt wurde. Das Finanzamt ist davon ausgegangen, dass Herr Bf den Anteil in Höhe von 50% an der Name OG von der Verlassenschaft nach E entgeltlich erworben hat.
Hierzu führen wir wie folgt aus:
1. Das Beteiligungsverhältnis der Name OG war zu je 50% den Gesellschaftern zuzurechnen.
2. Wie bereits am dem Finanzamt mitgeteilt wurde, ist der Gesellschafter E am T.M.2012 verstorben.
3. Wie aus den Bilanzen ersichtlich ist, ist die OG durch ihren laufenden Betrieb überschuldet und weist ein negatives Eigenkapital aus. Es ist somit nicht möglich einen positiven Verkehrswert des Betriebes darzustellen.
4. Bis zum heutigen Datum gibt es keinen Eintritt der Erben in die OG. Des Weiteren hat Herr Bf kein Entgelt an die Erben für die Übernahme der zweiten Hälfte an der OG bezahlt.
5. Die Verlassenschaft nach E wurde bis heute nicht abgeschlossen. Die Verteilung des Erbes nach E ist noch ausständig.
6. Herr Bf ist der Ansicht, dass den Erben keinen Anspruch auf Abtretung der OG-Anteile zusteht und somit kein Entgelt an die Erben bezahlen muss.
Wir beantragen die Anwendung des Häftesteuersatzes auf den Gesamtbetrag der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wie bereits in der Steuererklärung deklariert wurde."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wie folgt ausgeführt:
"Der Hälftesteuersatz gem. §37 ESTG steht bei sukzessivem Erwerb von MU-Anteilen nur dann zu, wenn für die einzelnen Anteile im Zeitpunkt des Erwerbes der Fristenlauf von sieben Jahren seit Eröffnung oder letztem entgeltlichen Erwerb erfüllt ist.Sie haben ab dem Jahr 2010 (und 2011) einen Anteil von 80% gehalten, für den beim Verkauf im Jahre 2013 die Frist noch nicht abgelaufen war.Der Hälftesteuersatz fur diese 30% kann also nicht in Anspruch genommen werden.
Bezüglich der verbleibenden 20% ist,da die Einantwortung noch nicht erfolgt ist nicht klar, wer der Erbe sein wird und daher hat ihr Eigentumsanspruch an diese Anteile auch noch keinen Rechtsgrund. Sollten sie diese 20% im Erbwege zugesprochen erhalten, wäre , da sie unentgeltlich erworben waren und die Vorbesitzzeit des letzten entgeltlichen ERwerbers angerechnet wird,die Begünstigung möglich. In diesem Fall könnte bei Benachrichtigung des Finanzamtes von der erfolgten Einantwortung eine Wiederaufnahme erfolgen."
Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt und zur Begründung auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen. Zur Beschwerdevorentscheidung sei anzumerken, dass das Beteiligungsverhältnis an der Name OG zu je 50% den beiden Gesellschaftern zuzurechnen war. Weiters habe die Abgabenbehörde keinerlei Argumente vorgebracht, worin die Entgeltlichkeit bestehe. Die Behörde habe gem. § 115 (3) BAO auch zugunsten des Abgabepflichtigen zu ermitteln.
Mit Schreiben des wurde der Bf. um Vorlage des Gesellschaftsvertrages betreffend die Name OG ersucht. Weiters wurde er im Hinblick auf die dem BFG vorliegenden Unterlagen (Auszug aus dem AIS), wonach er in den Jahren 2010 und 2011 einen von der Beteiligung abweichenden Gewinnanteil erklärt hat, um Vorlage der zu Grunde liegenden Vereinbarung gebeten.
Mit Schreiben vom übermittelte der Bf. dem BFG den Gesellschaftsvertrag und gab wie folgt bekannt:
"Zu der veränderten Gewinnverteilung kam es einer Aktennotiz zufolge der eine Besprechung mit meinem Halbbruder E vorausging. Herr E hatte sich bereits 2007 aus dem operativen Bereich innerhalb der OHG zurückgezogen und ging mit Jänner 2008 in die Alterspension. Da nun der gesamte operative Bereich von mir zu erledigen war, haben wir dies in beidseitigem Einverständnis beschlossen."
Mit Eingabe vom wurde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Mit Gesellschaftsvertrag vom gründete der Beschwerdeführer (Bf.) zusammen mit seinem Halbbruder E die Name OHG. Gegenstand dieser Gesellschaft war gem. Pkt. I. des Gesellschaftsvertrages der Betrieb der von den Vertragsparteien gepachteten, aus den Lokalen "A" und "B" bestehenden gastronomischen Unternehmung.
Gem. Pkt. V. des Gesellschaftsvertrages gelten, soweit in diesem Vertrag keine abweichende Regelung getroffen wurde, die Bestimmungen der §§ 105 ff. HGB. Von diesen abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, sofern sie nicht schriftlich getroffen wurden oder werden.
Der Gesellschafter E ist am T.M.2012 verstorben. Nach dessen Ableben wurde der Betrieb vom verbleibenden Gesellschafter Bf als Einzelunternehmen fortgeführt. Das Gesellschaftsvermögen ging im Wege der Anwachsung auf den letzten Gesellschafter über und die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb wurden ab dem zur Gänze Bf zugerechnet.
In den Jahren bis 2009 wurde den Gesellschaftern ein Gewinn-/Verlustanteil von je 50% zugerechnet, in den Jahren 2010 und 2011 erfolgte die Verteilung im Verhältnis 80% (Bf.) zu 20% (E). Laut Vorbringen des Bf. wurde nach Zuerkennung der gesetzlichen Alterspension an den Gesellschafter E mit Jänner 2008 der gesamte operative Geschäftsbereich vom Bf. erledigt, weshalb es in den Jahren 2010 und 2011 zu einer abweichenden Gewinn-/Verlustverteilung gekommen war.
Anlässlich der Betriebsaufgabe im Jahr 2013 beantragte der Bf. die Gewährung des Hälftesteuersatzes für Einkünfte iHv 139.785,67 €. Das Finanzamt berücksichtigte den ermäßigten Steuersatz nur für die Hälfte der Einkünfte iHv 69.892,84 €. Strittig ist, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung des § 37 Abs 5 EStG (Hälftesteuersatz) vorliegen.
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den im Akt des FA befindlichen Unterlagen sowie aus dem Ergebnis der ergänzenden Erhebungen durch das BFG.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1988 ermäßigt sich der Steuersatz für außerordentliche Einkünfte (Abs. 5) auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes.
Gemäß Abs 5 leg. cit. sind außerordentliche Einkünfte Veräußerungs- und Übergangsgewinne, wenn die Betriebsveräußerung oder –aufgabe aus folgenden Gründen erfolgt:
[.……]
3. Der Steuerpflichtige hat das 60. Lebensjahr vollendet und stellt seine Erwerbstätigkeit ein. Eine Erwerbstätigkeit liegt nicht vor, wenn der Gesamtumsatz aus der ausgeübten Tätigkeit 22.000 Euro und die gesamten Einkünfte aus den ausgeübten Tätigkeiten 730 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen.
Für Veräußerungs- und Übergangsgewinne steht der ermäßigte Steuersatz nur über Antrag und nur dann zu, wenn seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahre verstrichen sind.
Gemäß § 131 Z 4 UGB wird die offene Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst, sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt.
Gem. § 142 Abs. 1 UGB erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation, wenn nur noch ein Gesellschafter verbleibt. Das Gesellschaftsvermögen geht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über.
Durch das Ausscheiden eines von zwei Gesellschaftern aus der OG geht das Unternehmen ohne Liquidation mit seinen Aktiven und Passiven auf den verbleibenden Gesellschafter über; das bisherige Gesamthandeigentum an der Gesellschaft wird dadurch Eigentum in der Hand des Übernehmers. Dies führt zu einer Gesamtrechtsnachfolge des Übernehmers im Wege der Anwachsung (vgl. mwN.).
Scheidet somit aus einer solchen Gesellschaft, die nur aus zwei Gesellschaftern besteht, einer der Gesellschafter aus und macht der andere das ihm - sei es durch Gesetz (§ 142 UGB), sei es durch Vertrag - eingeräumte Recht auf Übernahme des Unternehmens geltend, so geht das bestehende Gesamthandeigentum der Gesellschaft in das Alleineigentum des verbleibenden Gesellschafters über (vgl. , verstärkter Senat, , und ).
Im gegenständlichen Fall enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung für den Fall des Todes eines Gesellschafters, sodass das Gesellschaftsvermögen gemäß § 142 UGB an den Bf. als verbleibenden Gesellschafter übergegangen ist. Der Bf. hat somit kraft Gesetzes als Gesamtrechtsnachfolger das Eigentum am Vermögen der OG erworben, ohne dass es eines Übertragungsaktes bedurft hätte.
Eine Anwachsung nach § 142 UGB (vormals § 142 HGB) stellt eine zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge dar, die zur Vollbeendigung der Gesellschaft führt. Nach § 19 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über (; ).
Den Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung, dass der Bf. ab dem Jahr 2010 einen Unternehmensanteil von 80% gehalten hat und dass im Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebes für einen Anteil von 30% die Frist von sieben Jahren seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang noch nicht abgelaufen war, liegt offenbar die Annahme zugrunde, dass der Bf. einen Anteil von 30% entgeltlich erworben hat. Für diese Annahme bietet die Aktenlage keinen Anhaltspunkt. Ausgehend von den in den Verwaltungsakten einliegenden Unterlagen, den Ausführungen der steuerlichen Vertretung in der Beschwerde und den Angaben des Bf. haben sich die Beteiligungsverhältnisse bis zur Auflösung der OG nicht geändert, jedoch wurden in den Jahren 2010 und 2011 den beiden Gesellschaftern Vergütungen in unterschiedlichen Höhen zugewiesen. Dies wurde damit begründet, dass sich der Gesellschafter E nach Erreichen der Alterspension aus dem operativen Geschäftsbereich zurückgezogen hat und somit die Gesellschafter nicht mehr in gleichem Ausmaß zur Mitwirkung verpflichtet waren.
Da die (bloße) Anwachsung keinen entgeltlichen Erwerb durch den Bf. als verbliebenen Gesellschafter bewirkt, sondern ein unentgeltlicher Erwerbsvorgang vorliegt, war die in § 37 Abs 5 Z 3 EStG 1988 normierte Frist von sieben Jahren im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung im Jahr 2013 bereits verstrichen. Das Finanzamt hat daher den beantragten Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs 5 Z 3 EStG 1988 zu Unrecht nicht zur Anwendung gebracht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Frage des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 37 Abs. 5 EStG 1988 für eine begünstigte Besteuerung entscheidungserheblich sind, sind sie durch die im gegenständlichen Erkenntnis angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend geklärt. Ob die Siebenjahresfrist im Zeitpunkt der Veräußerung bereits verstrichen war, ist eine auf Sachverhaltsebene zu beurteilende Frage.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 37 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 131 Z 4 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897 § 142 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897 |
Schlagworte | Gesamtrechtsnachfolge Anwachsung Sieben-Jahres-Frist Auflösung einer OG |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Fuchs in AFS 2018/3, 109 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7104668.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at