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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.04.2018, RV/5100955/2013

Zufluss bedingter und unbedingter Kündigungsentschädigung bei Kündigung aufgrund Konkurses des Arbeitgebers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter in der Beschwerdesache über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Einkommensteuer 2009 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

[...]

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Darstellung des verwaltungsbehördlichen Verfahrens:

Für Beschwerdeführerin wurde entsprechend der elektronischen Abgabenerklärung vom der Einkommensteuer 2009 (Arbeitnehmerveranlagung) am erstellt.

Gegen diesen Bescheid wandte sich die Beschwerdeführerin mit Beschwerde (zum damaligen Zeitpunkt „Berufung“ nach § 243 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 194/1961, nunmehr gemäß § 323 Abs. 38 BAO idF. BGBl. I Nr. 13/2014 beim Bundesfinanzgericht als „Beschwerde“ zu behandeln) datiert vom zur Post gegeben am .

Darin brachte sie erstens vor, dass sie von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin der Firma A GmbH lediglich ein Bruttogehalt von € 19.592,48 erhalten habe. Auf dem (der Finanzverwaltung übermittelten) Lohnzettel für den Zeitraum 3. März bis sei der gesamte ihr theoretisch gegenüber ihrer Arbeitgeberin bestehende Lohnanspruch aufgeführt. Tatsächlich sei jedoch ein Teil davon, nämlich € 4.165,94 für den Zeitraum 1. November bis , nicht mehr von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin sondern vom "Insolvenzfond" ausbezahlt worden.

Zweitens habe das Finanzamt das Finanzamt die bedingte Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 2. bis (in Höhe von 922,23) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Teil der vom Insolvenz-Entgelt-Fonds Service GmbH bezahlten brutto € 5.629,55 im Jahr 2009 der Versteuerung unterzogen.

Arbeitsrechtlich gelte eine bedingte Kündigungsentschädigung als Schadenersatz und  werde diese nur fällig, wenn der Arbeitnehmer trotz entsprechender Bemühungen kein ausreichendes Entgelt (vom Arbeitgeber) erhalte. Sie könne daher vollen Schadenersatz, bei Totalausfall, oder Teilersatz, bei geringerem erhaltener Entschädigung, bedeuten und werde daher erst dann schlagend, wenn feststehe, dass diese Bedingung eingetreten sei. Die Fälligkeit könne bei der Beschwerdeführerin nur im Jahr 2010 liegen.

Bei den von der Insolvenz-Entgelt-Fonds Service GmbH als Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 1. Januar bis ausbezahlten brutto € 4.707,32 handle es sich ebenfalls um eine Kündigungsentschädigung, welche für das Jahr 2010 ausbezahlt worden sei und daher erst im Jahr 2010 zu versteuern seien.

Beigelegt waren Unterlagen über die von der Beschwerdeführerin angemeldeten Konkursforderungen bei der ehemaligen Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin als Gemeinschuldnerin und (Teil-) Bescheide der Insolvenz-Entgelt-Fonds Service GmbH datiert vom , und zwei Lohnzettel der ehemaligen Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin über den Zeitraum 3. März  bis .

In der Berufungsvorentscheidung datiert vom wurde vom Finanzamt dem Beschwerdebegehren der Beschwerdeführerin teilweise stattgegeben und der angefochtene Einkommensteuerbescheid insoweit abgeändert, als die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um € 1.994,39, nämlich beim zweiten Lohnzettel der Firma A GmbH (von steuerpflichtigen Bezügen € 15.017,07 auf 13.022,68) reduziert wurden.

Dies begründete das Finanzamt mit den Worten:

"Zahlungen aus dem Insolvenzverfahren sind grundsätzlich dem Kalenderjahr zuzuordnen, in dem der Anspruch entsteht. Beendigungsansprüche entstehen aber mit dem (arbeitsrechtlichen) Ende des Dienstverhältnisses. Dieses ist daher für die Zuordnung der Bezüge zum Kalenderjahr maßgeblich (betreffend Abfertigungen, Urlaubs-
ersatzleistungen und Kündigungsentschädigungen). Die Fälligkeit (insbesonders bei
bedingter Kündigungsentschädigung) ist dabei nicht relevant. Da im vorliegenden
Fall das arbeitsrechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses der gewesen
ist, fallen daher auch die Ansprüche auf bedingte Kündigungsentschädigung in
das Steuerjahr 2009, eine Änderung der Lohnzetteldaten hat daher schon seitens
des IEF nicht durchgeführt werden können
."

Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin mit Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz (nunmehr als Antrag auf Vorlage an das Bundesfinanzgericht zu behandeln; siehe oben) datiert vom , zur Post gegeben am .

Darin begehrte die Beschwerdeführerin € 922,00 (wohl gemeint brutto € 922,23) an bedingter Kündigungsentschädigung dem Jahr 2010 zuzuordnen und begründete dies damit, dass § 19 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988)  zu den Nachzahlungen aus dem "Insolvenzfonds" anführe, dass diese in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelten, für welches der Anspruch bestehe. Damit sei nicht die Anspruchsentstehung nach dem IESG (Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, BGBl. Nr. 324/1977) gemeint. Denn durch die Gesetzesänderung im Jahre 2005 (AbgÄG 205, BGBl. I 2005/161) habe vermieden werden sollen, dass es, wie bis dahin, zu einer Zurechnung in nur einen bestimmten Zeitpunkt komme. Dies würde, ja aufgrund der Progressionswirkungen, teilweise zu erheblichen Nachforderung in nur einem Jahr
führen. Der Gesetzgeber habe vielmehr eine sachgerechte Verteilung der Zahlungseingänge beabsichtigt. Die Ansicht der Finanzverwaltung alle
Ansprüche, also auch das laufende Entgelt, welche bereits vor der Konkurseröffnung nicht mehr ausbezahlt worden seien, einem einzigen Zeitpunkt, der Eröffnung des Konkursverfahrens zuzurechnen, entspreche nicht dem Sinn des geänderten § 19
Abs. 1 EStG 1988. Wann ein Anspruch nach § 1 Abs. 5 IESG entstehe sei daher für die zeitliche steuerliche Zuordnung unerheblich. Dies gehe schon aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 hervor, der abstelle, wann eine Anspruch "bestehe" und nicht wann er "entstehe".  Der Zurechnungszeitpunkt könne sich bei einer bedingten Kündigungsentschädigung nur aus den arbeitsrechtlichen Bestimmungen § 29 AngG beziehungsweise § 1162b ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811) ergeben, da sich hier die Regelung über die Ansprüche bei einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses befinden. Diese würden fest legen, dass eine bedingte Kündigungsentschädigung nur unter der Bedingung fällig werde, dass der Arbeitnehmer trotz entsprechender Bemühungen im Zeitraum des bedingten Schadenersatzes (also der bedingten Kündigungsentschädigung) kein ausreichendes Entgelt erhalte. Die Fälligkeit und somit der Anspruchsentstehungszeitpunkt des § 19 EStG 1988 könne sich daher nur auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung beziehen, da wenn die Bedingung nicht erfüllt werde, eine bedingte Kündigungsentschädigung nicht zustehe und es zu keinem Einnahmenzufluss komme. Der Argumentation der Finanzverwaltung, dass eine Zuordnung der Einnahmen unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten, welche den Anspruchszeitpunkt mit dem Eintritt einer Bedingung verbindet, der Gesetzeslage deshalb widerspreche, da mit der Neuregelung durch das Abgabenänderungsgesetz 2005 vom vorher geltenden Zuflussprinzip bei Nachzahlungen im Insolvenzverfahren abgegangen worden sei, könne die Beschwerdeführerin nicht folgen, da jene arbeitsrechtlichen Bestimmungen nicht auf den Zuflusszeitpunkt abstellen würden.

Beweiswürdigung und sich daraus ergebender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Der im Folgenden festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem miteinander nicht in Widerspruch stehenden Vorbringen der Beschwerdeführerin und den vorgelegten Aktenteilen des Finanzamtes sowie dem Einblick in die Datenbanken der Finanzverwaltung.

Die Beschwerdeführerin war bei ihrer Arbeitgeberin, der A GmbH, seit angestellt. Dieses Arbeitsverhältnis endete am durch Austritt gemäß § 25 KO (Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914). Dabei war eine vertragliche Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsletzten vorgesehen. Am war über die ehemalige Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin der Konkurs eröffnet worden.

Von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin hat die Beschwerdeführerin im Jahr 2009 für den Zeitraum vom 1. bis brutto € 1.950,00 (€ 1.569,13 an steuerpflichtigen Bezügen) und für den Zeitraum vom 3. März bis  € 17.592,48 an Bruttolohn tatsächlich erhalten, was € 13.022,68 an steuerpflichtigen Bezügen entspricht. Dies wurde auch so richtig schon in der Berufungsvorentscheidung datiert vom so berücksichtigt.

Die Insolvenz-Entgelt-Fonds Service GmbH hat der Beschwerdeführer brutto € 13.447,96, also an steuerpflichtigen Bezügen für das Jahr 2009 € 8.854,56, bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für einen Bezugszeitraum von einem Tag dem zugerechnet.

Die von der als IAF Service GmbH (Insolvenz-Ausfallgeld-Fond um Jahr 2008 umbenannt in Insolvenz-Entgelt-Fond) übermittelten Lohnzettel nennen ebenfalls für den  ein Bruttoentgelt von € 922,23 (steuerpflichtige Bezüge € 627,63) und für den ein Bruttoentgelt  von € 3.019,36 (steuerpflichtige Bezüge: € 2.003,16).

Rechtslage und rechtliche Erwägungen:

Entsprechend § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde
zu legen, das der Steuerpflichtige in einem Kalenderjahr bezogen hat. Dies ist nach § 2
Abs. 2 EStG 1988 der Gesamtbetrag der in § 2 Abs. 3 EStG 1988 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35 EStG 1988) sowie der Freibeträge nach den §§ 104, 105 und 106a EStG 1988.

Dazu gehören auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, also nach § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 vor allem die Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis, aber entsprechend § 25 Abs. 1 Z 1 lit. e EStG 1988 auch das Insolvenz-Entgelt, das durch den Insolvenz-Entgelt-Fond ausgezahlt wird.

§ 2 Abs. 4 Z 2 iVm. § 2 Abs. 3 EStG 1988 sieht vor, dass bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 EStG 1988 die Einkünfte als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nach den §§ 15 und 16 EStG 1988 zu ermitteln ist.

In § 69 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 wird bestimmt, dass bei Auszahlung von Insolvenz-Entgelt durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds " die auszahlende Stelle ... in folgenden Fällen zur Berücksichtigung der Bezüge im Veranlagungsverfahren bis zum 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84 EStG 1988) auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln" hat.

§ 19 Abs. 1 EStG 1988 normiert im ersten Satz, dass Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in welchem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der dritte Satz leg. cit. in der für das Beschwerdejahr geltenden Fassung  BGBl. I Nr. 99/2007 lautet: "Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, sowie Nachzahlungen im Insolvenzverfahren gelten in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht. "

Nun liegt es auf der Hand, dass bei den von der A GmbH nur bei den tatsächlich an die Beschwerdeführerin ausbezahlten und nicht bei den ihr zivilrechtlich zustehenden Beträgen ein Zufluss im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG 1988 stattgefunden hat, den nur die tatsächlich ausbezahlten Beträge hat sie auch "bezogen". Dementsprechend war der angefochtene Bescheid, wie in der Berufungsvorentscheidung datiert vom insoweit abzuändern, als € 1.569,13 und € 13.022,68 (siehe oben) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als von der ehemaligen Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin im Jahr 2009 bezogen, zu berücksichtigen waren.

Ebenso leicht lassen sich die von der Insolvenz-Entgelt-Fond Service GmbH bezahlten steuerpflichtigen Bezüge in Höhe von € 2.003,16 dem Jahr 2009 zuordnen, da diese laut dem Bescheid der Insolvenz-Entgelt-Fond Service GmbH vom auf laufendes Entgelt der Beschwerdeführerin von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin vom 1. Februar bis , Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration samt Zinsen entfallen.

Gleiches gilt für die in den Lohnzetteln der IAF Service GmbH und der Insolvenz-Entgelt-Fond Service GmbH für den Leistungszeitraum enthaltenen Ersätze für laufendes Entgelt in den Zeiträumen 1. November bis sowie , die Gutstunden, Weihnachtsremuneration und die Urlaubsersatzleistung.

Strittig war jedoch im Verfahren vor der belangten Behörde die zeitliche Zuordnung der Kündigungsentschädigungen, beziehungsweise im Vorlageantrag nur noch der bedingten Kündigungsentschädigung.  

Mit diesem Themenkreis hat sich der Verwaltungsgerichtshof () bereits auseinandergesetzt und ist dabei von der bis dahin ständigen Judikatur des Unabhängigen Finanzsenates wie folgt abgewichen:

" § 19 Abs. 1 EStG 1988 erhielt durch das BudgetbegleitG 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, folgende Fassung (Änderungen in Kursivschrift):

'Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen. Nachzahlungen von Pensionen und Bezügen aus der Unfallversorgung, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, gelten in dem Kalendermonat als zugeflossen, für den der Anspruch besteht. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß § 84 an das Finanzamt zu übermitteln. Die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt.'

In den Gesetzesmaterialen, AB 369 BlgNR 21. GP, 10, wird zur Neufassung des § 19 Abs. 1 EStG 1988 ausgeführt, dass über die Zahlung von Pensionen insbesondere aus der gesetzlichen Sozialversicherung bescheidmäßig abzusprechen sei. Vor dem Ergehen des Bescheides seien Akontozahlungen insbesondere bei Witwen- und Waisenpensionen oder in zwischenstaatlichen Fällen nicht möglich. Daher werde für diese Ausnahmefälle über die Regelung des § 19 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1988 hinaus eine Zuordnung zu jenem Zeitraum vorgesehen, zu dem die Pensionen und Bezüge wirtschaftlich gehörten.

§ 19 Abs. 1 EStG 1988 wurde durch das AbgÄG 2005, BGBl. I Nr. 161/2005, geändert und lautete sodann (Neufassung des dritten Satzes in Kursivschrift):

'Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen. Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, sowie Nachzahlungen im Insolvenzverfahren gelten in dem Kalendermonat als zugeflossen, für den der Anspruch besteht. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß § 84 an das Finanzamt zu übermitteln. Die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt.'

Zur Novellierung des dritten Satzes in § 19 Abs. 1 EStG 1988 ist den ErlRV zum AbgÄG 2005 (1187 BlgNR 22. GP) zu entnehmen:

Seite 4: 'Insolvenz-/Ausgleichsfall: Arbeitnehmer erhalten erst nach Abschluss des Verfahrens Zahlungen aus dem Insolvenzausgleichsfonds. Es sollen die Einkünfte dem Anspruchszeitraum zugeordnet werden.'

Seite 8: 'Die Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld erfolgt in vielen Fällen nicht in dem Kalenderjahr, in dem die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers eingetreten ist. Dies führt auf Grund der Progressionswirkung teilweise zu erheblichen Nachzahlungen, wenn die Arbeitnehmer im Folgejahr bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt sind und neben den laufenden Bezügen auch die Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren zu versteuern haben, während im Insolvenzjahr nur geringe oder keine steuerpflichtigen Einkünfte vorliegen. Die Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren sollen daher - wie bereits bisher Pensionsnachzahlungen - dem Kalenderjahr zugeordnet werden, in dem der Anspruch entstanden ist.'

§ 19 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2005 war nach § 124b Z 130 EStG 1988 für Konkurse anzuwenden, die nach dem eröffnet wurden, und ist somit die im gegenständlichen Fall maßgebliche Fassung.

Mit dem BudgetbegleitG 2001 wurde im dritten Satz des § 19 Abs. 1 EStG 1988 eine Ausnahme vom Zuflussprinzip für eine bestimmte Art von Nachzahlungen, nämlich für Pensionen (und Bezügen aus der Unfallversorgung), über die bescheidmäßig abzusprechen ist, normiert (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2008/13/0053, , 2008/13/0150). Nach der die Auszahlung dieser Bezüge regelnde Rechtslage kann sich ergeben, dass die Auszahlung noch nicht in dem Kalendermonat erfolgt, für den der Anspruch besteht, sondern erst deutlich später. Dadurch kommt es zu einem zusammengeballten Zufließen solcher Bezüge, was im Hinblick auf den progressiven Einkommensteuertarif zu einer erhöhten Steuerbelastung führt (siehe Ausschussbericht zum BudgetbegleitG 2001). Die Regelung des § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 verfolgt den Zweck, diese erhöhte Progressionsbelastung hintanzuhalten, indem die Pensionen (und anderen Bezüge) jenen in der Vergangenheit liegenden Monaten (Kalenderjahren) zugeordnet werden, zu denen sie wirtschaftlich gehören.

Im Zuge von Insolvenzverfahren ergibt sich für Dienstnehmer typischerweise die Situation, dass sie ihre Entlohnung nicht mehr regelmäßig am Fälligkeitstag erhalten. Nachträglich erhalten sie dafür zusammengeballt (Ersatz)Zahlungen in Form von Insolvenz-Ausfallgeld nach dem IESG. Die mit dem AbgÄG 2005 vorgenommene Ausweitung des Anwendungsbereiches der Sonderreglung des § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 auf Nachzahlungen im Insolvenzverfahren dient dem Zweck, die negativen Progressionsfolgen der kumulierten Auszahlung zu vermeiden. Im Hinblick darauf führen die ErlRV zum AbgÄG 2005 aus: 'Die Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren sollen daher - wie bereits bisher Pensionsnachzahlungen - dem Kalenderjahr zugeordnet werden, in dem der Anspruch entstanden ist.'

Die in Rede stehende Sonderregelung in § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 will somit Bezüge den Zeiträumen zuordnen, in denen sie bei normalem Lauf der Dinge zugeflossen wären, wäre dem nicht im Fall von Pensionen die erst nachträgliche Bescheiderlassung und im Insolvenzfall die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entgegengestanden. Zweck der Sonderregelung kann es keinesfalls sein, eine bislang noch nicht bekannte Art der progressionserhöhenden Zusammenballung von Einnahmen neu zu schaffen. Für den Beschwerdefall folgt daraus:

Beim vorzeitigen Austritt aus wichtigem Grund nach § 25 Abs. 1 KO gebührt dem Arbeitnehmer gemäß § 29 Abs. 1 und 2 AngG (§ 1162b ABGB) die Kündigungsentschädigung für den Zeitraum von bis zu drei Monaten sofort ('unbedingte' Kündigungsentschädigung). Hinsichtlich dieses Bezuges hat die belangte Behörde zu Recht angenommen, dass durch § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 die Fiktion des Zuflusses für den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses normiert wird. Für den Fall des berechtigten vorzeitigen Austritts ist der Kalendermonat, für den iSd § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 der Anspruch auf Entschädigung besteht, jener, in welchen die Auflösung des Dienstverhältnisses fällt. Daran ändert die Regelung des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 nichts, wonach Kündigungsentschädigungen 'gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen' sind, besteht doch der normative Gehalt dieser Regelung nicht in der Festlegung eines Zuflusszeitpunktes, sondern darin, dass der Bezug im Monat, für welchen sich der Zufluss aus § 19 Abs. 1 EStG 1988 ergibt, nach der Vorschrift des § 67 Abs. 10 EStG 1988 der Lohnsteuer zu unterziehen ist; solcherart braucht im Beschwerdefall auf das Verhältnis zwischen lit. g und lit. b des § 67 Abs. 8 EStG 1988 nicht eingegangen zu werden.

Die belangte Behörde hat allerdings die Rechtslage verkannt, soweit der angefochtene Bescheid eine Kündigungsentschädigung für den drei Monate übersteigenden Zeitraum betrifft. Für diese Kündigungsentschädigung, bei der gemäß § 29 Abs. 1 AngG (§ 1162b ABGB) einzurechnen ist, was sich der Dienstnehmer infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (vgl. auch § 1 Abs. 3 Z 3 IESG), ergibt sich aus § 29 Abs. 2 iVm § 15 AngG, dass sie erst im jeweils betroffenen Monat zu leisten ist.

Nach § 14 Abs. 2 KO gelten betagte, also befristete Forderungen im Konkurs als fällig. Die Fälligkeit nach dieser Bestimmung ist anzunehmen, soweit es zum Zweck der Geltendmachung im Konkurs erforderlich ist, also insbesondere zur Feststellung der Forderungen, zur Teilnahme an Abstimmungen und Verteilungen, zur Vornahme der Aufrechnung. Diese konkursspezifische, auf den Konkursteilnahmeanspruch bezogene Fälligstellung der Forderung ändert allerdings materiell-rechtlich an der Fälligkeit der Forderung nichts; so bleibt beispielsweise der vorgegebene Leistungstermin weiterhin maßgeblich für allfällige Verzugsfolgen. Durch § 14 Abs. 2 KO wird somit die Fälligkeit einer betagten Forderung nur insoweit angenommen, als es für Zwecke der Geltendmachung im Konkurs erforderlich ist. Außerhalb des Konkurses kann die Forderung nur geltend gemacht werden, wenn materiell-rechtlich die Fälligkeit eingetreten ist (siehe hiezu etwa , mwN).

Nach § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 ist für die steuerliche Zuordnung von Nachzahlungen im Insolvenzverfahren der jeweilige Kalendermonat maßgeblich, 'für den der Anspruch besteht'. Im Hinblick auf den Zweck der Bestimmung, der Progressionswirkung durch die geballte Auszahlung von Ansprüchen aus früheren Zeiträumen entgegen zu wirken, ist es ausgeschlossen, dabei auf die in § 14 Abs. 2 KO - für die Teilnahme am Konkurs - angeordnete Vorverlegung der Fälligkeit auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung abzustellen. Als nicht einschlägig erweist sich auch die Regelung des § 3 Abs. 1 IESG, wonach bei der Ausmessung der Höhe des Insolvenz-Ausfallgeldes betagte Forderungen einbezogen werden. § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 stellt jeweils auf jenen Kalendermonat ab, in welchen materiell-rechtlich die Fälligkeit der Forderung fällt, hier also auf den jeweils zu entlohnenden Monat.

Die streitgegenständliche Urlaubsersatzleistung betrifft offenkundig einen im Zeitpunkt der tatsächlichen Auflösung des Dienstverhältnisses bereits bestehenden offenen (und noch nicht verjährten) Urlaubsanspruch, also (nicht verjährten) Urlaub für das bei Beendigung des Dienstverhältnisses laufende Urlaubsjahr (§ 10 Abs. 1 UrlG) sowie für vergangene Jahre (§ 10 Abs. 3 UrlG). Der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung entsteht mit dem Ende des Dienstverhältnisses (vgl. ). Dass die belangte Behörde den Anspruch auf eine solche Ersatzleistung bei Anwendung des § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 dem Monat der tatsächlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zugeordnet hat, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Anderes würde gelten in Bezug auf allfällige Urlaubsentschädigungen für Urlaubsjahre nach Auflösung des Dienstverhältnisses, wie sie sich gegebenenfalls aus § 29 Abs. 1 AngG (§ 1162 b ABGB) ergeben könnten; sie wären dann Teil der 'bedingten' Kündigungsentschädigung (vgl. ) und würden damit auch deren steuerliches Schicksal teilen."

Da dieses Erkenntnis der oben zitierten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts () folgt, ergibt sich im konkreten Fall der Beschwerdeführerin, dass die unbedingte Kündigungsentschädigung für drei Monate bei Kündigung aus wichtigen Grund nach § 25 Abs. 1 KO gemäß § 29 Abs. 1 und 2 AngG (§ 1162b ABGB) sofort gebührt und aus diesem Grund § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 den Zufluss für den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses fingiert. Insoweit war daher das Beschwerdebegehren ebenfalls wie in der Berufungsvorentscheidung datiert vom abzuweisen.

Anderes gilt jedoch für die "bedingte" Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 2. bis (€ 1.628,00). Diese wird § 29 Abs. 2 iVm § 15 AngG in jenem Monat fällig, welches betroffen ist. Da der Zweck des § 19 Abs. 1 EStG 1988 in der hier gültigen Fassung ist, ungerechtfertigte Zusammenballungen von Einkommen zu vermeiden, kann auch nicht eine Fälligkeit im Kündigungszeitpunkt angenommen werden und schlägt die zivilrechtliche Lage auf die zeitliche steuerliche Zurechnung durch, weswegen in diesem Punkt der Beschwerde stattzugeben war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da in diesem Erkenntnis im Rahmen der rechtlichen Würdigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ( ) und im übrigen dem Gesetzeswortlaut gefolgt wird, ergibt sich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der behandelten Rechtsfragen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.5100955.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at