Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.05.2018, RV/1100152/2018

Wegfall der Bindung von Vorauszahlungsfestsetzungen an den letzten Veranlagungsbescheid, wenn sich die Umstände wesentlich geändert haben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand-GmbH, Porzellangasse 51, 1090 Wien,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom hinsichtlich Einkommensteuervorauszahlungen für 2013

zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2013 werden festgesetzt mit 0,00 € (Null).

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verwaltungsgeschehen und Sachverhalt:

Im Zuge der Einreichung seiner Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 sowie gegen die Bescheide betreffend Anspruchszinsen für 2009 brachte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertretung hinsichtlich des Vorauszahlungsbescheides 2013 vor, da die Vorauszahlungen anhand der festzusetzenden Besteuerung für 2009 zu bemessen wären, ersuche er, die bisher in Höhe von 72.234,00 € festgesetzten Vorauszahlungen auf 12.753,00 € abzuändern.

Es ergingen Beschwerdevorentscheidungen.

In der Beschwerdevorentscheidung betreffend die Vorauszahlungen 2013 erfolgte eine abändernde Festsetzung insoweit, als sich nun Vorauszahlungen in Höhe von 53.000,00 € ergaben. Begründend wurde dazu - unter rechnerischer Darstellung - ausgeführt, die Vorauszahlung beruhe auf der Basis der Einkommensteuerveranlagung für das letztveranlagte Kalenderjahr 2009. 

Es wurde ein Antrag auf Vorlage der in Beschwerde gezogenen Bescheide an das Bundesfinanzgericht eingebracht. Dem Bundesfinanzgericht wurden mittels Vorlageberichtes seitens der Abgabenbehörde vorerst nur die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 vorgelegt.  

Nach Ergehen der entsprechenden Erkenntnisse wies die steuerliche Vertretung auf den Vorauszahlungsbescheid hin und wurden dessen Vorlage und finanzgerichtliche Erfassung veranlasst.

Im Vorlageantrag wurde hinsichtlich des Vorauszahlungsbescheides ausgeführt:

Die Entsendung des Beschwerdeführers in die Schweiz sei mit beendet worden. Er habe am einen lokalen, unbefristeten österreichischen Dienstvertrag mit der Firma A abgeschlossen. Diesem Dienstvertrag zufolge beginne das Dienstverhältnis mit Dienstort zu 50% in B und zu 50% in C am . Das Gehalt belaufe sich auf abc € brutto pro Monat und werde 14 mal ausbezahlt.

Es werde auf einen beiliegenden Lohnzettel hingewiesen, demgemäß für das Jahr 2013 Bruttobezüge von efghi € erfasst worden seien. Aus dem Lohnzettel könne auch ersehen werden, dass Lohnsteuer in Höhe von jklm € einbehalten worden und an das Finanzamt abgeführt worden sei.

Es seien die Gehaltseinkünfte, die sich auf die österreichische sowie schweizerische Tätigkeit bezögen (Anm.: 50% Arbeitsort B, 50% Arbeitsort C wie laut obenstehenden Ausführungen) zu 100% in Österreich besteuert worden. Es werde darüber hinaus zu einer Besteuerung für die Schweizer Arbeitstage in der Schweiz kommen und insofern eine Doppelbesteuerung vorliegen (Einbehalt Lohnsteuer in Österreich, zusätzlich Quellensteuer in der Schweiz).

Daher werde es im Jahr 2013 zu keiner Steuernachzahlung kommen, vielmehr werde sich im Zuge der Veranlagung aufgrund der Anrechnung der Schweizer Quellensteuer eine Steuergutschrift ergeben.

In der Folge wurde der zuständige Vertreter der Abgabenbehörde seitens der Richterin des BFG um Stellungnahme (§ 265 Abs. 3 BAO) zu diesem Vorbringen betreffend Vorauszahlungen gebeten. Er erläuterte, offenbar bestehe weiterhin eine Schweizer Quelle, was bedeute, dass sich auch bei Anrechnung der Schweizer Steuer auf die österreichische Einkommensteuer weiterhin ein Vorauszahlungsbetrag ergebe. Er sehe daher keine Veranlassung, "einen im Spruch anders lautenden Vorauszahlungsbescheid" herbeizuführen.

Die Richterin gab ihm zu bedenken, dass nach ihrem Verständnis keine zusätzliche Tätigkeit in der Schweiz steuerlich zu beurteilen wäre, sondern lediglich die laut genanntem Lohnzettel aufscheinenden, bereits in Österreich der Lohnsteuer unterzogenen Einkünfte, zum Teil (50%) nochmals in der Schweiz der - im Wege der Veranlagung anzurechnenden - Quellensteuer unterzogen würden.

Hiezu nahm der Behördenvertreter keine weitere Stellung. Er führte lediglich aus, das BFG möge in eigener Zuständigkeit über die Beschwerde gegen den Vorauszahlungsbescheid entscheiden.

II. Gesetzliche Grundlagen: 

§ 45 EStG 1988 lautet:

"Vorauszahlungen

§ 45. (1) Der Steuerpflichtige hat auf die Einkommensteuer nach dem allgemeinen Steuertarif und nach dem besonderen Steuersatz gemäß § 27a Vorauszahlungen zu entrichten. Vorauszahlungen sind auf volle Euro abzurunden. Für Lohnsteuerpflichtige sind Vorauszahlungen nur in den Fällen des § 41 Abs. 1 Z 1 und 2 festzusetzen. Die Vorauszahlung für ein Kalenderjahr wird wie folgt berechnet:

– Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr abzüglich der Beträge gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 und Z 3.

– Der so ermittelte Betrag wird, wenn die Vorauszahlung erstmals für das dem Veranlagungszeitraum folgende Kalenderjahr wirkt, um 4%, wenn sie erstmals für ein späteres Kalenderjahr wirkt, um weitere 5% für jedes weitere Jahr erhöht.

Scheiden Einkünfte, die der Veranlagung zugrunde gelegt wurden, für den Vorauszahlungszeitraum infolge gesetzlicher Maßnahmen aus der Besteuerung aus, kann die Vorauszahlung pauschal mit einem entsprechend niedrigeren Betrag festgesetzt werden. Vorauszahlungen, deren Jahresbetrag 300 Euro nicht übersteigen würde, sind mit Null festzusetzen.

(2) Die Vorauszahlungen sind zu je einem Viertel am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November zu leisten.

(3) Bereits fällig gewordene oder innerhalb eines Monates ab Bekanntgabe einer Erhöhung der Vorauszahlungen fällig werdende Vorauszahlungsteilbeträge werden durch eine Änderung in der Höhe der Vorauszahlung (Abs. 1) nicht berührt. Der Unterschiedsbetrag ist, sofern er nicht eine Gutschrift ergibt, erst bei Fälligkeit des nächsten Vorauszahlungsteilbetrages auszugleichen (Ausgleichsviertel). Nach dem 30. September darf das Finanzamt Bescheide über die Änderung der Vorauszahlung für das laufende Kalenderjahr nicht mehr erlassen; dies gilt nicht für Bescheide auf Grund eines Antrages, den der Steuerpflichtige bis zum 30. September gestellt hat, sowie für eine Änderung in einem Rechtsmittelverfahren. Erfolgt die Bekanntgabe von Bescheiden über die Erhöhung oder die erstmalige Festsetzung der Vorauszahlung nach dem 15. Oktober, dann ist der Unterschiedsbetrag (der Jahresbetrag der Vorauszahlung) innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe des Bescheides zu entrichten.

(4) Das Finanzamt kann die Vorauszahlung der Steuer anpassen, die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben wird. Dabei ist Abs. 3 anzuwenden. Scheiden Einkünfte, die der Veranlagung zugrunde gelegt wurden, für den Vorauszahlungszeitraum infolge gesetzlicher Maßnahmen aus der Besteuerung aus, so kann die Vorauszahlung pauschal entsprechend angepasst werden. Dabei sind Abs. 1 und Abs. 3 anzuwenden.

(5)...."

§ 46  EStG 1988 lautet:

"(1) Auf die Steuerschuld werden angerechnet:

  • Die für den Veranlagungszeitraum festgelegten Vorauszahlungen,

  • .....

  • die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen.

.....

(2) Ist die Einkommensteuerschuld kleiner als die Summe der Beträge, die nach Abs. 1 anzurechnen sind, so wird der Unterschiedsbetrag gutgeschrieben."

III. Rechtliche Würdigung:

Werden dem BFG Umstände bekanntgegeben, die eine relevant höhere oder niedrigere Steuer erwarten lassen, besteht im Beschwerdeverfahren gegen einen Vorauszahlungsbescheid keine Bindung an den zugrundeliegenden Veranlagungsbescheid (Jakom/Baldauf EStG 2015, § 45, Rz 7).

Übersteigt die im Zuge der Veranlagung ermittelte ESt-Schuld die anrechenbaren Steuerbeträge gemäß § 46 EStG 1988, resultiert daraus eine Abschlusszahlung; ist sie niedriger, wird der Unterschiedsbetrag gutgeschrieben (Jakom aaO, § 46 Rz 13).

Die Befugnis der Behörde, gemäß § 45 Abs. 4 EStG 1988 in Ausübung ihres Ermessens eine von der pauschalen Höhe gemäß § 45 Abs. 1 EStG 1988 abweichende Anpassung der Vorauszahlungen an die sich voraussichtlich ergebende Steuer vorzunehmen, steht auch dem Unabhängigen Finanzsenat als Berufungsinstanz zu (VwGH , 2005/15/0037).

Im Streitfall haben sich nach glaubwürdigem Vorbringen der steuerlichen Vertretung die Arbeitsumstände des Beschwerdeführers gegenüber dem letztveranlagten Jahr 2009, als sein Arbeitsplatz noch ausschließlich in der Schweiz lag, grundlegend verändert (siehe Ausführungen oben). Bei unstrittiger unbeschränkter Steuerpflicht im Inland ist ihm laut im Akt aufliegendem Lohnzettel für eine Vollbeschäftigung von bis Lohnsteuer einbehalten worden und wird im Weiteren eine auf einen Teil dieser Einkünfte entfallende Schweizer Quellensteuer gemäß DBA CH in Anrechnung zu bringen sein.

Der um Stellungnahme ersuchte Vertreter der Amtspartei hat zum dargelegten Sachverhalt keine substantiierten Gegenargumente vorgebracht.

Entsprechend der rechtlicher Würdigung des BFG ist nach allem Ausgeführten keine Handhabe für eine Festsetzung von Vorauszahlungen für 2013 in einer laut angefochtenem Bescheid bzw. laut Beschwerdevorentscheidung veranschlagten Höhe gegeben und war wie im Spruch zu entscheiden (hingewiesen wird darauf, dass die Vorauszahlungsbescheide für die Jahre 2014, 2015, 2016 und 2017 laut Abgabeninformationssystem bereits auf Null gestellt sind).  

Sollte sich allenfalls eine über die einbehaltene Lohnsteuer hinausgehende Einkommensteuerschuld ergeben, wird dies im Zuge der Jahresveranlagung mittels einer Abschlusszahlung gemäß § 46 EStG 1988 zu berücksichtigen sein.

Es ist abschließend darauf hinzuweisen, dass die gesetzlichen Regelungen betreffend Vorauszahlungen grundsätzlich von der Prämisse ausgehen, die Höhe der festzusetzenden Steuer stehe mangels Ablaufes des Veranlagungszeitraumes noch nicht fest, weshalb ein pauschaler Ansatz zu veranschlagen sei. Sind - wie gegenständlich - bereits nahezu 5 Jahre seit Ablauf des Veranlagungszeitraumes und der Erklärungsfrist verstrichen, muss es, ungeachtet einer allfälligen Anpassungsmöglichkeit der Vorauszahlungen im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens, primäres Ziel der Abgabenbehörde sein, im Wege der Jahresveranlagung die konkret errechenbare Steuer festzusetzen (vgl. hiezu etwa -I/08).

IV. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Streitfall entscheidungswesentlichen Sachverhaltsfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Soweit Rechtsfragen Gegenstand der Erörterung waren, sind sie durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt.

 

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 265 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 45 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 46 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise

-I/08
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.1100152.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at