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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 26.04.2018, RV/7101758/2013

Verspätung eines Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden V  und die weiteren Senatsmitglieder R, L1 und L2,  in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Zurück­weisung der Anträge auf Bescheid­aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO bzw. auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO, in der Sitzung am , zu Recht erkannt: 

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielte im Jahr 1999 unter anderem Einkünfte aus Gewerbebetrieb (aus der Beteiligung an mehreren Gesellschaften).

Er beantragte mit Eingabe vom die Aufhebung des Einkommen­steuer­bescheides 1999 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

„Der genannte Bescheid wurde gemäß § 295 Abs. 1 BAO von einem Schriftstück abgeleitet, das nach Form und Inhalt den unzutreffenden Eindruck eines Feststellungsbescheides bzw. eines Nichtfeststellungsbescheides erweckte. Zwischenzeitlich wurde die gegen dieses Schriftstück erhobene Berufung vom Unabhängigen Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom , RV/0542-K/08 (X-KG) als unzulässig zurückgewiesen, da es sich bei diesem um einen Nichtbescheid handelt.

Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass die mit dem AbgÄG 2011, BGBI I 2011/76 in die BAO eingefügte Bestimmung als Verfahrensvorschrift auch auf vor ihrem Inkrafttreten erlassene Änderungsbescheide iSd § 295 Abs. 1 BAO anzuwenden ist (Ritz, BAO4, § 295 Rz 21a).

Weiters weise ich darauf hin, dass eine Aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO nicht im Ermessen der Abgabenbehörde liegt und auch dann zu erfolgen hat, wenn einer neuerlichen Änderung (§ 295 Abs. 1 BAO) des Abgabenbescheides bei nachträglicher Erlassung eines wirksamen Grundlagenbescheides der Eintritt der Bemessungsverjährung entgegensteht (Ritz, BAO4, § 295 Rz 21e).

Zur Frage der Rechtzeitigkeit meines Antrages verweise ich auf die Grundsatzjudikatur des Verwaltungs­gerichtshofs vom , 2009/15/0153 über das Verhältnis von Einkommensteuer­verfahren und Feststellungsverfahren. Demnach wird „durch die Regelungen des § 188 BAO ... ein Ausschnitt des Einkommensteuer-Verfahrens der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren gebündelt.“ Daraus ergibt sich „sohin“, dass sich „das Verfahren nach § 188 BAO als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten“ darstellt, weshalb „solcherart ... die Person, welche im Feststellungsverfahren dem Finanzamt gegenüber für die Personenvereinigung auftritt, für die Gesellschafter der Personenvereinigung (im Hinblick auf diesen Ausschnitt ihres Einkommensteuerverfahrens) tätig“ wird und deren Kenntnis ... auch den Beteiligten hinsichtlich ihrer Einkommensteuerverfahren zuzurechnen ist ().

Bei dem das Verfahren abschließenden Bescheid iSd § 304 BAO handelt es sich somit in derartigen Fällen um die Berufungsvorentscheidungen gegen jene Schriftstücke (Nichtbescheide), die nach Form und Inhalt den (unzutreffenden) Eindruck erwecken, sie seien Bescheide über die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) oder Bescheide des Inhaltes, dass eine Feststellung der Einkünfte zu unterbleiben hat (Nichtfeststellungs­bescheid). Daher erfolgt mein Antrag rechtzeitig iSd § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO.

Für den Fall, dass diesem Antrag nicht stattgegeben werden sollte, beantragte der Bf. in eventu, das Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer 1999 (Einkommen­steuer­bescheid vom ) gemäß § 303 BAO wieder aufzunehmen. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

„Der Antrag stützt sich auf eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO:

- Mit am bei der Berufungswerberin eingelangten Erkenntnissen vom jeweils entschied der Verwaltungsgerichtshof in zwei Grundsatzentscheidungen wie folgt:

Soweit eine Personengesellschaft unter Benennung ihrer Gesellschafter dem Finanzamt gegenüber mit dem Begehren auf bescheidmäßige Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO auftritt (insbesondere durch Einreichung einer entsprechenden Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften), muss die bescheidmäßige Erledigung gegenüber diesen Rechtssubjekten einheitlich ergehen. Die vom Finanzamt vorgenommenen gesplitteten Erledigungen an die Komplementäre im Sinne des § 188 BAO und an die Kommanditisten mit dem Ausspruch, dass eine Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO zu unterbleiben hat, stellen demgegenüber keine Bescheide dar. Sie können daher auch keine Rechtswirksamkeit erlangen (; ).

- Infolge dessen wurden auch die gegen Wiederaufnahme“bescheide“, Feststellungs- und Nichtfeststellungs“bescheide“ ergriffenen Berufungen vom UFS mit Berufungs­entscheidung vom , RV/0542-K/08 (X-KG) als unzulässig zurück­gewiesen.

Nun setzt eine Maßnahme nach § 295 BAO aber die nachträgliche Erlassung eines Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheides) voraus. Ergeht ein solcher nicht (z.B. „Nichtbescheid“ als Folge fehlerhafter Adressierung, unterlassene Zustellung), so ist ein dennoch erlassener Änderungsbescheid (§ 295 Abs. 1 BAO) rechtswidrig. Zur Geltendmachung dieses Umstandes kommt auch ein Antrag auf Wiederaufnahme des „abgeleiteten“ Abgabenverfahrens in Betracht, wenn die „Nichtexistenz“ des Grundlagen­bescheides im Verfahren zur Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO der für die abgeleitete Einkommensteuer (bzw. Körperschaftsteuer) zuständigen Abgabenbehörde nicht bekannt war. Diesfalls ist der Umstand, dass kein Grundlagenbescheid erlassen wurde, im abgeleiteten Abgabenverfahren eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 BAO ( BAO-Erlässe 12/61 „Wiederaufnahme zur Aufhebung eines zu Unrecht auf § 295 BAO gestützten Bescheides“).

Den Wiederaufnahmewerber trifft in derartigen Fällen idR kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes im abgeschlossenen Verfahren, weil er grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass kein Finanzamt einen auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Bescheid erlässt, obwohl die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht vorliegen ( BAO-Erlässe 12/61).

Die Bewilligung der Wiederaufnahme, somit die Aufhebung des Änderungs­bescheides (§ 295 Abs. 1 BAO) hat auch dann zu erfolgen, wenn in der Zwischenzeit ein wirksamer Grundlagenbescheid ergangen ist. Dieser saniert nämlich nicht die Rechtswidrigkeit eines trotz Fehlens der diesbezüglichen Voraussetzungen erlassenen Änderungsbescheides. Die Wiederaufnahme ist übrigens auch dann zu bewilligen, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines (den zwischenzeitlich erlassenen Grundlagenbescheid berücksichtigenden) neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht ( BAO-Erlässe 12/61).

Die Rechtsansicht des BMF betreffend der auch nach Eintritt der Verjährung zu verfügenden Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens ergibt sich zwingend aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Dieser betont, dass „durch die Regelungen des § 188 BAO ... ein Ausschnitt des Einkommensteuer-Verfahrens der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren gebündelt” wird. Daher stellt sich „sohin … das Verfahren nach § 188 BAO … als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten” dar, weshalb „solcherart … die Person, welche im Feststellungsverfahren dem Finanzamt gegenüber für die Personenvereinigung auftritt, für die Gesellschafter der Personenvereinigung (im Hinblick auf diesen Ausschnitt ihres Einkommensteuerverfahrens) tätig” wird und deren Kenntnis (über einen Wiederaufnahmegrund) auch den Beteiligten hinsichtlich ihrer Einkommensteuerverfahren zuzurechnen ist ().

Bei dem das Verfahren abschließenden Bescheid iSd § 304 BAO handelt es sich daher in derartigen Fällen um die Berufungsentscheidungen gegen jene Schriftstücke (Nicht­bescheide), die nach Form und Inhalt den (unzutreffenden) Eindruck erwecken, sie seien Bescheide über die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) oder Bescheide des Inhaltes, dass eine Feststellung der Einkünfte zu unterbleiben hat (Nichtfeststellungs­bescheid).

Da die Berufungsentscheidung des UFS iS X-KG, RV/0542-K/08, vom erst am zugestellt wurde, wird der Antrag zur Wiederaufnahme des Verfahrens innerhalb der Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO gestellt.“

Mit zwei Bescheiden vom wies das Finanzamt den Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO und den Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO als nicht fristgerecht zurück.

Der Bf. erhob gegen die beiden Zurück­weisungs­bescheide vom Berufungen (nunmehr: Beschwerden), in denen er beantragte, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und seinen Anträgen auf Bescheid­aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO bzw. auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO stattzugeben. Er führte in der Begründung Folgendes aus:

1.1. Zur historischen und teleologischen Interpretation des § 304 lit. b iVm § 295 Abs. 4 BAO

Die Abweisung (Anmerkung des BFG: gemeint Zurück­weisung) der Anträge wird vom Finanzamt damit begründet, dass die Wieder­auf­nahme­frist gemäß § 304 lit. b BAO bzw. die Fristen des § 295 Abs. 4 iVm § 304 lit. b BAO bereits abgelaufen sei und daher aufgrund der Verjährung keine Stattgabe erfolgen könne.

Zu diesem Ergebnis kommt das Finanzamt, weil es davon ausgeht, dass es sich bei dem im § 304 lit. b BAO angesprochenen „das Verfahren abschließenden Bescheid“ um den Einkommensteuerbescheid 1999 handelt.

Diese Ansicht ist unrichtig:

Wie bereits im Wiederaufnahmeantrag bzw. im Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO ausführlich dargelegt, kann im konkreten Fall der im § 304 lit. b BAO angesprochene Bescheid nur jene Berufungs­entscheidung sein, mit der sich herausstellte, dass es sich bei der als Feststellungs­bescheid intendierten Erledigung des Finanzamt Gänserndorf um einen absolut nichtigen Verwaltungsakt (somit um einen Nichtbescheid) gehandelt hat.

Diese Berufungs­entscheidung (GZ RV/0542 iS X-KG) ist jedoch erst am ergangen. Die Anträge wurden daher nicht verfristet eingebracht.

Die von uns vertretene Rechtsansicht, dass es sich bei dem „das Verfahren abschließenden Bescheid“ iSd § 304 lit. b BAO um die Berufungsentscheidung gegen die als Feststellungs­bescheid gedachte Erledigung handeln muss, folgt unmittelbar aus dem Gesetz:

• So regelt § 295 Abs. 4 BAO die auf Antrag vorzunehmende Aufhebung von auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Einkommensteuerbescheiden für jene Fälle, in denen sich in einem Berufungsverfahren gegen einen Feststellungsbescheid herausstellt, dass das die Form und den Inhalt eines Feststellungsbescheides habende Dokument tatsächlich kein Bescheid ist.

§ 295 Abs. 4 BAO soll insbesondere verhindern, dass Berufungen gegen Einkommen­steuer­bescheide vorsorglich (sicherheitshalber) nur zwecks Vermeidung des Eintritts der Verjährung mit der Behauptung eingebracht werden, es lägen ihnen Nichtbescheide zugrunde (EB zu § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I 2011/76).

• Folglich kann diese Norm klarer Weise nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie auch in Fällen greift, in denen bereits Bemessungsverjährung eingetreten ist. Die im § 295 Abs. 4 BAO vorgesehene Antragsfrist muss daher auch Zeiträume umfassen, die nach dem Eintritt der Verjährung liegen.

• Dementsprechend verweist § 295 Abs. 4 BAO auf die Bestimmungen des § 304 BAO, der die Voraussetzungen für Wiederaufnahmen nach Eintritt der Verjährung regelt.

• Da § 295 Abs. 4 BAO als Anwendungsvoraussetzung erfordert, dass eine Zurückweisung einer Berufung (als unzulässig) gegen einen Nichtbescheid (somit gegen eine Erledigung, die als Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO beabsichtigt war) bereits erfolgt ist, muss die in ihm eingeräumte Fristsetzung somit auch erst dann zu laufen beginnen, wenn die im ersten Satz leg. cit. angesprochene Berufungsentscheidung erst nach Eintritt der Verjährung erfolgt.

• Es kann sich bei dem im § 304 lit. b BAO angesprochenen „das Verfahren abschließenden Bescheid“ daher nur um die Berufungsentscheidung gegen jenes Schriftstück (Nichtbescheid) handeln, das - wie im § 295 Abs. 4 BAO ausdrücklich normiert -, nach Form und Inhalt den unzutreffenden Eindruck erweckte, es sei ein Bescheid über die Feststellung von Einkünften.

Jede andere Auslegung würde dazu führen, dass § 295 Abs. 4 BAO seinen Zweck - nämlich die Vermeidung von vorsorglich eingebrachten Berufungen gegen Einkommensteuer- (Änderungs­bescheide) zwecks Verhinderung des Eintritts der Verjährung - nicht erfüllen kann.

Eine derartige Auslegung stünde daher sowohl mit einer historischen Interpretation (klare, in den EB dokumentierte Absicht des Gesetzgebers) als auch einer teleologischen Interpretation (nach dem Sinn und Zweck der Regelung) in unauflösbaren Widerspruch. Die teleologische Interpretation ist jedoch für die Auslegung der Steuerrechtsnormen nach ständiger Rechtsprechung des VwGH vorrangig zu beachten (Doralt/Ruppe, Steuerrecht Band II4, Rz 421 mN).

1.2. Zur Interpretation des § 304 lit. b BAO anhand des Wesens des im § 188 BAO normierten Feststellungsverfahrens

Weiters ergibt sich die von uns vertretene Auslegung des § 304 lit. b BAO zwingend aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs. Dieser betont, dass „durch die Regelungen des § 188 BAO ... ein Ausschnitt des Einkommensteuer-Verfahrens der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren gebündelt“ wird. Daher stellt sich „sohin ... das Verfahren nach § 188 BAO ... als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten“ dar, weshalb „solcherart ... die Person, welche im Feststellungsverfahren dem Finanzamt gegenüber für die Personenvereinigung auftritt, für die Gesellschafter der Personenvereinigung (im Hinblick auf diesen Ausschnitt ihres Einkommensteuerverfahrens) tätig“ wird und deren Kenntnis (über einen Wiederaufnahmegrund) auch den Beteiligten hinsichtlich ihrer Einkommensteuerverfahren zuzurechnen ist ().

Der VwGH sieht somit in Bezug auf die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Abschluss eines Berufungsverfahrens gegen einen Feststellungsbescheid und dem (abgeleiteten) Einkommensteuerbescheid.

Auch aus dieser Sichtweise folgt daher unmittelbar, dass es sich bei dem das Verfahren abschließenden Bescheid iSd § 304 BAO um die Berufungsentscheidung gegen jenes Schriftstück (Nichtbescheid) handeln muss, das nach Form und Inhalt den (unzutreffenden) Eindruck erweckte, es sei ein Bescheid über die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) oder ein Bescheid des Inhaltes, dass eine Feststellung der Einkünfte zu unterbleiben hat (Nichtfeststellungsbescheid).

Die Abweisung (Anmerkung des BFG: gemeint Zurück­weisung) des Wiederaufnahme­antrags / des Antrags auf Bescheid­aufhebung ist daher zu Unrecht erfolgt.

Nach der Aktenlage wurde gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom Berufung erhoben. Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen.

Über die Beschwerden wurde erwogen:

1.) Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO

Wird eine Berufung (nunmehr: Bescheidbeschwerde), die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188 BAO) oder eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat, gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide ( § 295 Abs. 1 BAO ) gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen.

§ 304 BAO in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung, BGBl. I Nr. 57/2004, lautet:

Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein

a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2) von sieben Jahren zulässig wäre, oder

b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides

eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt.

Die Frist des § 304 lit. a BAO ist durch die absolute Verjährungsfrist (nach § 209 Abs. 3 BAO) begrenzt (vgl. Ritz, BAO4, Tz 5 zu § 304 und die dort zitierte Judikatur).

Gemäß § 209 Abs. 3 BAO idF BGBl. I Nr. 57/2004 verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4).

Der Abgabenanspruch für die zu veranlagende Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gleichgelagerten Beschwerdefall mit Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0005, folgende Rechtsansicht zu § 295 Abs. 4 BAO vertreten: Wortlaut und Sinnzusammenhang lassen keinen Zweifel daran, dass sich der Verweis auf die in § 304 BAO getroffenen Regelungen für Wiederaufnahmen "nach Eintritt der Verjährung" auf die Frist für Wiederaufnahmen im Verfahren zur Festsetzung (im vorliegenden Fall) der Einkommensteuer bezieht. Dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, mit dem § 295 Abs. 4 BAO eingeführt wurde, soweit dort als eines der mit der Änderung verfolgten Ziele die Vermeidung aufwändiger Wiederaufnahmsverfahren in Einkommen- oder Körperschaftsteuerverfahren genannt ist (1212 BlgNR 24. GP 30). Auf das Feststellungsverfahren kann sich der Verweis auch schon deshalb nicht beziehen, weil solche Verfahren keiner Verjährung unterliegen.

Mit Beschlüssen vom , Ra 2015/15/0047, und , Ra 2015/15/0031, hat der Verwaltungsgerichtshof zwei weitere wegen dieser Rechtsfrage anhängige Beschwerden unter Verweis auf dieses Erkenntnis zurückgewiesen.

Der das Einkommensteuerverfahren 1999 abschließende Bescheid ( Berufungs­vorentscheidung, mit der die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom abgewiesen wurde) ist am ergangen.

Der am gestellte Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO wurde mehr als fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des das Einkommensteuerverfahren 1999 abschließenden Bescheides eingebracht.

Der Antrag war somit nicht fristgerecht und wurde daher zu Recht zurückgewiesen.

2.) Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO

§ 303 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 lautet:

Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) …

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) …

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs. 2 BAO ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahms­grund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

§ 304 BAO idF BGBl. I Nr. 57/2004 lautet:

Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein

a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2) von sieben Jahren zulässig wäre, oder

b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides

eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt.

Der gegenständliche Wiederaufnahmsantrag wurde am zugleich mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO gestellt. Da er – wie unter Punkt 1.) dargestellt – nach Ablauf der beiden in § 304 BAO geregelten Fristen gestellt wurde, war er nicht fristgerecht. Die Zurückweisung des Antrages ist daher zu Recht erfolgt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da das Erkenntnis des Bundes­finanz­gerichtes der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes () folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7101758.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at