Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.03.2018, RV/7101288/2017

Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer wegen Körperbehinderung erst ab Überreichung der Abgabenerklärung beim Versicherer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache der Frau BF, ADR, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr**1 betreffend Versicherungssteuer zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf

Antrag auf Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer

Mit Schreiben vom beantragte Frau BF (die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf.) beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (kurz FA GVG) Rückerstattung von motorbezogener Versicherungssteuer für den Zeitraum bis für ihren PKW mit dem Kennzeichen **** iHv € 164,92 unter Hinweis auf ihr Schreiben ans Finanzamt ORT vom sowie ein Antwortschreiben des FA GVG vom . Dem Antrag angeschlossen war eine Bescheinigung der VERSICHERUNG vom , mit dem diese bestätigte, dass die Bf. für den genannten Zeitraum eine motorbezogene Versicherungssteuer iHv € 164,92 entrichtet hat.

Ermittlungen des Finanzamtes

Über entsprechende Anfrage teilte die VERSICHERUNG dem FA GVG mit, dass die Original Abgabenerklärung Kr 21 am bei der Versicherung (Geschäftsstelle ORT) eingelangt sei.

Bescheid

Mit Bescheid vom wies das FA GVG den Antrag der Bf. auf Rückerstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer mit folgender Begründung ab:

"Eine Steuerbefreiung gem. § 4 Abs. 3 Zi. 9 VersStG kommt nur in Betracht, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1) Zulassung des Kraftfahrzeuges ausschließlich auf die Körperbehinderte/den Körperbehinderten
2) Vorwiegende Verwendung des Kraftfahrzeuges zur persönlichen Fortbewegung der Körperbehinderten/des Körperbehinderten
3) Nachweis der Körperbehinderung durch :
Ausweis gemäß § 29 b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder
den Eintrag im Behindertenpass über die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
4) Überreichung der vollständig ausgefüllten Abgabenerklärung Kr 21 an ihre Versicherung (die Abgabenerklärung bleibt bei Ihrer Versicherung)

Die Befreiung steht bei Erfüllung aller Voraussetzungen ab dem Zeitpunkt der Überreichung der Abgabenerklärung zu.
Die Vorlage der Abgabenerklärung beim Versicherer erfolgte am , daher war der Antrag für den beantragten Zeitraum abzuweisen."

Beschwerde

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde wandte die Bf. im Wesentlichen ein, dass sie den Antrag für die Abgabenerklärung Kr 21 bei der Versicherung natürlich erst nach der Erteilung des Bescheides vom Sozialministerium stellen habe können. Der Bescheid über ihre Behinderung von 90 % mit dem Zusatz "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sei rückwirkend ab dem festgestellt und bestätigt worden.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA GVG die Beschwerde als unbegründet ab. Begründet wurde diese Abweisung wie folgt:

"Gemäß § 4 Abs. 3 Z. 9 VersStG sieht für Kraftfahrzeuge, die für Körperbehinderte zugelassen sind und von diesen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, eine Ausnahme von der Besteuerung vor.
Eine Voraussetzung für die Gewährung dieser Ausnahme ist u.a. die Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers.
Bei Erfüllung aller - weiteren im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen entsteht der Anspruch auf Steuerfreiheit mit der Übereichung der Abgabenerklärung.
Aus der angeführten Gesetzesbestimmung geht hervor, dass die Vorlage einer entsprechenden Abgabenerklärung materiellrechtliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung der Ausnahme von der Erhebung der motorbezogenen Versicherungssteuer ist.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes und der ständigen Rechtsprechung des VwGH steht die Steuerbefreiung ab Überreichung der Abgabenerklärung zu. ( u.a.)
Die Überreichung der Abgabenerklärung erfolgt am , daher kann im vorliegenden Fall die Befreiung erst ab zum Tragen kommen.
Da für die vor Überreichung der entsprechenden Abgabenerklärung entrichteten Beträge noch keine Steuerfreiheit bestand, wurde die motorbezogenen Versicherungssteuer für diesen Zeitraum auch nicht zu Unrecht entrichtet.
Die Vorlage der Abgabenerklärung erfolgte am , daher war für den beantragten Zeitraum die Beschwerde abzuweisen."

Vorlageantrag

Im Vorlageantrag wiederholte die Bf. im Wesentlichen die bereits in der Beschwerde vorgebrachten Argumente, dass sie vor der Festlegung des Grades ihrer Behinderung und der damit verbundenen Steuerfreiheit für die motorbezogene Versicherungssteuer keine Abgabenerklärung einreichen habe können.

Vorlage der Beschwerde ans BFG / Zuständigkeit der GA 1062

Am legte das FA GVG die Beschwerde dem Bundesfinazgericht zur Entscheidung vor. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung 1034 wegen Verhinderung gemäß § 9 Abs. 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung 1062 zur Bearbeitung zugeteilt.

II. Sachverhalt samt Beweiswürdigung

Auf Grund der Einsicht in die vom FA GVG elektronisch vorgelegten Teile der Bemessungsakte ErfNr**2 und ErfNr**1 und dem damit im Einklang stehenden Vorbringen der Bf. gelangte das Bundesfinanzgericht zu folgenden Sachverhaltsfeststellungen:

Mit Bescheid vom zur Geschäftszahl ******* stellte das Sozialministeriumsservice auf Grund des Antrages der Bf. vom fest, dass der Grad der Behinderung ab mit 90 von Hundert neu festgesetzt wird.

Am wurde vom Sozialministeriumsservice für die Bf. ein Behindertenpass mit der Nummer ****** mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ausgestellt.

Am langte bei der VERSICHERUNG (Geschäftsstelle ORT) das Original der von der Bf. ausgefüllten Abgabenerklärung Kr 21 ein.

Ab berücksichtigte die VERSICHERUNG die Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer.

Für den Zeitraum bis entrichtet die Bf. € 164,92 an motorbezogener Versicherungssteuer an die VERSICHERUNG.

III. rechtliche Würdigung:

Gemäß § 4 Abs. 3 Z. 9 des Versicherungssteuergesetz 1953, BGBl. Nr. 133/1953 (in der Folge: VersStG) in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 105/2014 besteht eine Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer für Kraftfahrzeuge, die für Körperbehinderte zugelassen sind und von diesen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, unter folgenden Voraussetzungen:

a) Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers. Bei Erfüllung aller Voraussetzungen entsteht der Anspruch auf Steuerfreiheit mit der Überreichung der Abgabenerklärung; wird der Nachweis der Körperbehinderung erst nachträglich beigebracht, ist die Berechnung der motorbezogenen Versicherungssteuer auf den Zeitpunkt der Überreichung der Abgabenerklärung zu berichtigen;

b) Nachweis der Körperbehinderung durch

– einen Ausweis gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder

– einen Eintrag der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Behindertenpass gemäß § 42 Abs. 1 des Bundesbehindertengesetzes 1990.

c) vorwiegende Verwendung des Kraftfahrzeuges zur persönlichen Fortbewegung des Körperbehinderten und für Fahrten, die Zwecken des Körperbehinderten und seiner Haushaltsführung dienen;

d) die Steuerbefreiung steht – von zeitlichen Überschneidungen bis zu einer Dauer von einem Monat abgesehen – nur für ein Kraftfahrzeug zu. Unter einem Wechselkennzeichen zum Verkehr zugelassene Kraftfahrzeuge werden von der Steuerbefreiung miterfaßt;"

Hinsichtlich des Eintrittes der Befreiung von der Versicherungssteuer müssen alle im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. ).

Auf Grund der genauen Anordnung des Gesetzgebers, auf welche Weise die Körperbehinderung nachzuweisen ist, kann die Vorlage eines Bescheides über die Feststellung des Grades der Behinderung gemäß § 3 Behinderteneinstellungsgesetz nicht die Vorlage eines Behindertenpasses samt der im Versicherungssteuergesetz genannten Zusatzeintragung ersetzen (vgl. ).

Nach dem Wortlaut des Gesetzes steht die Steuerfreiheit ab Überreichung der Abgabenerklärung zu. Eine rückwirkende Berücksichtigung der Befreiung sieht das Gesetz für den Fall vor, dass der Nachweis der Körperbehinderung nachträglich beigebracht wird; aber auch in diesem Fall kann eine Berichtigung der Steuerberechnung (lediglich) auf den Zeitpunkt der Überreichung der Abgabenerklärung - und nicht auf einen allenfalls davor liegenden Zeitpunkt - durchgeführt werden (vgl. ua. ; ).

Die Bestimmung des § 6 Abs. 3 Z. 7 VersStG bietet die Möglichkeit, eine allfällige unrichtige Steuerberechnung zu berichtigen. Für vor Überreichung der entsprechenden Abgabenerklärung entrichtete Beträge bestand noch keine Steuerfreiheit und erfolgte somit auch keine unrichtige Berechnung der Versicherungssteuer für diesen Zeitraum (vgl. ).

Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates bestätigt und im Erkenntnis Folgendes ausgesprochen:

"Der Gesetzgeber hat als eine der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Steuer die Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers vorgesehen; er hat damit - wie sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang eindeutig ergibt - eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung geschaffen. Liegt mangels Erfüllung aller für die Befreiung notwendigen Voraussetzungen für den fraglichen Zeitraum keine zu Unrecht einbehaltene Abgabe vor, kann sich der Abgabepflichtige hinsichtlich des von ihm gestellten Antrages auf Rückzahlung auch nicht auf § 240 Abs. 3 BAO stützen. Wenn sich der Abgabepflichtige auf § 113 BAO und eine ihm unrichtig erteilte Auskunft beruft, so kann das Vorliegen einer solchen ebenso wie die daraus allenfalls abzuleitenden Rechtsfolgen dahin gestellt bleiben; auch eine unrichtig erteilte Auskunft würde nicht dazu führen, dass das Fehlen einer materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzung für die nach § 4 Abs. 3 Z. 9 VersStG geltend gemachte Befreiung nicht zu berücksichtigen wäre.

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass das Bundessozialamt für die Bf. am einen Behindertenpass ua. mit der Eintragung eines Grades der Behinderung/Minderung der Erwerbsfähigkeit von 90% und der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgestellt hat.

Ebenso wird nicht in Zweifel gezogen, dass das Fahrzeug mit dem Kennzeichen **** von der Bf. im maßgeblichen Zeitraum vorwiegend zur persönlichen Fortbewegung der Bf. verwendet wurde.

Auch wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, so wird im gegenständlichen Fall die im Gesetz als erste genannte Voraussetzung, nämlich die Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers, für den Zeitraum vor dem nicht erfüllt. Um von der motorbezogenen Versicherungssteuer ausgenommen zu werden, müssen sämtliche im Gesetz aufgezählten Voraussetzungen erfüllt werden. Wird, so wie im gegenständlichen Fall, auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, kann es für diesen Zeitraum auch nicht zu einer Ausnahme von der motorbezogenen Versicherungssteuer kommen. Aus welchen Gründen auch immer es nicht schon früher zu einer Überreichung der Abgabenerklärung gekommen ist, ändert nichts daran, dass der Anspruch auf Steuerfreiheit erst mit der Überreichung der Abgabenerklärung entsteht. Der Anspruch auf Steuerfreiheit entsteht auch dann nicht für Zeiträume vor Überreichung der Abgabenerklärung, wenn die sonstigen Voraussetzungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt gegeben waren (vgl dazu abermals ua. ).

Die motorbezogene Versicherungssteuer wurde daher im Zeitraum nicht unrichtig berechnet und war die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.

IV. Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da die getroffene Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die getroffene Entscheidung folgte in rechtlicher Hinsicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ), wonach die Vorlage der Abgabenerklärung eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung ist. Entscheidungswesentlich war die Klärung der Tatfrage, ob im konkreten Einzelfall von der Beschwerdeführerin eine Abgabenerklärung beim Versicherer überreicht worden ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7101288.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at