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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2018, RV/5100017/2017

Zuständigkeitswechsel nach Art. 59 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, Slowakei, über die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Lilienfeld St. Pölten vom zu VNR 001, mit dem am beim Finanzamt eingelangte Anträge auf Gewährung von Differenzzahlungen für die Kinder A, B und C für den Monat September 2015 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, seine Ehegattin und seine drei Kinder sind slowakische Staatsbürger, der Familienwohnsitz befindet sich in der Slowakei.

Der Beschwerdeführer war bereits wiederholt in Österreich als Archäologe tätig. So war er laut Daten der österreichischen Sozialversicherung in der Zeit vom bis für D an der Donau tätig. Da seine Ehegattin in der Zeit von bis in Österreich als geringfügig beschäftigte Arbeiterin tätig war, beantragte der Beschwerdeführer am die Gewährung einer Differenzzahlung für seine drei Kinder für den Zeitraum bis , somit Jänner 2014.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab. Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/7102710/2014, statt. Eine vom Finanzamt eingebrachte außerordentliche Revision erkannt der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2015/16/0088, als zulässig und begründet, und hob das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes auf. Im fortgesetzten Verfahren wies das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/7104699/2017, die Beschwerde als unbegründet ab. Strittig war in diesem Verfahren betreffend den Zeitraum Jänner 2014 allein die Frage, ob eine Änderung der Zuständigkeit im Sinne des Art. 59 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 vorlag, und daher die Slowakei noch bis Ende Jänner 2014 und Österreich erst ab Februar 2014 zur Erbringung der Familienleistungen verpflichtet war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidungen verwiesen.

Am schloss der Beschwerdeführer mit der inländischen E GmbH einen freien Dienstvertrag betreffend archäologische Untersuchungen in T ab. Als Vertragsbeginn wurde der vereinbart.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers war laut Daten der österreichischen Sozialversicherung ab ebenfalls als freie Dienstnehmerin für die E GmbH tätig; für September 2015 ist keine Erwerbstätigkeit der Ehegattin des Beschwerdeführers in Österreich bekannt.

Der Beschwerdeführer beantragte mit den am unterfertigten, am beim Finanzamt eingelangten Formblättern Beih 38 die Gewährung von Differenzzahlungen für seine drei Kinder für den Zeitraum „“, somit September 2015. Als Beschäftigung seiner Ehefrau gab der Beschwerdeführer (wie schon im Verfahren betreffend den Zeitraum Jänner 2014) an: Student (Slovenská technická univerzita v Bratislave, MTF so sidlom v Trnave). Dazu ist auch eine entsprechende Bestätigung dieser Universität für das Studienjahr 2015/2016 vom aktenkundig.

In einem Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, einen Meldezettel betreffend seinen österreichischen Nebenwohnsitz vorzulegen, sowie eine Kindergarten- bzw. Schulbesuchsbestätigung für das Kind B, eine Dienstgeberbestätigung über die nach Ablauf der Probezeit zu leistende Wochenarbeitszeit und eine Verzichtserklärung der Kindesmutter (im Sinne des § 2a FLAG) nachzureichen.

Dazu teilte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom mit, dass er „Grenzgänger“ sei und daher über keinen österreichischen Nebenwohnsitz verfüge. Er wohne immer in einem Gasthaus in der Nähe der aktuellen Ausgrabungen. Ferner wies er auf den bereits vorgelegten Dienstvertrag hin, übermittelte eine (in den vom Finanzamt elektronisch übermittelten Aktenteilen nicht enthaltene) Verzichtserklärung der Kindesmutter und führte aus, dass sein Sohn B nach slowakischem Gesetz noch nicht verpflichtet sei, einen Kindergarten zu besuchen; das Kind sei zurzeit bei den Großeltern. Schließlich legte der Beschwerdeführer noch eine Anmeldung seiner Ehegattin zur österreichischen Sozialversicherung ab als archäologische Fachkraft für die E GmbH vor.

Der slowakische Träger bestätigte im Formblatt E 411, dass die Kindesmutter in der Zeit ab bis laufend keine berufliche Tätigkeit in der Slowakei ausgeübt und sich auch nicht in einem gleichgestellten Verhältnis befunden hat. Aus diesem Grund habe für den genannten Zeitraum auch kein Anspruch auf Familienleistungen bestanden.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Gewährung von „Familienbeihilfe“ (Differenzzahlungen) für den Zeitraum September 2015 mit folgender Begründung ab: „Ändern sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen, hat der Mitgliedstaat, der die Familienleistungen zu Beginn dieses Monats gewährt hat, die Familienleistungen bis zum Ende dieses Monats auszuzahlen (Art. 59 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit). Da Sie am nicht in Österreich beschäftigt waren, besteht im September 2015 kein Anspruch auf Gewährung von Familienleistungen.“

Gegen diesen Bescheid richtet sich die als „Berufung“ bezeichnete Beschwerde vom , beim Finanzamt eingelangt am . Diese begründete der Beschwerdeführer damit, dass Österreich nach Art. 59 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 sekundär für die Leistung einer Differenzzahlung (Ausgleichszahlung) für den Monat September 2015 gesetzlich verpflichtet sei. Primär sei für den ganzen Monat September 2015 selbstverständlich die Slowakische Republik verpflichtet. Erst ab Oktober 2015 übernehme die Republik Österreich primär und vollständig die Auszahlung der Familienleistungen, was auch geschehen sei.

Am teilte das Finanzamt den Beschwerdeführer mit, dass im Hinblick auf das damals vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesene Beschwerdeverfahren zu Ra 2015/16/0088 beabsichtigt sei, die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde gemäß § 271 BAO auszusetzen.

Mit Eingabe vom sprach sich der Beschwerdeführer gegen eine solche Aussetzung der Entscheidung aus, „begründete“ dies aber lediglich damit, dass seiner Ansicht nach der angefochtene Abweisungsbescheid vom rechtswidrig sei.

Daraufhin wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Wiederholung der Begründung des angefochtenen Bescheides ab.

Im Vorlageantrag vom wiederholte der Beschwerdeführer seine Ansicht, dass ihm für September 2015 gemäß Art. 59 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 987/2009 eine Differenzzahlung zustünde.

Mit Vorhalt vom wies das Finanzamt den Beschwerdeführer neuerlich darauf hin, dass für den Monat September 2015 weder im Antrag auf Gewährung der Differenzzahlungen noch in einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister ein inländischer Wohnort ersichtlich sei. Ferner möge der Arbeitsort im September 2015 bekannt gegeben werden.

Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Eingabe vom Stellung und führte aus, dass er „Grenzgänger“ sei und ein inländischer Wohnsitz für die Geltendmachung des Beihilfenanspruches nicht erforderlich wäre. Wichtig sei die gesetzliche Versicherungspflicht und diese liege seit "" in Österreich.

Mit Vorlagebericht vom , der gemäß § 265 Abs. 4 BAO auch dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht wurde, legte das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In seiner umfangreichen Stellungnahme führte das Finanzamt unter anderem aus: „Gemäß Art 11 Abs 3 lit a VO 883/2004 unterliegt der Beschwerdeführer den Rechtsvorschriften der Republik Österreich, weil dieser in Österreich eine Beschäftigung (freier Dienstnehmer seit ) ausübt. Für seine Familienangehörigen, die ihren ständigen Wohnsitz in der Slowakischen Republik haben, hat er gemäß Art 67 VO 883/2044 Anspruch auf Familienbeihilfen nach den Rechtsvorschriften der Republik Österreich, als ob sie in Österreich wohnen würden. Für die Prüfung, ob dem Beschwerdeführer dieselbe Leistung (Familienbeihilfe ab September 2015) nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren ist, gelten folgende Prioritätsregeln: 1. Mitgliedstaat, in dem die ausgeübte Beschäftigung den Anspruch auslöst, 2. Mitgliedstaat, in dem eine bezogene Rente den Anspruch auslöst und 3. Mitgliedstaat, in dem der Anspruch durch den Wohnort ausgelöst wird. Im Zeitpunkt September 2015 erhielt der Beschwerdeführer die Familienbeihilfe primär aufgrund des Wohnortes in der Slowakischen Republik von der Slowakischen Republik. Mit nahm er eine Beschäftigung in Österreich auf. Gemäß Art 68 Abs 1 lit b VO 883/2004 wäre eine Ausgleichszahlung nur zu bezahlen, wenn dieselbe Leistung aufgrund desselben Grundes von der Slowakischen Republik und Österreich gewährt werden würden. Jedoch beantragt der Berufungswerber gerade aus unterschiedlichen Gründen die Familienbeihilfe, nämlich aufgrund Wohnort (Slowakische Republik) und Beschäftigung (Österreich). Somit kommt es vielmehr zu einer Änderung der Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen, weil der Mitgliedstaat, in dem eine Beschäftigung ausgeübt wird, dem Staat, der bloß aufgrund des Wohnortes zuständig ist, vorgeht. Ab dem ändert sich somit mit der Beschäftigungsaufnahme in Österreich die Zuständigkeit. Gemäß Art 59 Abs 1 VO 987/2009 hat die Slowakische Republik, welche am ausschließlich aufgrund des Wohnortes für die Gewährung der Familienleistungen zuständig war, bis Ende September 2015 die Auszahlung der Familienbeihilfe fortzusetzen.“

Der Beschwerdeführer nahm zu diesem Vorlagebericht mit einer an das Bundesfinanzgericht gerichteten Eingabe vom Stellung und legte dazu einen von ihm so bezeichneten „Abweisungsbescheid (NR. KN1/OSSD/SOC/2015/15766-0012) von slowakischen Urad prace socialnych veci a rodiny Komarno vom “ in slowakischer Sprache vor. Auf der Ablichtung dieser Erledigung des „Büros für Sozialarbeit und Familie“ (lt. Google-Übersetzer) brachte der Beschwerdeführer lediglich einige handschriftliche Übersetzungen an, aus denen erkennbar hervorgehen soll, dass die slowakische Republik die Zahlung der Familienleistungen für September 2015 in Höhe von 70,56 € ab eingestellt habe. Ferner verwies der Beschwerdeführer darauf, dass in den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen seine (oben zitierte) Stellungnahme vom nicht enthalten sei. Weiters nahm der Beschwerdeführer noch umfangreich zu Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht betreffend den nicht beschwerdegegenständlichen Zeitraum Dezember 2012 Stellung. Schließlich nannte der Beschwerdeführer weitere Zeiträume, in denen ihm seiner Ansicht nach zu Unrecht österreichische Familienleistungen vorenthalten worden wären. Den oben zitierten Feststellungen des Finanzamtes im Vorlageberich trat der Beschwerdeführer, insoweit sie den entscheidungsrelevanten Sachverhalt (nicht die rechtliche Beurteilung) betreffen, nicht entgegen.

Beweiswürdigung

Aufgrund der zitierten Aktenteile steht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht fest, dass der Beschwerdeführer ab , die Kindesmutter dagegen erst ab in Österreich erwerbstätig waren. In der Slowakei übten beide im September 2015 keine Erwerbstätigkeit aus und befanden sich auch nicht in einer gleichgestellten Situation (Bezug von Arbeitslosengeld); die Kindesmutter studiert in der Slowakei. Der Feststellung des Finanzamtes, dass Anspruch auf slowakische Familienleistungen für September 2015 allein aufgrund des Wohnortes bestand, trat der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Rechtslage und Erwägungen

Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gilt diese für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Die Verordnung gilt daher für den Beschwerdeführer, die Kindesmutter und die Kinder des Beschwerdeführers.

Die Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften betreffend Familienleistungen (Art. 3 Abs. 1 lit. j der VO).

Hinsichtlich der Bestimmung des anwendbaren Rechts bestimmt Art. 11 der VO:

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;

c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

d) eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.

Hinsichtlich von Familienangehörigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, bestimmt Art. 67 der VO: Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Art. 68 der VO trifft folgende Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen:

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden …

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Art. 59 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 (DVO) lautet:

Regelungen für den Fall, in dem sich die anzuwendenden Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen ändern

(1) Ändern sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen, so setzt der Träger, der die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gezahlt hat, nach denen die Leistungen zu Beginn dieses Monats gewährt wurden, unabhängig von den in den Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten für die Gewährung von Familienleistungen vorgesehenen Zahlungsfristen die Zahlungen bis zum Ende des laufenden Monats fort.

(2) Er unterrichtet den Träger des anderen betroffenen Mitgliedstaats oder die anderen betroffenen Mitgliedstaaten von dem Zeitpunkt, zu dem er die Zahlung dieser Familienleistungen einstellt. Ab diesem Zeitpunkt übernehmen der andere betroffene Mitgliedstaat oder die anderen betroffenen Mitgliedstaaten die Zahlung der Leistungen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bereits eingangs zitierten Entscheidung vom , Ra 2015/16/0088, klargestellt, dass eine Änderung der Zuständigkeit im Sinne dieses Art. 59 der DVO dann vorliegt, wenn durch die Aufnahme einer Berufstätigkeit im Inland Österreich nach den Prioritätsregeln des Art. 68 der VO (EG) Nr. 883/2004 primär zuständig wird (Rz 15). Gerade ein solcher Fall des Wechsels der primären Zuständigkeit liegt gegenständlich vor, wurde vom Finanzamt im Vorlagebericht zutreffend dargestellt und wird vom Beschwerdeführer in seinen Ausführungen (wohl unbewusst) auch zugestanden, wenn er in der Beschwerde selbst darauf hinweist, dass „für den ganzen Monat September 2015 selbstverständlich die Slowakische Republik verpflichtet“ sei, und „erst ab Oktober 2015 die Republik Österreich primär“ die Auszahlung der Familienbeihilfe übernehme, was auch geschehen sei. Durch die Aufnahme der Erwerbstätigkeit in Österreich am wurde Österreich gemäß Art. 68 Abs. 1 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 bereits am primär für die Gewährung der Familienleistungen zuständig. In diesem Fall ist nach Art. 59 Abs. 1 der DVO aber die Slowakei verpflichtet, die Familienleistungen bis zum Ende des Monats fortzusetzen und Österreich erst ab Beginn des Folgemonats zur Leistung verpflichtet (siehe Rz 14 des zitierten VwGH-Erkenntnisses). Der slowakische Träger kann sich in einem solchen Fall der ihn treffenden rechtlichen Pflicht nicht durch Erlassung einer anderslautenden Entscheidung entziehen; tut er dies in rechtswidriger Weise dennoch, liegt es am Beschwerdeführer, eine solche Entscheidung im Rechtsweg anzufechten. Eine Umgehung der zwingenden Bestimmung des Art. 59 Abs. 1 der DVO durch eine anderslautende Entscheidung des betroffenen Trägers ist jedenfalls ausgeschlossen. Aus diesem Grund ist für das gegenständliche Verfahren auch nichts aus der (lediglich in slowakischer Sprache) vorgelegten Entscheidung des „Büros für Sozialarbeit und Familie“ zu gewinnen.

Aus dem Wortlaut des Art. 59 der DVO geht klar und unmissverständlich hervor, dass diese Bestimmung gerade für den Fall Regelungen trifft, dass sich „während eines Kalendermonats … die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen ändert“. Die Änderung der Zuständigkeit tritt daher bereits an einem konkreten Tag des Monats (im gegenständlichen Fall am ) ein, ungeachtet dessen laufen die Zahlungen des bisher primär zuständig gewesenen Mitgliedsstaates bis zum Monatsende weiter und beginnen die Zahlungen des neu zuständig gewordenen Mitgliedsstaates erst mit Beginn des folgenden Monats (hier: Oktober 2015). Der Grund für diese Regelung liegt wohl in verwaltungstechnischen und verwaltungsökonomischen Erwägungen: bekanntlich wird die Familienbeihilfe unter anderem auch in Österreich monatsweise ausbezahlt und sieht § 8 FLAG nur Monatsbeträge vor, sodass eine tageweise Berechnung im Fall eines Zuständigkeitswechsels erheblichen Mehraufwand bedeuten würde; ferner bedarf auch die Verständigung zwischen den Mitgliedsstaaten einer gewissen Zeit. Die Sonderregelung des Art. 59 der DVO für den Monat, in dem ein Wechsel der primären Zuständigkeit eintritt, ist daher durchaus sinnvoll.

Insgesamt gesehen erweist sich daher der angefochtene Bescheid als rechtmäßig, weshalb die Beschwerde abzuweisen und damit spruchgemäß zu entscheiden war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 59 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
Verweise
VwGH, Ra 2015/16/0088
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.5100017.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at