Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2018, RV/2100276/2018

§ 9 BAO: Gleichbehandlungsnachweis, Ermessen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch V und die weiteren Senatsmitglieder S1, S2 und S3 über die Beschwerde des NN, vertreten durch V, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Oststeiermark vom , Abgabenkontonummer n, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beisein der Schriftführerin S zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Beschwerdeführer wird gemäß § 9 BAO zur Haftung für die folgenden Abgaben der NN.KG in der Gesamthöhe von 60.808,74 Euro herangezogen:


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Abgabe
Fälligkeit
Betrag in Euro
Umsatzsteuer 10/2015
16.982,29
Lohnsteuer 11/2015
3.278,33
Dienstgeberbeitrag 11/2015
2.318,12
Zuschlag zum DB 11/2015
200,90
Säumniszuschlag 1 2015
102,60
Säumniszuschlag 1 2015
397,89
Säumniszuschlag 1 2015
90,92
Umsatzsteuer 11/2015
16.184,72
Dienstgeberbeitrag 12/2015
1.521,10
Zuschlag zum DB 12/2015
131,83
Säumniszuschlag 1 2015
114,68
Säumniszuschlag 2 2015
55,37
Umsatzsteuer 12/2015
13.106,44
Kammerumlage 10-12/2015
375,57
Kraftfahrzeugsteuer 10-12/2015
136,02
Säumniszuschlag 1 2015
342,01
Säumniszuschlag 1 2015
106,62
Säumniszuschlag 1 2015
46,36
Umsatzsteuer 01/2016
4.899,33
Säumniszuschlag 1 2016
93,95
Säumniszuschlag 1 2016
323,69

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) fungierte seit dem Jahr 01 als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der NN.GmbH. Diese war unbeschränkt haftende Gesellschafterin der NN.KG.

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 02, wurde über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet. 

Mit dem Beschluss vom 03 wurde das Konkursverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben. Die Gesellschaft wurde mittlerweile aufgelöst und gelöscht.

Im Auskunftsersuchen vom teilte das Finanzamt dem Bf. mit, am Abgabenkonto der NN.KG hafteten Abgaben in der Höhe von 66.275,13 Euro unberichtigt aus. Die Abgaben seien uneinbringlich, weil über die Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet worden sei.

Dem Bf. sei als Geschäftsführer die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft oblegen.

Sofern die Gesellschaft bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde der Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung seien alle damaligen Gläubiger sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) den verfügbar gewesenen liquiden Mitteln gegenüber zu stellen.

Im Fall der Nichterbringung der Nachweise gehe das Finanzamt davon aus, dass der Bf.  die ihm obliegende Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln schuldhaft verletzt habe und diese Pflichtverletzung für den Abgabenausfall bei der Gesellschaft ursächlich sei. In diesem Fall hafte der Bf. für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollem Ausmaß.

Im Rückstand sei ein beträchtlicher Teil an Lohnabgaben enthalten. Unter Bezugnahme auf die Kürzungspflicht im Sinne der §§ 79 (1) und 78 (3) EStG werde um Bekanntgabe ersucht, ob die Löhne und Gehälter bis April 2016 in ungekürzter Höhe zur Auszahlung gelangt seien.

Da dieses Auskunftsersuchen unbeantwortet blieb, zog das Finanzamt den Bf. mit dem Haftungsbescheid vom gemäß § 9 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der NN.KG im Ausmaß von 66.275,13 Euro heran.

Gegen den Bescheid brachte der Bf. durch seinen Vertreter am das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Zur Begründung würden im Haftungsbescheid im Wesentlichen nur die gesetzlichen Bestimmungen bzw. die diesbezügliche Judikatur dargestellt. Feststellungen zur Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner sowie zum Verschulden des Haftungspflichtigen würden nicht getroffen.

Der Bf. sei vor Erlassung des Haftungsbescheides auch nicht zur Stellungnahme aufgefordert worden, weshalb ihm das gebotene Parteiengehör nicht gewährt worden sei. Der Bescheid sei schon aus diesem Grund aufzuheben.

Der Masseverwalter habe im Konkursverfahren den Wegfall der Masseunzulänglichkeit angezeigt. Es stehe daher überhaupt noch nicht fest, in welchem Ausmaß eine Uneinbringlichkeit bestehe, weshalb der gegenständliche Haftungsbescheid verfrüht sei.

Laut Steuerkonto habe die Gesellschaft im Zeitraum Oktober 2015 bis zur Konkurseröffnung am 02 an das Finanzamt Zahlungen in der Höhe von insgesamt 104.406,77 Euro geleistet.

Das Finanzamt habe im Insolvenzverfahren Forderungen in der Höhe von 157.950,16 Euro angemeldet, sodass von einem Gesamtobligo von 262.356,93 Euro auszugehen sei.

Am habe am Abgabenkonto der Gesellschaft ein Tagessaldo von 45.744,34 Euro bestanden, der Endsaldo habe unter Berücksichtigung der Zahlungen von 104.406,77 Euro 79.804,37 Euro betragen, sodass im relevanten Zeitraum 184.211,14 Euro an Finanzamtsforderungen fällig waren. Die Differenz zu den angemeldeten Beträgen sei für den Bf. nicht erklärbar.

Bei dieser Betrachtung ergebe sich, dass die KG im haftungsrelevanten Zeitraum 56,7 % ihrer Steuerverbindlichkeiten erfüllt habe.

Aus den Verbindlichkeiten der KG laut der beiliegenden Gläubigerliste aus dem Insolvenzverfahren ergebe sich, dass von Oktober 2015 bis März 2016 faktisch nur Zahlungen an das Finanzamt geleistet worden seien und den Mitarbeitern kein Lohn bzw. nur mehr geringe Lohnanteile ausbezahlt wurden.

Das Finanzamt sei daher nicht benachteiligt, sondern eklatant bevorzugt worden, da die meisten anderen Gläubiger absolut leer ausgegangen seien. Es liege daher keine Haftung des Bf. vor, der angefochtene Haftungsbescheid sei ersatzlos zu beheben.

Der Bf. beantragte die Entscheidung durch den Senat sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Im Auskunftsersuchen vom forderte das Finanzamt den Bf. neuerlich auf, Nachweise zu erbringen, wie viel Zahlungsmittel der Gesellschaft zur Verfügung gestanden und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger Befriedigung erlangt haben.

Da auch dieses Auskunftsersuchen unbeantwortet blieb, wies das Finanzamt die Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Es seien keine Unterlagen vorgelegt worden, die eine Gläubigergleichbehandlung nachwiesen. Eine eventuelle im Konkursverfahren ausgeschüttete  Quote werde nach Beendigung des Konkursverfahrens beim Haftungsverfahren angerechnet.

Mit dem Schriftsatz vom (Vorlageantrag) beantragte der Bf. ohne weitere Ausführungen, die Bescheidbewerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Im Auskunftsersuchen vom forderte das Finanzamt den Bf. noch einmal auf, der Rechtsprechung zum Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende Berechnungen anzustellen und Unterlagen vorzulegen. Als nicht ausreichend erweise sich das Vorbringen, die meisten anderen Gläubiger seien absolut leer ausgegangen. Die Vorlage der Gläubigerliste sei ebenfalls kein geeigneter Nachweis, weil daraus die getätigten Zahlungen nicht ersichtlich seien.

Hinsichtlich der in Haftung gezogenen Lohnsteuer 11/2015 werde der Bf. ersucht, zum Vorbringen, es seien nur mehr geringe Lohnanteile ausbezahlt worden, geeignete Nachweise vorzulegen.

In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung brachte der Vertreter des Bf. ergänzend vor, gegenüber dem Bf. seien mittlerweile zusätzliche Haftungen seitens Leasingfirmen und Banken geltend gemacht worden. Dem Bf. werde wohl nichts anderes übrig bleiben, als in den Privatkonkurs zu gehen.

Ein Nachweis, in welcher Höhe die Verbindlichkeiten der KG entrichtet wurden, könne nicht erbracht werden. Aus dem Abgabenkonto ergebe sich, dass das Finanzamt den Bf. ständig wegen der Rückstände der KG gedrängt habe und der Vollstrecker beim Bf. ein- und ausgegangen sei. Das Finanzamt sei daher auch in hohem Ausmaß befriedigt worden.

Der Vertreter des Bf. beantragte, diesen Umstand bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen und der Beschwerde im Sinne seiner Ausführungen teilweise stattzugeben.

Die Vertreterin des Finanzamtes verwies auf die mehrmaligen Vorhalte sowie den Umstand, dass bis dato nicht bekannt sei, welche liquiden Mittel der KG im Haftungszeitraum zur Verfügung standen. Sie beantragte die teilweise Stattgabe der Beschwerde im Hinblick auf die Anerkennung der ausgeschütteten Konkursquote auf die Haftungsbeträge.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Vertreterstellung

Der Bf. war im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Komplementär GmbH der Primärschuldnerin. Bei einer GmbH & Co. KG wird die Gesellschaft durch die Komplementär GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer vertreten. Dieser Geschäftsführer, der zum Personenkreis der §§ 80 ff BAO gehört, hat die abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, die der GmbH obliegen, und damit auch die abgabenrechtlichen Pflichten, die die KG treffen. Bei einer schuldhaften Pflichtverletzung haftet der Geschäftsführer der GmbH für die Abgaben der KG (, siehe Ritz, BAO Kommentar, 5. Auflage, § 9 Tz 2).

Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Komplementär GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Die abgabenrechtlichen Verpflichtungen bestanden u.a. in der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, in der Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, in der Abgabenerklärungspflicht sowie in der Verpflichtung, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten. 

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin nach der Aktenlage aufgelöst und am 04 im Firmenbuch gelöscht wurde, weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.

Die im angefochtenen Bescheid geltend gemachten Haftungsbeträge waren, wie vom Bf. geltend gemacht, um die im Konkursverfahren ausgeschüttete Quote von 8,2167% zu kürzen.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung für die Haftung nach § 9 BAO ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben ().

Da der Gesellschaft nach der Aktenlage im Haftungszeitraum Mittel zur Verfügung standen (laufende Umsätze, Lohnzahlungen), war diese zur (anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verpflichtet.

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Da der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, dem Bf. oblag (siehe unter vielen , zuletzt ), wurde er von der Abgabenbehörde in mehreren Vorhalten aufgefordert, zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben eine Aufstellung sämtlicher Gläubiger, der auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie aller verfügbar gewesenen liquiden Mittel beizubringen. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Beschwerdevorentscheidung die Wirkung eines Vorhaltes (z.B. ), sodass auch die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom als nochmalige Aufforderung zur Vorlage von Gleichbehandlungsnachweisen zu verstehen sind.

Einen Nachweis, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger hinsichtlich der übrigen haftungsrelevanten Zeiträume uneinbringlich geworden wäre, hat der Bf. trotz dieser mehrmaliger Aufforderungen nicht erbracht.

Die Vorlage des Anmeldungsverzeichnisses der Gläubiger im Konkurs war diesbezüglich ungeeignet, weil in die rechnerische Darstellung des Nachweises (Verhältnisrechnung) die gesamte Einnahmen- und Liquiditätssituation - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte - einzubeziehen ist ().

Nach dem Vorbringen des Vertreters des Bf. in der mündlichen Verhandlung kann ein solcher Nachweis nicht erbracht werden. 

Der Vertreter erfährt nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre ().

Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Die Heranziehung des Bf. zur Haftung der Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft erfolgte daher zu Recht in voller Höhe.

Die pauschale Behauptung der Gleichbehandlung aller Gläubiger bzw. der erfolgten Bevorzugung des Abgabengläubigers ohne entsprechenden Nachweis genügt nicht (siehe ). Das Vorbringen, die übrigen Gläubiger seien leer ausgegangen, ist daher ohne entsprechende Nachweise nicht relevant.

Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (siehe nochmals ).

Kausalität

Der Bf. bringt vor, dass die Uneinbringlichkeit der Abgaben mit der schuldhaften Verletzung von abgabenrechtlichen Obliegenheiten in kausalem Zusammenhang stehe, sei eine unbewiesene Behauptung der Abgabenbehörde.

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (siehe dazu , ). 

Fest steht, dass die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit ist und dieses pflichtwidrige Verhalten dem Bf. als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen ist. Von einem Rechtswidrigkeitszusammenhang ist demnach auszugehen, zumal der Bf. auch selbst nichts Gegenteiliges vorbringt.

Lohnsteuer

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe zuletzt , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Nachweise dafür, dass die Löhne nicht bzw. nicht zur Gänze ausbezahlt wurden, wurden trotz Aufforderung im Vorhalt vom nicht erbracht.

Die Geltendmachung der Haftung hinsichtlich Lohnsteuer 11/2015 durch das Finanzamt kann daher ebenfalls nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht möglich, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().

Das Vorbringen, es seien die Abgabenverbindlichkeiten wegen des andrängenden Abgabengläubigers gegenüber anderen Gläubigern vorzugsweise bedient worden, kann daher nicht im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden.

Es war daher zweckmäßig, den bei der Gesellschaft Bf. zur Haftung für jene Abgaben, die aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens (Nichtabfuhr) bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden sind, heranzuziehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis gründet sich auf die oben wieder gegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.2100276.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at