Wirksamkeit einer Beschwerdevorentscheidung
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der A GmbH, Adresse, vertreten durch V, Adresse1, gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Judenburg Liezen vom betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2012 bis 2016 beschlossen:
Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO in Verbindung mit § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bei der Beschwerdeführerin wurde eine Lohnsteuerprüfung durchgeführt. Als Folge dieser Prüfung wurde der Beschwerdeführerin mit den Haftungsbescheiden des Finanzamtes Judenburg Liezen vom für die Jahre 2012 bis 2016 als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer in Anspruch genommen. Mit den Abgabenbescheiden vom selben Tag wurden der Beschwerdeführerin für die Jahre 2012 bis 2016 der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (Dienstgeberbeitrag) und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben.
Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde wurde mit der Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Dagegen richtete sich der Vorlageantrag vom .
Die Beschwerdevorentscheidung weist als Behörde das Finanzamt Judenburg Liezen aus.
Gemäß § 96 BAO müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt.
Die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung weist eine Unterschrift auf, der Tatbestand des § 96 letzter Satz BAO ist nicht (zur Gänze) erfüllt, die Genehmigungsfunktion des § 96 letzter Satz BAO tritt daher nicht ein ().
§ 96 erster Satz BAO setzt voraus, dass eine Erledigung vom jeweiligen Organwalter zu genehmigen ist. Die Bundesabgabenordung geht damit grundsätzlich vom Verständnis aus, dass ein wirksamer Bescheid nur zustande kommt, wenn er auf die Genehmigung eines Organwalters der Behörde und somit auf dessen Willen zurückzuführen ist (). Im Regelfall werden nur der Behörde zugeordnete Organwalter approbationsbefugt sein.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Unterschrift einer für die betreffende Behörde an sich approbationsbefugten Person erforderlich. Dem Finanzamt Judenburg Liezen können nur solche Erledigungen zugeordnet werden, die von der Behördenleiterin oder vom Behördenleiter approbiert worden sind oder die von einer Person unterzeichnet worden sind, der von dessen Behördenleiterin oder von dessen Behördenleiter eine Approbationsbefugnis erteilt worden ist ().
Unstrittig war, dass die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung nicht von einer dem Finanzamt Judenburg Liezen zugeordneten Person approbiert worden ist. Die Person, die die Beschwerdevorentscheidung approbiert hat, ist lediglich berechtigt, für das Finanzamt Graz-Stadt unter anderem Rechtsmittelerledigungen zu approbieren.
Auch aus den einschlägigen Vorschriften lässt sich nicht ableiten, dass die Person, die die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung unterfertigt hat, für das Finanzamt Judenburg Liezen approbationsbefugt war.
Gemäß § 10 Abs. 1 Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung die Zuweisung von Aufgaben an Abgabenbehörden aufheben und diese Aufgaben anderen Abgabenbehörden übertragen, wenn es organisatorisch zweckmäßig ist und einer wirksamen, einfachen und Kosten sparenden Vollziehung dient. Dies gilt sinngemäß für die Befugnis von Organen der Abgabenbehörden, bestimmte Aufgaben auch für andere Abgabenbehörden wahrzunehmen.
In Rahmen dieser Ermächtigung hat der Bundesminister für Finanzen mit der Verordnung BGBl. II Nr. 346/2015 die Verordnung zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010-DV) geändert. Der mit in Kraft getretene § 10a Abs. 3 dieser Verordnung lautet:
„Die mit der Durchführung von gemeinsamen Prüfungen lohnabhängiger Abgaben (§§ 86 ff des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988 in der geltenden Fassung) betrauten Organe der Finanzämter Wien 1/23, Wien 12/13/14 Purkersdorf, Lilienfeld St. Pölten, Linz, Salzburg-Stadt, Graz-Stadt, Klagenfurt, Innsbruck und Feldkirch können diese Tätigkeit einschließlich der Auswahl der zu prüfenden Fälle für jedes Finanzamt im Bereich des Landes, in dem diese Finanzämter ihren Sitz haben, ausüben, sowie mit diesen Prüfungen zusammenhängende Bescheide erlassen, sofern hiefür nicht das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart zuständig ist. Diese Finanzämter dürfen solche Bescheide auch dann erlassen, wenn die Prüfung durch einen Krankenversicherungsträger durchgeführt wird. Weiters dürfen sie im Beschwerdeverfahren betreffend von ihnen erlassene Bescheide tätig werden.“
Die mit der Durchführung von gemeinsamen Prüfungen lohnabhängiger Abgaben betrauten Organe (nachfolgend Lohnsteuerprüfer genannt) des Finanzamtes Graz-Stadt können somit in mit der Lohnsteuerprüfung zusammenhängenden Angelegenheiten für das Finanzamt Judenburg Liezen tätig werden sowie die mit den Prüfungen zusammenhängende Bescheide für das Finanzamt Judenburg Liezen erlassen. Der Wortlaut des § 10a Abs. 3 erster Satz AVOG 2010-DV (die mit der Prüfung lohnabhängiger Abgaben betrauten Organe des Finanzamtes) bringt klar und deutlich zum Ausdruck, dass nicht das Organ Finanzamt Graz-Stadt als solches berechtigt ist, für andere Finanzämter in der Steiermark tätig zu werden, sondern nur die Personen, die die Prüfungen lohnabhängiger Abgaben durchführen.
Bei den Bescheiden vom handelte es sich um automationsunterstützt erstellte Bescheide, die weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen; diese gelten als durch die Leiterin oder den Leiter des Finanzamtes Judenburg Liezen als genehmigt. Durch die Regelung des § 10a Abs. 3 erster Satz AVOG 2010-DV, wonach die Lohnsteuerprüfer für andere Finanzämter mit den Prüfungen zusammenhängende Bescheide erlassen dürfen, war die Voraussetzung, dass auch ein automationsunterstützter Bescheid im Sinne des § 96 letzter Satz BAO durch den Organwalter der Behörde (hier Finanzamt Judenburg Liezen) veranlasst sein muss () gegeben.
Nach § 10a Abs. 3 letzter Satz AVOG 2010-DV dürfen die Lohnsteuerprüfer auch im Beschwerdeverfahren tätig werden. Durch die Regelung, dass „sie“ im Beschwerdeverfahren betreffend von ihnen erlassene Bescheide tätig werden dürfen, hat der Verordnungsgeber klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass mit dem Wort „sie“ (nur) die Lohnsteuerprüfer gemeint sind. Denn nur diese können nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10a Abs. 3 erster Satz AVOG 2010-DV Bescheide erlassen. Im Beschwerdeverfahren dürfen daher nur die Lohnsteuerprüfer tätig werden. Die Person, die die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung unterzeichnet hat, ist kein Lohnsteuerprüfer, sondern ein Mitarbeiter des Fachbereiches und somit von der Ermächtigung des § 10a Abs. 3 letzter Satz AVOG 2010-DV nicht erfasst. Auch nach dieser Bestimmung war diese Person daher nicht befugt, für das Finanzamt Judenburg Liezen tätig zu werden.
Darüber hinaus ist noch festzuhalten, dass nach der Regelung des § 10a Abs. 3 erster Satz AVOG 2010-DV die Lohnsteuerprüfer für andere Finanzämter tätig werden und die mit den Prüfungen zusammenhängenden Bescheide erlassen können. Das Tätigwerden für ein anderes Finanzamt inkludiert somit nicht das Erlassen von Bescheiden; hätte dies der Verordnungsgeber beabsichtigt, dann hätte es nach der logischen Interpretation, wonach eine Rechtsnorm im Zweifel nicht so verstanden werden darf, dass sie überflüssig ist und im Allgemeinen niemand zwecklose und funktionslose (weil praktisch unanwendbare) Anordnungen treffen will, der Bestimmung „sowie mit diesen Prüfungen zusammenhängende Bescheide erlassen“ zu können nicht bedurft.
Im Beschwerdeverfahren dürfen die Lohnsteuerprüfer betreffend die von ihnen erlassenen Bescheide nur tätig werden, jedoch keine Beschwerdevorentscheidungen erlassen, denn sonst hätte dies der Verordnungsgeber so wie in § 10a Abs. 3 erster Satz AVOG 2010-DV gesondert angeordnet. Auch lässt sich eine Ermächtigung zur Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen nicht aus der zur Erlassung von Bescheiden ableiten. Der Verordnungsgeber hat nicht nur zwischen dem Tätigwerden und dem Bescheiderlassen unterschieden, sondern auch zwischen der Prüfung sowie Bescheiderlassung und dem Beschwerdeverfahren. Wäre das Tätigwerden im Beschwerdeverfahren und das Erlassen von Beschwerdevorentscheidungen bereits von § 10a Abs. 3 erster Satz AVOG 2010-DV erfasst, dann würde sich die Anordnung des § 10a Abs. 3 letzter Satz AVOG 2010-DV erübrigen.
Da die Person, die die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung unterfertigt hat, nicht für das Finanzamt Judenburg Liezen approbationsbefugt war, ist die Beschwerdevorentscheidung vom nicht wirksam zustande gekommen ().
Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Ein Vorlageantrag setzt unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus. Mangels einer wirksamen Beschwerdevorentscheidung war daher der Vorlageantrag vom gemäß § 260 Abs. 1 lit a in Verbindung mit § 264 Abs. 4 lit. e BAO zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO6, § 264 Tz 17).
Gemäß Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung stützt sich auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Vorschriften und auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind keine Rechtsfragen aufgeworfen worden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist nicht zulässig.
Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 96 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 10a Abs. 3 AVOG 2010 - DV, Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010, BGBl. II Nr. 165/2010 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.2100195.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at