Shiatsu- und Cranio-Sacrale-Therapien in Zusammenhang mit einer Behinderung als außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri über die Beschwerde der Bfin., Adresse, vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom betreffend Einkommensteuer 2015, St.Nr. 41 000/0000, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben betragen:
Einkommen: € 24.006,53
Einkommensteuer: € 4.667,04
anrechenbare Lohnsteuer: € 6.862,88
Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988: € 0,16
Abgabengutschrift: € 2.196,00
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz als Bfin. bezeichnet) bezog im Jahr 2015 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Außerdem bezog sie Krankengeld der OÖ. Gebietskrankenkasse.
In der am beim Finanzamt eingelangten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 machte die Bfin. Krankheitskosten in Höhe von € 2.652,38 als außergewöhnliche Belastung geltend.
Im Einkommensteuerbescheid 2015 vom anerkannte das Finanzamt zwar grundsätzlich die geltend gemachten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung. Es ergab sich dadurch aber keine steuerliche Auswirkung, weil gleichzeitig der zumutbare Selbstbehalt in Höhe der geltend gemachten Krankheitskosten abgezogen wurde.
Gegen diesen Einkommensteuer bescheid für das Jahr 2015 erhob die Bfin. fristgerecht Beschwerde und beantragte die Erlassung eines neuen Bescheides.
Zur Begründung führte sie aus, dass der angefochtene Bescheid hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastung unrichtig sei. Aufgrund ihrer Behinderung von 30% hätten die Krank heits kosten von € 2.652,38 unter der Kennzahl 476 (außergewöhnliche Belastung ab einem Behinderungsgrad von 25%) eingetragen werden müssen.
Gleichzeitig übermittelte sie ein Schreiben der Landesstelle Oberösterreich des Sozialministeriums einschließlich eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, mit welchem ein Behinderungsgrad von 30 v.H. bescheinigt wurde.
In dem vorgelegten ärztlichen Sachverständigengutachten (mit Untersuchung) der Landes stelle Oberösterreich des Sozialministeriums wurde zum Klinischen Status – Fachstatus u.a. ausgeführt: „Visus: rechts blind, Augenprothese, Oberlidschwäche rechts, links ausreichenden Sehvermögen bei Doppelbildern.“
Mit Vorhalt des Finanzamtes vom wurde die Bfin. aufgefordert, die beantragten außergewöhnlichen Belastungen anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen sowie die Vergütungen der Krankenkasse bzw. einer privaten Versicherung bekannt zu geben.
Daraufhin legte die Bfin. eine genaue Aufstellung ihrer geltend gemachten Krankheitskosten vor. Insgesamt errechnete sie Kosten für Therapien in Höhe von € 1.256,32, Fahrtkosten zu den Therapien in Höhe von € 871,37, Diäten in Höhe von € 79,20, Aufwendungen für Apotheken in Höhe von € 394,57 und für Optiker in Höhe von € 224,80. Abzüglich von Rückerstattungen von € 173,88 errechnete sie einen Betrag von € 2.652,38.
Zu diesem Betrag rechnete sie die Fahrtkosten zur Soziallandesstelle wegen der Untersuchung betreffend die Behinderung hinzu und zog ein Haushaltsersparnis für 18 Tage Krankenhausaufenthalt von € 94,14 ab, sodass sich ein Betrag von € 2.641,72 ergab.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt Braunau Ried Schärding aufgrund der Beschwerde vom den Bescheid vom ab.
Als nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wurden € 947,72 anerkannt. € 1.694,00 wurden als außergewöhnliche Belastung nur unter Anwendung des Selbstbehaltes ausgewiesen.
In der Begründung wurde ausgeführt: „Die Behandlungskosten für Shiatsu und Cranio Sacrale wurden nicht anerkannt, da per Definition nur die folgenden Kosten unter die Kosten der Heilbehandlung fallen: Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Kosten für Medikamente und Therapiekosten sofern sie im Zusammen hang mit der Behinderung stehen.“
Mit Eingabe vom beantragte die Bfin. die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht.
Sie verwies auf ihre Beschwerde vom und brachte ergänzend vor, dass aufgrund der schweren Kopfverletzung die Behandlungen Shiatsu und Cranio Sacrale vom Krankenhaus bzw. der Hausärztin verordnet worden seien. Diese Behandlungen seien für sie zwingend notwendig, um die entstandenen körperlichen und seelischen Schäden zu ertragen. Deshalb stünden diese Behandlungen in Zusammenhang mit ihrer Behinderung und seien ohne Selbstbehalt anzuerkennen.
Die Beschwerdevorentscheidung weise außerdem einen Fehler auf. Die außergewöhn liche Belastung unter Anwendung des Selbstbehaltes wurde mit einem Betrag von € 1.694.- ausgewiesen. Dieser Betrag ergebe sich aus den tatsächlichen Kilometern anstelle des Kilometergeldes und den Behandlungskosten. Richtig sei ein Kilometergeld von € 272,58 und Behandlungskosten von € 1.045.-.
Dem Vorlageantrag legte die Bfin. eine ärztliche Bestätigung einer Ärztin für Allgemein medizin mit folgendem Inhalt bei:
„Meine obig genannte Patientin erlitt im Februar 2015 eine schwere Schädelverletzung mit kompl. Sehverlust des rechten Auges, Zertrümmerung des knöchernen Augenbogens sowie eine Oberkiefertrümmerfractur. Bedingt durch das Unfallereignis leidet die Bfin. unter massiven Nacken- und Kopfschmerzen, welche intensiv behandelt werden müssen. Zu dieser Therapie gehört auch die Shiatsu und Cranio Sacrale Anwendungstherapie.“
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt Braunau Ried Schärding die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Bfin. Krankheitskosten in Höhe von € 2.652,38 als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt erklärt habe. In der Beschwerde habe sie beantragt, diese Krankheitskosten aufgrund ihrer Behinderung von 30% als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen. Mit Beschwerdevorentscheidung seien die Kosten – ausgenommen jene für Shiatsu und Cranio Sacrale Therapie berücksichtigt worden.
Als Stellungnahme zum Vorlageantrag wurde ausgeführt: „Bei Maßnahmen, deren Beitrag zur Heilung bzw. Linderung einer Krankheit oder zur günstigen Entwicklung einer Behinderung nicht ausreichend erwiesen ist und die daher bei einer medizinischen Behand lung auch nicht typischerweise anfallen , fehlt es am Merkmal der Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 EStG(vgl. RV/0427-G/06). Die Kosten für Shiatsu und Cranio Sacrale Therapie stellen daher keine Heilbehandlungskosten im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen dar.“
Beweiswürdigung
Die Beweiswürdigung erfolgte aufgrund des Vorbringens der Bfin. sowie der vom Finanz amt vorgelegten Akten. Gewürdigt wurden die im bisherigen Verfahren vorgelegten Beweis mittel, insbesondere die d em Vorlageantrag beigelegte ärztliche Bestätigung.
Diese ärztliche Bestätigung einer Ärztin für Allgemeinmedizin kann nicht ungeprüft als Gefälligkeitsbestätigung abgetan werden, sondern es ist grundsätzlich von der Richtigkeit dieser Bestätigung auszugehen. Die Annahme des Finanzamtes, wonach die genannten Therapien zur Heilung bzw. Linderung der Krankheit oder zur günstigen Entwicklung der Behinderung nicht ausreichend erwiesen sind und die daher bei einer medizinischen Behandlung auch nicht typischerweise anfallen, widerspricht nicht nur der vorliegenden ärztlichen Bestätigung, sondern auch der allgemeinen Lebenserfahrung.
Bei der Beweiswürdigung ist zu berücksichtigen, dass auch das Finanzamt die Shiatsu- und Cranio-Sacral-Therapien zwar mit Selbstbehalt, aber doch als außergewöhnliche Belastung anerkennt. Strittig ist folglich nur, ob die Shiatsu- und Cranio-Sacrale-Therapien in Zusammenhang mit der Behinderung der Bfin. stehen. Die angeführte ärztliche Bestätigung bestätigt diesen Zusammenhang und steht auch nicht in Widerspruch zum ärztlichen Sachverständigengutachten der Landesstelle Oberösterreich des Sozialministeriums betreffend die hier vorliegende Behinderung
Rechtslage
Nach § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Nach § 34 Abs. 6 können u.a. folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geld leistung zu berücksichtigen sind.
Auf Grund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, die in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (BGBl II 2010/430) auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
§ 1 Abs. 1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen - durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Abs. 2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
§ 4 Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heil behandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Erwägungen
Im beschwerdegegenständlichen Fall ist strittig, ob die von der Bfin. aufgelisteten Aufwendungen für Shiatsu- und Cranio-Sacrale-Therapien als außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes bei der Berechnung der Einkommensteuer abgezogen werden können.
Nach der oben dargestellten Rechtslage können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden. Nach § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen fallen darunter auch Kosten der Heilbehandlung.
Bei den Kosten für die Shiatsu- und Cranio-Sacrale-Therapien handelt es sich nach der Verwaltungspraxis ohne weitere Überprüfung um Heil behandlungen, wenn sie ärztlich verordnet wurden (s. z.B. Wikipedia, wo Shiatsu als Körpertherapie wird und die Cranio-Sacral-Therapie als eine alternativmedizinische Behandlungsform bezeichnet wird).
Auch das Finanzamt erkennt die Shiatsu- und Cranio-Sacral-Therapien als außergewöhnliche Belastung an, wenn auch mit Selbstbehalt. Strittig ist folglich nur, ob diese Shiatsu- und Cranio-Sacral-Therapien in Zusammenhang mit der Behinderung der Bfin. stehen.
Aufgrund der vorgenommenen Beweiswürdigung (s. Pkt. Beweiswürdigung) kann aufgrund der vorgelegten ärztlichen Bestätigung der Zusammenhang mit der Behinderung der Bfin. angenommen werden.
Aus den angeführten Gründen war daher der Beschwerde Folge zu geben und die Einkommensteuer für das Jahr 2015 neu zu berechnen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Recht sprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Strittig war, ob die von der Bfin. aufgelisteten Aufwendungen für Shiatsu-und Cranio- Sacrale-Therapien in Zusammenhang mit der Behinderung der Bfin. gestanden sind. Dies ist keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage, welche im Rahmen der Beweiswürdigung zu entscheiden war. Aus diesem Grund war auszuführen, dass eine Revision nicht zulässig ist.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Abs. 2 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.5100928.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at