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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 22.03.2018, RV/7103154/2017

Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO - Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung bestritten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat in der Beschwerdesache N.N., Adresse1, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt, Hauptstraße 4, 5202 Neumarkt am Wallersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Baden Mödling vom , St.Nr. YXY, betreffend Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO nach Durchführung einer münlichen Verhandlung in Abwesenheit der Beschwerdeführerin und ihres steuerlichen Vertreters sowie in Anwesenheit des Amtsvertreters AV und der Schriftführerin C.D. am zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die Haftung auf einen Betrag von € 18.256,96 (statt bisher € 20.756,80) eingeschränkt.
Dieser Betrag gliedert sich wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2010
6.297,29
Umsatzsteuer
05/2012
9.143,66
Einfuhrumsatzsteuer
04/2012
2.444,24
Lohnsteuer
05/2012
87,20
Dienstgeberbeitrag
05/2012
261,34
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
05/2012
23,23
 
Summe:
18.256,96

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin N.N. (in der Folge kurz BF. genannt) als Haftungspflichtige gemäß § 9 BAO i.V.m. § 80 ff. BAO für die aushaftenden Abgabenschuldi gkeiten der Fa. X-GmbH, Firmenbuchnummer ******, im Ausmaß von €  20.576,80 Euro in Anspruch genommen. Dieser Betrag gliedert sich wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2010
6.297,29
Umsatzsteuer
05/2012
9.143,66
Einfuhrumsatzsteuer
04/2012
2.444,24
Lohnsteuer
2011
653,81
Lohnsteuer
2012
552,34
Lohnsteuer
05/2012
87,20
Dienstgeberbeitrag
2012
933,83
Dienstgeberbeitrag
05/2012
261,34
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2012
62,50
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
05/2012
23,23
Verspätungszuschlag
02/2012
117,36
 
Summe:
20.756,80

Nach Zitieren der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen wird zur Begründung ausgeführt, der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person aus deren Mitteln nicht entrichtet habe, hafte für diese Abgaben, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass er die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichten habe können.

Die Bf. sei unbestritten Geschäftsführerin der Fa. X-GmbH und daher gemäß § 18 GmbHG daher auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Zu den im Haftungsbescheid enthaltenen Lohnabgaben wird begründend ausgeführt, hinsichtlich der Haftung für aushaftende Lohnsteuer sei festzuhalten, dass gemäß §  78 Abs. 1   EStG 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre daher Sache der Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Sie hingegen habe die fälligen Lohnsteuerbeträge dem Finanzamt zwar gemeldet, jedoch nicht beglichen.

Es werde i n diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG für den Fall, dass die zur Verfügung stehenden Mittel n zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. /0085).

Bei erwiesenen Lohnauszahlungen bestehe für den Geschäftsführer unter Hinweis auf die obzitierte Gesetzesstelle und die §§ 41 u. 43 FLAG 1967 sowie auf Grund der Tatsache, dass dieser durch die handelsrechtlich verankerte Sekundärhaftung Arbeitgeberfunktion ausübe, die Verpflichtung zur Entrichtung aller anfallenden Lohnabgaben (Dienstgeberbeitrag). Dies gelte auch für den gem. § 57 Handelskammergesetz zu bemessenden Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag. (Der Lohnsteuerbescheid 2011 und 2012 liege bei).

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für aushaftende Umsatzsteuer sei Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 habe der Unternehmer spätestens am fünfzehnten Tag (Fälligkeitstag) das auf den Kalendermonat (Voranmeldezeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die  Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, i n der die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder der auf den Voranmeldungszeitraum entfallende Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen sei. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Für die in der Rückstandsaufgliederung angeführten Zeiträume sei die Umsatzsteuer von der Bf. zum Teil korrekt selbstbemessen und teilwei se beglichen worden. (Die Umsatzsteuerbescheide 2010 und 05/2012 lägen bei).

In diesem Zusammenhang werde auch auf die Bestimmung des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken.

Da die Bf. ihren Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen sei und di e Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die frist- und formgerechte Beschwerde der Bf. vom , mit der die Aufhebung des angefochten Bescheides sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat beantragt wird.

Zur Begründung wird ausgeführt, über die Fa. X-GmbH sei vor dem Landesgericht A.B. das lnsolvenzverfahren abgeführt worden. Die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, diese vertreten durch das Finanzamt Baden Mödling, habe im Insolvenzverfahren € 78.658,22 angemeldet; im vorliegenden Anmeldeverzeichnis sei unter Anmerkungen ausgeführt: „Rückziehung erledigt 17 .06.2014".

Die Bf. habe im Dezember 2010 von ihrem Schwager R.C. die Geschäftsführung übernommen. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Rückstand beim Finanzamt vorliegend gewesen.

Die Bf. habe mit eine m namentlich genannten Angestellten des Finanzamtes Kontakt aufgenommen und es sei wie folgt vereinbart worden:

Der Finanzbedienstete habe der Bf. den offenen Rückstandsausweis erklärt und die Bf. habe diesem vereinbarungsgemäß die  O P-Listen ausgehändigt; anhand der monatlichen OP-Listen sei gemeinsam der an das Finanzamt abzuführende Betrag erörtert worden; gemäß den Ausführungen des Mitarbeiters des Finanzamtes seien die monatlichen Zahlungen ausnahmslos auf die Rückstände angerechnet worden. In Anbetracht dieser vereinbarten Vorgehensweise und des U mstandes, dass die von der Bf. abgeführten Beiträge immer nur auf die offenen Rückstände aus dem Vorjahr aliquot angerechnet worden seien, sei ein ständiger Rückstand während der Ausübung ihrer Geschäftsführung gegeben gewesen. Diese Vorgehensweise sei jedoch nicht rechtens gewesen; die Bf. wäre als Geschäftsführerin nur verpflichtet gewesen, in ihrer Periode sämtliche Abgabenschulden zu tilgen; diesem Anforderungsprofil sei sie auch nachgekommen.

Die Vorgehensweise, die vom Sachbearbeiter des Finanzamtes vorgeschlagen und bestimmt worden sei, sei nicht rechtens. Aufgrund dieser Vorgehensweise seien die monatlichen Zahlungen nicht zwe ckentsprechend verwendet worden; um mögliche Verjährungsproblematiken auszuschalten, seien diese monatlichen Zahlungen auf die bestehenden Rückstände angerechnet worden.

Zum Beweis dafür werde die Einvernahme des Herrn E.F., p.A des F inanzamtes Baden M ödling beantragt.

Dieser werde der Behörde bestätigen können, dass die Bf. ihrer Verpflichtung zur Abführung der ihr vorgeworfenen Abgaben ordnungsgemäß und korrekt während ihrer Periode als  Geschäftsführerin nachgekommen sei; U rsache für di e nicht vollständig abgeführten Abgaben sei ausnahmslos das Verhalten und der Vortrag des Mitarbeiters des Finanzamtes gewesen.

Diese Vorgehensweise sei auch vom Ehegatten der Bf., Herrn A.R., weitergetragen worden. ln diesem Zusammenhang wird auch die Einvernahme des Ehegatten A.R. per Anschrift der Bf. zum selben Beweisthema beantragt.

Die Bf. habe kein wie immer geartetes Verschulden zu verantworten, dass sie die ihr auferlegten Abgaben nicht ordnungsgemäß abgeführt hätte; sie habe auch keine anderen Gläubiger begünstigt; wenn man von einer Begünstigung sprechen könnte, wäre dies ausnahmslos das Finanzamt gewesen; wie bereits erwähnt, seien die monatlichen Zahlungen anhand der monatlichen OP-Listen zweckwidrig aufgrund des Vort rages des Mitarbeiters des Finanzamtes verw endet worden und müsste man - wenn überhaupt - von einer Begünstigung des Finanzamtes sprechen.

Aus dem Konkursakt sei ersichtlich, dass keine Gläubiger begünstigt bzw. bevorzugt worden seien; es sei auch anzuführen, dass weder gegen die Bf., noch gegen ihren Ehegatten als letzten Geschäftsführer ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet oder ein Strafverfahren abgeführt worden sei. Dies bedeute auch, dass keine strafbaren Tatbestände vorgelegen seien, in weiterer Folge sei auch eindeutig erklärt, dass kein kridamäßiges Verhalten, auch bezogen auf die Anforderungen der Bundesabgabenordnung, vorgelegen sei.

W eiters werde die Vorlage der Kontoauszüge der gesamten Konten während des Zeitraumes der Geschäftsführungsperiode der Bf. beantragt. Diese Konten seien bereits angefordert worden und das Finanzamt sei dieser Aufforderung bis dato nicht nachgekommen. Anhand dieser Konten könne oder hätte eindeutig geklärt werden können, dass die Bf. ihrer Verpflichtung nachgekommen und mit den monatlichen Beiträgen anhand der dem Mitarbeiter des Finanzamtes Mödling übergebenen O P-­Listen ausnahmslos Verbindlichkeiten aus der Vorperiode der Bf. bedient worden seien (Beweis wie bisher bzw. Einholung eines Buchsachverständigen).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde der Bf. als unbegründet ab.

Begründend wurde ausgeführt, Voraussetzung für di e Haftung seien eine Abgabenschuld gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, di e Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Die Uneinbringlichkeit sei nicht in Frage gestellt worden, diese  ergebe sich aus dem abgeschlossenen Konkursverfahren.

Mi t Beschluss des Landesgericht A.B. vom , GZ GZ., sei über das Vermögen der Fa. X-GmbH der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben worden sei.

Gemäß § 12 98 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert gewesen wäre, der Beweis.

Daraus sei abzul eiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristi schen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juri stischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet hätten werden können.

Die Bf bringe i m Berufungsverfahren vor, dass laufend Zahlungen an das Finanzamt beim Vollstrecker gelei stet worden seien, diese seien auf den ältesten Rückstand - anstatt auf die laufenden Abgaben verrechnet worden. I nsgesamt sei das Finanzamt nicht benachteiligt gewesen.
Ein Nachweis der Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - durch eine Vergleichsrechnung - sei nicht erbracht worden.

Die Bf wende ein, zum Zei tpunkt der Übernahme der Geschäftsführung sei ein Abgabenrückstand vorhanden gewesen und wären Zahlungen aufgrund der Vollstreckungstätigkeit immer zu Gunsten des Saldos verwendet worden, somit hätten die neuen Abgaben nicht mehr entrichtet werden können.

Zum Zei tpunkt der Übernahme der Geschäftsführung durch die Bf. habe ein offener Saldo in Höhe von € 22.344,05 bestanden.
Wie in der Beschwerde angeführt, seien laufend Zahlungen beim Vollstrecker geleistet worden, der Rückstand habe sich jedoch aufgrund des Umstandes, dass die laufenden Abgaben im Verhältnis zu den geleisteten Zahlungen höher gewesen seien , bis zur Konkurseröffnung beim LG A.B. am 2 , zur Zahl GZ GZ. um € 56.314,17 auf € 78.658,22 erhöht.

Schon aus diesem Ansti eg des Saldos sei ersichtlich, dass die laufenden Zahlungen die entstandenen Abgaben nicht ausreichend abgedeckt hätten. Es wäre somit Aufgabe der Bf.  gewesen, entsprechende Maßnahmen - z.B. einen Eigenantrag beim Landesgericht einzubringen, um den Gläubigerausfall in Grenzen zu halten.

Bei den Abgabenschulden handle es sich grundsätzlich um Bringschul den, es sei nicht Aufgabe des Vollstreckungsaußendienstes, sondern der Geschäftsleitung, eine entsprechende Widmung der Zahlungen vorzunehmen.

Im Übrigen sei schon allei ne aus der Höhe der geleisteten Zahlungen im Verhältnis zu den gemeldeten Abgaben erkennbar, dass eine vollständige Zahl ung nicht erfolgen habe können.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Bf. die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Betreffen d die Beschwerdegründe werde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.

Es werde um stattgebende Erledigung sowie um Durchführung einer mündlichen Verhandlung, insbesondere zur Einvernahme des beantragten Zeugen E.F. ersucht.

Per E-Mail vom , 17:47 Uhr, gab die Bf. bekannt, ihre Rechtsvertretung und sie würden der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am , 11:00 Uhr, fernbleiben. Entschuldigungsgründe dafür wurden nicht vorgebracht und auch keine Vertagungsbitte geäußert. Festgestellt wird auch, dass weder ein Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung noch auf Entscheidung durch den gesamten Senat abgegeben wurde.

Der Senat des Bundesfinanzgerichtes führte in der Folge zum Ladungstermin eine mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Bf. und ihres Rechtsvertreters (siehe § 272 Abs. 4 BAO) durch.

Der im Rahmen dieser mündlichen Senatsverhandlung anwesende Amtsvertreter erstattete kein ergänzendes Sachverhaltsvorbringen und beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde unter Verweis auf die Ausführungen der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Laut Firmenbuch war die Bf. im Zeitraum vom bis (Übernahme der Geschäftsführertätigkeit durch A.R.) allein vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführerin der Fa.  X-GmbH. Sie zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person, welche gemäß § 9 Abs. 1 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

Unbestritten ist auch die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten, wurde doch das über das Vermögen der Primärschuldnerin mit Beschluss des Landesgerichtes A.B. vom , GZ., eröffnete Konkursverfahren mit Beschluss desselben Gerichtes vom mangels Kostendeckung aufgehoben. Am erfolgte die amtswegige Löschung der Firma gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit.

Die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten haften nach wie vor uneinbringlich am Abgabenkonto der Primärschuldnerin Fa.  X-GmbH aus.

Lediglich der Verspätungszuschlag 02/2012 iHv € 117,36 ist nicht mehr im Rückstand enthalten. Dieser Betrag wurde durch die Abgabenbehörde laut Aktenlage gelöscht. Da die Haftung akzessorisch ist und den aufrechten Bestand der Abgabenschuld voraussetzt, war der Beschwerde insoweit Folge zu geben und der Haftungsausspruch aufzuheben.

Mit der gegenständlichen Beschwerde wird seitens der Bf. das Nichtvorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung mit dem Vorbringen begründet, sie habe laufend unter Vorlage von OP-Listen die an die Abgabenbehörde zu entrichtenden Zahlungen mit einem namentlich genannten Bediensteten der Abgabensicherung des Finanzamtes festgelegt, jedoch seien diese auf älteste Fälligkeiten verbucht worden und somit die laufenden, während des Zeitraumes ihrer Geschäftsführung fällig gewordenen haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben nicht entrichtet worden.

Dieses Beschwerdevorbringen kann der Bf. nicht zum Erfolg verhelfen, weil ihr mit Übernahme der Geschäftsführung am bei einem damals offenen Rückstand am Abgabenkonto (aus Zeiträumen des vorangegangenen Geschäftsführers R.C.) die Verpflichtung auferlegt wurde, sämtliche Abgabenschuldigkeiten, somit die vom vorangegangenen Geschäftsführer übernommenen (deren Zahlungsverpflichtung mit der Übernahme der Geschäftsführung durch die Bf. nicht geendet hat) und auch die laufend fällig werdenden Abgabenschuldigkeiten - bei Nichtvorhandensein ausreichender liquider Mittel - anteilsmäßig gleichmäßig zu befriedigen.

Die Bf. bestreitet in der gegenständlichen Beschwerde das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung und bringt dazu vor, anhand der monatlichen OP-Listen sei mit einem namentlich genannten Bediensteten des Finanzamtes der abzuführende Betrag erörtert worden; gemäß den Ausführungen des Mitarbeiters des Finanzamtes seien die monatlichen Zahlungen ausnahmslos auf die Rückstände angerechnet worden. In Anbetracht dieser vereinbarten Vorgehensweise und des U mstandes, dass die von der Bf. abgeführten Beiträge immer nur auf die offenen Rückstände aus dem Vorjahr aliquot angerechnet worden seien, sei ein ständiger Rückstand während der Ausübung ihrer Geschäftsführung gegeben gewesen. Diese Vorgehensweise sei jedoch nicht rechtens gewesen; die Bf. wäre als Geschäftsführerin nur verpflichtet gewesen, in ihrer Periode sämtliche Abgabenschulden zu tilgen; diesem Anforderungsprofil sei sie auch nachgekommen.

Zum Beweis dafür wurde die Einvernahme des im Beweisantrag namentlich genannten Finanzbediensteten  auch des A.R., welcher der Bf. ab als Geschäftsführer nachfolgte, beantragt.

Dieses Beschwerdevorbringen widerspricht zunächst der Gesetzeslage, da, wie bereits ausgeführt, es die Verpflichtung der Bf. gewesen wäre, nicht nur die im Zeitraum ihrer Geschäftsführungsperiode fällig werdenden Abgabenschuldigkeiten zu entrichten, sondern auch die vom vorangegangenen Geschäftsführer übernommenen. 

Auch kann der Bf. keinesfalls gefolgt werden, wenn sie vorbringt,
- die Vorgehensweise, die vom Sachbearbeiter des Finanzamtes vorgeschlagen und bestimmt worden sei, sei nicht rechtens gewesen
- aufgrund dieser Vorgehensweise seien die monatlichen Zahlungen nicht zwe ckentsprechend verwendet worden
- um mögliche Verjährungsproblematiken auszuschalten, seien diese monatlichen Zahlungen auf die bestehenden Rückstände angerechnet worden.

Gemäß § 214 Abs. 1 BAO sind Zahlungen und sonstige Gutschriften auf die dem Fälligkeitstag ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeit zu verrechnen, weshalb die von der Bf. bemängelte Vorgehensweise der Finanzverwaltung (des genannten Finanzbediensteten) eindeutig gesetzeskonform war.

Gemäß § 183 Abs. 3 2. Satz BAO ist von der Aufnahme beantragter Beweise abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind. 

Das Vorbringen der Bf., dass die mit dem Finanzbediensteten der Abgabesicherungsabteilung des Finanzamtes aufgrund der vorgelegten OP-Listen festgelegten Zahlungen auf älteste Fälligkeit verbucht wurden, entspricht sowohl der Aktenlage (den vorliegenden Kontoauszügen des Finanzamtskontos der Primärschuldnerin, deren Beischaffung beantragt wurde) und wird seitens des Bundesfinanzgerichtes als richtig anerkannt und bedarf daher keines Beweises. Wie bereits ausgeführt, war die Verbuchung auf älteste Fälligkeit sehr wohl gesetzlich vorgesehen und somit rechtskonform (§ 214 Abs. 1 BAO).

Im Übrigen hätte die Bf. die Möglichkeit gehabt, im Rahmen ihrer Zahlungen an die Abgabenbehörde Verrechnungsweisungen (§ 214 Abs. 4 BAO) zu erteilen, um so eine gezielte Abgabenentrichtung der laufenden, im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit fällig werdenden Selbstbemessungsabgaben herbeizuführen, was aber wiederum - bei offenkundigen Nichtvorhandensein ausreichender Geldmittel zur Bezahlung sämtlicher Abgabenschulden - dazu geführt hätte, dass auch die von der Bf. ebenfalls zu entrichtenden ältesten fälligen Abgabenschulden nicht entrichtet worden wären. An der Höhe der Haftungsschuld hätte sich dadurch nichts geändert, wohl aber an ihrer Zusammensetzung.

Zu Recht führt die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung auch aus, dass der Abgabenrückstand während des Zeitraumes der Geschäftsführung durch die Bf. zudem wesentlich angewachsen ist, ein Umstand, der von vornherein nicht für die Bf. spricht und nur durch Vorlage des geforderten Gleichbehandlungsnachweises entkräftet hätte werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers dazutun, weshalb er den auferlegten Verpflichtungen nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus dem Mittel der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschuldigkeiten im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (vergleiche z.B. ). Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Dem Vertreter obliegt der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger – bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits – an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre ().

Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht nicht aus ().

Eine Gleichbehandlung der Abgabenbehörde gegenüber den anderen Gläubigern hat die Bf. im gegenständlichen Haftungsverfahren nicht einmal behauptet, obwohl sie einerseits mit dem Haftungsvorhalt vom aufgefordert wurde, die Verwendung der vorhandenen liquiden Mittel im Bezug auf die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten darzulegen und somit eine Gleichbehandlungsrechnung (Liquiditätsnachweis) zu erstellen. Auch in der Beschwerdevorentscheidung, der insoweit Vorhaltecharakter zukommt, wurde die Bf. darauf hingewiesen, dass ein Nachweis der Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger durch eine Vergleichsrechnung nicht erbracht wurde. Dennoch hatte es die Bf. unterlassen, bei offenkundigem Nichtvorhandensein ausreichender liquider Mittel zur gänzlichen Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten, einen Gleichbehandlungsnachweis zu erbringen bzw. eine eventuelle quotenmäßige Benachteiligung der Abgabenbehörde zu berechnen bzw. darzustellen. Sie hat lediglich behauptet, die Abgabenbehörde im Verhältnis zu den anderen Gläubigern gleich behandelt bzw. sogar eventuell begünstigt zu haben, ohne dies unter Darstellung der vorhandenen liquiden Mittel zu den jeweiligen Fälligkeitstagen und Berechnung der Quote durch Gegenüberstellung der Abgabenschuldigkeiten zu den anderen Verbindlichkeiten und Darstellung der Verwendung dieser Mittel glaubhaft gemacht bzw. ziffernmäßig untermauert zu haben. Da das Ausmaß der quotenmäßigen Benachteiligung der Abgabenbehörde gegenüber den anderen Gläubigern und somit der Betrag, der bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten zu entrichten gewesen wäre (dies unter Einbeziehung sowohl der am Abgabenkonto der Primärschuldnerin aushaftenden als auch der neu fällig werdenden Abgabenverbindlichkeiten) von der Bf. trotz Aufforderung nicht dargestellt wurde, hat die Abgabenbehörde zu Recht die Haftung im vollen Ausmaß der uneinbringlich aushaftenden Abgabenschuldigkeiten ausgesprochen.

Wenn die Bf. in der Beschwerde vorbringt, ein kridamäßiges Verhalten sei ihr im Rahmen des Konkursverfahrens vom Gericht weder vorgeworfen worden, noch seien diesbezügliche Strafverfahren abgeführt worden, so kann ihr auch dieses Vorbringen im Haftungsverfahren gemäß § 9 Abs. 1 BAO nicht zum Erfolg verhelfen. Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO setzt nämlich die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten voraus, die im gegenständlichen Fall in der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zu sehen ist und nicht in der Verletzung insolvenzrechtlicher Vorschriften.

Aus den genannten Erwägungen ist die Abgabenbehörde daher zu Recht vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung der Bf. ausgegangen.

Bei Vorliegen einer derartigen schuldhaften Pflichtverletzung darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände auch annehmen, dass die Pflichtverletzung Ursache der Uneinbringlichkeit ist (vgl. z.B. , 0178).

Lediglich für Lohnsteuer 2011 und 2012 sowie Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familie und Beihilfen samt Zuschlägen für die Jahre 2011 und 2012 erfolgte mit Bescheiden vom eine Festsetzung im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit der Bf.  Eine auf die jeweiligen Fälligkeitstage bezogene Zuordnung (maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der gesetzliche Fälligkeitstag und nicht die Zahlungsfrist entsprechend der späteren Festsetzung dieser lohnabhängigen Abgaben) und auch eine Begründung für das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung der Bf. (- etwa schuldhaft unrichtige Selbstbemessung zu den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen) ist im angefochtenen Bescheid nicht enthalten. Somit kann der angefochtene Bescheid insoweit keiner näheren Überprüfung unterzogen werden, weswegen insoweit der Haftungsausspruch seitens des erkennenden Senates des Bundesfinanzgerichtes aufgehoben wurde.

Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde gestellt. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung der Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens. Dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Norm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich ist.

Zur Ermessensübung der Abgabenbehörde bei Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides hat die Bf. keine Einwendungen vorgebracht und auch das Bundesfinanzgericht konnte keine Mängel der Ermessensübung feststellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer ordentlichen Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht nicht von der Rechtsprechung des VwGH ab und hatte auch die Klärungen von Sachverhaltsfragen im Einzelfall (Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen) und eine Ermessensentscheidung, somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7103154.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at