§ 9 BAO: Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht feststehend
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des B, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , StNr., betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) vertrat die X.GmbH seit ihrer Errichtung im Jahr X als Geschäftsführer; seit dem Jahr 1995 ist er alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer (Firmenbuchauszug FN).
Mit dem Vorhalt vom brachte das Finanzamt dem Bf. zur Kenntnis, dass laut Rückstandsausweis am Abgabenkonto der X.GmbH Abgabenbeträge in der Höhe von 59.855,54 Euro aushafteten.
Dem Bf. sei als Geschäftsführer die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft oblegen.
Die Abgabenbeträge seien während seiner Vertretungsperiode fällig, aber nicht entrichtet worden. Die Beträge seien als uneinbringlich anzusehen. Dies ergebe sich aus den eigenen Aussagen des Bf. und aus den Begründungen diverser Ansuchen um Zahlungserleichterung.
Sofern die Gesellschaft bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde der Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung seien alle Gläubiger der Gesellschaft sowie die auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen allen verfügbar gewesenen liquiden Mitteln gegenüber zu stellen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes obliege es dem Bf. als Vertreter Nachweise dafür zu erbringen, wieviel Zahlungsmittel der Gesellschaft zur Verfügung standen und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger befriedigt wurden. Im Fall der Nichterbringung der Nachweise gehe das Finanzamt davon aus, dass der Bf. die ihm obliegende Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln schuldhaft verletzt habe und diese Pflichtverletzung für den Abgabenausfall bei der Gesellschaft ursächlich sei. Diesfalls hafte der Bf. für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten in vollem Ausmaß; im Fall der Benachteiligung des Abgabengläubigers hafte der Bf. im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten der Gesellschaft.
Das Finanzamt sehe sich auf Grund des öffentlichen Auftrages zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, wodurch allfällige Einzelinteressen verdrängt würden, veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung gegen den Bf. geltend zu machen.
In der Stellungnahme vom führte der Bf. aus:
"Die hohen Rückstände entstanden einerseits durch bilanzielle Fehlbuchungen im Gefolge des mutmaßlichen Ablebens unseres Buchhalters und damit des Verlustes wichtiger Unterlagen aus dem Steuerjahr 2006. Dieses Manko hat der dann für uns tätige Steuerberater S für das Folgejahr 2007 durch gleichsam "freihändige" Buchungen versucht wett zu machen. Dies wurde in der unmittelbar danach folgenden Steuerprüfung durch das FA f.d. 2. Bez. beanstandet und daraus erhebliche fehlende Steuern konstruiert. Gleichzeitig wurde ein 5-stelliger Darlehensbetrag meiner unmittelbar davor verstorbenen Mutter M, der sich im Verlauf von 17 Jahren angesammelt hat, als steuerpflichtiger Gewinn behandelt, weil der mir zustehende Betrag irrtümlich noch nicht in der Verlassenschaft vermerkt war. Dieses Versehen wurde später nachgeholt, sodass ich rechtmäßigen Anspruch auf diese Darlehenssumme habe.
Eine diesbezügliche Gutschrift seitens des Finanzamtes fehlt bisher.
Ab 2011/2012 fehlten der Gesellschaft schlagartig die Umsätze des einzigen Kunden K infolge eines Wechsels an der Konzernspitze, wodurch das Geschäft praktisch zum Erliegen kam und keine Finanzmittel zur Verfügung standen, um die Steuerschulden abzudecken.
Die Steuerrückstände der X.GmbH sind inzwischen keineswegs als uneinbringlich anzusehen. Denn im Jahr 2013 konnten wir durch die Umstellung unserer Geschäftstätigkeit auf den Verlags- und Publikationsbereich und die 33,3 Prozent-Beteiligung an der D.GmbH wieder Umsätze generieren, die es erlaubten, ab 2014 wieder die Zahlungen an das Finanzamt aufzunehmen.
Die positive Entwicklung dieser Beteiligung verspricht in den nächsten Jahren auch für die X.GmbH einen Turnaround in der Ergebnisentwicklung durch höhere Einnahmen bzw. auch Ausschüttungen und damit die Möglichkeit, die Steuerrückstände in Raten abzudecken. Die D.GmbH weist nach mehreren Verlustjahren für das Jahr 2013 in der Saldenliste einen vorläufigen Betriebsüberschuss von 110.526 € aus. Die Entwicklung der Beteiligung im heurigen Jahr mit einer Umsatzsteigerung im zweistelligen Prozentbereich untermauert unsere positiven Erwartungen.
Außer den laufenden Betriebskosten hat die X.GmbH keine Gläubiger befriedigt, sodass wir in der Bilanz 2012 insgesamt 247.896,78 an Verbindlichkeiten ausweisen mussten, wovon 99.000 € auf ein langfristiges Bankdarlehen entfielen und 33.231 € auf Forderungen von Gesellschafter, Mitarbeiter und Bf..
Es gab keine Gläubiger-Bevorzugung, wie der hohe Stand der Verbindlichkeiten beweist."
Mit dem Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , Steuernummer 2/20, wurde der Bf. als Haftungspflichtiger gemäß § 9 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der X.GmbH in der Höhe von 50.000,81 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monates ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. - nach Stattgabe eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das Finanzamt - am das Rechtsmittel der Beschwerde.
Bei der X.GmbH habe 2009/10 eine Außenprüfung betreffend die Jahre 2005 bis 2007 sowie eine Nachschau betreffend 1/2008 bis 10/2009 stattgefunden. Im Zuge dieser Amtshandlungen sei festgestellt worden, dass nach Ansicht der Behörde im genannten Zeitraum nicht alle Umsätze der Gesellschaft ordnungsgemäß im Rechnungswesen erfasst worden seien. Aus diesem Grund seien eine Umsatz- und Ergebniszuschätzung vorgenommen worden. Diese Schätzungen seien insoferne fehlerhaft, als steuermindernde Sachverhalte nicht berücksichtigt worden seien.
Die hohen Rückstände der Gesellschaft seien durch bilanzielle Fehlbuchungen des Steuerberaters infolge des Verlustes wichtiger Unterlagen aus dem Steuerjahr 2006 infolge des nicht mehr auffindbaren und vermutlich verstorbenen Buchhalters entstanden. Dieser sei für den Bf. monatelang weder schriftlich noch telefonisch zu erreichen gewesen. Die Prüferin habe trotz der zweifellos größeren Möglichkeiten der Behörde verabsäumt, das Schicksal des Buchhalters durch elektronische Abfragen auszuforschen, und dem Abgabenschuldner die Möglichkeit zu eröffnen, im Nachhinein die Unterlagen zugänglich zu machen.
Das Manko fehlender Unterlagen aus 2006 habe der Steuerberater S für das Jahr 2007 durch "freihändige" Buchungen versucht wett zu machen. Dies sei in der unmittelbar danach folgenden Steuerprüfung beanstandet und daraus erhebliche fehlende Steuern abgeleitet worden. Aus diesem Grund sei ihm aus dieser Sicht kein Verschulden anzulasten.
Ein weiterer Grund für die Nichtentrichtung nachträglich verfügter Abgabenschulden sei die Tatsache gewesen, dass der X.GmbH wegen Auflösung des Vertrages mit dem Auftraggeber K infolge eines Wechsels an der Konzernspitze ab Ende 2011 überraschend und schlagartig die Einnahmen des damals einzigen Kunden ausblieben, wodurch das Geschäft zwischenzeitig zum Erliegen kam und keine Finanzmittel zur Verfügung standen, um die vorwiegend aus der Steuerprüfung resutierenden nachträglich abzuführenden Abgaben für die Jahre 2005 bis 2009 abzudecken. Das Ergebnis der Abgabenprüfung wie auch die Kündigung des K-Vertrages vorauszusehen sei dem Bf. nicht möglich gewesen.
Die Steuerrückstände der X.GmbH seien keineswegs als uneinbringlich anzusehen. Im Jahr 2012 seien durch die Umstellung der Geschäftstätigkeit auf den Verlags- und Publikationsbereich und die 33,3 Prozent-Beteiligung an der D.GmbH wieder Umsätze generiert worden, sodass ab 2014 die Zahlungen an das Finanzamt wieder aufgenommen werden konnten und der Rückstand von rund 60.000 Euro per binnen Jahresfrist um fast 20% auf 50.000 Euro gesenkt wurde.
Die positive Entwicklung der Beteiligung verspreche in den nächsten Jahren auch für die X.GmbH einen Turnaround in der Ergebnisentwicklung durch höhere Einnahmen bzw. auch Ausschüttungen und damit die Möglichkeit, die Steuerrückstände in Raten rascher abzudecken als bisher. Die D.GmbH weise nach mehreren Verlustjahren für das Jahr 2013 in der Saldenliste einen vorläufigen Betriebsüberschuss von 110.526 Euro und für 2014 in der Höhe von 124.648,91 Euro aus. Eine Ausschüttung an die X.GmbH hätten die beiden geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter G1 und G2 aber bisher unter Berufung auf die Tilgung von fälligen Krediten verweigert, obwohl der Bf. auf die Dringlichkeit der Bezahlung der Steuerschulden hingewiesen habe. Um eine Ausschüttung auf normalem Weg beschließen zu können, fehle der X.GmbH die nötige Beteiligungsmehrheit.
Der Bf. hege in der Zwischenzeit den begründeten Verdacht, dass G1 als Geschäftsführer der D.GmbH seit Jahren durch Scheinrechnungen von ca. 100.000 Euro jährlich Betriebsausgaben zu seinen persönlichen Gunsten konstruiere und sich solcherart über die Maßen bereichere. Würde die Behörde dem nachgehen und die solcherart getätigten Entnahmen des G1 als verdeckte Ausschüttungen identifizieren, müssten ebensolche Ausschüttungen auch an die X.GmbH getätigt werden, mit denen diese die Steuerrückstände umgehend ausgleichen könnte.
Außer den laufenden Betriebskosten habe der Bf. als Geschäftsführer der X.GmbH keine Gläubiger befriedigt. Wie der hohe Stand der Verbindlichkeiten in der Höhe von 247.896,78 Euro in der Bilanz 2013 beweise, habe es keine Gläubiger-Bevorzugung gegeben. Er sei vielmehr nachweislich bemüht gewesen, vorrangig die laufenden Abgaben ordnungsgemäß zu entrichten, sodass sogar einmal ein Überschuss an Zahlungen entstanden sei. Es liege somit in keiner Weise eine schuldhafte Pflichtverletzung zum Nachteil der Finanzbehörde vor.
Der Bf. beantragte, den angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit dem Vorbringen, laufende Betriebskosten zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit bezahlt zu haben, gestehe der Bf. im Lichte der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und eine Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten ein.
Die Einwendungen gegen die Höhe der haftungsgegenständlichen Abgaben seien in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen. Die Abgabenbehörde sei an die Abgabenbescheide gebunden.
Aufgrund der Feststellungen der Liquiditätsprüfung gemäß § 147 BAO vom 06.06 bis erscheine die X.GmbH zahlungsunfähig. Unterlagen, die die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft bestätigen könnten, seien im Zuge der Prüfung nicht vorgelegt worden.
Zum Vorbringen, die hohen Rückstände der Gesellschaft resultierten aus Fehlbuchungen des Steuerberaters infolge des Verlustes wichtiger Unterlagen infolge des vermutlich verstorbenen Buchhalters, verwies die Abgabenbehörde auf die Pflicht des Vertreters einer juristischen Person, im Fall der Übertragung abgabenrechtlicher Pflichten auf andere Personen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen, dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolge. Der Vertreter habe die Tätigkeit der von ihm beauftragten Personen in solchen Abständen zu überprüfen, die es ausschließen, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten verborgen bleibe.
Daraufhin stellte der Bf. im Schriftsatz vom den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Dem Bf. sei nicht bekannt, wann und in welcher Form die Liquiditätsprüfung stattgefunden habe.
Als 70jährigem Pensionisten mit einer monatlichen Pension von 1.400 Euro, wovon allein 900 Euro für die Miete aufgingen, sei dem Bf. der Sinn der Beschwerdevorentscheidung intelektuell nicht nachvollziehbar. Für die Finanzbehörde ergebe sich daraus keineswegs ein vorteilhafter Nutzen. Im Gegenteil bestehe sogar die Gefahr, dass die X.GmbH ihr Vermögen verliere, das in Form einer Drittel-Beteiligung an der D.GmbH bestehe.
Die Finanzbehörde hätte einen bedeutenden Nutzen gehabt, wenn sie den zahlreichen Hinweisen des Bf. bezüglich der gewinnmindernden illegalen Steuertricksereien der geschäftsführenden Gesellschafter der D.GmbH nachgegangen wäre. Nur ein einziger sei tatsächlich verfolgt worden und habe umgehend zu einem für die Behörde zufriedenstellenden Ergebnis geführt. Dem Vernehmen nach habe dies eine Steuerstrafe bzw. -nachzahlung in einer Höhe erbracht, die über die Steuerschuld der X.GmbH gelegen ist.
Die Behörde sollte größtes Interesse daran haben, dass die X.GmbH zu Geld komme, um die Steuern der Vergangenheit bezahlen zu können. Dies hänge aber von Ausschüttungen von ihrer Drittelbeteiligung an der D.GmbH ab. Dazu wäre nötig, dass das Finanzamt allen Hinweisen des Bf. betreffend die Gestionierung der D.GmbH mit jener Akribie nachgehe, mit der das Finanzamt vorgegangen sei, um den Bf. als Pensionisten in die persönliche Haftung für die X.GmbH zu drängen.
Das Anlageverzeichnis der Bilanz 2014 der D.GmbH (für die der Gesellschafterin X.GmbH zur Verfügung gestellten Bilanzen 2015 und 2016 fehle dieses Anlageverzeichnis) dokumentiere einen "immateriellen Firmenwert" in der Höhe von 190.000 Euro. Auf diesen waren inklusive des Jahres 2014 Abschreibungen in kumulierter Höhe von 185.000 Gewinn- und steuermindernd vorgenommen worden. Diese Abschrebungen seien dafür verantwortlich, dass Ende 2016 noch immer ein negatives Eigenkapital in der Höhe von 110.464,54 Euro ausgewiesen werde. Das sei auch der Grund, warum eine Ausschüttung an die Gesellschafterin X.GmbH bisher unterblieben sei.
Tatsächlich liege diesen "immateriellen Vermögensgegenständen" und deren Abschreibungen die Bewertung eines Magazin-Titels "M1" in dieser Höhe zu Grunde. Dieser Titel werde aber seit der Gründung der D.GmbH am gar nicht verwendet. Der Titel des herausgegebenen Magazins laute vielmehr "M2-Magazin". Der Titel M1 sei somit schon damals wertlos gewesen, gewinnmindernde Abschreibungen daher unangebracht. Der ausgewiesene "immaterielle Wert" sei lediglich eine fiktive Bewertung ohne realen Hintergrund, die den Verdacht der Bilanzfälschung zum Zweck der Steuervermeidung mittels Abschreibungen nahe lege.
Der Titel "M1" werde seit einigen Jahren unentgeltlich von einem anderen Verlag benützt - ein weiterer Hinweis darauf, dass der immaterielle Firmenwert in der Bilanz der D.GmbH eine eklatante Irreführung sei. Der wahre Gehalt sei seitens der Finanzbehörde nie überprüft worden.
Würde die Finanzbehörde diese Abschreibungen auf den "immateriellen Firmenwert" in Frage stellen bzw. nicht anerkennen, hätte deren Auflösung bei der D.GmbH gewinnerhöhende Wirkung, die weit über das Ausmaß des derzeit dargestellten negativen Eigenkapitals hinausgehen würde.
Für die Finanzbehörde würde dies eine KöSt-Nachzahlung und für die Steuerschuldnerin X.GmbH eine Ausschüttung bedeuten, die gleichfalls umgehend durch Bezahlung der Steuerschuld in die Staatskasse fließen würde.
Im Anhang des Geschäftsberichtes über das Jahr 2016 sei unter Bezug auf § 225 Abs. 1 UGB zu lesen:
"Trotz Ausweis eines negativen Eigenkapitals in Höhe von EUR 110.464,65 liegt nach Angaben der Geschäftsführung des Unternehmens keine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vor, da es für das Unternehmen eine positive Fortbestandsprognose gibt. In den Verbindlichkeiten sind EUR 21.712,44 enthalten, die im Falle einer Insolvenz als Eigenkapitalersatz eingestuft werden würden."
Die D.GmbH habe im Jahr 2016 einen Umsatz in der Höhe von 652.276,27 Euro ( 2015: 779.190,30 Euro) gemacht. Das zu versteuernde Ergebnis sei durch bilanztechnische Maßnahmen minimiert worden, sodass 2016 ein Jahresfehlbetrag von -42.864,02 Euro (2015: +31.501,54 Euro) ausgewiesen worden seien.
In einer umfassenden Strafanzeige der X.GmbH betreffend Rechtsverstöße der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der D.GmbH seien auch relevante Straftatbestände - v.a. hinsichtlich § 33 FinStrG - dargelegt worden.
Die geschäftsführenden Gesellschafter der D.GmbH hätten über viele Jahre illegale steuerrechtliche und bilanzielle Maßnahmen vorgenommen, um längst fällige Ausschüttungen zu verhindern.
G1 habe die Verhinderung einer Ausschüttung bereits 2009 angekündigt, nach dem die X.GmbH den vakanten Drittelanteil an der D.GmbH vom Masseverwalter des vormaligen Gesllschafters G3 um 2.000 Euro gekauft habe. G1 habe dem Masseverwalter zuvor dargelegt, dass der Anteil lediglich 1.000 Euro wert sei. Allerdings habe er selbst ihn um diesen Preis übernehmen wollen und ihn der X.GmbH zunächst gegen eine Bezahlung von 100.000 Euro angeboten.
Seither strebe er danach, eine Ausschüttung unter allen Umständen zu verhindern. Dies habe er wiederholt auch im Beisein der zuständigen Steuerberaterin schon 2010 geäußert. Eine Ausschüttung könne im Fall von Jahresgewinnen nur verhindert werden, solange das Eigenkapital negativ gehalten werden könne. Wozu die Malversationen bisher gedient hätten.
Die beiden geschäftsführenden Gesellschafter der D.GmbH seien einer ganzen Reihe von Rechtsverstößen im Zuge der Ausübung ihrer Geschäftsführertätigkeit verdächtig. Aus diesem Grund habe die Drittel-Gesellschafterin X.GmbH, vertreten durch den Bf., der Staatsanwaltschaft für Korruption und Wirtschaftsverbrechen am eine umfangreiche, mit entsprechenden Beweismitteln untermauerte, Sachverhaltsdarstellung übermittelt. Die abgabenrelevanten Delkte seien von der Staatsanwaltschaft an die Finanzbehörde mit der Begründung abgetreten worden, der diesbezügliche Schaden sei geringer als 100.000 Euro. Die übrigen Sachverhalte seien nicht weiter untersucht und die Einleitung eines Strafverfahrens mit vagen Begründungen zurückgewiesen worden.
Es sei daher nicht möglich gewesen, die beiden Geschäftsführer der D.GmbH wegen der Vergehen gerichtlich abberufen zu lassen.
Es werde beantragt, die Finanzbehörde zu beauftragen, die angeführten Sachverhalte einer genauen Prüfung zu unterziehen und erst danach zu prüfen, ob die X.GmbH nicht binnen kurzer Zeit aufgrund der zu erwartenden Gewinnausschüttungen der D.GmbH fähig sein werde, die Steuerrückstände zu begleichen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Laut dem vorliegenden Firmenbuchauszug ist der Bf. seit dem Jahr 1995 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der X.GmbH. Ihm oblag bzw. obliegt die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere hat der Bf. im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Der Bf. bestreitet in seinen Schriftsätzen die Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben der X.GmbH.
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallhaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus.
Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Die Uneinbringlichkeit im Sinne des § 9 BAO muss im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bestehen ().
Die Uneinbringlichkeit bedarf sachverhaltsmäßiger Feststellungen ().
Die Abgabenbehörde hat zur Uneinbringlichkeit der Abgaben in der Beschwerdevorentscheidung festgestellt, aufgrund der - dem Bf. nicht zur Kenntnis gebrachten - Feststellungen der Liquiditätsprüfung gemäß § 147 BAO in der Zeit vom 06.06. bis erscheine die X.GmbH zahlungsunfähig. Im Zuge der Prüfung seien keine Unterlagen vorgelegt worden, die geeignet erschienen, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft zu bestätigen.
Mit diesen Feststellungen wurde eine Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben nicht dargelegt. Nicht der Bf. hat die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft nachzuweisen, sondern das Finanzamt die objektive Uneinbringlichkeit der Abgaben (und nicht nur Erschwernisse bei der Einbringung) festzustellen.
Unbestritten ist, dass die X.GmbH seit dem Jahr 2009 Drittelgesellschafterin der D.GmbH ist. Diese Drittelbeteiligung wurde von der Gesellschaft nach dem Vorbringen des Bf. im Vorlageantrag vom Masseverwalter des vormaligen Gesellschafters G3 um 2.000 Euro erworben.
Der Bf. brachte weiters vor, die D.GmbH weise einen immateriellen Firmenwert in der Höhe von ca. 190.000 Euro aus. Die Gesellschafter der D.GmbH hätten dem Bf. im Jahr 2016 ein Anbot über 20.000 Euro für die Gesellschaftsanteile gemacht. Auch wenn dieses Anbot infolge der vom Bf. erfolgten strafrechtlichen Anzeigen gegen die Gesellschafter wieder zurückgezogen wurde, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesellschaftsanteil an der D.GmbH einen Vermögenswert der Gesellschaft darstellt, der für eine (zumindest teilweise) Einbringlichmachung der Abgaben herangezogen werden kann.
Auf den Wert des Gesellschaftsanteiles wurde im Gutachten zur Liquiditätsprüfung nicht eingegangen. Die Feststellung, bei der D.GmbH seien "Gewinnausschüttungen nicht zu erwarten", ist ebenfalls fragwürdig, da Verlustvorträge der Gesellschaft nur bis inklusive 2016 bestehen. Die Feststellung gründet sich lediglich auf die Vermutung hoher Nachzahlungen im Falle des Zutreffens der Vorbringen des Bf. in den Anzeigen gegen die Gesellschafter G1 und G2. Eine Prüfung der Vorwürfe wurde bis dato aber nicht durchgeführt.
Im Übrigen hat der Bf. auch nicht ausgeschlossen, dass der X.GmbH aus der jetzt betriebenen Medienplattform künftig Einnahmen zufließen könnten.
Die teilweise Einbringlichkeit von Abgaben ist insofern zu berücksichtigen, als der Geschäftsführer nur für jenen Teil der ausständigen Abgabenschulden zur Haftung herangezogen werden darf, welcher im Insolvenzverfahren voraussichtlich nicht einbringlich gemacht werden kann ().
Im vorliegenden Fall ist eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten im Hinblick auf ein über das Vermögen der noch existenten Gesellschaft durchzuführendes Insovenzverfahren nicht ausgeschlossen. Die Uneinbringlichkeit der Abgaben steht daher nicht zweifelsfrei fest.
Ist gemäß § 278 Abs. 1 BAO die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären, so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Durch die Unterlassung von Ermittlungen zur Feststellung des Ausmaßes der eingetretenen Uneinbringlichkeit bzw. die Beantragung eines Insolvenzverfahrens über die Gesellschaft zur Geltendmachung der Vermögensansprüche der Gesellschaft gegenüber der D.GmbH kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein anders lautender Haftungsbescheid erlassen oder eine Bescheiderteilung unterbleiben hätte können, weshalb der angefochtene Bescheid unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufzuheben war.
Gemäß § 274 Abs. 3 Z 3 BAO kann der Senat ungeachtet eines Antrages (Abs. 1 Z 1) von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn eine Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erfolgt (§ 278).
Von der vom Bf. beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 274 Abs. 3 Z 3 BAO abgesehen werden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Aufhebung und Zurückverweisung der Beschwerde erfolgt wegen mangelnder Sachverhaltsermittlungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7105881.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at