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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.02.2018, RV/5101435/2014

Ansässigkeit eines Kleinunternehmers im Inland vor Inkrafttreten des AbgÄG 2016

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5101435/2014-RS1
Hinsichtlich des Vorliegens der Ansässigkeit im Inland als Voraussetzung für die Kleinunternehmerbefreiung ist in unmittelbarer Anwendung der MwStSystRl oder auch in richtlinienkonformer Interpretation des Begriffes "Sitz" in § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 auch in Zeiten vor Inkrafttreten des AbgÄG 2016 anstatt auf den Wohnsitz des Unternehmers auf dessen Ansässigkeit im Sinn eines Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit oder einer festen Niederlassung, von der aus das Unternehmen betrieben wird, abzustellen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, Anschrift , StNr xx, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom , betreffend Umsatzsteuer 2012 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)  zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriges Verwaltungsgeschehen

Die deutsche Staatsbürgerin Bf (in der Folge: Bf) war nach der Aktenlage ab September 2012 zumindest fallweise selbständig zur nachhaltigen Ennahmenserzielung als „Massage-Praktikantin“ bzw. „Wellness-Fußreflexzonen-Masseurin“ im Inland tätig. Als Ort dieser Tätigkeit gab die Bf gegenüber dem Finanzamt eine „O“ in öAnschrift1 an. Nachdem die Bf trotz Aufforderung durch das Finanzamt keine Steuererklärungen einreichte, setzte das Finanzamt mit dem Umsatzsteuerbescheid für 2012 vom eine Umsatzsteuer im Schätzungsweg in Höhe von € 700,00 fest. Gegen diese Festsetzung brachte die Bf am eine Beschwerde ein, in der sie ausführte, sie sei als Kleinunternehmerin nicht erklärungs- und nicht steuerpflichtig. Als Beilage legte die Bf den deutschen Einkommensteuerbescheid vor, in dem für 2012 Einkünfte aus selbständiger Arbeit iHv € 1.351,00 festgehalten waren.

Da ein Vorhalt an die Bf mit dem Hinweis, dass Kleinunternehmer nur sein könne, wer im Inland einen Sitz oder Wohnsitz hat, und der Aufforderung, die Einnahmen-Ausgabenrechnung vorzulegen, unbeantwortet blieb, erging am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung.

In dem am als Einspruch bezeichneten Vorlageantrag gab die Bf zunächst eine neue deutsche Anschrift bekannt, an der in Zukunft zugestellt werden sollte (dtAnschrift2) und wiederholte ihre Ausführungen zur Kleinunternehmereigenschaft. Im März 2013 hätte sie jede Tätigkeit in Österreich eingestellt und auch das Gewerbe sowie den Wohnsitz in Österreich abgemeldet.

Infolge einer vom Finanzamt an die Bf gerichtete  Zahlungsaufforderung beantragte die Bf mit einem Schreiben vom die Aussetzung der Einhebung. Detailliert und mit Beilagen belegt führte sie weiters aus, dass sie ihre Tätigkeit vom bis an der oben angeführten Anschrift in öAdr1 und vom bis am Standort öAnschrift2 ausgeübt habe. In ö2 wäre sie in diesem Zeitraum auch mit einem Nebenwohnsitz gemeldet gewesen. Anm. des Richters: diese Ausführungen entsprechen den im Akt aufliegenden Unterlagen.

Am erging abermals ein Ersuchen des Finanzamtes an die Bf, in dem nochmals auf die Rechtslage verwiesen (inländischer Wohnsitz erforderlich für die Kleinunternehmerbefreiung) und die Bf aufgefordert wurde, ihre Einnahmen bekanntzugeben.

Die Bf teilte mit einem Schreiben vom ihre Einnahmen und Ausgaben für 2012 mit und belegte diese teilweise mit vorgelegten Kopien. Daraus ist ersichtlich, dass der gesamte in Deutschland erklärte Gewinn für 2012 aus selbständiger Tätigkeit aus den in Österreich erzielten Einnahmen iHv ca € 6.000,- stammt. In diesem Schreiben wurde erstmals  als Anschrift der Bf die Adresse dtAnschrift1, verwendet.

Daraufhin belehrte das Finanzamt die Bf in einem Schreiben vom hinsichtlich diverser Aufwands- bzw- Vorsteuerbeträge und ersuchte um Vorlage der Mietverträge sowie der Telefonrechnungen.

Vorgelegt wurde mit dem Antwortschreiben vom neben Mobilfunkrechnungen auch ein Mietvertrag für das Massagezimmer in öAdr1. In diesem ist –neben anderen hier nicht interessierenden Details- festgehalten, dass für das Zimmer grundsätzlich je Tag tatsächlicher Nutzung für energetische Behandlungen  € 100,- (inkl. Nebenkosten) zu bezahlen sind. Nachdem der Vermieter  laut ZMR des Nebenwohnsitzes der Bf in ö2 schriftlich um Auskunft bezüglich des Mietverhältnisses mit der Bf ersucht worden war, gab dieser nach einem aufliegenden Aktenvermerk vom telefonisch bekannt, dass die Bf in ö2 nur ihrer Tätigkeit im Dezember 2012 und im Jänner 2013 nachgegangen sei, dort aber nie tatsächlich gewohnt hätte. Das Anschreiben an den Vermieter wurde an dessen neue Anschrift in V gesandt und im Schreiben ausgeführt, dass die Bf in dessen ehemaligem Wohnhaus mit Nebenwohnsitz gemeldet sei.

Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt aus, dass die Bf von 9 – 12/2012 in Österreich ein Massagegewerbe betrieben habe. Sie habe aber in Österreich nie einen Wohnsitz gehabt, die Anmeldung zum Nebenwohnsitz in ö2 sei lediglich zum Schein erfolgt. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Unterlagen ergäbe sich eine Zahllast von € 979,14, wobei nur die Vorsteuren für Telefonkosten und Büroartikel berücksichtigt werden könnten. Mangels Wohnsitz in Österreich könne die Kleinunternehmerbefreiung nicht zur Anwendung gelangen.

Mit einem Schreiben vom an das Bundesfinanzgericht (BFG)  verwies die Bf abermals auf ihre derzeitige Anschrift mit der Bitte, Schriftstücke an diese Anschrift zuzustellen. In ö2 habe sie sehr wohl einen Wohnsitz gehabt, an dem sie insbesondere bei schlechten Fahrbahnverhältnissen (Wintermonate) genächtigt hätte, da ihr Hauptwohnsitz 80 Km entfernt gewesen sei.

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Das BFG legt seinem Erkenntnis folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt zugrunde:

Es kann in diesem Verfahren  nicht festgestellt werden, ob die Bf tatsächlich einen Wohnsitz in Österreich iSd § 26 BAO hatte. Der Aussagen der Bf stehen die Aussagen des Vermieters gegenüber, wobei dem Richter fraglich erscheint, ob der Vermieter mit neuem Wohnsitz in V  (in etlicher Entfernung von ö2) tatsächlich über die Wohngewohnheiten der Bf Auskunft geben kann. Darüber, welche Räume vermietet wurden und dergleichen wurde seitens des Finanzamtes nicht erhoben. Auch das BFG geht dieser Frage mangels Relevanz für seine Entscheidung nicht weiter nach, da unionsrechtlich nicht auf den Wohnsitz sondern auf die Ansässigkeit abgestellt werden muss.

Diesbezüglich geht das BFG, so wie auch das Finanzamt selbst (siehe Vorlagebericht), davon aus, dass die Bf im Inland ein Unternehmen (Massagetätigkeit) betrieben hat, welches zumindest einen Raum mit weiteren Sachmitteln (Öle, Massageliege oder dergleichen) und ihre eigene Anwesenheit und somit das Zusammenspiel von sachlichen und persönlichen Ressourcen voraussetzt. Es ist auch davon auszugehen, dass die Bf zumindest beim Beginn der jeweiligen Tätigkeiten beabsichtigt hatte, ihre Tätigkeiten über einen längeren Zeitraum in diesen Räumen auszuüben. Es liegt keine sogenannte „fahrende“ Tätigkeit oder eine ähnliche Tätigkeit ohne feste Niederlassung vor. Weiters ist davon auszugehen, dass die Bf in den jeweils genutzten Räumlichkeiten Verträge mit ihren Kunden geschlossen hat und auch unternehmerische Entscheidungen getroffen hat.

Die Bf führte nur im Inland und nur die hier gegenständlichen Umsätze aus und hat im Veranlagungszeitraum 2012 keine ig Erwerbe oder andere Tatbestände erfüllt, nach denen sie eine Umsatzsteuer zu entrichten hätte.

Die Bf berief sich bereits in ihrer ursprünglich eingereichten Beschwerde auf die Befreiung für Kleinunternehmer, ohne dies näher zu begründen, insbesondere ohne zunächst das Vorliegen eines Wohnsitzes in Österreich darzulegen. Erst als das Finanzamt nach der damaligen Rechtsauffassung wiederholt das Erfordernis eines inl. Wohnsitzes in Spiel brachte, machte auch die Bf Angaben dazu. Da in Deutschland in diesem Zusammenhang für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht bereits im Jahr 2012 auf die Ansässigkeit iSd Unionsrechtes abgestellt wurde, ist auch davon auszugehen, dass die Bf bereits im Jahr 2012 die für sie günstigere Unionsrechtslage angewandt haben möchte.

Rechtsgrundlagen

Nach Artikel 283 Abs. 1 lit. c der MwStSystRl  dürfen die Mitgliedstaaten eine Kleinunternehmerbefreiung für Unternehmer  normieren, die in dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die MwSt geschuldet wird.

UStG 1994

§ 6 Abs. 1 Z 27  idF vor AbgÄG 2016: Befreit sind die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen die Umsätze, die nach § 20 Abs. 4 und 5 besteuert werden;

§ 6 Abs. 1 Z 27  idF AbgÄG 2016: Befreit sind die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30 000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen sowie Umsätze, die nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d und j, Z 9 lit. b und d, Z 10 bis 15, Z 17 bis 26 und Z 28 steuerfrei sind, außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich;

EB zum BGBl. I Nr. 117/2016 (AbgÄG 2016) mit dem im § 6 Abs.1 Z 27 UStG 1994 die Voraussetzung der Ansässigkeit im Inland für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung insofern geändert wurde, als nicht mehr auf den Wohnsitz oder Sitz im Inland sondern darauf abgestellt wird, ob im Inland das Unternehmen betrieben wird.

Vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben soll hinsichtlich der Ansässigkeit im Inland, die Voraussetzung für die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung ist, eine Anpassung erfolgen, dass nur Unternehmer, die ihr Unternehmen im Inland betreiben, die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen können. Folglich kann aufgrund des Innehabens eines Wohnsitzes in Österreich, wenn das Unternehmen im Ausland betrieben wird, § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 nicht angewendet werden (vgl. , Schmelz und , Stoppelkamp).

Nach § 3a Abs. 7 UStG 1994 (in der im Jahr 2012 geltenden Fassung)  gilt als Generalklausel für die Bestimmung des Leistungsortes bei  Dienstleistungen an Nichtunternehmer, sofern in den Folgeabsätzen keine Sonderbestimmung normiert ist:  Eine sonstige Leistung, die an einen Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.

Der EuGH führte in seinem Urteil in der Rs Stoppelkamp (), das zwar zum Übergang der Steuerschuld erging, aber u.a. auch auf einen „nicht im Inland ansässigen  Steuerpflichtiger“ abstellt, aus:

24      Der Begriff „nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger“ wird nämlich in Art. 1 der Achten Richtlinie erläutert (vgl. Urteil vom , Kommission/Italien, C ‑ 244/08, nicht in der amtlichen Sammlung verö ffentlicht, Randnr. 26).

25      Im Sinne dieses Artikels setzt die Eigenschaft als nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger voraus, dass beim Steuerpflichtigen im Bezugszeitraum keiner der in dieser Bestimmung genannten inländischen Anknüpfungstatbestände erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, Randnr. 27).

26      Zu diesen Anknüpfungstatbeständen zählen in erster Linie der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und das Vorhandensein einer festen Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, Randnr. 28).

27      Nach Art. 1 der Achten Richtlinie können die übrigen dort aufgezählten Anknüpfungstatbestände, nämlich der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des Steuerpflichtigen, nur dann für die Bestimmung des Ortes, an dem dieser als „ansässig“ gilt, angesehen werden, wenn einschlägige Angaben zum Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder zur festen Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, fehlen.

……….

30      Wie der Gerichtshof in Randnr. 61 des Urteils (Urteil vom , Planzer Luxembourg (C ‑ 73/06, Slg. 2007, I ‑ 5655) befunden hat, ist nämlich bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der satzungsmäßige Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der – gewöhnlich mit diesem übereinstimmende – Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik der Gesellschaft bestimmt wird.

31      Andere Elemente, wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte und der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, können in zweiter Linie in Betracht gezogen werden, wenn es z. B. darum geht, bei einer Gesellschaft mit fiktivem Standort, wie er etwa eine „Briefkastenfirma“ kennzeichnet, den tatsächlichen Sitz zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Planzer, Randnrn. 61 und 62).

32      Die Auslegung, wonach der private Wohnsitz des steuerpflichtigen Dienstleistungserbringers bei der Bestimmung des Ortes seiner Niederlassung nur in Betracht gezogen werden kann, wenn keine mit der von ihm ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhängenden Anknüpfungspunkte – wie etwa der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder das Vorhandensein einer festen Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind – bestehen, entspricht zudem der Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie zugrunde liegenden Systematik, da diese Bestimmung den Steuerpflichtigen nur in Bezug auf die von ihm ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit erfasst.

Nach § 21 Abs. 6 UStG 1994 wird bei Kleinunternehmern, die im Veranlagungszeitraum keine Steuer zu entrichten haben (zB aus ig Erwerben), keine Veranlagung zur Umsatzsteuer durchgeführt.

Dazu Pfeiffer in ÖStZ 2017, 193: Die unionsrechtliche Vorgabe zur Kleinunternehmerregelung findet sich in Art 281 ff MwSt-RL. Im Rahmen der Sonderregelungen für Kleinunternehmen sieht Art 283 Abs 1 lit c MwSt-RL eine Beschränkung auf im Inland ansässige Steuerpflichtige vor. Diese Beschränkung auf das Territorium eines Mitgliedstaates ist mit den primärrechtlichen Grundfreiheiten vereinbar. Mit dem AbgÄG 2016 wurde die Beschränkung auf das Inland in § 6 Abs 1 Z 27 UStG neu gefasst. Während nach aF der Wohnsitz oder Sitz des Unternehmers maßgeblich war, ist seit darauf abzustellen, von welchem Ort aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.
Die Bestimmung des Ortes, von dem aus das Unternehmen betrieben wird, findet sich gleichlautend in den Leistungsortregelungen (§ 3a Abs 6 UStG) sowie beim Übergang der Steuerschuld (§ 19 Abs 1 zweiter Satz UStG). In beiden Fällen - und nunmehr auch für den Kleinunternehmer ausschlaggebend - kann der Ort, von dem aus das Unternehmen betrieben wird, nur als "Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit" interpretiert werden. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit wird in Art 10 DVO näher konkretisiert. Als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit gilt demnach "der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden". Um diesen Ort zu bestimmen, ist "der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort seines satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt", heranzuziehen. Kann der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit auf Basis dieser Kriterien nicht mit Sicherheit bestimmt werden, ist der Ort heranzuziehen, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden.

Kanduth-Kristen in taxlex 2017, 263: Interpretiert man die mit dem AbgÄG 2016 eingeführte Wendung, wonach der Unternehmer im Inland sein Unternehmen betreibt, unionsrechtskonform so, dass sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt werden, im Inland befindet, trägt die Textierung den unionsrechtlichen Vorgaben, wonach die Kleinunternehmerregelung für im Inland ansässige Steuerpflichtige gilt, nunmehr besser Rechnung als der Gesetzeswortlaut vor Inkrafttreten des AbgÄG 2016. Klarer wäre - entsprechend der deutschen Fassung der MwSt-SystRL - eine Bezugnahme auf die Ansässigkeit im Inland und eine Vereinheitlichung der Definition von "Ansässigkeit" in den verschiedenen Bestimmungen des UStG.

Auch aus Artikel 1 der 8. RL 97/1072/EWG sowie Artikel 1 der 13. RL 86/560/EWG ergibt sich, dass als „nicht ansässig“ jener Steuerpflichtige gilt, der im Inland weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung hat, von wo aus er Umsätze im Inland bewirkt, noch – in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer festen Niederlassung – seinen Wohnsitz oder üblichen Aufenthaltsort hat.

Erwägungen

Nach der MwStSystRl, auf deren unmittelbare Anwendung sich die Bf schlüssig beruft, indem sie offenbar die dem Unionsrecht bereits im Jahr 2012 entsprechende deutsche Regelung angewandt haben möchte,  ist eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerbefreiung, dass der Unternehmer im Inland ansässig sein muss. Diese Ansässigkeit bestimmt sich primär nach dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit (im Zweifel jener Ort, an dem die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden)  bzw nach der festen Niederlassung, von der aus das Unternehmen betrieben wird. Als feste Niederlassung sieht der EuGH immer eine auf gewisse Dauer angelegte Einrichtung, die durch das Zusammenspiel von sachlichen und persönlichen Mitteln in der Lage ist autonom Leistungen zu erbringen (bzw. zu empfangen).

Wenn auch § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 im hier strittigen Zeitraum darauf abstellte, dass die Kleinunternehmerregelung nur für Unternehmer mit Wohnsitz oder Sitz im Inland anwendbar war, kann sich ein Unternehmer, der sein Unternehmen im Inland betreibt, hier also iSd Unionsrechtes ansässig ist, unmittelbar darauf berufen, dass nach Art 283 Abs. 1 lit. c der MwStSystRl von der Kleinunternehmerregelung nur jene Unternehmer ausgeschlossen werden dürfen, die nicht im Mitgliedstaat des Steueranfalles ansässig sind. Ansässig ist ein Unternehmen im Inland, wenn hier der Ort ist, an dem die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden bzw. sich hier eine Niederlassung befindet, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind.

Dies ergibt sich auch aus den EB zum AbgÄG 2016, nach denen es durch die Novellierung der Kleinunternehmerregelung (abzustellen ist demnach nicht mehr auf den Wohnsitz oder Sitz, sondern auf jenen Ort, an dem der Unternehmer sein Unternehmen betreibt) zu einer Anpassung an die unionsrechtlichen Vorgaben kommt.

Wenn das Finanzamt zu dem Ergebnis kommt, dass die Bf in Räumlichkeiten im Inland hier steuerbare Umsätze tätigte, muss gleichzeitig zumindest davon ausgegangen werden, dass sie hier ihr Unternehmen betrieben hat. Es muss zwangsweise Räumlichkeiten von einer gewissen Beständigkeit gegeben haben, von wo aus bzw. in denen die Bf aufgrund des Zusammenspiels von sachlichen und ihren eigenen persönlichen  Ressourcen Leistungen erbrachte. Es lag somit zumindest eine feste Niederlassung im Inland vor und die Bf war im strittigen Zeitraum im Inland ansässig im Sinn des Unionsrechtes.

Überdies könnte nach Ansicht des Richters auch die nationale Rechtslage, wie sie sich vor dem AbgÄG 2016 darstellte,  durch eine unionsrechtliche Auslegung des Wortes „Sitz“ zu demselben Ergebnis führen. Es ist dem UStG 1994 nicht zwingend zu entnehmen, dass es sich um einen Sitz einer Gesellschaft im Sinn der BAO handeln muss.

Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass die Leistungen der Bf an ihre nichtunternehmerischen Kunden an dem Ort in Österreich steuerbar sind, an dem die Bf ihr Unternehmen in Österreich betreibt, muss man auch im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der Kleinunternehmerbefreiung davon ausgehen, dass die Bf ihr Unternehmen im Inland betreibt, dass sie über eine feste Niederlassung im Inland verfügt, von der aus sie ihr Unternehmen betreibt. Die Bf war somit in streitgegenständlichen Zeitraum im Inland ansässig im Sinn des unmittelbar anwendbaren Unionsrechtes.

Da die Bf im gegenständlichen Veranlagungszeitraum keine Umsatzsteuer zu entrichten hat und nur Umsätze tätigte, die unter die Kleinunternehmerbefreiung fallen, war eine Veranlagung nicht durchzuführen und der bekämpfte Bescheid ist ersatzlos aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist zulässig, da es keine Rechtsprechung des VwGH zur Frage der unmittelbaren Anwendung der unionsrechtlichen Voraussetzung der Ansässigkeit (im Sinn des Vorhandenseins eines Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit bzw einer festen Niederlassung) für die Kleinunternehmerbefreiung bzw der richtlinienkonformen Interpretation des § 6 Abs. 1 Zi 27 UStG 1994  für Zeiträume vor dem Inkrafttreten des AbgÄG 2016 gibt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

Zitiert/besprochen in
Hilber in AFS 2018/3, 92
Luketina in ÖStZ 2019/234
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.5101435.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at