Sicherstellungsauftrag - Abgabenschuld objektiv gesehen im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages nicht entstanden
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Mag. Gerhard Groschedl, die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA und die fachkundigen Laienrichter Mag. (FH) Oliver Bruckner und Mag. Ulrike Richter über die Beschwerde der *****, *****, *****, vertreten durch kaubek & partner WT STB, Hauptplatz 26, 2700 Wiener Neustadt, über die Beschwerde der Abgabepflichtigen vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Sicherstellungsauftrag nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des steuerlichen Vertreters Mag. (FH) Thomas Kaubek sowie des Vertreters der belangten Behörde im Beisein der Schriftführerin zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Mit angefochtenem Bescheid vom wurde die Sicherstellung der Abgabenansprüche für die Umsatzsteuer 2015 und 2016 der beschwerdeführenden Gesellschaft iHv € 91.668,34 angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Entstehen der genannten Abgabenansprüche ergebe sich aus dem Umstand, dass die beschwerdeführende Gesellschaft zumeist hochpreisige PKW einer näher genannten slowakischen Firma erwerbe. Beim Weiterverkauf dieser PKW im Inland wende die geprüfte Gesellschaft nahezu ausschließlich die Bestimmung des § 24 UStG (Differenzbesteuerung) an. Diese Art der Margenbesteuerung sei jedoch nur dann zulässig, wenn bereits das liefernde slowakische Unternehmen seinerseits nach den Bestimmungen der Differenzbesteuerung diesen Wagen erworben habe. Trotz Aufforderung an den Bevollmächtigten der Gesellschafterin der beschwerdeführenden Gesellschaft sei nicht bekannt gegeben worden, woher die slowakische Firma die PKW erworben habe. Diese Auskunft sei jedoch relevant für die Feststellung, ob die Fahrzeuge tatsächlich der Differenzbesteuerung unterworfen werden könnten. Diese Informationsbeschaffung sei zumutbar gewesen, da der Bevollmächtigte der Gesellschafterin der beschwerdeführenden Gesellschaft bei der slowakischen Firma angestellt und seine Ehefrau auch die Eigentümerin der slowakischen Firma sei. Da kein Nachweis vorgelegt worden sei, seien die von der slowakischen Firma differenzbesteuert erworbenen und in weiterer Folge im Inland differenzbesteuert weiterverkauften Fahrzeuge zur Gänze der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Die Einbringung der Abgabe sei gefährdet, weil die Gesellschaft im Inland nur über bewegliches Vermögen verfüge und dieses auf Grund der gegebenen Verhältnisse leicht ins Ausland zu verbringen sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom führte die beschwerdeführende Gesellschaft aus, der Sicherstellungsbescheid sei ihr am 24. Oktober durch Übergabe zugestellt worden. Am selben Tag habe eine von der Abgabenbehörde beauftragte Firma einen "PKW" abgeholt bzw. beschlagnahmt. Gegen diese Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt werde zudem das Rechtsmittel der Maßnahmenbeschwerde ergriffen. Es werde in beiden Beschwerden Rechtswidrigkeit geltend gemacht, da die belangte Behörde den Sachverhalt mangelhaft ermittelt bzw. aktenwidrig gehandelt habe, die getroffene Ermessensentscheidung mangelhaft bzw. nur floskelhaft begründet worden sei und die belangte Behörde ihre Befugnisse im Rahmen des Sicherstellungsauftrages überschritten habe. Die Gebarung am Abgabenkonto der beschwerdeführenden Gesellschaft sei vorbildlich, es gebe keine Rückstände, sondern laufend bedeutende Guthaben. Der Sicherstellungsauftrag erstrecke sich auch auf die Umsatzsteuer 2016; § 4 BAO normiere für die Jahresabgaben den Anspruch mit Ablauf des 31.12. Zur Maßnahmenbeschwerde und Beschlagnahme wird noch ausgeführt, der steuerlichen Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft sei ein anderer Bescheid als dem Abgabenpflichtigen ausgehändigt worden, wobei jener an die steuerliche Vertretung händisch geändert gewesen sei und die Beträge nicht übereingestimmt hätten. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe zum Zeitpunkt der Zustellung des Sicherstellungsauftrages ein Guthaben von rund € 31.000,- gehabt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde insoweit teilweise Folge gegeben, als die Anordnung der Sicherstellung auf den Abgabenanspruch betreffend Umsatzsteuer 2015 iHv € 77.416,67 eingeschränkt wurde. Begründet wurde dies durch die belangte Behörde wie folgt:
"[...] Mit der nunmehr erfolgten Adaptierung des sicherzustellenden Betrages wurde zunächst dem Umstand Rechnung getragen, dass hinsichtlich der Umsatzsteuer 2016 im Zeitpunkt des Ergehens des nunmehr angefochtenen Bescheides vom der korrespondierende Abgabenanspruch noch nicht entstanden war.
Betreffend das Jahr 2015 wurde die Berechnung der voraussichtlichen Höhe der Abgabenschuld unter Berücksichtigung des Aspektes, dass die Umsatzsteuer selbst nicht zur Bemessungsgrundlage für Lieferungen gehört und daher, wenn sie nicht gesondert ausgewiesen ist, aus dem Rechnungsbetrag herausgerechnet werden muss, adaptiert (siehe Beilage). Ist einer Vereinbarung nämlich nicht zu entnehmen, ob es sich um einen Brutto oder Nettopreis handelt, so kann davon ausgegangen werden, dass der vereinbarte Preis die Umsatzsteuer bereits inkludiert, sofern sich nicht in bestimmten Branchen ein abweichender Handelsbrauch entwickelt hat (siehe hiezu auch Mayr/Ungericht, UStG4, 2014, § 4 Anm. 17).
Die Berechnung des nunmehr im Zuge dieser Beschwerdevorentscheidung adaptierten Abgabenbetrages ist der beigefügten Darstellung (Beilage) zu den einzelnen verfahrensgegenständlichen Fahrzeugausgangsrechnungen der Beschwerdeführerin zu entnehmen.
In Zusammenhang mit der rechtsmittelgegenständlichen Rechtsfrage der Zulässigkeit der Differenzbesteuerung ist an dieser Stelle vorab schon Folgendes zu erwägen: [...]
Im vorliegenden Sachverhalt wurden die Fahrzeuge zu den AR 05, 10 und 14 von der Beschwerdeführerin laut Ermittlungsmaßnahmen der Abgabenbehörde von Nichtunternehmern erworben und sind somit die Voraussetzungen für die Anwendung der Differenzbesteuerung gegeben. Diesen Gegebenheiten wurde auch bei der bereits angesprochenen Neuberechnung des Abgabenbetrages Rechnung getragen.
Zu den übrigen Fahrzeugen ist in Zusammenhang mit der ebenso anhängigen Beschwerde gegen die entsprechenden Abgabenbescheide vorab zu erwägen, dass der Abgabenbehörde zu den entsprechenden Kfz entweder keine Eingangsrechnungen vorliegen oder aber solche unter Hinweis auf die Differenzbesteuerung, jedoch stets ohne Ausweis einer slowakischen Differenzumsatzsteuer, ein Aspekt welcher in signifikantem Widerspruch zu den allgemeinen Erfahrungen des Wirtschaftslebens steht. Somit sind betreffend diese Fahrzeuge die Voraussetzungen für die Anwendung der Differenzbesteuerung aus Sicht der Abgabenbehörde nicht gegeben, wobei angemerkt wird, dass in gegebenem Zusammenhang Auskunftsersuchen an die slowakische Abgabenbehörde gerichtet wurden, deren Beantwortung noch abzuwarten ist.
Betreffend Einwand der Beschwerdeführerin, wonach die Ermessensübung im vorliegenden Sachverhalt mangelhaft erfolgt sei, ist auszuführen, dass von dem durch die Vorschrift des § 232 BAO eingeräumten Ermessen seitens der Abgabenbehörde innerhalb der von § 20 BAO gezogenen Ermessensgrenzen Billigkeit und Zweckmäßigkeit in zulässiger Weise Gebrauch gemacht wurde. Das Kriterium der Zweckmäßigkeit gilt insbesondere dann als erfüllt, wenn ein öffentliches Anliegen hinsichtlich der Einbringung der betreffenden Abgaben vorhanden ist. Ein solches öffentliches Anliegen war im vorliegenden Sachverhalt schon angesichts der Höhe des im Spruch angeführten Abgabenbetrages ohne Zweifel als gegeben anzunehmen. Diesem öffentlichen Anliegen stehen aus Sicht der Abgabenbehörde auch keine berechtigten Interessen der Abgabepflichtigen entgegen bzw. treten solche in den Hintergrund.
Wenn die Beschwerdeführerin betreffend das zwingende Erfordernis der Gefährdung bzw. wesentlichen Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben vorbringt, dass nahezu jedes Unternehmen im Bundesgebiet bloß über leicht ins Ausland zu transferierendes, bewegliches Vermögen verfüge, so ist dem Folgendes entgegenzuhalten: Aus den konkreten Umständen des Einzelfalles ergibt sich, dass im vorliegenden Sachverhalt eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben jedenfalls vorliegt. Eine solche ist nämlich stets dann gegeben, wenn im konkreten Sachverhalt aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Einbringung der entsprechenden Abgaben voraussichtlich gesichert erscheint (siehe hiezu auch ).
Im Falle des geprüften Unternehmens ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das bereits im angefochtenen Bescheid vom dargestellte Missverhältnis von zu erwartender Abgabennachforderung und vorhandener, verwertbarer Vermögensmittel hinzuweisen. So verfügt das gegenständliche Unternehmen im Inland über nahezu kein verwertbares, unbewegliches Anlagevermögen, sondern lediglich über bewegliche Vermögenswerte, welche leicht ins Ausland transferiert werden können. Dieser Umstand spricht insbesondere auch deshalb für eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung der Einbringung der entsprechenden Abgaben, zumal Unternehmen dieser Art üblicherweise über namhaftes unbewegliches Anlagevermögen in Gestalt von Grundstücken, Lagerhallen etc. verfügen. [...]"
Mit Eingabe vom stellte die beschwerdeführende Gesellschaft den Antrag gemäß § 264 BAO, die Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und beantragte u.a. "die Zusammenlegung mit den Verfahren Umsatzsteuer 2015 und 1-2/2016", die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde erneut eine mangelhafte Sachverhaltsermittlung sowie eine rechtlich unrichtige Würdigung hinsichtlich der Umsatzsteuer-Differenzbesteuerung ins Treffen geführt.
Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde samt Akten an das Bundesfinanzgericht.
Das Bundesfinanzgericht beraumte die beantragte mündliche Senats-Verhandlung mit Ladung vom für den an.
Zwischenzeitig wurden mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Baden Mödling vom die Umsatzsteuerbescheide 2015 und 1-2/2016 aufgehoben.
Mit per E-Mail übermittelter Eingabe vom kündigte der steuerliche Vertreter die Zurückziehung des Antrages auf Entscheidung durch den Senat an und erklärte sich mit der Entscheidung der Einzelrichterin "einverstanden". Am Tag der mündlichen Verhandlung () war diese Eingabe postalisch noch nicht beim Bundesfinanzgericht eingelangt, sodass die Verhandlung vor dem Senat erfolgte.
In der mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht, dass zwischen Erstellen des Sicherstellungsauftrages am und Zustellung desselben seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft sämtliche geforderten Unterlagen vorgelegt worden seien.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist seit im Firmenbuch eingetragen. Unternehmensgegenstand ist der Handel mit Kraftfahrzeugen ("Autohandel").
Am begann bei der beschwerdeführenden Gesellschaft eine abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich Umsatzsteuer, Kammerumlage, Normverbrauchsabgabe und zusammenfassende Meldung für die Zeiträume 05/2015 bis 04/2016.
Im Antwortschreiben der steuerlichen Vertretung vom zur Aufforderung der Vorlage von Unterlagen zur Prüfung der Differenzbesteuerung (mit Auslandsbezug) wurde der belangten Behörde nur kurz mitgeteilt, dass "die Bezugsquellen der Firma [...] nicht der Finanzverwaltung übermittelt werden. [...] Woher und zu welchem Preis die [...] ihre Autos bezieht, hat für die Abgabenerhebung in Österreich keinerlei abgabenrechltiche Relevanz!"
Am wurde der gegenständliche Sicherstellungsauftrag, der das Datum trägt, dem steuerlichen Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft persönlich übergeben. Ausschlaggebend für den Sicherstellungsauftrag war insbesondere die mangelnde Mitwirkung des Bevollmächtigten der beschwerdeführenden Gesellschaft an der Klärung des Sachverhaltes mit Auslandsbezug hinsichtlich Differenzbesteuerung. Zum Zeitpunkt der Übergabe des Sicherstellungsauftrages verfügte die beschwerdeführende Gesellschaft über ein Guthaben von rund € 31.000.
Am wurde anlässlich der Außenprüfung eine Niederschrift über die Schlussbesprechung aufgenommen, die zum einen die Erstveranlagung der Umsatzsteuer für 2015 im Zuge der Betriebsprüfung sowie Ausführungen zu differenzbesteuerten Erwerben beinhaltete. Die abgabenbehördliche Prüfung fand im Bericht vom ihren Abschluss.
Im Zeitraum von bis , sohin vor Zustellung des Sicherstellungsbescheides, übermittelte die beschwerdeführende Gesellschaft der belangten Behörde sämtliche angeforderten Unterlagen, aus denen sich bereits ergeben konnte, dass ein Abgabenanspruch wie im Sicherstellungsauftrag dargestellt, nicht entstanden war. Diesem Umstand wurde letztlich mit der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Baden Mödling vom Rechnung getragen und die Umsatzsteuerbescheide 2015 und 1-2/2016 aufgehoben.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus der Einsicht in das Firmenbuch sowie in die im Akt befindlichen Berichte der abgabenbehördlichen Prüfung und den Einbringungsakt der belangten Behörde. Dass die beschwerdeführende Gesellschaft im Zeitraum zwischen Datierung () und Übergabe (am ) des Sicherstellungsauftrages sämtliche ihr abverlangten Unterlagen der belangten Behörde übergeben hat, ergibt sich zum einen aus der mündlichen Verhandlung, in der dies auch von der belangten Behörde nicht bestritten wurde, und zum anderen aus dem im Verwaltungsakt der belangten Behörde befindlichen E-Mail-Verkehr zwischen der steuerlichen Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft und belangter Behörde (vom bzw. /Nr. 111 und ON 112 der übermittelten Aktenstücke). Darüber hinaus ergeben sich keinerlei Hinweise, die an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zweifeln lassen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Im Vorlageantrag wurde ausdrücklich (nur) darum ersucht, die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend den Sicherstellungsauftrag vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Diese bildet somit auch den Gegenstand dieses Verfahrens. Die Maßnahmenbeschwerde wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , RM/7100012/2017, abschließend erledigt. Ein Beschwerdeverfahren betreffend Umsatzsteuer der beschwerdeführenden Partei ist beim Bundesfinanzgericht nicht anhängig.
§ 232 BAO idF BGBl. I 20/2009, der die Sicherstellung regelt, lautet wie folgt:
"(1) Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
(2) Der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) hat zu enthalten:
a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;
d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden."
Da die in Abs. 1 und Abs. 2 leg.cit. genannten Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, sind sie im Folgenden einzeln zu prüfen.
Erste Voraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages ist die Verwirklichung jenes Tatbestandes, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht iSd § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages bzw. in der diesen bestätigenden Berufungsvorentscheidung dargetan werden.
Eine Sicherstellung ist kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach (nämlich gemäß § 4 BAO) mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Von einer solchen Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung kann im Wesentlichen dann gesprochen werden, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muss, dass nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (vgl. ; ; ).
Zwar hat sich das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag auf die Überprüfung zu beschränken, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet worden ist, die erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren (vgl. sowie ). Gemäß § 270 BAO (idF BGBl. I 14/2013) ist aber bei der Entscheidung über die Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag auf im Beschwerdeverfahren der Behörde zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise - welche sich allerdings auf die Überprüfung der Frage zu beschränken haben, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages die dafür erforderlichen Voraussetzungen objektiv gegeben waren - Bedacht zu nehmen (vgl. ; ):
Letzteres ist im Beschwerdefall entscheidend:
Die belangte Behörde hat im Zuge ihrer Ermittlungen um Vorlage von Unterlagen ersucht, mit denen die Differenzbesteuerung nachgewiesen hätte werden können. Im Antwortschreiben der steuerlichen Vertretung vom wurden die geforderten Unterlagen zwar nicht übermittelt, im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht hat sich jedoch gezeigt, dass zwischen der Erstellung des Sicherstellungsauftrages am und seiner Zustellung (und damit Erlassung) am die beschwerdeführende Gesellschaft sämtliche von ihr abverlangten Unterlagen vorgelegt hat, aus denen für die belangte Behörde schon vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages ersichtlich gewesen wäre, dass ein Abgabenanspruch wie im Sicherstellungsauftrag dargestellt, nicht entstanden ist. Letztlich führte dieser Umstand zur Beschwerdevorentscheidung vom , mit der die Abgabenbehörde der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2015 bzw. 1-2/2016 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben hat.
Damit fehlte - nachträglich gesehen - schon eine der Voraussetzungen für die Erlassung des Sicherstellungsauftrages, sodass der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid schon deshalb aufzuheben war. Eine Gefährdung der Einbringlichkeit als weitere Voraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages war nicht mehr zu prüfen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7103694.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at