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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.03.2018, RV/1100554/2016

Kosten einer Bandscheiben/Wirbelsäulenoperation als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Gerald Daniaux in der Beschwerdesache a, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt o vom betreffend Einkommensteuer 2015 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird  abgeändert wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Das Einkommen im Jahr 2015 beträgt
24.384,44
Berechnung der Einkommensteuer 2015
 
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit:
 
Pensionsversicherungsanstalt
29.841,96
Gesamtbetrag der Einkünfte
29.841,96
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
 
Topf-Sonderausgaben
-136,44
Kirchenbeitrag
-163,61
 
Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes (§ 34(4)EStG 1988
-8.609,03
Selbstbehalt
3.451,56
Einkommen
24.384,44
Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
 
(24.387,06 -25.000) X 15.125/35.0000,00 + 5.110,00
4.843,99
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
4.843,99
Pensionistenabzugabsetzbetrag
0,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge:
4.843,99
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
 
0% für die ersten 620,00
0,00
6% für die restlichen 4.353,66
261,22
Einkommensteuer
5.105,21
Anrechenbare Lohnsteuer
-7.437,70
-0,51
Festgesetzte Einkommensteuer
-2.333,00
Bisher festgesezte Einkommensteuer
0,00
Abgabengutschrift
2.333,00

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat per Finanzonline seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 eingebracht, wobei er unter "Außergewöhnliche Belastungen" Punkt 11., Ziffer 11.12., € 755,65 geltend gemacht hat.

Im Einkommensteuerbescheid  2015 vom  hat das Finanzamt im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen sei, nicht berücksichtigt werden könnten, da sie den Selbstbehalt in Höhe von € 3.451,56 nicht übersteigen würden.

In der hiergegen erhobenen Beschwerde wird vom Bf. vorgebracht, dass am an die p für eine neuerliche und schwierige Wirbelsäulen-OP ein Betrag von € 7.890,00 zusätzlich zu den bereits bei der ANV 2015 eingereichten Belegen von € 755,65 an Krankheitskosten bezahlt worden sei. Es sei übersehen worden, diese Rechnung beim Antrag der ANV 2015 mit einzureichen. Einen zusätzlichen Rückersatz von der q habe es zu dieser Rechnung nicht gegeben. Dennoch sei aufgrund der komplexen Situation mit der Wirbelsäule (es seien schon mehrere Operationen vorausgegangen) der Zuschlag für diese OP und der Aufenthalt für 7 Pflegetage privat bezahlt worden, sei doch gerade in seinem Alter die Mobilität und Gesundheit das höchste Gut. Daher würden jetzt bei den Krankheitskosten ein insgesamter Betrag von € 8.645,65 eingereicht.

In der Beantwortung eines Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom  führte der Bf. am aus, dass er bei den 3 Operationen in den Jahren 2013 und 2014 trotz eigener Kostenbeteiligung keine außergewöhnliche Belastungen in seinen Arbeitnehmerveranlagungen beantragt habe. Erst die im Jahre 2015 erfolgte notwendige und nochmalige letzte Operation in o möchte er aufgrund der sehr hohen Kostenbeteiligung als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt absetzen. Bereits seit 2011 habe er wegen Beschwerden an der Lendenwirbelsäule in ärztlicher Behandlung gestanden, wobei auch die 3 Operationen in b keine nachhaltige Besserung gebracht hätten. Sein Gesundheitszustand habe sich Anfang 2015 akut verschlechtert. Er habe binnen weniger Wochen über 20 kg Körpergewicht verloren und aufgrund der permanenten Schmerzen habe er die Lust am Leben verloren. Aufgrund dieses untragbaren Zustandes habe er sich trotz notwendiger hoher Kostenbeteiligung und aufgrund mehrfacher Empfehlungen entschlossen, unter freier Arztwahl den Besten allseits bekannten Spezialisten im Land mit einer neuerlichen Operation zu beauftragen. Der von diesem, c, in annehmbar rascher Zeit angesetzte Akuteingriff sei diesmal erfolgreich verlaufen und er sei nahezu schmerzfrei geworden, obwohl sich gewisse Dinge aus früheren OP`s nicht mehr rückabwicklen lassen würden und er wohl nie mehr ganz normal und ohne Stützhilfe gehen werden könne. Nach der attestierten Vorgeschichte mit den bereits 3 durchgeführten, in Summe jedoch fast erfolglosen operativen Eingriffen, sowie seiner vorherigen akuten Dauerschmerzzustände, sehe er hiermit die triftigen medizinischen Gründe, nach der durch die Aufzahlung auf die Sonderklasse erst möglichen freien Arztwahl durch den Besten seiner Abteilung, seinem raschen operativen Eingriff, sowie dem damit erzielten Erfolg, als ausreichend begründet. Dieser Weg, verbunden mit der neuerlichen finanziellen Belastung sei ihm als letzter gangbarer Weg erschienen, habe seiner wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im letzten Jahr wesentlich beeinträchtigt, sei außergewöhnlich, sei leider neuerlich und zwangsläufig erwachsen, und ein üblicher Selbstbehalt an den Kosten sei sowieso zu berücksichtigen. Er gehe davon aus, dass man dem Ansuchen Folge leisten könne.

In dem vom Bf. beigebrachten unverbindlichen Kostenvoranschlag des r vom ist ein Gesamtbetrag von € 7.890,00 ausgewiesen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Zuschlag Sonderklasse, Arzthonorar, OP-Gruppe VIII, OP-Gruppe VII 80%, Anästhesie VIII und Anästhesie VII 80%. Der Bf. hat hierzu eine SEPA-Auftragsbestätigung vom über die € 7.890,00 vorgelegt.

In einer Anfragebeantwortung teilt e per e-mail am mit, dass Patienten die in der Sonderklasse aufzahlen in den Vorteil kommen, sich den Operateur auswählen zu können, sowie in einem Einzel/Doppelzimmer zu liegen. Diese Optionen seien von Herrn g für seine Wirbelsäulenoperation gewählt worden.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom wird im Wesentlichen damit begründet, dass das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für die Operation durch k l durch den Bf. weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden habe können. Die Dauerdiagnose des Hausarztes nach der durchgeführten Operation und die nur sehr allgemein gehaltene Bestätigung des behandelnden Primararztes, aus der weder die behauptete Dringlichkeit des operativen Eingriffes hervorgehe, noch zu entnehmen sei, dass die Operation nur duch diesen persönlich vorgenommen werden hätte können oder müssen, langten diesbezüglich nicht aus.

Der Bf. hat hierauf Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht erhoben und hierzu ausgeführt, dass, da er dem Finanzamt in mehrfachen persönlichen Begründungen und Beilagen die triftigen medizinischen Gründe und Dringlichkeit der durchgeführten Operation nicht ausreichend glaubhaft machen habe können, ihm sein Hausarzt f nochmals eine ausführliche schriftliche Schilderung seines Falles über die absolute Notwendigkeit und den Erfolg der Operation im beiliegenden Schreiben dargelegt habe. Er bitte die Operations- und Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Das Schreiben von f, Allgemeinmedizin & s, vom lautet wie folgt:

"Herr i steht bei mir als Hausarzt seit wegen chronischer Rückenproblemen in Behandlung. Nach 3 Bandscheibenoperationen in den Jahren 2013 und 2014, die nur sehr kurzfristige Besserung brachten, behandelte ich ihn ab 2014 neuerlich durch Verschreibung von schweren Schmerzmitteln, Infusionen, Infiltrationen und Spritzenserien gegen seine starken Rückenschmerzen. Herr g klagte in immer kürzeren Abständen über seine Dauerschmerzen, litt an Appetitlosigkeit und Depressionen und verlor binnen kurzer Zeit sehr viel an Körpergewicht. Ich habe ihm daher dringend empfohlen, sich so bald als möglich noch einmal operieren zu lassen. Da ich den neuerlichen Eingriff in der Lendwirbelsäule als riskant und komplikationsgefährlich einschätze, habe ich ihm angeraten, sich an einen der besten mir bekannten Spezialisten für Bandscheiben im Lande, Herrn e zu wenden. Die dadurch entstandenen höheren Kosten der schlußendlich erfolgreichen und wie erwartet komplizierten Operation von Herrn g lassen sich durch die ansonsten erwarteten gesundheitlich nachhaltig negativen Schäden begründen. Wie Sie aus den Schilderungen von Herrn g entnehmen können und wie ich aus ärztlicher Sicht bestätigen kann, führte die Operation und die von mir im Anschluß ergänzend verschriebenen Heilbehandlungen zu einer nachhaltigen und massiven Verbesserung des Zustandes von Herrn g. Er findet jetzt wieder eine weitgehende schmerzfreie und lebenswerte Situation vor, die zu 100% auf die erfolgreich verlaufene und von mir empfohlene Operation zurückzuführen ist."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die dem Bf. enstandenen Kosten in Höhe von € 7.890,00 für die Inanspruchnahme der Sonderklasse mit freier Arztwahl für eine Wirbelsäulenoperation als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt, eine Behinderung wurde in der ANV-Erklärung 2015 nicht ausgewiesen, anzuerkennen sind.

Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Bf., geboren am h, hat sich wegen chronischer Rückenschmerzen in den Jahren 2013 und 2014 dreimal Bandscheibenoperationen in der j unterzogen. Nachdem diese Operationen nicht nur einen Kurzzeiterfolg brachten, und auch die Anwendung von Schmerzmitteln, Infusionen, Infiltrationen und Spritzenserien durch seinen Hausarzt seine Dauerschmerzen nur jeweils kurzfristig linderten, sich in weiterer Folge auch sein allgemeiner Gesundheitszustand stark verschlechterte, der Bf. litt an Appetitlosigkeit und Depressionen sowie verlor in kurzer Zeit sehr viel an Körpergewicht, hat er auf Anraten seines Hausarztes sich an den besten diesem bekannten Spezialisten für Wirbelsäulen/Bandscheibenoperationen in n am m, Herrn e, gewendet. Nach Begleichung der Kostennote mit Zuschlag Sonderklasse, inkludierend freie Arztwahl, somit der Möglichkeit den k als Operateur zu bestellen, über € 7.890,00 wurde schließlich2015die Operation durch den k in o durchgeführt, welche im Gegensatz zu den 3 vorangegangenen Operationen und den anderen Behandlungsmethoden den erhofften Erfolg brachte, da der Bf. seitdem weitgehend schmerzfrei ist bzw. eine erhebliche Verbesserung seiner Lebensqualität eingetreten ist.

Beweiswürdigung:

Der vom Bundesfinanzgericht festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die seitens der belangten Behörde dem BFG übermittelten, oben in der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens angeführten Unterlagen, welche ein widerspruchsfreies und daher absolut stimmiges Gesamtbild der Krankheitssituation des Bf. darlegen. Es gibt zudem keinen erkennbaren Grund, die Angaben des Hausarztes des Bf., der auch Chiropraktiker ist (Die Chiropraktik ist eine Behandlungsmethode mit dem Ziel, Funktionsstörungen an den der Bewegung und Stützung des menschlichen Körpers dienenden Körperteilen, besonders der Wirbelsäule zu finden und zu beseitigen), somit zweifellos über ein spezifisches Fachwissen betreffend den Krankheitsbereich des Bf. besitzt, hinsichtlich deren fachärztlicher Aussagekraft in Zweifel zu ziehen.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung:

Die Absetzung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ist in § 34 EStG 1988 geregelt. Dieser lautet auszugsweise:

§ 34

(1) Bei der Ermittlung der Einkommen (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen haben:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, wenn sie höher ist als jene, die die Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung berücksichtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von


Tabelle in neuem Fenster öffnen
höchstens 7.300 Euro
6%
mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro
8%
mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro
10%
mehr als 36.400 Euro
12%

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt,

- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag

- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der Ehe(Partner) Einkünfte im Sinne der § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt

- für jedes Kind (iSd § 106 EstG 1988).

Die Erhaltung der Gesundheit gilt immer als zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 (vgl. Doralt/Baldauf EStG, 2017, § 34 Tz 42). Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich. Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig.

Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen insofern zwangsläufig erwachsen, als es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung und Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind. Ansonsten sind auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, als zwangsläufig zu betrachten, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch erforderlich sind (zB ).

Krankheitskosten bilden insofern einen Sonderfall, als hier in der Praxis die Prüfung unterbleibt, ob sich diese als Folge eines freiwilligen Verhaltens (zB Ausübung gefahreneigener Sportarten) darstellen. Auch eine Angemessenheitsprüfung findet bei Vorliegen "triftiger medizinischer Gründe" - nicht statt (Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 19, § 34, Tz 38).

Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert. Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen. Nicht absetzbar sind Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten und die Erhaltung der Gesundheit, für Verhütungsmittel, eine künstliche Befruchtung, eine Frischzellenkur oder eine Schönheitsoperation (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78, mit den dort zitierten hg. Erkenntnissen), weil in diesen Fällen keine oder keine unmittelbare Verbindung zwischen den Aufwendungen und einer Krankheit besteht.

Absetzbar sind v.a. Arzt- und Krankenhaushonorare, Aufwendungen für Medikamente einschließlich medizinisch verordneter homöopathische Präparate und Aufwendungen für Heilbehelfe (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78).

Sinn der Forderung nach einer Notwendigkeit von Krankheitskosten ist es, diese Kosten von Kosten für die Lebensführung abzugrenzen. Dabei ist eine typisierende Betrachtung anzustellen. Denn natürlich sind auch Krankheitskosten insofern freiwillig, als sie durch eine Entscheidung des Erkrankten erfolgen und aufgrund dessen Entscheidung auch unterbleiben könnten. Es geht daher vielmehr darum, ob eine Behandlung und die dadurch entstehenden Kosten aus Sicht der Allgemeinheit als notwendig erscheint.

Ein solcher Nachweis kann durch eine ärztliche Bestätigung erbracht werden. Eine Einschränkung dieses Nachweises auf eine „ärztliche Verordnung der Behandlung im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes“ oder die (teilweise) Übernahme der Kosten durch die Sozialversicherung erscheint in dieser pauschalen Form aber als zu eng. Entscheidend kann vielmehr nur sein, ob eine Behandlung medizinisch indiziert ist und die damit verbundenen Kosten sich damit von Kosten der privaten Lebensführung abgrenzen. Ob eine solche medizinische Indikation vorliegt, ist im Einzelfall zu untersuchen.

Im Beschwerdefall wurde dieses medizinische Indikation von einem Arzt der Allgemeinmedizin und Chiropraktiker bestätigt. Dass diese Bestätigung erst im Nachhinein schriftlich vorgelegt wurde, ändert nichts daran, dass die vom Bf. auf Anraten des ihn bereits seit 2005 betreuenden Arztes gewählte Behandlungsart, nämlich die Heranziehung eines besonders profunden Wirbelsäulen-Wahlarztes/operateurs, bedingt durch Aufzahlung in die Sonderklasse, aus medizinischer Sicht befürwortet wurde.

Folgende Fakten sprechen nach überzeugter Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zweifelsfrei dafür, die gegenständlichen Sonderklassekosten als aus triftigen medizinischen Gründen notwendig und somit als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen:

- Der Bf. ist zumindest seit 2005 in ärztlicher Behandlung wegen chronischer Rückenschmerzen.

- 3 vorangegangene Operationen in den Jahren 2013 und 2014 an der j haben sich nur als kurzfristig erfolgreich erwiesen.

- aufgrund des damals bestehenden Dauerschmerzzustandes im Rücken bzw. an der Lendenwirbelsäule und auch des in Begleitung dieser Krankheit entstandenen sehr schlechten Allgemeinzustandes des Bf. war naturgemäß ohne Heilung mit weiteren ernsthaften gesundheitlichen Schäden des Bf. zu rechnen.

- Der Bf. hat sich, nachdem auch andere Behandlungsmethoden wie Anwendung von starken Schmerzmitteln, Infusionen, Infiltrationen und Spritzenserien seine Dauerschmerzen nur jeweils kurzfristig linderten, auf ärztliches Anraten an den empfohlenen k als erfahrenen und profilierten Wirbelsäulenchirurg gewendet.

 - Der Bf.  war 2015 bereits 74 Jahre alt. Das Operationsrisiko nimmt im Alter laufend zu (prinzipielle allgemeine körperliche Belastbarkeit, Herz/Kreislaufbelastung, Narkoseverträglichkeit, langsamerer Heilungsverlauf/vermindertes Heilungspotential).

- Der Schritt der Bezahlung der Sonderklasse mit freier Arztwahl, somit der Möglichkeit den vermeintlich in der Wirbelsäulenchirurgie fähigsten Arzt als Operateur und "Retter in der Not" zu bestellen, und die damit konkret verbundene Hoffnung auf Heilung und in der Folge wesentliche Erhöhung der durch die Dauerschmerzen stark geminderten Lebensqualität war für den Bf. gleichsam als allerletzte Chance aufgrund der Erfolglosigkeit der vorangegangenen ärztlichen Maßnahmen auf Rückerlangung einer solchen zu sehen.

Da somit triftige medizinische Gründe für die Behandlung auf der Sonderklasse nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden konnten, ist die Aufzahlung auf die Sonderklasse als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 abzugsfähig und war der Beschwerde teilweise stattzugeben.

Das Bundesfinanzgericht merkt hinsichtlich der teilweisen Stattgabe an, dass bei den angefallenen Krankenbehandlungskosten Kostenersätze abzuziehen sind, die aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder einer freiwilligen Krankenzusatzversicherung geleistet werden. Bei einem Krankenhausaufenthalt ist überdies eine Haushaltsersparnis in Abzug zu bringen (Doralt aaO, § 34, Tz 78). Für die Berechnung der Haushaltsersparnis ist vom Wert der vollen freien Station gemäß der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. II Nr. 416/2001, auszugehen, die in ihrem § 1 den Wert der vollen freien Station mit € 196,20 monatlich bemisst. Bei einem Krankenhausaufenthalt beträgt die monatliche Haushaltsersparnis nach Ausscheidung der Kostenanteile für Wohnung, Beleuchtung und Strom EURO 156,96 (LStR 2002, Rz 902).

D.h. im gegebenen Fall, dass die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten selbst getragenen Krankenhauskosten des Bf. aufgrund des 7 tägigen Aufenthaltes (laut Kostenvoranschlag) um € 36,62 (€ 7.890,00 - € 36,62 = € 7.853,38) zu kürzen waren.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage, ob Sonderklassegebühren als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 abgezogen werden können, an einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur (zB 2013/0064, u.a. zitierte Entscheidungen), wonach diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen erforderlich sein müssen. Die Entscheidung hing im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles und dessen Beweiswürdigung ab. Eine Revision ist daher unzulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Bandscheibenoperation
Sonderklasse
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.1100554.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at