Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.02.2018, RV/3100296/2014

Ereignis mit abgabenrechtlicher Wirkung für die Vergangenheit iSd § 295 a BAO

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom gegen den gemäß § 295 a BAO ergangenen Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom   zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Abgabepflichtige war (seit ) Arbeitnehmer der Fa. X Warenvertriebs GmbH. Das Dienstverhältnis wurde einvernehmlich (Vereinbarung vom ) mit Wirkung vom beendet. Die Arbeitnehmerveranlagung 2011 erfolgte mit dem im Rechtsmittelverfahren ergangenen Bescheid (Berufungsentscheidung) vom .

Mit dem am ausgefertigten Bescheid verfügte das Finanzamt (wie dies auch vom Abgabepflichtigen in seiner Eingabe vom angeregt worden war) die Wiederaufnahme des Verfahrens und erließ einen neuen Sachbescheid, mit dem bisher nicht berücksichtigte Bezüge der Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von € 10.010,14 (steuerpflichtige Bezüge laut KZ 245) erfasst wurden. Dies führte zu einer Nachforderung an Einkommensteuer in Höhe von € 2.833. Der Sachbescheid ist wie folgt begründet:

"Am wurde auf Grund der nachträglichen Zuerkennung einer Pension ein Lohnzettel der Pensionsversicherungsanstalt übermittelt. Dieser Lohnzettel wurde daher in der Berechnung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2011 vom nicht einberechnet. Dieser Lohnzettel stellt eine neu hervorgekommene Tatsache bzw. ein Beweismittel dar und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens hätte einen im Spruch anders lautenden Einkommensteuerbescheid herbeigeführt. Es wird somit die Einkommensteuer für das Jahr 2011 unter Einbezug des hinzugekommenen Lohnzettels neu berechnet."

Der Abgabepflichtige erhob am  Berufung, die sich sowohl gegen den Wiederaufnahme- als auch den Sachbescheid richtet. Er beantragte "dass der ESt-Bescheid 2011 nicht wiederaufgenommen wird und die Pensionseinkünfte nicht rückwirkend erfasst und besteuert werden". Begründend führte er aus, zum Zeitpunkt der Ausfertigung der Berufungsentscheidung vom sei dem Finanzamt ein Lohnzettel über seine Pensionseinkünfte bereits zugestellt worden. Somit habe die Finanzbehörde über alle Tatsachen Bescheid gewusst und eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei nicht mehr zulässig.

In einem Aktenvermerk des Finanzamtes vom betreffend eine Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt ist festgehalten:

"Die späte Übermittlung des Lohnzettels resultiert daraus, dass über die Leistungen der Pensionsversicherungsanstalt ein Klageverfahren anhängig war. Die Entscheidung erfolgte im Frühjahr 2013. Die Pensionsleistungen wurden rückwirkend ab 2011 gewährt. Ausbezahlt wurde im April (vorläufige Leistung, siehe LZ vom ), die endgültige Höhe der Leistung stand jedoch erst im Mai fest und es wurden am Leistungen nachgezahlt. "

Über ein weiteres Telefonat mit der Pensionsversicherungsanstalt hielt das Finanzamt in einem Aktenvermerk vom fest:

"Am wurde von der PVA ein Bescheid über die unbefristete Gewährung der Invaliditätspension erlassen. Dieser Bescheid wird mittels Post an uns übermittelt. Auf Grund dieses Bescheides erfolgte die Auszahlung."

Der Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid wurde mit Berufungsvorentscheidung vom Folge gegeben. Die Bescheidbegründung beschränkt sich auf die Feststellung, dass ein Wiederaufnahmegrund nicht vorgelegen sei. Die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 wurde als unzulässig geworden zurückgewiesen.

Mit dem am  ausgefertigten Bescheid nahm das Finanzamt eine Berichtigung gem. § 295 a BAO des Bescheides (Berufungsentscheidung) vom vor. Die Berichtigung bestand in der Einbeziehung der bisher nicht berücksichtigten Einkünfte der Pensionsversicherungsanstalt. Der Bescheid enthält auszugsweise folgende Begründung:

"...

Mit Bescheid der PVA vom wurde dem Abgabepflichtigen die genaue Höhe der Invaliditätspension mitgeteilt und Leistungen entsprechend nachgezahlt. Dieser Bescheid stellt das rückwirkende Ereignis iSd § 295 a BAO dar und wirkt auf den Umfang des Abgabenanspruches.

...".

Gegen diesen auf § 295 a BAO gestützten Änderungsbescheid vom richtet sich gegenständliche Beschwerde vom . Der Beschwerdeführer beantragt, "dass der ESt-Bescheid 2011 nicht wiederaufgenommen wird und die Pensionseinkünfte nicht rückwirkend erfasst und besteuert werden". Begründend führte er aus, dass "eine Berichtigung nach § 295 BAO (Anm. BFG: gemeint offenbar § 295 a BAO) nicht möglich ist(auch laut Ansicht der Volksanwaltschaft Wien), da die Berufungsentscheidung des Rechtskraft erlangt hat". Einen Jahreslohnzettel habe die Pensionsversicherungsanstalt bereits vor dem an das Finanzamt übermittelt.

II. Rechtslage

§ 295 a BAO:

(1) Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

(2) Die Entscheidung über die Abänderung steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des abzuändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Beschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. ...

§ 19 EStG 1988:

(1) Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Abweichend davon gilt:

1.   ...

2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen:
- Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird,
- ...

III. Erwägungen

Gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen den am  ausgefertigten Bescheid, mit welchem die Berufungsentscheidung vom gemäß § 295 a BAO berichtigt wurde. Die Berichtigung bestand in der steuerlichen Erfassung von Einkünften, die dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom zugesprochen und dem Finanzamt mit dem am übermittelten Lohnzettel zur Kenntnis gebracht wurden.

Ereignisse iSd § 295 a BAO sind sachverhaltsändernde Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt ( mwH). Die erstmalige Zuerkennung einer Invaliditätspension mittels Bescheid vom stellt einen solchen sachverhaltsändernden Tatbestand dar.

Die Rückwirkung ergibt sich aus § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988. Danach gelten Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht. Das in § 19 Abs. 1 EStG 1988 normierte Abweichen vom Zuflussprinzip für bescheidmäßig festgesetzte Pensionsnachzahlungen stellt ein gesetzlich normiertes rückwirkendes Ereignis iSd § 295 a BAO dar. § 295 a BAO ist die rein verfahrensrechtliche Bestimmung zur Durchbrechung der Rechtskraft von Bescheiden (; mwH).

Der die Invaliditätspension regelnde Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt ist mit  datiert. Der entsprechende (berichtigte) Lohnzettel (Bezugszeitraum bis ) wurde laut EDVA des Finanzamtes am über ÖSTAT an das Finanzamt übermittelt. Eine Berücksichtigung in der bereits am ausgefertigten Berufungsentscheidung war daher nicht möglich. Der Bescheid war daher einer Berichtigung nach § 295 a BAO zugänglich.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

IV. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur gegenständlichen Streitfrage besteht einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung (vgl. die zitierten Erkenntnisse des VwGH), von der nicht abgewichen wird. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Ereignis iSd § 295 a BAO
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.3100296.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at