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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.11.2015, RV/2100741/2014

Aufrechte Ehe mehr als sechs Monate im Kalenderjahr - kein Alleinerzieherabsetzbetrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr. , gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2012 wurde der Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) der beantragte Alleinverdienerabsetzbetrag nicht gewährt. In der Begründung des Bescheides wurde vom Finanzamt ausgeführt, dass sie im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner gelebt habe.

Dagegen erhob die Bf. die Berufung (nach der nunmehr geltenden Rechtslage Beschwerde genannt) mit der Begründung, dass sie am geheiratet habe und ihr Ehemann an seinem ordentlichen Wohnsitz in Y. lebe und nicht der leibliche Vater ihres Kindes sei. Daher sei sie Alleinerzieherin und ersuche um Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages.

Lt. einer Meldeauskunft war die Bf. und ihr minderjähriger Sohn vom bis an der Adresse X mit Hauptwohnsitz gemeldet und danach an der Y Adresse ihres Ehemannes.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Bf. vom Finanzamt aufgefordert die Heiratsurkunde vorzulegen und bekannt zu geben unter Vorlage geeigneter Nachweise, wo und in welcher Zeit sie mit ihrem Ehemann einen gemeinsamen Familienwohnsitz unterhalte, ob es eine bestehende Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft  gebe oder eine getrennte Wohnungsnahme einvernehmlich vereinbart worden sei, inwieweit eine gemeinsame Lebensführung bestehe, in welchen Zeitabständen gegenseitige Besuche erfolgten und bei diesen Besuchen auch Übernachtungen vorkommen würden. Ob Wochenenden, Urlaube und Freizeit gemeinsam verbracht werden würden bzw. seit wann sie von ihrem Ehemann getrennt leben oder wann die Ehe geschieden worden wäre.

Am erging die abweisende Berufungsvorentscheidung mit der Begründung, da die Bf. trotz schriftlicher Aufforderung die noch benötigten Nachweise nicht beigebracht habe, könne der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag steuerlich nicht berücksichtigt werden.

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit der ergänzenden Begründung, dass sie mit ihrem Sohn A. , geboren am xx.xx. 1998 (aus erster Ehe, die 2004 geschieden worden sei), in X. (Hauptwohnsitz) lebe. Ihr Sohn besuche hier die Schule, sie habe ihren Arbeitsplatz hier in der B . Ihr Lebensmittelpunkt und der ihres Sohnes würden sich daher in X. befinden und sie komme den Erziehungsaufgaben alleine nach.
Am habe sie geheiratet, ihr Ehemann lebe an seinem ordentlichen Wohnsitz in Y. , auch sein Arbeitsplatz sei in Y. .
Deshalb bestehe keine regelmäßige Wirtschafts- und Wohngemeinschaft zwischen ihr und ihrem Mann, Besuche würden wechselseitig erfolgen, die Ehe sei aufrecht.
Als Beilage wurde die ggst. Heiratsurkunde vom übermittelt

Ab wurde der Unabhängige Finanzsenat durch das Bundesfinanzgericht abgelöst.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Nach § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idgF steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,
- bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Gemäß § 106 Abs. 3 EStG 1988 ist (Ehe-)Partner eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. Einem (Ehe-)Partner ist gleichzuhalten, wer in einer Partnerschaft im Sinn des Eingetragene Partnerschaft-GesetzesEPG eingetragen ist.

Als negatives Anspruchskriterium ist normiert, dass der Alleinerzieher nicht in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft leben darf (Jakom/Kanduth-Kristen, EStG 2015, § 33 Rz 34 – 35).

Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner lebt; Voraussetzung für den Alleinverdienerabsetzbetrag ist daher, dass der Steuerpflichtige alleine (nicht in einer Lebensgemeinschaft) lebt. ……………… Verheirateten (oder ab 2010 in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden Partnern) mit Kind/ern steht der Absetzbetrag dann zu, wenn sie von ihrem Ehegatten/eingetragenen Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr dauernd getrennt leben ( RV/0174-F/06) ……………. Der Status des Alleinerziehers ist - bei Vorliegen eines Kindes iSd § 106 Abs. 1 - gleichsam der entgegengesetzte Status eines Alleinverdieners. Alleinerzieherabsetzbetrag und Alleinverdienerabsetzbetrag schließen einander wegen der 6-Monats-Regel (es kann nur ein „Familienstand“ überwiegen) gegenseitig aus (vgl. Doralt/Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG14, § 33 Tz 35)

Mehrere Wohnsitze oder die polizeiliche Meldung an einem anderen Wohnsitz bewirken für sich alleine keine dauernde Trennung (allenfalls Indizfunktion). Vielmehr ist entscheidend, ob der Steuerpflichtige bei aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt oder nicht (vgl. Doralt/Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG14, § 33 Tz 30/2). Im Erkenntnis des wurde etwa ausgesprochen, dass das Tatbestandsmerkmal des "Nicht-Dauernd-Getrennt-Lebens" ausschließlich auf die Sachverhaltsfrage abstellt, ob der Steuerpflichtige, der den Alleinverdienerabsetzbetrag beansprucht, bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt. Von einem "Nicht-Dauernd-Getrennt-Leben" ist in diesem Zusammenhang auch dann noch zu sprechen, wenn der Abgabenpflichtige zB aus Gründen seines Berufes - sei es auch für längere Zeit und immer wieder - vom gemeinsamen Familienwohnsitz abwesend ist, in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen jedoch an diesen zurückkehrt, um sodann gemeinsam mit seinem Ehegatten dort zu leben.

Der Umstand einer - auch längeren - beruflich notwendigen Abwesenheit eines (Ehe-)Partners steht der Annahme einer ehelichen bzw. eheähnlichen Gemeinschaft nicht entgegen. Die berufliche Abwesenheit hebt das gemeinsame Wohnen in einer bestehenden Lebensgemeinschaft mit Kind daher dann nicht auf, wenn beide (Ehe)Partner außerhalb dieser beruflich notwendigen Abwesenheit (hier: als UNO-Soldat auf den Golanhöhen) miteinander in Gemeinschaft leben (vgl. , 0225). Kein Dauerndes-Getrennt-Leben ist auch anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige während seiner Saisonarbeit alle zwei Wochen und außerhalb der Saison vier Tage in der Woche im Haushalt der Mutter seiner Kinder verbringt; der polizeilichen Meldung kommt bei Beurteilung des Vorliegens einer Wohngemeinschaft kein entscheidendes Gewicht zu ( und vgl. Doralt/Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG14, § 33 Tz 31)

Im ggst. Fall verehelichte sich die Beschwerdeführerin am . Damit kann rein rechnerisch die Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages „mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben“ nicht vorliegen. Die Bf. und ihr Ehepartner haben augenscheinlich den Familienwohnsitz in Y. gewählt, wohin sie sich im September 2013 auch umgemeldet hat. Auch wenn die Bf. aus beruflichen Gründen zeitweise vom Familienwohnsitz abwesend war, lebte sie im Jahr 2012 mehr als sechs Monate in einer Ehe. Nach Angaben der Bf. ist die Ehe aufrecht, dass die Ehepartner dauernd getrennt leben, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at