Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.07.2017, RV/7102793/2014

Siebentelabschreibungen als Vorgruppenverluste ?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102793/2014-RS1
Der Umstand, dass das Siebentel seine Wurzel in einer vor dem Wirksamwerden einer Unternehmensgruppe erfolgten Teilwertabschreibung hat, ändert daran nichts ().
Folgerechtssätze
RV/7102793/2014-RS1
wie RV/7100148/2014-RS1
Im Rahmen der Gruppenbesteuerung hat die Einkommensermittlung in zwei Stufen zu erfolgen. Zunächst ist dabei das Einkommen der Gruppenmitglieder zu ermitteln und festzustellen. § 12 Abs. 3 Z 2 KStG stellt eine Einkommensermittlungsvorschrift dar, welche im Zuge der Feststellung des Einkommens des Gruppenmitgliedes zu beachten ist. Vortragsfähige Verluste iSd § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 iVm § 18 Abs. 6 EStG 1988 aus Zeiträumen vor wirksam werden einer Gruppe können gem. § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 nur bis zur Höhe des eigenen Gewinnes des Gruppenmitgliedes verrechnet werden (Vorgruppenverluste). Siebentelbeträge aus einer Teilwertabschreibung nach § 12 Abs. 3 Z 2 KStG fallen nur im Ausmaß des ersten Siebentels im Abschreibungsjahr allenfalls unter "vortragsfähige Verluste". Abziehbare Siebentelbeträge während aufrechter Gruppenzugehörigkeit für Teilwertabschreibungen an Beteiligungen vor Gruppenzugehörigkeit fallen nicht unter den Begriff der Vorgruppenverluste. Sie stellen vielmehr im jeweiligen Wirtschaftsjahr gewinnmindernde Betriebsausgaben des betreffenden Gruppenmitgliedes dar und führen daher zu einer entsprechenden Verringerung des Gruppeneinkommens.
RV/7102793/2014-RS2
wie RV/7100148/2014-RS2
Bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen hat die Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen Auslegung wegen des Legalitätsprinzips Vorrang vor allen anderen Auslegungsmethoden. Äußerste Zurückhaltung ist daher bei sogenannten korrigierenden Auslegungsmethoden zu üben, sondern zunächst nach dem Wortsinn zu fragen (). Eine teleologische Interpretation, die ausdrückliche Verweise auf gesetzliche Definitionen über deren klaren Wortsinn hinaus ausdehnt, ist daher nicht vorzunehmen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch Vertreter, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2005 bis 2010 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
D ie angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Das Einkommen der Beschwerdeführerin als Gruppenmitglied wird wie folgt festgestellt:


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Jahr
Einkommen
2005
-€ 22.187.128,35
2006
-€ 16.601.205,75
2007
-€ 18.389.470,79
2008
-€ 18.850.482,23
2009
-€ 17.066.491,72
2010
-€ 15.629.002,66

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Bf. (Beschwerdeführerin, Bf.) ist unstrittig seit dem Jahr 2005 als Gruppenmitglied in einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG mit der Gruppenträgerin fungierenden GT verbunden.

Die Bf. wurde im Jahr 2013 für den Streitzeitraum einer Betriebsprüfung unterzogen im Rahmen derer das Finanzamt (FA) - neben anderen hier nicht strittigen Feststellungen - Verteilungen aus Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 KStG (1/7 Abschreibungen) aus diversen Beteiligungen iSd § 10 KStG und Veräußerungsverlusten derartiger Beteiligungen in folgenden Beträgen nicht anerkannte:


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2005
-€ 16.337.324,87
2006
-€ 16.142.965,31
2007
-€ 16.128.092,31
2008
-€ 16.128.092,31
2009
-€ 15.143.687,31
2010
-€ 13.629.401,60

Begründend führte das FA im Bericht zusammenfassend aus, dass die in den Jahren 2005 bis 2010 unter den Siebentbeträgen geltend gemachten Teilwertabschreibungen als Vorgruppenverluste anzusehen anzusehen wären. Die Einkommen der entsprechenden Jahre seien daher um die angeführten Beträge zu erhöhen.
Die Teilwertabschreibung führe im Jahr der Teilwertminderung zu einem Verlust in Höhe der gesamten Teilwertabschreibung, was ein Absinken des Buchwertes bewirke. Die Verteilungsnorm des § 12 Abs. 3 Z z KStG ändere nichts am Verlustcharakter von Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverlusten. Es handle sich hierbei um eine Verlustverteilungsvorschrift. Die betroffenen Beträge würden aus Teilwertabschreibungen resultieren, die vor der Aufnahme in die Gruppe erfolgt seien, somit seien sie zum Zeitpunkt des Gruppeneintritts wie noch nicht verwertete Vorgruppenverluste zu behandeln.

In der fristgerecht eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) wendet die Bf. im Wesentlichen ein, dass der Begriff "Vorgruppenverluste" des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG ausschließlich vortragsfähige Verluste iSd § 8 Abs. 4 Z 2 KStG umfasse, worunter die als Betriebsausgaben geltend gemachten Siebentelabschreibungen nach § 12 Abs. 3 Z 2 KStG nicht subsumierbar wären, da diese ausschließlich bei der Einkommensermittlung des jeweiligen Veranlagungszeitraumes zu berücksichtigen seien.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wiederholte das FA seine bisherige Argumentation, am beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde.

Die Art und Umfang der betroffenen Beteiligungen, sowie Art, Umfang und Zeitpunkt der Teilwertabschreibungen bzw. Veräußerungsverlusten sind nicht strittig. Diesbezüglich wird auf die Verwaltungsakten insbesondere auf den Betriebsprüfungsbericht und die Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Strittig ist einzig die Rechtsfrage, ob die geltend gemachten Siebentelabschreibungen gemäß § 12 Abs. 2 Z 3 KStG als Vorgruppenverluste iSd § 9 Abs. 6 Z 4 KStG anzusehen sind und somit letztlich die Frage ob sie im Streitzeitraum in das festzustellende Ergebnis des Gruppenmitglieds zum Zweck der Erfassung im Gesamtgruppenergebnis aufzunehmen sind.

§ 9 KStG regelt abschließend die Behandlung von Unternehmensgruppen und stellt eine Durchbrechung des Prinzips der Individual­besteuerung dar. Die Steuersubjektivität der einzelnen Gruppenmitglieder bleibt dabei zwar erhalten, aber die steuerlichen Ergebnisse der Gruppenmitglieder werden letztlich dem Gruppenträger zugeordnet und durch diesen versteuert.

Die Berechnung des Gruppenergebnisses findet sich dabei in § 9 Abs. 6 KStG 1988 welcher auszugsweise lautet:

"Bei Ermittlung des zuzurechnenden steuerlich maßgebenden Ergebnisses ist Folgendes zu beachten:
1. Als Ergebnis eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieds gilt das Einkommen unter Berücksichtigung der Z 4.
2. Das Einkommen im Sinne der Z 1 ist dem am Gruppenmitglied nach Abs. 4 entsprechend unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger zuzurechnen. Als Ergebnis des Gruppenträgers gilt das Einkommen mit der Maßgabe, dass Sonderausgaben vom zusammengefassten Ergebnis abzuziehen sind.
3. [...]
4. Vortragsfähige Verluste (§ 8 Abs. 4 Z 2) des unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieds aus Zeiträumen vor dem Wirksamwerden der Unternehmensgruppe (Vorgruppenverluste) oder aus einer umgründungsbedingten Übernahme durch ein Gruppenmitglied (Außergruppenverluste) können bis zur Höhe des eigenen Gewinnes des jeweiligen Gruppenmitglieds verrechnet werden. Außergruppenverluste liegen nicht vor, wenn vortragsfähige Verluste innerhalb der Gruppe entstanden sind und umgründungsbedingt auf ein anderes Gruppenmitglied übergehen.
........ "

Im Erkenntnis vom , RV/7100148/2014 befasste sich das Bundesfinanzgericht (BFG) in einem gleichgelagerten Fall mit der auch hier strittigen Rechtsfrage und führte in seinen veröffentlichen Rechtssätzen aus, dass im Rahmen der Gruppenbesteuerung die Einkommensermittlung in zwei Stufen zu erfolgen hat. Zunächst ist dabei das Einkommen der Gruppenmitglieder zu ermitteln und festzustellen. § 12 Abs. 3 Z 2 KStG stellt eine Einkommensermittlungsvorschrift dar, welche im Zuge der Feststellung des Einkommens des Gruppenmitgliedes zu beachten ist. Vortragsfähige Verluste iSd § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 iVm § 18 Abs. 6 EStG 1988 aus Zeiträumen vor wirksam werden einer Gruppe können gem. § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 nur bis zur Höhe des eigenen Gewinnes des Gruppenmitgliedes verrechnet werden (Vorgruppenverluste). Siebentelbeträge aus einer Teilwertabschreibung nach § 12 Abs. 3 Z 2 KStG fallen nur im Ausmaß des ersten Siebentels im Abschreibungsjahr allenfalls unter "vortragsfähige Verluste". Abziehbare Siebentelbeträge während aufrechter Gruppenzugehörigkeit für Teilwertabschreibungen an Beteiligungen vor Gruppenzugehörigkeit fallen nicht unter den Begriff der Vorgruppenverluste. Sie stellen vielmehr im jeweiligen Wirtschaftsjahr gewinnmindernde Betriebsausgaben des betreffenden Gruppenmitgliedes dar und führen daher zu einer entsprechenden Verringerung des Gruppeneinkommens.

Bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen hat die Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen Auslegung wegen des Legalitätsprinzips Vorrang vor allen anderen Auslegungsmethoden. Äußerste Zurückhaltung ist daher bei sogenannten korrigierenden Auslegungsmethoden zu üben, sondern zunächst nach dem Wortsinn zu fragen (). Eine teleologische Interpretation, die ausdrückliche Verweise auf gesetzliche Definitionen über deren klaren Wortsinn hinaus ausdehnt, ist daher nicht vorzunehmen.

Die vom FA gegen das Erkenntnis des erhobene Amtsrevision wurde mit Erkenntnis des als unbegründet abgewiesen. In diesem Erkenntnis führt der VwGH wörtlich aus:
"Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens sind dabei Jahressiebentel aus einer
Teilwertabschreibung jeweils im Jahr ihrer in § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988
vorgesehenen Berücksichtigung, also zu dem Zeitpunkt, zu dem sie auch nach
Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zur Entstehung eines vortragsfähigen
Verlustes im Sinn des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 beitragen könnten. Sie sind
auch in diesem Jahr aber keine "Verluste“, "die in einem vorangegangenen Jahr
entstanden sind“ (§ 18 Abs. 6 EStG 1988, auf den § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988
verweist) und nur nach den Regeln über den Verlustabzug mit den dafür
geltenden Beschränkungen zu berücksichtigen waren. Das "abreifende“
Siebentel ist unter Vorgruppenverluste nach § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 daher
nicht subsumierbar
(vgl. in diesem Sinn etwa auch Blasina in
Renner/Strimitzer/Vock [Hrsg.], Die Körperschaftsteuer - KStG 1988, 25. Lfg,
November 2014, § 12 T2 190/1; anders ohne Auseinandersetzung mit dem
Wortlaut Hügel/Konezny, Grenzüberschreitende und nationale
Verschmelzungen im Steuerrecht, 2009, 168). Der Umstand, dass das Siebentel
seine Wurzel in einer vor dem Wirksamwerden der Unternehmensgruppe
erfolgten Teilwertabschreibung hat,
sodass sich seine Herkunft "aus
Zeiträumen" vor dem Wirksamwerden der Unternehmensgruppe bejahen ließe,
ändert daran nichts. Dem unstrittig verfolgten Ziel, einem Einkauf von
Verlusten entgegenzuwirken, dient § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 nur im Rahmen
der in § 18 Abs. 6 EStG 1988 und § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 besonders
geregelten Berücksichtigung von Verlusten früherer Jahre, zu denen das im
jeweiligen Veranlagungsjahr "abreifende" (und erst hier einkünftemindernd
wirkende) Siebentel nicht gehört.
Auch das vom Finanzamt ins Treffen geführte Erkenntnis des
Verwaltungsgerichtshofes vom , 2008/15/0212,
VwSlg 8590/F, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Verwaltungsgerichtshof
hat in diesem Erkenntnis nicht den Standpunkt vertreten, offene oder "abreifende" Siebentel gemäß § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 seien "vortragsfähige Verluste (§ 8 Abs. 4 Z 2)". Er hat in einem spezifischen Zusammenhang (partielle Gesamtrechtsnachfolge bei Spaltung) aus einer den Übergang von Jahresverlusten betreffenden Wertungsentscheidung des Gesetzgebers abgeleitet, auch offene Siebentel aus einer Teilwertabschreibung betreffend eine am Spaltungsstichtag nicht mehr vorhandene Beteiligung gingen "ebenfalls“ auf die übernehmende Gesellschaft über. Auf den vorliegenden Fall ist diese Argumentation, wie das Bundesfinanzgericht richtig
erkannt hat, nicht übertragbar. Auch mit der Sachlage beim Eintritt eines
ausländischen Gruppenmitgliedes, worauf sich einige der vom Finanzamt
zitierten Äußerungen im Schrifttum beziehen, ist die hier zu beurteilende nicht vergleichbar."

Zur weiteren Begründung der gegenständlichen Entscheidung wird auf die zitierten Erkenntnisse des VwGH () und BFG () verwiesen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis folgt der Judikatur des VwGH zur gleichen Rechtsfrage () weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7102793.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at