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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.03.2018, RV/5100045/2018

Wiederaufnahme trotz aus einem anderen Jahr stammender Kenntnis einer anderen Stelle von Tatsachen, deren Kenntnis seitens der bescheiderlassenden Stelle einen anderen Sachbescheid herbeigeführt hätte.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Thomas Krumenacker in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr
vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 2011 bis 2014, Einkommensteuer 2011 bis 2014 und Anspruchszinsen für 2011 bis 2013 und
vom  betreffend Wiederaufnahme des Verfahrenes hinsichtlich der Einkommensteuer 2015 und Einkommensteuer 2015
zu Recht erkannt: 

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) wird für nicht zulässig erklärt.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF) bezieht seit März 2006 eine Pension aus der Schweiz.

Der BF erklärte diese Einkünfte als steuerbefreite Auslandseinkünfte mit Progressionsvorbehalt. Das Finanzamt erließ zunächst erklärungskonforme Bescheide, nahm jedoch in der Folge die Verfahren für die Jahre 2011 bis 2015 wieder auf, besteuerte diese Einkünfte in den neuen Sachbescheiden für die Jahre 2011 bis 2015 nach der Anrechnungsmethode und setzte Anspruchszinsen für 2011 bis 2013 fest.

Nach den Ausführungen in der Beschwerde sowie im Vorlageantrag habe der BF über telefonische Anfrage betreffend die Steuererklärung für 2006 vom Finanzamt die Auskunft erhalten, dass diese Pensionen unter Progressionsvorbehalt steuerbefreit seien.
In der Einkommensteuererklärung für 2006 habe er (wie vom Finanzamt beauskunftet) die aus der Schweiz bezogenen Pensionbeträge als unter den Progressionsvorbehalt fallend steuerfrei erklärt. Trotz Bescheidüberprüfung sei dies nicht bemängelt worden. Am habe er um Zahlungserleichterung angesucht und dies u.a. damit begründet, dass seine Schweizer Pension vollständig zur Tilgung eines Fremdwährungskredites verwendet wird, also die Schweizer Pensions erwähnt. Das Finanzamt habe daher von Anfang an gewusst, dass es sich bei den ausländischen Einkünften um eine Schweizer Pension handelt. Welche Organisationseinheit das Wissen besitze, sei unmaßgeblich. Das Finanzamt sei nämlich eine nach außen hin einheitliche Behörde, weshalb interne Zuständigkeiten insofern keine Rolle spielen.
Da ihm zu Ohren gekommen sei, dass jene seit 2011 durch die Pensionsversicherungsanstalt für die Schweizer Pension einbehaltenen Krankenversicherungsbeiträge von den Auslandseinkünften abgezogen werden dürfen, habe er sich diesbezüglich mit Schreiben vom an das Finanzamt gewendet. Dabei dürfte dem Finanzamt aufgefallen sein, dass seine Schweizer Pension bei den bisherigen Veranlagungen inhaltlich falsch besteuert worden ist. Anstelle der Anrechnungsmethode wurde nämlich die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt angewendet.
Da dem Finanzamt bekannt gewesen sei, dass er ausländische Einkünfte bezieht und dass es sich dabei um eine Schweizer Pension handelt, seien keine neuen Tatsachen hervorgenommen, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen. Welche (anderen) Beweismittel neu hervorgekommen seien, habe das Finanzamt nicht ausgeführt.
Selbst wenn Beweismittel neu hervorgenommen wären, hätte das Finanzamt bei der vorzunehmenden Ermessensausübung zu Schluss kommen müssen, dass eine Wiederaufnahme nicht gerechtfertigt ist. Dies deswegen, weil die Steuererklärungen im Vertrauen darauf, dass die Auskunft des Finanzamtes richtig ist, erstellt worden sind. Die Wiederaufnahmen verstoßen daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Im Vorlagebericht teilte das Finanzamt mit, dass das vom BF ins Treffen geführte Telefonat nicht aktenkundig sei.

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Sachverhaltsfeststellung:

Soweit die Beschwerde und der Vorlageantrag Ausführungen zum Sachverhalt enthält, sieht das Bundesfinanzgericht keinen Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln.

Rechtslage:

Unstrittig ist die Versteuerung der aus der Schweiz bezogenen Pensionsbeträge in den ursprünglichen Bescheiden unzutreffend und in den neuen Sachbescheiden materiell richtig erfolgt.

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren u.a. von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und deren Kenntnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Erwägungen:

Nach dem Erkenntnis des , beziehe sich das "Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismittel" auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend sei, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren oder nicht. Dass eine Abteilung in einem ein anderes Jahr betreffenden Verfahren von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, stehe der Wiederaufnahme nicht entgegen.

Das Bundesfinanzgericht sieht keinen Grund, der o.a. Rechtsansicht des VwGH nicht zu folgen.

Aus dem Erkenntnis des VwGH ist nun zu schließen, dass die Kenntnis einer Stelle (wie im konkreten Fall der Stelle für Zahlungserleichterungen) von Tatsachen oder Beweismittel nicht ausreicht, um die Wiederaufnahme durch einer anderen Stelle (wie im konkreten Fall der der Abgabenfestsetzung) als unzulässig zu beurteilen.

Aber selbst wenn alle Stellen als eine Gesamteinheit zu beurteilen wären, wäre die Wiederaufnahme im konkreten Fall schon deswegen nicht ausgeschlossen, weil die Kenntnis des Bezuges der Schweizer Pension aus einem anderen Jahr (nämlich aus 2009) als aus den Jahren der Abgabenfestsetzung (nämlich 2011 bis 2015) herrührt.

Bei unrichtigen Rechtsauskünften wird der Grundsatz von Treu und Glauben nur wirksam, wenn der Abgabepflichtige Dispositionen im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft getroffen hat (zB ; ; ). Dies trifft jedoch im konkreten Fall nicht zu, weil die Schweizer Pension unabhängig von einer Disposition bezogen wurde.

Da die unrichtigen Abgabenfestsetzungen betragsmäßig nicht bloß geringfügig sind (Nachforderungen für die Jahre 2011 bis 2015: 1.203,00; 1.462,00; 1.454,00; 1.493,00; 1.772,00), ist dem Interesse an der richtigen Abgabenfestsetzung gegenüber dem Interesse an der Rechtssicherheit der Vorrang einzuräumen, zumal ein schützenswürdiges Interesse an der Beibehaltung der rechtlich falschen Abgabenfestsetzung nicht zu erkennen ist.

Die Versteuerung in den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden ist unstrittig unrichtig erfolgt.

Da somit Tatsachen neu hervorgekommen sind, deren Kenntnis im Spruch anders lautende Einkommensteuerbescheide herbeigeführt hätten und das Ermessen wie soeben ausgeführt auszuüben war, waren die Wiederaufnahmen zulässig.

Den nur mit der Unzulässigkeit der Wiederaufnahmen begründeten Beschwerden gegen die unstrittig materiell richtigen Einkommensteuerbescheide war daher kein Erfolg beschieden.

Ein Anspruchszinsenbescheid ist an den Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung bzw. Gutschrift gebunden (siehe Fischerlehner, Abgabenverfahren2 (2016) § 205 Anm 1, und Ritz, BAO5, § 205 Tz 33). Einer Begründung, die Einkommensteuerbescheide seien inhaltlich unrichtig, ist daher kein Erfolg beschieden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Keiner der genannten Gründe liegt jedoch vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.5100045.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at