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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 22.02.2018, RV/7105485/2016

Haftung der Erbin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., vertreten durch EHC WIRTSCHAFTSTREUHAND GMBH, Schulgasse 10, 2000 Stockerau, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vom , betreffend Haftung gemäß § 9 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf.) als Erbin nach dem am Datum1 verstorbenen Verst., ehemaliger Geschäftsführer der X-GmbH, gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO für deren nachstehende Abgaben in der Höhe von € 1.958,17 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Fälligkeit
Lohnsteuer
2012
1.777,44
Dienstgeberbeitrag
2012
165,98
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2012
14,75

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, der Beweis.

Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergebe sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht hätten entrichtet werden können.

Der Bf. sei laut Firmenbuch vom Datum2 bis Datum1 unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft, also einer juristischer Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für aushaftende Lohnsteuer für den Zeitraum 2012 sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre die Pflicht des Geschäftsführers gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen.

Die Nachforderungen an Lohnabgaben 2012 sei durch die fehlende Berücksichtigung der Privatnutzung des arbeitgebereigenen KFZ in der Lohnverrechnung verursacht gewesen. Wären von Herrn Verst. während der laufenden Lohnzahlung die Sachbezüge ordnungsgemäß berechnet worden, wäre es zu keinem Abgabenausfall des Finanzamtes gekommen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken ().

Hinsichtlich der Heranziehung für ausstehende Dienstgeberbeiträge und Dienstgeberzuschläge wäre es seine Pflicht gewesen, für eine zeitgerechte Abfuhr Sorge zu tragen. Er hingegen habe die Abfuhr der angeführten fälligen Beträge unterlassen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken.

Da Herr Verst. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen. Die Uneinbringlichkeit begründe sich darauf, dass über die Gesellschaft das Insolvenzverfahren am Datum3 eröffnet und der Sanierungsplan von den Gläubigern am Datum4 angenommen worden sei. Die Sanierungsplanquote von 20% sei bei den Beträgen bereits berücksichtigt worden.

Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ sei dabei die Bedeutung „berechtigte Interessen der Partei“, dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit“ die Bedeutung „öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten“ beizumessen.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei.

Im besonderen Fall sei auch von einer ermessenskonformen Geltendmachung der Haftung auszugehen, weil die Haftung durch das Guthaben auf dem Abgabenkonto des ehemaligen Geschäftsführers gedeckt sei.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte die Bf. ein, dass Herr Verst. am Datum1 verstorben sei. Die Lohnabgabenprüfung habe erst im Mai 2015 stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt sei Herr Verst. bereits seit nahezu zwei Jahren verstorben gewesen. Im Rahmen dieser Prüfung habe er sich daher überhaupt nicht mehr rechtfertigen können und habe die Festsetzung dieser Sachbezüge akzeptiert werden müssen.

Weiters sei festzuhalten, dass im Jahr 2015 für die Gesellschaft eine Liquiditätsüberprüfung seitens der Finanzbehörde durchgeführt worden sei. In der Folge sei jedoch kein Insolvenzantrag gestellt, sondern eine entsprechende Stundungs- und Ratenvereinbarung getroffen worden. Erst im Jahr 2016 sei seitens der Finanzbehörde ein Insolvenzantrag gestellt wurden.

Wie bereits in Beantwortung des Ersuchens um Ergänzung vom ausgeführt, sei die Gesellschaft weder im Jahr 2011 noch 2012 insolvenzgefährdet gewesen. Auch nach dem Todeszeitpunkt (Datum1) sei ebenfalls keine Insolvenzgefährdung gegeben gewesen. Die Überprüfung durch die Finanzbehörde habe offensichtlich selbst im Jahr 2015 keine Insolvenzgefährdung gesehen, da kein Insolvenzantrag gestellt worden sei.

Es bleibe daher vollkommen offen, welche Pflichten Herr Verst. verletzt haben könnte. Es müsse eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit gegeben sei. Diese Kausalität sei im gegebenen Fall nicht nachvollziehbar. Es könne Herrn Verst. posthum nicht zugerechnet werden, dass die nachfolgende Geschäftsführung die entsprechenden Lohnabgaben – obwohl entsprechende Mittel vorhanden gewesen seien – nicht abgeführt habe.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass an der Nichtberechnung des Sachbezuges im Jahr 2012 Herrn Verst. eine schuldhafte Pflichtverletzung unterstellt werden könne, so sei dennoch festzuhalten, dass bis zu seinem Todeszeitpunkt die Bezahlung dieser Schulden nicht möglich gewesen wäre und Herr Verst. dies auch getan hätte. Die entsprechenden Mittel seien vorhanden gewesen.

Alle nachfolgenden Handlungen bzw. Versäumnisse der neuen Geschäftsführung nach seinem Todeszeitpunkt dürften Herrn Verst. bzw. dessen Erbin nicht zugerechnet werden. Nach seinem Tod habe keine Möglichkeit bestanden, hier steuernd einzugreifen, naturgemäß nicht für den Toten, aber auch nicht für seine Erbin.

Die Bf. stelle daher die Anträge, den Haftungsbescheid vollinhaltlich zu beheben, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und durch den gesamten Senat zu entscheiden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach der Sachverhaltsdarstellung und Zitierung der Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt:

Würden im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung nachträglich zusätzliche Abgabenverbindlichkeiten festgestellt, könne nicht von Vornherein davon ausgegangen werden, dass die für die Gesellschaft handelnde Vertretung zuvor ihren abgabenrechtlichen Pflichten gesetzmäßig nachgekommen sei ().

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen sei, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel gehabt habe, bestimme sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären; entscheidend sei daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob bzw. wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt würden (Ritz, BAO5, § 9 Tz 10, sowie die dort zitierte Judikatur).

Führe ein Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft daher geschuldete Abgaben nicht ab, liege die objektive Verletzung der den Geschäftsführern treffenden abgabenrechtlichen Pflichten vor. Haftungsbegründend könne sich diese Pflichtverletzung (unter der Voraussetzung der erschwerten Einbringlichkeit beim Abgabenschuldner) allerdings nur dann auswirken, wenn dem Geschäftsführer an der Pflichtverletzung auch ein Verschulden in Form eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns oder Unterlassens anzulasten sei. Eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten sei anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen könne, aufgrund derer ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen sei.

Zu den haftungsgegenständlichen, im Zuge der Lohnsteuerprüfung festgesetzten Lohnabgaben 2012 sei festzuhalten, dass der Festsetzung dieser Lohnabgaben erst nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Herrn Verst. keine Bedeutung beizumessen sei, weil entscheidend sei, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären.

Gegenständlich sei die Lohnabgabennachforderung daraus resultiert, dass die dem Dienstnehmer zugeflossenen geldwerten Vorteile (Privatnutzung Firmen-PKW) kein Sachbezug angesetzt worden sei.

Die Haftungsinanspruchnahme setze eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Würden schuldhaft nicht entrichtete Abgaben in der Folge uneinbringlich, werde die Verursachung des Abgabenausfalls durch die Pflichtverletzung vermutet (.

Der Meinung der steuerlichen Vertretung, dass die Haftungsinanspruchnahme aufgrund des fehlenden Kausalzusammenhanges zwischen der angeblichen Pflichtverletzung des Geschäftsführers und der danach eingetretenen Uneinbringlichkeit des Abgabenanspruches nicht nachvollziehbar sei, da erst die nachfolgende Geschäftsführung die entsprechenden Lohnabgaben nicht abgeführt habe, sei zu entgegnen, dass infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch Herrn Verst. die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () hinsichtlich der verbleibenden Abgaben auch davon habe ausgehen können, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen sei.

Bei Hinzudenken des gebotenen Verhaltens (ordnungsgemäße Berechnung und Abführung der Abgaben) bei der Kausalitätsprüfung wäre der Abgabenausfall auch nicht eingetreten (vgl. ).

Zuletzt dürfe noch auf § 248 BAO verwiesen werden, wonach der Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen hätte können.

Nach Lehre und Rechtsprechung sei die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ sei dabei die Bedeutung „berechtigte Interessen der Partei“, dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit“ die Bedeutung „öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben“ beizumessen.

Die Erlassung des Haftungsbescheides sei insgesamt gesehen zweckmäßig gewesen, da mit diesem zumindest ein Teil der bei der Gesellschaft uneinbringlichen Abgaben doch noch eingebracht werden könnten. Billigkeitsgründe, welche diese Zweckmäßigkeitsgründe überwogen, seien weder vorgebracht worden noch seien solche aktenkundig.

Fristgerecht beantragte die Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass zur Kausalitätsfrage anzumerken sei, dass im gegenständlichen Fall weder der Geschäftsführer noch seine potenzielle Erbin irgendwelche Möglichkeiten gehabt hätten, in die Gebarung einzugreifen. Es könne daher nicht zu einer Haftung führen, wenn man selbst keine rechtliche Möglichkeit mehr habe, in die Kausalitätskette einzugreifen.

Es sei daher festzuhalten, dass bei Vorschreibung der Abgaben im Jahr 2010 die GmbH entsprechende Liquidität gehabt hätte, um diese Nachzahlung zu tätigen. Weiters sei festzuhalten, dass auch nach der Betriebsprüfung eine Bezahlung der Verbindlichkeiten möglich gewesen wäre. Naturgemäß habe der Geschäftsführer aufgrund seines Todes nicht mehr in die Gebarung eingreifen können. Weiters sei jedoch festzuhalten, dass auch die nunmehr herangezogene Erbin nicht in die Gebarung habe eingreifen können, da sie nie Gesellschafterin (Anmerkung: gemeint wohl Geschäftsführerin) der GmbH (gewesen) sei. Es sei ihr daher rechtlich unmöglich gewesen, ihre Haftung zu verhindern. Eine derartige Auslegung, hier plötzlich eine verschuldensabhängige Haftung einzuführen, sei daher wohl sachlich nicht gerechtfertigt.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Haftung in diesem Fall bestehe, so wäre wohl bei den Ermessensabwägungen im Sinne der Billigkeitsentscheidung für die Erbin zu entscheiden. Die Nachzahlung betrage rund € 1.960,00, die Bruttolohnsumme im Jahr 2012 € 910.000,00, sodass hier von rund 0,2% der Bemessungsgrundlage Abgaben nachzuzahlen seien. Hier überwogen wohl die Billigkeitsinteressen den Zweckmäßigkeitsinteressen der öffentlichen Hand bei Weitem. Bereits die Durchführung des Verfahrens koste ein Vielfaches von der nacherhobenen Steuer. Auch im Hinblick darauf, dass sämtliche Verfahrensschritte des Finanzamtes gegen die Erbin fast ein Jahr nach Einantwortung () gesetzt worden seien, sprächen für eine Billigkeitsabwägung zugunsten der Erbin.

Abschließend beantragte die Bf. erneut die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat.

Mit Schriftsatz vom hat die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung auf die Durchführung einer mündlichen Verrhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Senat verzichtet. 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Zunächst ist festzustellen, dass Verst. Geschäftsführer der X-GmbH im Zeitraum vom Datum2 bis Datum1 (Sterbedatum) war.

Die Heranziehung der Bf. als Erbin nach Verst. gründet sich auf § 19 BAO, wonach bei einer Gesamtrechtsnachfolge alle Rechtspositionen eines Rechtssubjekts auf den Rechtsnachfolger übergehen. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt somit in materiellrechtlicher und in verfahrensrechtlicher Sicht voll an die Stelle des Rechtsvorgängers (). Lediglich höchstpersönliche Rechtspositionen können iSd § 19 BAO nicht übergehen. Zu den Rechtspositionen iSd § 19 BAO gehören ebenso wie ein Steuerschuldverhältnis iSd § 4 BAO bzw. der einzelnen Materiengesetze Haftungsverpflichtungen auf Grund von diesbezüglichen abgabenrechtlichen Bestimmungen ().

Daher konnte die Bf. als Gesamtrechtsnachfolgerin des Geschäftsführers zur Haftung nach § 9 BAO – vorbehaltlich des Vorliegens aller Haftungsvoraussetzungen - grundsätzlich zu Recht herangezogen werden.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da m it Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom Datum5 der über das Vermögen der X-GmbH am Datum3 eröffnete Konkurs nach Bestätigung des Sanierungsplanes mit einer (im Haftungsbescheid bereits berücksichtigten) Quote von 20% aufgehoben wurde.

Dem ehemaligen Geschäftsführer oblag daher im genannten Zeitraum die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Dem Einwand der Bf., dass die Lohnsteuerprüfung vom und einhergehend die Festsetzung der Lohnabgaben 2012 erst lange nach dem Ableben des Verst. erfolgte, muss entgegengehalten werden, dass sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (). Bei Selbstbemessungsabgaben ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob und wann die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird ().

Entscheidungswesentlich ist, dass die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben 2010 bereits am fällig waren und daher im vollständigen Ausmaß unter Berücksichtigung der von der Lohnsteuerprüfung monierten Nichtversteuerung der Privatnutzung der firmeneigenen PKW vom Geschäftsführer Verst. und nicht erst – wie von der Bf. behauptet - vom nachfolgenden Geschäftsführer der Gesellschaft im Zeitpunkt der Zahlungsfrist gemäß § 210 Abs. 4 BAO nach deren bescheidmäßigen Festsetzung zu entrichten gewesen wären.  Im gegenständlichen Haftungsverfahren wurden von der Bf. keine Gründe vorgebracht, weswegen durch den damaligen Geschäftsführer Verst. eine zu geringe Selbstbemessung und Abfuhr der lohnabhängigen Abgaben 2012 erfolgte, indem für einen an einem Arbeitnehmer im Jahr 2012 zugeflossenen Vorteil aus dem Dienstverhältnis in Form der Privatnutzung des Firmen-PKW’s durch den Arbeitnehmer keine Sachbezug angesetzt wurde, weswegen die Abgabenbehörde bei Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides zu Recht von einer schuldhaften Pflichtverletzung des damaligen Geschäftsführers ausgegangen ist.

Dem Vorbringen der Bf., dass der Geschäftsführer infolge seines früheren Ablebens keine Möglichkeit gehabt habe, zu den Feststellungen Stellung zu nehmen, muss entgegengehalten werden, dass Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im - hier nicht erhobenen - Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hat ().

Auch die Ausführungen der Bf. zur fehlenden Insolvenzgefährdung der Gesellschaft im Geschäftsführungszeitraum des Erblassers gehen ins Leere, da es für die Haftung nach § 9 BAO ohne Bedeutung ist, ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft ().

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Im gegenständlichen Fall stellte die Bf. fest, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben ausreichende Mittel vorhanden gewesen seien, um diese entrichten zu können. Damit brachte sie jedoch keine triftigen Gründe, aus denen Verst. die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass ihm keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden und dass sämtliche Gläubiger gleich behandelt worden wären.

Was eine allfällige Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft, so wäre dies von der Bf. zu behaupten und zu beweisen gewesen, da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern die zur Haftung herangezogene Rechtsnachfolgerin des Geschäftsführers das Fehlen ausreichender Mittel ().

Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt er diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt - hat die Bf. jedoch nicht aufgestellt.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung der Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Die schuldhafte Pflichtverletzung liegt nicht zuletzt auch darin, dass gerade für einen Geschäftsführer erkennbar hätte sein müssen, dass ein Sachbezug für die Privatnutzung eines firmeneigenen PKWs durch die Dienstnehmer einer Besteuerung unterliegt.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch Verst. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Der Bestreitung des Kausalzusammenhanges, da weder der Erblasser noch seine Rechtsnachfolgerin die Möglichkeit gehabt hätten, in die Gebarung einzugreifen, ist entgegenzuhalten, dass, wie bereits ausgeführt, der Geschäftsführer Verst. bereits im Zeitpunkt der noch vor seinem Ableben eingetretenen Fälligkeit die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Berechnung, Einbehaltung und Abfuhr der Lohnabgaben gehabt hätte.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Die Bf. verweist auf die Geringfügigkeit der Nachforderungsbeträge an Lohnabgaben angesichts der tatsächlichen Bruttolohnsumme. Eine solche „Geringfügigkeit“ steht allerdings der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen ().

Auch lässt sich aus dem Einwand, dass sämtliche Verfahrensschritte des Finanzamtes gegen die Bf. als Erbin fast ein Jahr nach der Einantwortung gesetzt worden seien, nichts gewinnen, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits zwar ein Umstand ist, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf (), der Haftungsbescheid () im gegenständlichen Fall aber sogar bereits vor der Feststellung der endgültigen Uneinbringlichkeit mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Feststellung der Quote () erfolgte, weshalb eine im Ermessen zu berücksichtigende lange Verfahrensdauer nicht vorlag.

Von der Bf. wurden damit keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können, weswegen Zweckmäßigkeitserwägungen dahingehend, dass die Haftung. Im gegenständlichen Fall stellt die Haftungsinanspruchnahme die einzige Möglichkeit der Einbringung der Abgabenschuldigkeiten dar, weswegen Zweckmäßigkeitserwägungen im Interesse der Allgemeinheit jedenfalls der Vorzug zu geben war, gegenüber eventuellen (ohnehin nicht vorgebrachten) im Interesse der Bf. gelegenen Billigkeitsgründen.

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme der Bf. als Haftungspflichtige für die Abgabenschuldigkeiten der X-GmbH zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7105485.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at