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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.03.2018, RV/7100999/2018

Heimunterbringung und Haushaltszugehörigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache F.S., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Familienbeihilfe ab Jänner 2017 für das Kind K., zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Antrag vom begehrte die Beschwerdeführerin (Bf) ab 01/2017 die Zuerkennung der Familienbeihilfe (FB) für ihren Neffen K. (Formular Beih 1). Gleichzeitig legte die Bf eine Bestätigung des Magistrats der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, vor, worin diese bestätigte, dass k. sich seit in der vollen Erziehung der MA 11 in der Wohngemeinschaft „WG, befände, und das Kind seit Jänner 2017 regemäßig zu seiner Tante, die Bf, auf Ausgang mit Nächtigung ginge und dort auch einen Teil seiner Schulferien verbrächte (Schriftsatz vom ).

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt die Bf auf, den Obsorgebeschluss sowie die Bestätigung über Heimaufenthalt bzw. Ausgänge betreffend k. der Finanzbehörde vorzulegen.
In Beantwortung des Vorhalteauftrages legte die Bf eine Aufstellung jener Tage vor, an den k. die Wochenenden bei der Bf verbrachte (Bestätigungsschreiben „WG vom ).

Der Antrag der Bf vom auf Zuerkennung der FB für k. wurde mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, dass k. kein Kind im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) wäre.

Am erhob die Bf fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte dazu aus, dass k. jedes zweite Wochenende und die Ferien bei ihr verbrächte. An den Heimfahrtwochenenden würde k. am Freitag von der Wohngemeinschaft im der Steiermark abgeholt und am Sonntag wieder zurückgebracht werden. Der finanzielle Aufwand dafür wäre sehr hoch (Scan der Bf vom ).

Am übermittelte die Bf den Obsorgebeschluss des BG Meidling, mit dem die Bf die Obsorge für den minderjährigen k. übertragen bekam. Die volle Pflege und Erziehung des Kindes blieb weiterhin bei der Stadt Wien (Obsorgebeschluss des BG Meidling vom , E-Mail vom ).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Es läge weder eine Haushaltszugehörigkeit des Kindes zu der Bf nach dem Grundtatbestand des § 2 Abs. 2 FLAG noch eine fiktive Haushaltszugehörigkeit nach § 2 Abs. 5 lit. a bis c FLAG vor (Bescheid vom ).

Die Bf stellte daraufhin den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag vom ).

In Beantwortung eines weiteren Ergänzungsauftrages des Finanzamtes vom legte die Bf am ein Bestätigungsschreiben des Wohlfahrtsträgers „WG, Wien, vor, mit dem diese erklärte, dass k. seit in dieser Einrichtung untergebracht wäre und im Jahr 2017 1-2 Wochenenden /Monat bei seiner Tante, der Bf verbracht hätte. Weiters wurde die Vereinbarung zwischen dem Magistrat Wien, Amt für Jugend und Familie, und der Bf vom vorgelegt, in der die Stad Wien mit der Pflege und Erziehung einschließlich der gesetzlichen Vertretung von k. (weiterhin) zur Gänze betraut wurde. Die Verpflichtung zur Leistung von Kostenersatz für die volle Erziehung wurde seitens der Bf nicht übernommen (Vereinbarung gemäß § 27 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz, B-KJHG).

Die Finanzbehörde legte die Beschwerde dem BFG am vor (Vorlagebericht).

II. entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Das Kind K., lebte bis Dezember 2009 im Haushalt der Kindeseltern. Seit befindet sich das Kind in der sozialpädagogischen Einrichtung „WG). Für die Dauer seines Aufenthaltes unterliegt das Kind dort der vollen Pflege und Erziehung durch die Stadt Wien. Mit Beschluss des BG Meidling vom wurde die Obsorge für k. auf Grund des Antrages der Bf und der Kindesmutter von der Stadt Wien auf die Bf übertragen. Pflege und Erziehung K. sowie dessen gesetzliche Vertretung in diesem Bereich verblieben zur Gänze weiterhin bei der Stadt Wien. Die Verpflichtung zur Leistung von Kostenersatz für die volle Erziehung im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht wurde seitens der Bf nicht übernommen. Die Einrichtung „WG“ bestätigt Übernachtungen  des Kindes bei der Bf im Zeitraum von 1-11/2017:
Jänner 6 Übernachtungen (ÜN), Februar ca. 4 ÜN, März 0 ÜN, April 10 ÜN, Mai 4 ÜN, Juni 6 ÜN, Juli 18 ÜN, August - ÜN, September/Oktober 5 ÜN, November 3 ÜN.

III. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes bzw. der Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

IV. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt gemäß lit. a nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält. Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

V. Erwägungen

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 wird der Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nach der Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind bestimmt und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967) darauf abgestellt, dass die Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (vgl. ). Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen (vgl. ).

Unter "Haushalt" im Sinne des § 2 Abs. 5 FLAG ist eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, wobei es für die Frage nach der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes unerheblich ist, wer den Haushalt führt, dem das Kind angehört.

Unstrittig ist zunächst, dass das Kind seit Dezember 2009 in der sozialpädagogischen Einrichtung „WG“ als Maßnahme der Jugendwohlfahrt untergebracht ist und damit auch schon vor dem Beschwerdezeitraum der vollen Pflege und Erziehung durch die Stadt Wien unterlag.

Entgegen der Auffassung der Bf gilt die Haushaltszugehörigkeit gem. § 2 Abs. 5 lit. a FLAG 1967 bei einem vorübergehenden Aufenthalt des Kindes außerhalb der gemeinsamen Wohnung nicht als aufgehoben. Ungeachtet der faktischen Unmöglichkeit des gemeinsamen Wohnens in diesem Zeitraum stellt das Gesetz bei einer vorübergehenden Abwesenheit die Fiktion auf, dass die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt (vgl. , ).
Um ein Kind, das sich außerhalb der Wohngemeinschaft aufhält, noch als haushaltszugehörig ansehen zu können, darf der anderweitige Aufenthalt des Kindes nur ein "vorübergehender" sein (§ 2 Abs. 5 FLAG 1967). Als "vorübergehend" wird ein Aufenthalt des Kindes außerhalb der gemeinsamen Wohnung dann anzusehen sein, wenn aus den Umständen des Falles darauf geschlossen werden kann, dass das Kind nach absehbarer Zeit wieder in der gemeinsamen Wohnung leben wird (vgl. ARD-HB 1985, S 7).

In diesen Fällen vermögen auch wiederholte Familienbesuche, die "vornherein nur auf Zeit angelegt waren ("Ausgang")" und "sich jeweils bloß auf wenige Tage erstreckten" an der dauernden, nicht nur vorübergehenden Heimunterbringung nichts zu ändern (vgl. ; ).
Die von k. an den Wochenenden/Schulferien  wahrgenommen Kontaktmöglichkeiten zur Bf, in deren Rahmen Betreuungs- und Pflegeleistungen erbracht wurden, vermögen eine Zugehörigkeit zum Haushalt der Bf nicht zu begründen, weil infolge der vorgeschriebenen und auch regelmäßig erfolgenden tatsächlicher Rückkehr in die Wohngemeinschaft, die Aufenthalte bei der Bf nur vorübergehend waren.

Nach den obigen Ausführungen und der vorliegenden Sachverhaltskonstellation kann damit nicht gesagt werden, dass k. im Beschwerdezeitraum nicht in der sozialpädagogischen Einrichtung der Stadt Wien „haushaltszugehörig“ war. Wenn im Interesse des Kindeswohls k. mehr oder weniger regelmäßig die Wochenenden bzw. einen Teil der Schulferien bei der Bf bzw. dem Kindesvater verbrachte (siehe Bestätigung der Stadt Wien vom über die Aufenthalte des Kindes bei der Bf, durchschnittlich 1-2 Wochenenden/Monat, einen Teil der Schulferien), so vermag dies an der dauernden nicht nur vorübergehenden Heimunterbringung nichts zu ändern.

Durch die Unterbringung von k. in der Wohngemeinschaft „WG“ ist daher die Voraussetzung der Haushaltszugehörigkeit weggefallen.

Die Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 5 lit a FLAG ist daher durch die Bf nicht erfüllt.

Als Alternative zur Haushaltszugehörigkeit sieht das Gesetz einen Familienbeihilfenanspruch auch dann vor, wenn die Bf die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt und das Kind bei niemandem sonst haushaltszugehörig ist.
Zum Bedarf des Kindes gehören vor allem Nahrung, Kleidung, Wohnung, ferner Unterricht und Erziehung, aber auch weitere Bedürfnisse, zB in kultureller u sportlicher Hinsicht, für Freizeitgestaltung, Urlaub und medizinische Versorgung (vgl. Nowotny in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 150).
Im vorliegenden Fall wurden aber auch die Kosten für Verpflegung und Unterkunft für das Kind von der Allgemeinheit getragen.

Das Kind k. ist auf Kosten der öffentlichen Hand in der sozialpädagogischen Einrichtung „WG“  untergebracht. Es besteht keine Verpflichtung der Bf als Obsorgeberechtigte zur Leistung von Kostenersatz für die volle Erziehung K. durch die Stadt Wien (siehe dazu Vereinbarung der vollen Erziehung zwischen Magistrat der Stadt Wien und der Bf).

Das Gesetz verlangt die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten, nicht die überwiegende Leistung des - vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen und dessen weiteren Sorgepflichten - abhängigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 33 Anm. 100) Unterhaltes.

Es steht außer Streit, dass die Aufenthalte des Kindes bei der Bf mit Kosten verbunden waren und diese von der Bf getragen wurden. Außer Zweifel steht aber auch, dass die Bf damit nicht überwiegend die Unterhaltskosten K. trug.
Die Bf trägt einen geringen Teil der Unterhaltslast für k., den weitaus überwiegenden Teil dieser Unterhaltslast trägt die öffentliche Hand.

Zusammenfassend muss daher festgestellt werden, dass k. bei der Bf nicht haushaltszugehörig ist und die Bf auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trägt. Somit liegt keine  Anspruchsvoraussetzung für den Familienbeihilfebezug vor.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit nicht als rechtswidrig, dieser bleibt gemäß § 279 BAO unverändert.

Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

VI. Zulässigkeit der Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da die Rechtsfolge sich aus dem Gesetz ergibt und die zu beurteilenden Tatfragen einer Revision nicht zugänglich sind.

Salzburg-Aigen, am

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