Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.01.2018, RV/7101027/2017

Kleinunternehmerbefreiung geht echten Steuerbefreiungen vor

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2018/13/0007. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7101027/2017-RS1
Die Kleinunternehmerbefreiung stellt darauf ab, dass die Umsätze aus im Inland steuerbaren Lieferungen und Leistungen und dem Eigenverbrauch im Inland zusammen 30.000 Euro nicht übersteigen; auf die Steuerfreiheit oder Steuerpflicht oder gar das damit zusammenhängende Recht auf Vorsteuerabzug kommt es für die Anwendung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG nicht an. Damit ist klar, dass die unechte Befreiung der Z 27 leg cit jene der Z 6 leg cit konsumiert, solange die Kleinunternehmerschwelle nicht überschritten oder auf die Kleinunternehmerbefreiung verzichtet wurde. Letztlich ist Sinn und Zweck der Regelung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG insbesondere eine Verwaltungsvereinfachung (so auch Melhardt/Tumpel, UStG², § 6 Rz 660). Echte Steuerbefreiungen von dieser Vereinfachung auszunehmen, liefe dem Regelungszweck zuwider.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerden vom bzw. gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt FA vom betreffend Umsatzsteuer 2014 bzw vom betreffend Umsatzsteuer 2015 zu Recht erkannt: 

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) vermietet Wohnungen und erzielt in den Streitjahren Umsätze von rund 22.000 bzw 25.000 Euro. Davon stammt ca 1/3 aus der Vermietung einer Wohnung an eine Botschaft zum persönlichen Gebrauch. Der Bf ist Kleinunternehmer und hat keinen Antrag auf Regelbesteuerung gestellt.

Strittig ist, ob die echte Steuerbefreiung des § 6 Abs 1 Z 6 lit d TS 4 UStG auch dann anwendbar ist, wenn der Bf Kleinunternehmer ist (so das Beschwerdevorbringen) und somit Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit dieser Wohnung unabhängig von einem Antrag auf Regelbesteuerung vom Bf abgezogen werden können, oder ob die Kleinunternehmerbefreiung und der damit zusammenhängende Ausschluss vom Vorsteuerabzug sich auf sämtliche Umsätze des Bf bezieht (so die belangte Behörde).

Der Bf führt für seinen Standpunkt ins Treffen, für einen Vorrang des § 6 Abs 1 Z 27 UStG vor allen anderen Befreiungen finde sich im Gesetz kein Anhaltspunkt. Der VwGH habe aber ausgesprochen, das die sachliche Befreiung der Z 16 leg cit gegenüber der persönlichen Befreiung der Z 14 leg cit die speziellere Regelung sei (). Daraus ließe sich der Schluss ziehen, dass die sachliche Befreiung der Z 6 als Sonderregel für bestimmte (u.a. Vermietungs-)Vorgänge Vorrang vor der persönlichen Befreiung der Z 27 habe.
§ 12 Abs 4 UStG regle genau diesen Fall, wenn er bestimmt, dass der Unternehmer die Vorsteuerbeträge nach Maßgabe der Abs 1 und 3 in abziehbare und nicht abziehbare aufzuteilen habe, wenn er neben Umsätzen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führten auch solche bewirke, bei denen kein Ausschluss eintrete. Würde man zu § 6 Abs 1 Z 6 und 27 nicht seiner Auslegung folgen, wäre § 12 Abs 4 UStG sinnlos.
Die Vermietung an die Botschaft sei ein echt steuerbefreiter Umsatz (§ 6 Abs 1 Z 6 lit d UStG), für den ihm nach § 12 Abs 3 Z 3 lit a UStG der Vorsteuerabzug zustehe. Die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerbefreiung nach § 6 Abs 1 Z 27 UStG schließe den Vorsteuerabzug für die Vermietung an die Botschaft nicht aus.

Die belangte Behörde begründet ihre Ansicht damit, dass § 6 Abs 1 Z 27 auf die im Inland steuerbaren Umsätze (§ 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG) abstelle, auf die Steuerpflicht oder -freiheit komme es nicht an.
Zudem spreche auch die Ansicht des BMF (UStR 2000 Rz 1002) und die hL für diese Ansicht (Mehlhardt/Tumpel, UStG², § 6 Rz 663; Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Rz 443).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die Umsätze von Kleinunternehmern sind von der Umsatzsteuer befreit. Gemäß § 6 Abs 1 Z 27 UStG idF vor BGBl I 2016/117 ist Kleinunternehmer ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich.

Vom Vorsteuerabzug sind ausgeschlossen: die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, soweit der Unternehmer diese Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet bzw diese sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze in Anspruch nimmt (§ 12 Abs 3 Z 1 und 2 UStG). Der Ausschluß vom Vorsteuerabzug tritt nicht ein, wenn die Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 1 bis 6 oder § 23 Abs. 5 steuerfrei sind oder steuerfrei wären (§ 12 Abs 3 lit a UStG).

Im Verhältnis echter zu unechten Steuer­befreiungen gilt der Grundsatz, dass dann, wenn für einen Umsatz sowohl eine der in § 6 Z 1 bis 6 als auch eine unechte Steuer­befreiung beansprucht werden kann (zB bei einer Ausfuhr­lieferung eines blinden Unternehmers), die echte Befreiung Vorrang vor der unechten hat; damit tritt kein Vorsteuerausschluss ein (Melhardt/Tumpel, UStG², § 12 Rz 352). Davon ausgenommen ist die unechte Steuer­befreiung für Klein­unternehmer (§ 6 Abs 1 Z 27). Diese persönliche unechte Befreiung geht laut BMF den echten Befreiungen wie zB ig Lieferungen vor (UStR 2000 Rz 1002). 

Die Ansicht des BMF wird auch von der herrschenden Lehre geteilt: § 6 Abs 1 Z 27 hat Vorrang vor anderen, insb echten Steuer­befreiungen, gilt jedoch explizit nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge (Art 6 Abs 5). Ein Klein­unternehmer, der den Vorsteuerabzug iZm echt steuerfreien Umsätzen geltend machen will, muss auf die Regel­besteuerung optieren und verliert damit die Steuer­befreiung für andere Umsätze. Vgl dazu Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Rz 443; Melhardt/Tumpel, UStG², § 6 Rz 663 und § 12 Rz 352; Mayr/Ungericht, UStG4, § 6 Anm 74 (S 418).

Das Verwaltungsgericht schließt sich der hM an und lehnt die Argumentation des Bf ab.

Aus dem vom Bf zitierten VwGH-Erkenntnis lässt sich für die strittige Rechtsfrage nichts gewinnen, denn der VwGH trifft nur auf den Einzelfall und das Verhältnis der Z 14 und 16 zueinander basierend auf den Gesetzesmaterialien Aussagen, die nicht auf eine allgemeine und unbedingte Vorrangregel zwischen echten und unechten Befreiungen schließen lassen. Davon abgesehen wird auch in der Lehre vertreten, dass abgesehen von der Kleinunternehmerbefreiung echte Befreiungen den unechten vorgehen.

Der Vorrang des § 6 Abs 1 Z 27 gegenüber § 6 Abs 1 Z 6 UStG macht auch die Vorschrift des § 12 Abs 4 nicht sinnlos, weil es genügend Konstellationen gibt, in denen ein Unternehmer (der nicht Kleinunternehmer ist) echt und unecht befreite Umsätze nebeneinander bewirkt.

Der Vorrang des § 6 Abs 1 Z 27 gegenüber § 6 Abs 1 Z 6 UStG kann sehr wohl aus dem Gesetz abgeleitet werden, denn die Kleinunternehmerbefreiung stellt darauf ab, dass die Umsätze aus im Inland steuerbaren Lieferungen und Leistungen und dem Eigenverbrauch im Inland zusammen 30.000 Euro nicht übersteigen; auf die Steuerfreiheit oder Steuerpflicht oder gar das damit zusammenhängende Recht auf Vorsteuerabzug kommt es für die Anwendung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG nicht an.

Damit ist klar, dass die unechte Befreiung der Z 27 leg cit jene der Z 6 leg cit konsumiert, solange die Kleinunternehmerschwelle nicht überschritten oder auf die Kleinunternehmerbefreiung verzichtet wurde.

Durch die Änderung der Z 27 leg cit mit dem AbgÄG 2016 (BGBl I 2016/117) wird dies umso deutlicher, weil seit gewisse unecht befreite Umsätze explizit bei Ermittlung der Kleinunternehmergrenze ausgenommen sind. Im Umkehrschluss sind somit echt befreite Umsätze bei Ermittlung der Kleinunternehmergrenze mit einzubeziehen und unterliegen daher ebenfalls der unechten Steuerbefreiung nach Z 27 leg cit, wenn diese auf den Unternehmer anwendbar ist.

Letztlich ist Sinn und Zweck der Regelung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG insbesondere eine Verwaltungsvereinfachung (so auch Melhardt/Tumpel, UStG², § 6 Rz 660). Echte Steuerbefreiungen von dieser Vereinfachung auszunehmen, liefe dem Regelungszweck zuwider.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zur strittigen Rechtsfrage gibt es keine Rechtsprechung des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7101027.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at