Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.03.2018, RV/1100546/2017

Vermietung einer Wohnung Liebhaberei oder Einkunftsquelle?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Dr. Gerald Daniaux in der Beschwerdesache a, vertreten durch Dr. Bertram Schneider, Schneider Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Nibelungenstraße 19, 6845 Hohenems, über die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bregenz vom betreffend Umsatzsteuer 2006 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird  aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erwarb im Jahr 2006 eine "Anlegerwohnung", die sie mit Wohnbauförderungs- und Fremdwährungsdarlehen (Schweizer Franken) finanzierte. Die anschließende Vermietung der Wohnung wurde vom Finanzamt zunächst als einkommensteuerlich beachtliche Einkunftsquelle behandelt. Im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung beurteilte das Finanzamt die Vermietung hingegen als einkommensteuerlich unbeachtliche Liebhaberei. Die Umsatzsteuer 2006 setzte es mit € 0,00 fest.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit BVE als unbegründet abgewiesen, woraufhin von der Bf. Vorlageantrag gestellt wurde.

Auch das Bundesfinanzgericht gab der Berufung (nunmehr Beschwerde) mit Senatserkenntnis vom , RV/1100062/2012, keine Folge und traf im angefochtenen Erkenntnis die Feststellung, dass mit der in Rede stehenden Vermietung bei Berücksichtigung angemessener Instandhaltungs- und Reparaturkosten in einem absehbaren Zeitraum von 20 Jahren kein Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen sei. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass es der von den tatsächlichen Instandhaltungskosten gelösten abstrakten Durchschnittsberechnung des Finanzamtes folge, weil selbst im von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten darauf hingewiesen werde, dass es nicht möglich sei, die zu erwartenden Kosten zahlenmäßig genau zu erfassen. Als Instandhaltungskosten würden in der Literatur jene Kosten definiert, die während der Nutzungsdauer zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der baulichen Anlagen aufgewendet werden müssten, um die durch Abnutzung, Alterung und Witterungseinwirkung entstehenden baulichen Schäden ordnungsgemäß zu beseitigen. Darüber hinaus werde in der Literatur die Ansicht vertreten, dass die tatsächlichen Kosten des maßgebenden Jahres bei der Berechnung des Instandhaltungsaufwandes schon deshalb nicht zu berücksichtigen seien, weil besonders hohe oder niedrige Kosten den Wert in einem ungerechtfertigten Ausmaß beeinflussen würden. Ebenfalls entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass über den Lebenszyklus eines Gebäudes die Kosten zu Beginn gering seien und kontinuierlich stiegen, wobei ab 2016, also für die abschließenden 10 Jahre des Beobachtungszeitraumes, selbst von der Revisionswerberin davon ausgegangen werde, dass die bisher - entgegen den Wohnbauförderrichtlinien - bei den Mietern einkassierten Beiträge zum Reparaturfonds nicht mehr diesen vorzuschreiben seien.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde vom Bundesfinanzgericht für zulässig erklärt, da das Bundesfinanzgericht die Ansicht vertrat, dass eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Rechtsprechung des VwGH betreffend die Höhe des anzusetzenden Erhaltungsaufwandes bei Wohnungen im Zusammenhang mit der Liebhanereiproblematik fehle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund der von der Bf. erhobenen Revision mit Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0007-4, die o.a. Entscheidung des BFG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und festgestellt, dass in eine für Zwecke der Liebhabereiprüfung aufzustellenden Prognose nur solche Beträge als Werbungskosten Eingang finden würden, von denen zu erwarten sei, dass sie im Prognosezeitraum tatsächlich anfallen werden (vgl. idS ).

Die steuerliche Vertretung hat unter Berücksichtigung dieses VwGH-Erkenntnisses eine neue Prognoserechnung (IST 2006 bis 2017, PLAN 2018 bis 2026) eingebracht, sowie mit Schriftsatz vom den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erwarb im Jahr 2006 eine "Anlegerwohnung" in b, welche sie vermietete.

Verfahrensgegenständlich ist, ob es sich bei diesem Mietobjekt um eine einkommensteuerlich beachtliche Einkunftsquelle oder steuerlich unbeachtliche Liebhaberei handelt.

Aus rechtlicher Sicht ist auszuführen wie folgt:

Nur eine Betätigung, die objektiv geeignet ist, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes einen Gesamtgewinn bzw Gesamtüberschuss abzuwerfen, ist als steuerlich beachtliche Tätigkeit anzusehen. Ob eine solche vorliegt, ist für das Streitjahr nach der Liebhabereiverordnung (LVO), BGBl. Nr. 33/1993 idF BGBl. II Nr. 358/1997 und BGBl. II Nr. 15/1999, zu beantworten. Die Liebhabereiverordnung unterscheidet dabei Betätigungen mit Einkunftsquellenvermutung (§ 1 Abs 1 LVO), das sind solche, die durch die Absicht veranlasst sind, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen und nicht unter Abs 2 fallen, und Betätigungen mit Liebhabereivermutung (§ 1 Abs 2 LVO). Liebhaberei ist gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 LVO auch zu vermuten, wenn Verluste aus der Bewirtschaftung von Eigenheimen, Eigentumswohnungen und Mietwohnungen mit qualifiziertem Nutzungsrecht entstehen.

Diese Annahme von Liebhaberei kann nach Maßgabe des § 2 Abs. 4 LVO ausgeschlossen sein, wenn die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit in einem überschaubaren Zeitraum einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten lässt. Andernfalls ist das Vorliegen von Liebhaberei so lange anzunehmen, als die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit nicht im Sinn des vorstehenden Satzes geändert wird. Nicht ein tatsächlicher wirtschaftlicher Gesamterfolg, sondern die objektive Eignung der Tätigkeit zur Erwirtschaftung eines solchen, subsidiär das nach außen in Erscheinung tretende Streben des Tätigen nach einem solchen Erfolg, hat demnach als Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen von Einkünften zu gelten.

Fest steht, dass die Vermietung der verfahrensgegenständlichen Eigentumswohnung unter § 1 Abs 2 LVO 1993 zu subsumieren ist. Ebenso wie bei einer Betätigung nach § 1 Abs. 1 LVO 1993 hat die Liebhabereibeurteilung auch für Betätigungen nach § 1 Abs 2 LVO 1993 für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu erfolgen.

Werden bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs 2 LVO Verluste erzielt und bestehen daher Zweifel an deren Einkunftsquelleneigenschaft, so ist vom sich Betätigenden bereits zu Beginn eine Prognose darüber abzugeben, ob die Betätigung unter der Annahme gleich bleibender Bewirtschaftung in einem absehbaren Zeitraum einen Gesamtgewinn erwarten lässt. Mittel zur Prognose ist die Prognoserechnung. Darin sind sämtliche Kalenderjahre der - in der gleichen Bewirtschaftung ausgeübten - Betätigung einzubeziehen.

Im umsatzsteuerlichen Sinn kann Liebhaberei nur bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs 2 der Verordnung vorliegen (§ 6 LVO).

Die Prognoserechnung muss plausibel und nachvollziehbar sein (). Dabei sind laut Verwaltungsgerichtshof bestimmte Mindestanforderungen an eine Prognoserechnung zu stellen (zwingende Miteinbeziehung aller Jahre der Betätigung; Einbeziehung von Instandsetzungen nach einem angemessenen Zeitraum; Orientierung an den tatsächlichen Verhältnissen; Beurteilung der Plausibilität anhand nachfolgend eingetretener Umstände). Große Aussagekraft hinsichtlich der Plausibilität der Prognoserechnung kommt somit auch der Gegenüberstellung der prognostizierten Erträge mit den tatsächlich erzielten zu. Das heißt nicht zwangsläufig, dass mit dem tatsächlichen Nichterreichen des prognostizierten Gesamtgewinnes/Gesamtüberschusses eo ipso Liebhaberei unterstellt werden könnte. Ist der Grund des Ausbleibens eines Gesamterfolges lediglich in Unwägbarkeiten zu sehen, so ist dies unschädlich, wenn in der Prognoserechnung auf nachvollziehbare Weise ein Gesamterfolg aufgezeigt werden konnte. Andererseits rücken erst die vorgelegten Überschussrechnungen den Aussagegehalt der Prognoserechnung ins richtige Licht. An ihnen ist die Plausibilität einer Prognoserechnung zu messen (vgl. etwa ).

Als Zeitraum, innerhalb dessen ein Gesamtgewinn bzw ein Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt werden muss, gilt bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs 2 LVO ein Zeitraum von 20 Jahren ab Beginn der entgeltlichen Überlassung, höchstens 23 Jahre ab dem erstmaligen Anfallen von Aufwendungen (vgl ; ; ).

Dieser Zeitraum kommt dann zur Anwendung, wenn der Plan des Steuerpflichtigen dahin geht, die Vermietung zumindest bis zum Erreichen eines gesamtpositiven Ergebnisses fortzusetzen. Ist hingegen die Vermietung von vornherein nur auf einen begrenzten Zeitraum gerichtet, so muss das positive Ergebnis innerhalb dieses Zeitraumes erzielbar sein. ().

Die Frage, ob eine Tätigkeit ertragsfähig ist, ist eine Sachverhaltsfrage.

Im vorliegenden Fall ist die Vermietung der Eigentumswohnungen auf Dauer angelegt.  Die Vorlage einer Prognoserechnung war demnach erforderlich. Diese Prognoserechnung wurde inzwischen mehrfach adaptiert, als die zwischenzeitlich bekannt gewordenen tatsächlichen steuerlichen Ergebnisse berücksichtigt wurden.

Die am vom steuerlichen Vertreter unter Berücksichtigung der o.a. aufhebenden Verwaltungsgerichtshofentscheidung beim Bundesfinanzgericht eingebrachten aktuellen Prognoserechnung wurden mit folgenden Berechnungsparamtern erstellt:

Per Jänner 2018 fanden Indexanpassungen statt, sodass für das Jahr 2018 die tatsächlich aktuellen Miete angesetzt wurde. Für die Jahre 2019 ff wurden jeweils eine Indexsteigerung von 2,00% unterstellt. Das entspricht dem von der WKV prognostizierten Verbraucherpreis für die nächsten Jahre.

Bei der Wohnung b erfolgt ab 2018 eine umsatzsteuerfreie Vermietung.

Mieteinnahmen Reparaturfonds: Seit 2016 werden die Reparaturfondsdotierungen nicht mehr den Mietern in Rechnung gestellt.

Leerstand-/Mietausfallsrisiko: Es werden 7,5% der Mieteinnahmen als Leerstand-/Mietausfallsrisiko angesetzt.

Afa Gebäude: Es wird die Afa gemäß dem Anlageverzeichnis angesetzt.

Afa Einrichtung: Es wird die Afa gemäß Anlageverzeichnis angesetzt. Ersatzbeschaffungen durch den Vermieter sind nicht vorgesehen - dies ist Sache der Mieter (z.B. neue Küchengeräte).

Zinsen CHF: Es wird entsprechend der Zinsprognose der UBS bis mit einem Anstieg des 3-Monats-LIBORS auf -,37% kalkuliert. Für die Zeit danach wird mit weiteren moderaten Zinsanstiegen bis auf einen LIBOR-Wert von 1,5% gerechnet (Durchschnittswert der Jahre 2008 bis 2017 = 0,1106%.

Als Umrechnungskurs für den CHF wird 1,15 angesetzt (Durchschnittswert der Jahre 2008 bis 2017 = 1,26747.

Die daraus resultierenden Zinsaufwendungen sind in der Beilage "Zinsentwicklung" dargestellt.

Instandhaltungsaufwand: Es werden im Planungszeitraum 0,5% des Gebäudewertes angesetzt, wobei der Gebäudewert mit € 2.500,00/m² Wohnungsfläche geschätzt wird. Die Instandhaltungskosten werden mit 2,00% indexiert.

Sonstige Kosten: Die sonstigen Kosten werden mit 1,00% der Mieteinnahmen geschätzt. Im Jahr 2018 werden außerdem die Steuerberatungskosten bis 2017 angesetzt, welche tatsächlich zur Abrechnung kommen werden.

Spesen Bankkonto: Es werden € 120,00 jährlich angesetzt, welche mit 2,00% indexiert werden.

Das Bundesfinanzgericht schließt sich diesen Berechnungsparametern bedenkenlos an.

Daraus ergibt sich folgende Prognoserechnung (Zeitraum 2006-2026):


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Mieteinnahmen Wohnung
133.219
Mieteinnahmen Garage
19.167
Mieteinnahmen Reparaturfonds
2.616
Leerstands-/Mietausfallsrisiko
-5.931
Afa Gebäude
-52.672
Afa Einrichtung
-1.917
Zinsen CHF
-56.763
Zinsen WBF
-15.581
Instandhaltungsaufwand
-9.905
Sonstige Kosten
-1.576
Spesen CHF-Darlehen/Mietenkonto
-2.101
Einkünfte kumuliert
8.556

Aufgrund des positiven Ergebnisses der kumulierten Einkünfte stellt die Vermietung eine Eiunkunftsquelle dar und war der Beschwerde stattzugeben, da sich bei einer Betätigung iSd § 1 Abs. 2 LVO die ertragsteuerliche mit der umsatzsteuerlichen Beurteilung deckt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im o.a. Sinne vor. Weiters wird auf das VwGH-Erkenntnis vom 27. November, Ro 2016/15/0007-4, verwiesen.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.1100546.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at