Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.02.2018, RV/7200139/2016

Melatoninhaltiges Erzeugnis - Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneiware

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter V in der Beschwerdesache A GmbH, Adresse1, vertreten durch Rechtsanwälte R, Adresse2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Wien vom , AT 2014/000229, betreffend die Einreihung von "pure encapsulations, Melatonin 3 mg, hypo-allergenic dietariy Supplement, 180 Capsules" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) hat mit schriftlichem Antrag vom beim Zollamt Wien die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (kurz: VZTA) für Melatonin-Kapseln (3 mg) mit dem Einreihungsvorschlag 2106 90 92 60 beantragt.
Die Bf hat dem Antrag u.a. ein Warenmuster und eine Warenbeschreibung angeschlossen.

Die Technischen Untersuchungsanstalt (kurz: TUA) hat das Warenmuster untersucht und zur Untersuchung den (in der mündlichen Verhandlung vorgelegten) Prüfbericht vom , Zahl: 2014/yyy, und den ETOS-Untersuchungsbefund vom , Zahl: yyy/2014, erstellt.

Zum (noch nicht berichtigten) Untersuchungszeugnis der TUA hat die Bf mit Eingabe vom Stellung genommen und sich dabei gegen den Einreihungsvorschlag der TUA im Wesentlichen dahingehend ausgesprochen, dass 
- das Erzeugnis ein Lebensmittel sei;
- ein Arzneimittel nur sein könne, was nicht Lebensmittel sei und umgekehrt;- das gegenständliche Erzeugnis die Legaldefinition des Lebensmittels nach dem Lebensmittelgesetz erfülle;
- es, um ein Produkt als Arzneimittel qualifizieren zu können, erforderlich sei, dessen pharmakologische Eigenschaft produktspezifisch zu prüfen und positiv nachzuweisen.
Die Stellungnahme beschäftigt sich in der Folge noch mit Melatonin in der täglichen Ernährung und mit der gutachtlichen Stellungnahme von B (kurz: C), gerichtlich beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Allgemeine Lebensmittelchemie, Lebensmitteltechnologie, Ernährungsforschung, Biochemie und Agrikulturchemie.

Anzumerken ist an dieser Stelle, dass das Zollamt Wien dem Bundesfinanzgerichtes (kurz: BFG) über Ersuchen mit Schreiben vom  u.a. den "berichtigten" ETOS-Untersuchungsbefund vom , Zahl: yyy/2014, vorgelegt hat.
Der Untersuchungsbefund wurde von der TUA im Hinblick auf die Einreihung ergänzt.
Das Zollamt Wien hat im Bericht noch ausgeführt, dass in Befunden bei Arzneiwaren auf eben dieses Kriterium, ob das Produkt eindeutig bestimmbare therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweist, grundsätzlich hingewiesen werde und dass dies im Befund auch festgehalten werde, im Gegenstand sei dies aber aus unerfindlichen Gründen unterblieben.
Der berichtigte Befund wurde der Bf mit Schreiben des zur Kenntnis gebracht.

Das Zollamt Wien erteilte am der gegenständlichen Ware mit der Handelsbezeichnung "pure encapsulations, Melatonin 3 mg, hypo-allergenic dietary Supplement, 180 Capsules" die VZTA mit der Nummer AT 2014/000229.
In dieser wurde die Ware als Arzneiware, in Form von farblosen Steckkapseln, gefüllt mit einer weißen, feinen, pulverförmigen, nicht alkoholhaltigen Zubereitung auf Basis des arzneilich wirksamen Stoffes Melatonin (Hormon der Zirbeldrüse) und Cellulosefasern; mit therapeutisch / prophylaktischer Wirkung (Melatonin hat eine stabilisierende Wirkung auf das menschliche Nervensystem und dient hauptsächlich zur Behandlung von Schlafstörungen und von Jetlag); aufgemacht in einer cellophanumhüllten, etikettierten, weißen Kunststoffdose mit weißem Schraubverschluss und Innenversiegelung zu 180 Kapseln; kein Ergänzungslebensmittel, beschrieben.
Die Einreihung als Arzneimittel in die Position 3004 der Kombinierte Nomenklatur (kurz: KN) wurde
- mit den Allgemeinen Vorschriften (kurz: AV) für die Auslegung der KN (AV) 1 und 6;
- damit, dass die Anmerkung 1, lit. a zu Kapitel 30 nicht zutrifft;
- mit den Erläuterungen zur KN zu Kapitel 30, Allgemeines, 1. Absatz;
- mit den Erläuterungen HS zu Position 3004;
- mit dem Urteil (richtig: Beschluss) des EuGH Rs C-40/06 vom 9.  Jänner 2007 und
- mit dem Untersuchungsbefund der TUA vom , Zl. yyy/2014,
begründet.

Gegen diese VZTA erhob die Bf mit Schreiben vom in offener Frist den Rechtsbehelf der Beschwerde. Sie begründet ihre Beschwerde zunächst mit wesentlichen Verfahrensmängeln, weil dem Bescheid eine nachvollziehbare Begründung, aufgrund welcher konkreten Erwägungen eine Arzneiware vorliege, fehle und weil er sich nicht mit ihrer Stellungnahme und ihrer Begründung, dass es sich beim Erzeugnis tatsächlich nicht um eine Arzneiware handle, auseinandersetze. Danach wendet die Bf inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ein.

Das Zollamt Wien wies die Beschwerde mit seiner Berufungsvorentscheidung [richtig: Beschwerdevorentscheidung (kurz: BVE)] vom , Zahl: 10000/aaa/2015, als unbegründet ab.

Gegen die BVE hat die Bf mit Schreiben vom in offener Frist den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das BFG gestellt (Vorlageantrag).
Die Bf hat ihr Beschwerdevorbringen ergänzt.

Mit Erkenntnis vom , GZ: RV/bbb/2015, bestätigte das BFG nach Durchführung der von der Bf beantragten mündlichen Verhandlung die zolltarifliche Einreihung des gegenständlichen Erzeugnisses als Arzneiware im Sinne des Kapitels 30 der KN (Pharmazeutische Erzeugnisse).

Der VwGH hat das bekämpfte Erkenntnis des BFG mit seinem Erkenntnis vom , Ra 2016/16/0092, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Gegenstand eines Anrufes des steuerlichen Vertreters der Bf durch das BFG war es im Wesentlichen dem Bf mitzuteilen, dass das BFG beabsichtige zur Sache ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen einzuholen und dass es das Zollamt Wien um die Einholung desselben ersuchen werde.

Das BFG hat in der Folge mit Schreiben vom  das Zollamt Wien ersucht, ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.

Das Zollamt Wien hat dem Ersuchen nicht entsprochen und dem BFG dazu mit Schreiben vom im Wesentlichen mitgeteilt, die Einschaltung eines unabhängigen Sachverständigen werde als nicht notwendig erachtet.
Das Zollamt Wien hat dem Schreiben den bereits erwähnten berichtigten ETOS-Befund angeschlossen.

Das BFG hat danach das Zollamt Wien mit E-Mail vom ersucht, bei der TUA ein Ergänzungsgutachten zum Thema, ob bzw. dass das gegenständliche Erzeugnis eindeutig bestimmbare therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweist, zu erwirken. 

Dem Ersuchen der Bf vom auf Übermittlung eine Aktenstückes hat das BFG mit Schreiben vom entsprochen und im Schreiben eine erste Stellungnahme zum Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens eines öffentlich bestellten gerichtlich beeideten Sachverständigen zur Klärung der Tatsachenfrage, ob der gegenständlichen Ware eine therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft im Sinne der KN zukommt, abgegeben.

Mit Schreiben vom  wurde dem BFG die beim Zollamt Wien angeforderte Stellungnahme der TUA vorgelegt. Die Stellungnahme hat D (kurz: E) erstellt.

Die Bf hat dazu mit Schreiben vom Stellung genommen und der Stellungnahme die Gutachtliche Stellungnahme von F (kurz: G), Diplomchemiker und Assessor d.L., öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Sportlernahrungen und allgemeine diätische Lebensmittel vorgelegt. 

Vom BFG wurde dem Zollamt Wien und der TUA die Möglichkeit eröffnet, auf die Stellungnahme der Bf und zum Gutachten G zu replizieren.

Das Zollamt Wien und die TUA haben mit Schreiben vom bzw. mit Schreiben vom repliziert.

Auch die Replik des Zollamtes Wien und der TUA wurden der Bf im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Die Bf hat dazu mit Schreiben vom ergänzend Stellung genommen.

Der Inhalt dieser Stellungnahme wurde in der am fortgesetzten mündlichen Verhandlung erörtert. Vom BFG wurde zunächst ergänzend zum Sachverhalt berichtet und danach mit den Parteien des behördlichen und und gerichtlichen Verfahrens das Einvernehmen dahingehend erzielt, dass für die Beantwortung der Frage der Einreihung des Erzeugnisses aus der Sicht des behebenden Erkenntnisses des VwGH vom BFG im fortgesetzten Verfahren auf fachlicher Ebene in einem Beweisverfahren festzustellen ist, ob bzw. dass das Erzeugnisse eindeutig bestimmbare therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweist, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert und ob bzw. dass sie zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können bzw. mit welcher Dosierung die ausschlaggebende therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft erreicht wird.

Da die TUA im Ergebnis auch in der mündlichen Verhandlung nicht begründet habe, warum Melatonin als Inhaltsstoff eines Produktes, das in vergleichbaren Dosierungen auch in der alltäglichen Ernährung vorkomme, eine Arzneiware mit therapeutischer oder prophylaktischer Wirkung zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit sein soll, hat die Bf ihre bisherigen Anträge vollinhaltlich aufrecht erhalten.

Der Vertreter der Bf hat in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Nachfrage durch das BFG noch angekündigt, er werde dem BFG die in der Warenbeschreibung erwähnten Studien vorlegen, hat diese aber nach einer entsprechenden Erinnerung daran dem BFG jedoch nicht vorgelegt.

Beweiswürdigung

Das BFG gründet den festgestellten und in freier Würdigung als erwiesen angenommenen Sachverhalt auf den Inhalt der vom Zollamt Wien vorgelegten Abgabenakten,  auf die im Rechtszug in den diversen Vorbringen beider Parteien festgehaltenen Standpunkte, auf die vorgelegten Gutachten und Unterlagen, auf die in den Vorbringen festgehaltenen Rechtsmeinungen bzw. Stellungnahmen zum Sachverhalt, auf die Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahren in der mündlichen Verhandlung sowie auf die Ausführungen der Auskunftsperson.

Rechtslage

Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom , mit in Kraft getreten, regelt die KN.

Die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN legen Grundsätze für die Einreihung von Waren in die KN fest. Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2b oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird nach Z 3 wie folgt verfahren:
a. Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht, werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.
b. Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3a nicht eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.
c. Ist die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3a und 3b nicht möglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen im Warenverzeichnis zuletzt genannte Position zugewiesen.

Unter KN-Code 2106 sind Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen, geregelt.

Nach der Anmerkung Z 1 lit. f gehören zu Kapitel 21 nicht Hefen, als Arzneiwaren aufgemacht, und andere Waren der Position 3003 und 3004.

Kapitel 30 der KN erfasst pharmazeutische Erzeugnisse.

Zum KN-Code 3004 zählen Arzneiwaren (ausgenommen Erzeugnisse der Positionen 3002, 3005 oder 3006), die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen  der prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert (einschließlich solcher, die über die Haut verabreicht werden) oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf.

Unter KN-Code 30043900 fallen andere Arzneiwaren, Hormone oder andere Erzeugnisse der Position 2937 enthaltend; andere.

Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das BFG - außer in den Fällen des § 278 -  immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.   

Erwägungen

A) Zum Beweisverfahren in Abgabensachen:

Zum Beweismaß in Abgabensachen ist festzuhalten, dass in Abgabensachen die größere Wahrscheinlichkeit genügt. Es genügt im Rahmen der einer Behörde nach § 167 Abs. 2 BAO (dem BFG nach § 167 Abs. 2 iVm § 269 Abs. 2 BAO) zukommenden freien Überzeugung von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (ständige Rechtsprechung; z.B. oder ; vgl. auch Ritz, BAO6, § 167, Rz 8 ff und die dort wiedergegebene Rechtsprechung).

Als Beweismittel kommt im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist (§ 166 BA).

Die von der Bf vorgelegten Gutachten und das vom BFG bei der TUA über das Zollamt Wien eingeholte Gutachten sind Beweismittel, die dem BFG neben anderen Beweismitteln zur Verfügung stehen.

Das BFG hatte unter insbesondere sorgfältiger Berücksichtigung aller Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung in Beachtung der vom BFG auf fachlicher Ebene eingeholten und auf fachlicher Ebene von der Bf vorgelegten Gutachten sowie dem BFG sonst zur Verfügung stehenden Beweismittel zu beurteilen, ob  das gegenständliche Erzeugnisse eindeutig bestimmbare therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweist, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert und ob sie zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können bzw. mit welcher Dosierung die ausschlaggebende therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft erreicht wird.

Den fachlichen Ausführungen des Gutachtens der TUA war - im Zusammenhang mit dem Inhalt der Stellungnahmen, den Repliken und den Angaben der zur Wahrheit und an den Diensteid erinnerten Auskunftsperson E i n der fortgesetzten mündlichen Verhandlung - gegenüber den fachlichen Ausführungen in den von der Bf vorgelegten Gutachten C und G - im Zusammenhang mit den Ausführungen der Bf im Rechtszug und in der mündlichen Verhandlung, vom BFG im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung der Vorzug zu gegeben.
Diesbezüglich darf auf die weiter unten stehende Begründung zur Einreihung der Ware "pure encapsualtions, Melatonin 3 mg, 180 Capsules" in die Position 3004 der KN verwiesen werden.

Aussagen von Sachverständigen haben grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert. Zwischen dem Gutachten eines Amtssachverständigen und dem eines Privatsachverständigen besteht kein verfahrensrechtlicher Wertunterschied. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kommt weder öffentlich bestellten Sachverständigen noch Amtssachverständigen eine erhöhter Beweiswert zu (vgl. dazu Ra  2017/03/0014). 

Stützt eine Abgabenbehörde ihre Entscheidung auf die gutachtliche Äußerung der TUA, so handelt es sich dabei um keinen Sachverständigenbeweis, weil die TUA bzw. ihre Bediensteten als Sachverständige nicht öffentlich bestellt sind. Die gutachtliche Äußerung des nicht öffentlich bestellten Amtssachverständigen ist vielmehr unmittelbar der Behörde zuzurechnen, von ihr zu vertreten und zu verantworten, als wäre sie es, der die fachliche Kompetenz zu Eigen ist und die die entsprechenden fachkundigen Feststellungen und Folgerung zu treffen vermag (; ; Hinweise auch in Stoll, BAO-Kommentar, S 1860).

Das Gutachten eines Sachverständigen bzw. eines Amtssachverständigen besteht in der "fachlichen Beurteilung" von Tatsachen. Die Aufgabe eines Gutachters ist darin zu sehen, der entscheidenden Behörde (dem entscheidenden Gericht) auf Grund besonderer Fachkenntnisse die Entscheidungsgrundlage im Rahmen des maßgebenden Sachverhaltes zu liefern. Die Mitwirkung bei der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durch den Sachverständigen bzw. Amtssachverständigen besteht darin, dass ein solcher Tatsachen erhebt und aus diesen Tatsachen auf Grund "besonderer Fachkundigkeit" Schlussfolgerungen zieht. Der Sachverständige bzw. Amtssachverständige hat somit Tatsachen klarzustellen und auf Grund seiner Sachkenntnisse deren allfällige Ursachen oder Wirkungen festzustellen; er muss aber immer im Bereich der Tatsachen bleiben und darf nicht Rechtsfragen lösen. Jedes Sachverständigengutachten unterliegt erst in weiterer Folge der freien Beweiswürdigung durch die Behörde (ständige Rechtsprechung des VwGH, zuletzt vom Ra  2016/09/0091).

B) Zum Vorbringen betreffend die Einholung eines Gutachtens eines öffentlich bestellten gerichtlich beeideten Sachverständigen:

Im Schreiben vom beantragte die Bf dass es, um die gegenständliche Tatsachenfrage der therapeutischen oder prophylaktischen Eigenschaft des Erzeugnisses im Sinne der KN auf fachlicher Ebene durch einen unabhängigen Experten zu klären, der Einholung eines Gutachtens durch einen öffentliche bestellten gerichtlich beeideten Sachverständigen bedürfe, zumal die TUA den für eine Entscheidung wesentlichen Sachverhalt nicht auf gleicher fachlicher Ebene zu beurteilen vermöge und als dem Bundesministerium für Finanzen beigeordnete Dienststelle in dieser Angelegenheit nicht unvoreingenommen sei. Die Beiziehung der TUA als öffentlich bestellter Sachverständiger komme daher nicht in Betracht. 

In der mündlichen Verhandlung hat die Bf diesen Antrag im Wesentlichen wiederholt und beantragt, das BFG möge ein Gutachten durch einen öffentlich bestellten gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem Bereich der pharmazeutischen Chemie oder Lebensmittelchemie zur Klärung der Tatsachenfrage, ob der Ware "pure encapsualtions, Melatonin 3 mg, 180 Capsules" eine therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft im Sinne der KN zukommt, einholen.

Das BFG hat auch dem zuletzt genannten Antrag der Bf - dies unter dem Hinweis auf den Inhalt des Schreibens vom  - nicht entsprochen und dies damit begründet, dass der VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2016/16/0092, ausgeführt hat, dass nach seiner Rechtsprechung ein Sachverständigenbeweis im Sinne des § 177 Abs. 2 BAO nur notwendig ist, wenn die Behörde nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse verfügt oder sich die Kenntnisse anderweitig aneignen kann.

Das BFG hat in der Sache zunächst das Zollamt Wien mit Schreiben vom ersucht, ein entsprechendes Gutachten in Auftrag zu geben.

Das Zollamt Wien hat dem BFG dazu mit Schreiben vom  mitgeteilt, es erachte die Erstellung eines Gutachtens als nicht notwendig. Es werde in Befunden bei Arzneiwaren auf das Kriterium, ob das Produkt eindeutig bestimmbare therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweist, hingewiesen. Dies sei im gegenständlichen Untersuchungsbefund auch festgehalten worden. Im ETOS-Untersuchungsbefund sei dies jedoch aus unerklärlichen Gründen unterblieben. 
Die TUA sei ein akkreditiertes und zertifiziertes Labor, das als einziges Labor in Österreich Untersuchungen im Sinne der zolltariflichen Kriterien durchführe. Es sei als solches in der Lage festzustellen, ob bzw. dass ein Produkt eindeutig bestimmbare therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweist.

Zum Ersuchen - nicht Auftrag - des an das Zollamt Wien ist zu bemerken, dass das BFG gegenüber Zollämtern keine Weisungsbefugnis hat, weshalb das Vorbringen des Zollamtes Wien, einen Sachverständigen nicht zu beauftragen, vom BFG zur Kenntnis zu nehmen ist. 

Ein Sachverständigenbeweis ist "nur notwendig", wenn die Behörde nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse verfügt. Eine Abgabenbehörde ist grundsätzlich befugt, ihr eigenes Fachwissen zu verwerten (vgl. Ritz, BAO6, § 177, Rz 5 und die dort zitierte Judikatur des VwGH).

Steht einem Zollamt ein unabhängiger und unbefangener amtlicher Sachverständiger zu der seiner Auffassung nach erforderlichen Beantwortung von Fachfragen zur Verfügung, so ist die Heranziehung von nichtamtlichen Sachverständigen also nicht notwendig.

Dem Zollamt Wien und dem BFG seht mit der TUA ein unabhängiger und unbefangener amtlicher Sachverständiger zur Beantwortung der im Gegenstand zu lösenden Fachfragen zur Verfügung.

Dass der TUA die fachliche Kompetenz bzw. eine "besondere Fachkundigkeit", die Tatsachenfrage, ob der Ware "pure encapsualtions, Melatonin 3 mg, 180 Capsules" eine therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft im Sinne der KN zukommt, zu klären zu Eigen ist, ergibt sich einerseits daraus, dass es sich bei der TUA um ein akkreditiertes und zertifiziertes Labor handelt, das als einziges Labor in Österreich Untersuchungen im Sinne der zolltariflichen Kriterien durchführt. Es ist als solches ohne berechtigte Zweifel in der Lage festzustellen, ob ein Wirkstoff in einem Produkt therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften im Sinne des Zolltarifes aufweist. Die akademischen Mitarbeiter der TUA sind zudem gerade für solche Fälle besonders geschult.

Die  Befragung des zur Wahrheit ermahnten und an den Diensteid erinnerten E, der als Synthesechemiker der TUA mit einer achtzehnjährigen Erfahrung hauptsächlich im Bereich der Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln die Einreihung des gegenständlichen Erzeugnisses  bei der TUA überwacht hat, anlässlich der mündlichen Verhandlung am als Auskunftsperson, hat gezeigt, dass die akademischen Mitarbeiter der TUA tatsächlich gerade für solche Fälle besonders geschult und auch in der Lage sind, neben der fachlichen Seite auch die rechtliche des Zollrechts (Tarifs) einzuschätzen und zu beurteilen.

Das Vorbringen, dass der TUA die für ein Fachgutachten erforderlichen Kenntnisse, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt auf gleicher fachlicher Ebene wie ein gerichtlich beeideter Sachverständiger zu beurteilen, fehlen würden, kann sohin nicht überzeugen.

Nicht zuletzt hat der steuerliche Vertreter der Bf in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage durch das BFG bestätigt, dass E als akademischer Mitarbeiter der TUA in der Lage ist, den für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt auf gleicher fachlicher Ebene zu beurteilen.

Für das Vorbringen, die TUA wäre als dem Bundesministerium für Finanzen beigeordnete Dienststelle in dieser Angelegenheit nicht unvoreingenommen gewesen, gibt es im Aktengeschehen keine Anhaltspunkte.

Der VwGH hat schon wiederholt festgehalten, dass Amtssachverständige für die Richtigkeit des Gutachtens alleine verantwortlich sind und dass eine Ausübung dieser Funktion unter strafrechtlich sanktionierter Wahrheitspflicht steht, gegen die im Hinblick auf Art. 20 B-VG das Weisungsrecht nicht durchzudringen vermag (vgl. etwa ).

Damit ist nachvollziehbar dargestellt, dass ein Sachverständigenbeweis eines öffentliche bestellten Sachverständigen nicht notwendig war, weil sich das Zollamt Wien und das BFG die erforderlichen Kenntnisse ihnen zurechenbar bei der TUA einholen konnten.

C) Zur Bewertung des Erzeugnisses aus der Sicht des Gutachtens C, des Gutachtens G, der Bf und aus der Sicht des Zollamtes Wien bzw. der TUA:

Das Gutachten C kommt zusammengefasst zum Ergebnis, dass
- der Nachweis einer pharmakologischen Wirkung nicht vorliege und dass die Einordnung als Arzneimittel daher unrichtig sei;
-  Melatonin - zumindest in der hier vorliegenden Tagesdosierung - ein Bestandteil von gängigen Lebensmitteln sei, der mit der üblichen Nahrung aufgenommen werde und daher auch deswegen kein Arzneimittel sein könne.

Die TUA kommt in ihrem Gutachten vom  im Wesentlichen zum Schluss,
- dass für die Einreihung die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif grundlegend sei;
- dass die grundlegende Entscheidung für eine Einreihung im entsprechenden Positionstext liege;
- dass sich das Kapitel 30 der KN auf Pharmazeutische Zubereitungen beziehe und dass die in Frage kommende Unterposition 3004 festlegt:
Arzneiwaren (ausgenommen Erzeugnisse der Position 3002, 3005 oder 3006), die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert (einschließlich solcher, die über die Haut verabreicht werden) oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf;
- dass es hierbei wichtig sei, dass im Wesentlichen eine dosierte Zubereitung vorliegt, die therapeutischen und prophylaktischen Zwecken diene
- dass im Klinische Wörterbuch Pschyrembel therapeutisch mit die Behandlung betreffend übersetzt und dass Prophylaxe in derselben Primärliteratur als Verhütung von Krankheiten und Verbeugung definiert werde;
- dass Schlafstörungen in der von der WHO herausgegebenen Liste ICD-10 (International Classification of Disorders, WHO, 1993) unter G47 als anerkannte Krankheiten gelistet seien;
- dass eine Zubereitung im Sinne des Zolltarifs, die solche Störungen behandelt oder als Vorbeugung dient, daher als Pharmazeutische Zubereitung im Sinne des Positionstextes der Unterposition 3004 behandelt werde;
- dass die TUA Ihre Gutachten auf die Regelungen des ZK und der ZK-DVO basiere;
- dass alle nationalen gesetzlichen Grundlagen - wie das Lebensmittelrecht bzw. die Registrierung von nationalen Arzneimitteln betreffend - als Informationsquelle dienen können, in zollrechtlicher Hinsicht aber irrelevant seien;
- dass die TUA für Ihre Gutachten internationale anerkannte Fachliteratur zur Beurteilung heranziehe (im vorliegenden Fall seien Literaturverweise zu Beurteilung herangezogen worden;)
- dass nach der zitierten Fachliteratur
a) Melatonin bei Vertebraten während der Nacht von der Epiphyse, einer kleinen endokrinen Drüse im Zentrum des Gehirns, produziert werde;
b) dass bei Tieren die Sekretion des Hormons Melatonin in der Dunkelheit zu- und unter Lichtexposition abnehme. Damit steuere Melatonin den täglichen Tag-Nacht-Cyclus und ermögliche somit den circadianen Rhythmus einer Reihe biologischer Funktionen, unter anderem des Schlaf-Wach-Cyclus.
- dass das circadiane Profil der Melatonin-Synthese von der wechselnden Zeitdauer der Nacht in Winter und Sommer beeinflusst sei. Viele Tiere würden die Unterschiede der Dauer der täglichen Melatonin-Produktion als ein jahreszeitliches Taktsignal nutzen, das photoperiodische Funktionen steuere wie beispielsweise Fell- bzw. Gefiederwachstum und Fortpflanzung;
- dass Melatonin auch ein starker Radikalfänger und ein wirkungsvolles Antioxidans sei;
- dass viele biologische Auswirkungen von Melatonin durch die Bindung an den Melatonin-Rezeptor und damit dessen Aktivierung vermittelt würden;
- dass Melatonin-Rezeptoren im Gehirn und in der Retina nachgewiesen worden seien;
- dass andere biologische Effekte aufgrund der Rolle von Melatonin als Antioxidans erklärbar seien;
- dass aufgrund der Steuerung des circadianen Rhythmus Melatonin für die nächtliche Absenkung der Körpertemperatur und die Einleitung des Schlafs mitverantwortlich sei, sodass es bei Schlafrhythmusstörungen verwendet werde;
- dass die Einnahme von Melatonin auch den Jetlag bei Flugreisen ausgleiche.
Zusätzlich wurde in der Stellungnahme festgehalten, dass Melatonin nach Ansicht des Bundesinstitutes für Risikobewertung in Deutschland (kurz: BfR) als Substanz mit pharmakologischer Wirkung nicht als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig sei und grundsätzlich nur auf ärztlichen Rat hin eingenommen werden sollte.
Geringe Mengen von z.B. 0,1 mg Melatonin würden den Plasmaspiegel bereits in einem Maß, wie er durch das körpereigene Hormon als Spitzenspiegel in der Nacht erreicht wird, erhöhen. Schon solche Plasmawerte könnten schlaffördernd wirken und zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit führen.
Die Europäische Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) habe 2007 Circadin® zugelassen, ein verschreibungspflichtiges Medikament mit einer Formulierung mit verlängerter Freisetzung, das als wirksamen Inhaltsstoff 2 mg Melatonin enthält. Circadin® dürfe befristet für die Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werden, die durch eine schlechte Schlafqualität charakterisiert sind. Die Behandlung darf dabei die Dauer von dreizehn Wochen nicht überschreiten und sei auf Patienten mit einem Alter von mindestens fünfundfünfzig Jahren beschränkt.
Auf Grund dieser Informationen hat die TUA beurteilt, dass Melatonin als Hormon in der Literatur referenzierte therapeutische oder prophylaktische Wirkung hat.
Per se sei - so die TUA weiter - bereits die Bezeichnung und die Einreihung des Reinstoffes Melatonin für die Einreihung entsprechender Zubereitungen richtungsweisend.
Im Europäischen Zollinventar chemischer Substanzen, ECICS (European Customs Inventory of Chemical Substances) wird Melatonin der Position 29379000 als anderes Hormon im Sinne des Zolltarifs zugewiesen.
Hormone seien Wirkstoffe zu Steuerung biochemischer Prozesse im Organismus und hätten daher im entsprechenden Anwendungsfeld in jedem Fall therapeutisch prophylaktischen Zweck.
Zuletzt wurde von der TUA noch darauf hingewiesen, dass bei einer möglichen Einreihung einer Zubereitung in die Position 2106 oder in die Position 3004 die legal bindende Abschnittsanmerkung VI anzuwenden sei. Das bedeute, dass 3004 eine bevorzugte Position ist, die zu benutzen sei, wenn beide Positionen möglich sind.
Von der TUA werde das Erzeugnis daher in die Position 3004 3900 00 V999 eingereiht.

Dazu hat die Bf mit Schreiben vom Stellung genommen. Angesichts des Umstandes, dass eine umfassende wissenschaftliche Erörterung der Wirkungsweise von Melatonin durch die zolltarifliche Beurteilung der TUA nicht erfolgt sei, habe sie ihrerseits die gutachtliche Stellungnahme G zur zolltariflichen Einordnung melatoninhaltiger Produkte eingeholt. Die Stellungnahme werde insbesondere zur Entkräftung der zolltariflichen Beurteilung der TUA vorgelegt.
Zusammengefasst hat die Bf gemeint,
- dass Melatonin ein in Pflanzen und Tieren vorkommender Stoff sei, der über Lebensmittel der täglichen Ernährung und damit auf natürlichem Wege (Pistazien, Steinpilze, Weintrauben) im Ausmaß von mehr als 3 mg täglich - das entspreche der im hier gegenständlichen Produkt enthaltenen Dosierung - zugeführt werden könne;
- dass für Melatonin zahlreiche unterschiedliche Ernährungs-Nutzwirkungen nachgewiesen seien. Aufgrund seiner Positionierung und Verzehrempfehlung handle es sich beim gegenständlichen Erzeugnis nach gutachtlicher Einschätzung um ein geradezu typisches Nahrungsergänzungsmittel zur Verwendung durch in der Regel gesunde Personen und daher nicht um ein therapeutisch oder prophylaktisch wirksames Produkt;
- dass daran die Arzneimittelzulassung für das Produkt Circadin® nichts ändere, zumal es sich bei Circadin® um ein wirkungsschwaches Arzneimittel handle, das Melatonin ebenfalls in einer Dosis zuführe, die auch über die normale tägliche Ernährung aufgenommen werden könne. Die Wirkung von Melatonin in der hier gegenständlichen Dosierung gehe somit nicht über das rein Physiologische hinaus, was wiederum die Unterstellung einer therapeutischen oder prophylaktischen Wirkung geradezu ausschließe;
- dass die Produktaufmachung weder eine therapeutische noch eine prophylaktische Zweckbestimmung enthalte, noch werde suggeriert, dass es für die Behandlung von Personen mit krankhaften Beschwerden oder zur Vorbeugung einer Krankheit gedacht oder geeignet wäre. Mangels einer wissenschaftlich nachgewiesenen therapeutischen oder prophylaktischen Eigenschaft und mangels einer darauf gerichteten Zweckbestimmung oder Auslobung des Produktes scheide eine Tarifierung unter die Position 3004 der KN aus.
Die Bf hat der Replik nochmals die bereits mit der Stellungnahme vom vorgelegten VZTAs in Kopie und eine Zusammenfassung des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichtes (EMA/272803/2010) für Circadin® vorgelegt, in dem erläutert wird, wie der Ausschuss für Humanarzneimittel das Arzneimittel beurteilt hat, um zu seinem befürwortenden Gutachten zur Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen und zu seinen Empfehlungen zu den Anwendungsbedingungen für Circadin®zu gelangen.

Das Gutachten G bezieht sich zunächst auf den Anlass desselben und nimmt danach zur natürlichen Herkunft von Melatonin und zum Ernährungsnutzen von Melatonin Stellung. Danach wird das einzugruppierende Lebensmittel kurz beschrieben. Schließlich äußerst sich das Gutachten auch noch zur Frage der Einstufung der Ware als Arzneiware nach der Tarifnummer 3004 9000 der KN bzw. als Lebensmittel-Zubereitung nach der Tarifnummer 2106 9092 oder 2106 9098 der KN um sich abschließend zur Zulassung des vorgeblichen Arzneimittels Circadin® und zur Frage des Vorranges der Position 3004 gegenüber anderen Positionen zu äußern.
Zusammengefasst kommt das Gutachten G zum Schluss:
Aus gutachterlicher Sicht sei festzustellen, dass eine Tarifierung des fertigen Produktes als Arzneiware nach 3004 ausscheide, weil es als EU-Nahrungsergänzungsmittel weder pharmakologischen Zwecken diene, noch der Prohylaxe von Krankheitszuständen.
Das Produkt erfülle die Merkmale einer Lebensmittel-Zubereitung und sei anderweitig nicht erfasst. Aufgrund des fehlenden Gehaltes an Kohlehydraten (Zucker, Stärke) komme nur noch eine Tarifierung nach der Tarifnummer 21069092 in Betracht.
Die Vorrangregel für die Tarifierung nach der Position 3004 komme nicht in Betracht, da dem Produkt unter Berücksichtigung der mit der EU-Health-Claim-Zulassung konformen deutschsprachigen Deklaration die erforderlichen Merkmale für eine Arzneiware nach der Position 3004 fehlen würden.
Melatonin sei eine ambivalente Zutat, die nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand einer Vielzahl von bedeutsamen Ernährungszwecken dienen könne und nach der EU-Arzneizulassung auch arzneilichen Zwecken dienen können soll.
Bei ambivalenten Zutaten sei ausschließlich auf das konkrete Produkt abzustellen und nicht darauf, ob mit dem gleichen Inhaltsstoff auch eine pharmakologische Zweckbestimmung möglich wäre.
Hinzu komme der allgemeine Grundsatz des EuGH, den der BFH derart praktiziere, dass ein ordnungsgemäß als Nahrungsergänzungsmittel vertriebenes Produkt vom verständigen und informierten Verbraucher nicht als Arzneimittel gesehen werde.
Somit sei das vorliegende Supplement ein zulässiges Nahrungsergänzungsmittel und zolltariflich in der Europäischen Union nach 2106 9092 zu tarifieren.

Vom BFG wurde dem Zollamt Wien und der TUA die Möglichkeit eröffnet, auf diese Stellungnahme und auf das Gutachten G zu replizieren.

Das Zollamt Wien hat dies mit seinem Schreiben vom getan, die TUA mit ihrem Schreiben vom .

In der mündlichen Verhandlung des fortgesetzten Verfahrens vom wurde vom BFG zunächst ergänzend zum Sachverhalt berichtet. Danach wurde mit den Parteien das Einvernehmen dahingehend erzielt, dass für die Beantwortung der Frage der Einreihung aus der Sicht des behebenden Erkenntnisses des VwGH vom BFG auf fachlicher Ebene in einem Beweisverfahren festzustellen ist, ob bzw. dass das Erzeugnis eindeutig bestimmbare therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweist, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert und ob bzw. dass sie zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können bzw. dass Angaben zur Dosierung fehlen, mit der die ausschlaggebende therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft erreicht wird.
E wurde als Auskunftsperson zunächst zu seiner Person, zu seinem beruflichen Werdegang und zu seiner Spezialausbildung, zu den Aufgaben der TUA als zertifiziertes Labor, zu seinem Aufgabenbereich in der TUA und zur Schulung der akademischen Mitarbeiter befragt; danach ausführlich zur Sache selbst.
Der Vertreter der Bf hat über Ersuchen durch das BFG den Inhalt seiner Erwiderung im Schreiben vom 18. Oktober auf die Replik des Zollamtes und der TUA zusammengefasst vorgetragen und das Vorgetragene zur Erörterung gestellt.

D) Zur Einreihung der Ware "pure encapsualtions, Melatonin 3 mg, 180 Capsules" in die Position 3004 der KN:

Der VwGH hat im behebenden Erkenntnis zunächst darauf, dass Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif in der geltenden Fassung, der die KN regelt, und danach auf die Allgemeinen Vorschriften zur Auslegung der KN verwiesen.

Der VwGH hat dem BFG aufgetragen, auf fachlicher Ebene in einem Beweisverfahren festzustellen ist, ob bzw. dass das Erzeugnisse eindeutig bestimmbare therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweist, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert und ob bzw. dass sie zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können bzw. dass Angaben zur Dosierung fehlen, mit der die ausschlaggebende therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft erreicht wird.

Das BFG legt seiner Entscheidung den nun "berichtigten" ETOS-Untersuchungsbefund yyy/2014 der TUA vom  zugrunde. Dieser beschreibt einerseits die Ware und kommt andererseits zu folgendem Untersuchungsergebnis:
"Aufgrund der Analysen in Verbindung mit den Angaben des Herstellers, handelt es sich um eine Zubereitung auf der Basis von Arzneiwirkstoff Melatonin (Hormon) und Cellulosefasern. Die Kapsel besteht aus einem Cellulosederivat."

Der Untersuchungsbefund schlägt als zolltarifliche Einreihung vor: 
"Andere Arzneiware, dosiert, in Aufmachung für den Einzelverkauf, Hormone oder andere Erzeugnisse der Position 2937 enthaltend.
Die Dosierung des Wirkstoffes Melatonin hat im Sinne des Zolltarifs die im Positionstext zu 3004 geforderte therapeutisch prophylaktische Wirkung.
Tarifierungsvorschlag: 3004 3900 00 V999".

Der berichtigte Untersuchungsbefund der TUA beschränkt sich nun nicht mehr auf die Beschreibung der Ware, sondern beinhaltet nun auch die zu beantwortenden Tatsachenfragen für die Einreihung eine nachvollziehbaren Aussage über therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften der Ware auf fachlicher Ebene.

Eine "fachlichen Beurteilung" von Tatsachen besteht darin, dass solche zunächst von Sachverständigen erhoben werden und dass diese daraus auf Grund einer besonderen Fachkundigkeit Schlussfolgerungen ziehen. Aufgrund der besonderer Fachkundigkeit sind Tatsachen klarzustellen und auf Grund von Sachkenntnissen allfällige Ursachen oder Wirkungen festzustellen. Eine fachliche Beurteilung ist demnach die fachmännische Beurteilung von Tatsachen.

Die fachliche Beurteilung unterliegt in der weitern Folge der freien Beweiswürdigung durch die Behörde (durch das Gericht). Aus fachkundigen Beurteilungen gezogenen Befunde sind auf deren Schlüssigkeit zu prüfen.

Die fachliche Beurteilung erfolgte in einem Beweisverfahren. Im Rechtszug und zuletzt in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung war Gelegenheit, in einem kontradiktorischen Verfahren Rechtsmeinungen und Beurteilungen des Sachverhaltes auszutauschen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist nach den Allgemeinen Vorschriften über die Auslegung der KN für die Einreihung der Waren der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln maßgebend, während die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise sind.

Im Interesse der Rechtssicherheit und der leichteren Nachprüfbarkeit ist das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu ihren Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind.

Die von der Kommission ausgearbeiteten Erläuterungen zur KN sind ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der Tragweite der einzelnen Tarifpositionen.

Der Verwendungszweck der Ware kann ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er der Ware innewohnt, was sich an Hand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lassen muss.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist für die Einreihung eines Erzeugnisses in Kapitel 30 der KN zu prüfen, ob diese eindeutig bestimmbare therapeutische und prophylaktische Eigenschaften aufweisen, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert, und ob sie zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können. Auch wenn das betroffene Erzeugnis keine eigene therapeutische Wirkung hat, aber bei der Verhütung oder Behandlung einer Krankheit und eines Leidens Anwendung findet, ist es als zu therapeutischen Zwecken zubereitet anzusehen, sofern es eigens für diese Verwendung bestimmt ist.

Der Begriff "pharmazeutisches Erzeugnis" im Sinne der KN unterscheidet sich tatsächlich vom Begriff "Arzneimittel". Der Umstand, dass ein Erzeugnis in einem Mitgliedstaat als Lebensmittel qualifiziert wird, kann es nicht ausschließen, dass es in einem anderen Staat als Arzneimittel qualifiziert wird, wenn es die Merkmale eines solchen aufweist.

Es ist unverzichtbar, dass die KN und jede andere Nomenklatur, die ganz oder teilweise auf dieser beruht, in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewandt wird. Die Bestimmungen der KN müssen somit von allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise ausgelegt werden.

Der Umstand, dass Erzeugnisse in einem Mitgliedstaat als Arzneimittel betrachtet werden, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie deswegen als pharmazeutische Erzeugnisse in die KN einzureihen sind.

Das gleiche gilt hinsichtlich der Bedeutung der Bezeichnung eines Erzeugnisses für seine Tarifierung nach der KN. Zwar ist die Bezeichnung nach der Rechtsprechung des EUGH ein Indiz dafür, dass die betreffenden Erzeugnisse Arzneimittel sind, doch ist  das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren nach der KN grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Position der KN festgelegt sind.

Ein pharmazeutisches Erzeugnis im Sinne der Position 3004 der KN ist ein solches, das genau umschriebene therapeutische und vor allem prophylaktische Eigenschaften aufweist und dessen Wirkung auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert ist. 

Daher ist zu prüfen, ob das fraglichen Erzeugnis therapeutische und prophylaktische Eigenschaften aufweisen und ob sie insbesondere zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können.

Zur Einreihung der gegenständlichen Melatonin-Kapseln unter die Position 3004 der KN ist anzumerken, dass "Arzneiwaren" im Sinne dieser Position Erzeugnisse sind, die zum einen genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweisen und deren Wirkung auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert sind, zum anderen, dass die Darbietung solcher Erzeugnisse in dosierter Form oder ihre Aufmachung für den Einzelverkauf, wie schon aus dem Wortlaut der Position 3004 hervorgeht, eine Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist.

Ausgehend von diesen gerafft wiedergegebenen Ausführungen des VwGH im behebenden Erkenntnis soll nun erwogen werden, warum die Ware mit der Handelsbezeichnung "pure encapsulations, Melatonin 3 mg, hypo-allergenic dietary Supplement, 180 Capsules" in die Position 3004 des KN tarifiert.

Unter KN-Code 2106 sind Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen, geregelt.

Nach der Anmerkung Z 1 lit. f gehören zu Kapitel 21 nicht [...] Waren der Position 3003 und 3004. 

Unter das Kapitel 30 der KN fallen Pharmazeutische Erzeugnisse, unter die Position 3004 Arzneiwaren.

Zum KN-Code 3004 zählen Arzneiwaren (ausgenommen Erzeugnisse der Position 3002, 3005 oder 3006), die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnisse zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert (einschließlich solcher, die über die Haut verabreicht werden) oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf. 

Der Begriff "Pharmazeutisches Erzeugnis" im Sinne der KN unterscheidet sich tatsächlich vom Begriff "Arzneimittel". Der Begriff Arzneiware greift wesentlich weiter als jener nach dem Arzneimittelrecht, weil Arzneimittel aus zolltarifarischer Sicht nur eine einzige Restriktion, nämlich den Positionstext an sich haben.

Bei einer möglichen Einreihung einer Zubereitung in die Position 2106 oder in die Position 3004 ist zudem die legal bindende Abschnittsanmerkung VI anzuwenden.
"Abschnitt VI
Erzeugnisse der chemischen Industrie und verwandter Industrien
2. Vorbehaltlich der Anmerkung 1 sind Waren, die wegen ihrer Dosierung oder wegen Ihrer Aufmachung für den Einzelverkauf zu einer der Positionen 3004, 3005, 3006, 3212, 3303, 3304, 3305, 3306, 3307, 3506, 3707 oder 3808 gehören können, dieser Position zuzuweisen, auch wenn andere Positionen der Nomenklatur in Betracht kommen."

Das bedeutet, dass 3004 eine bevorzugte Position ist, die - ohne dass daran berechtigte Zweifel bestehen - zu benutzen ist, wenn beide Positionen möglich sind.

Das diesbezügliche Vorbringen im Gutachten G, d ie Vorrangregel für die Tarifierung nach der Position 3004 komme nicht in Betracht, da dem Produkt unter Berücksichtigung der mit der EU-Health-Claim-Zulassung konformen deutschsprachigen Deklaration die erforderlichen Merkmale für eine Arzneiware nach der Position 3004 fehlen würden, konnte nicht überzeugen, zumal im Interesse der Rechtssicherheit und der leichteren Nachprüfbarkeit  das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu ihren Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Dass dabei auf eine mit der EU-Health-Claim-Zulassung konforme deutschsprachige Deklaration der erforderlichen Merkmale für eine Arzneiware nach der Position 3004 zu achten ist, ist nicht Teil des Wortlautes der Position.

Unter den KN-Code 30043900 fallen andere Arzneiwaren, Hormone oder andere Erzeugnisse der Position 2937 enthaltend.

Das Erzeugnis wird unbestritten in Form von Kapseln für den Einzelverkauf aufgemacht verkauft, wobei jede Kapsel einer Tagesdosis entspricht.

Von der TUA wurde das Erzeugnis nach dem gebräuchlichsten Verfahren untersucht und wurden bei der Untersuchung die Inhaltsstoffe des Erzeugnisses, vor allem Füllstoffe und das einreichungsrelevante Melatonin nach zolltariflichen Kriterien festgestellt.

Die TUA hat zunächst festgestellt, dass Melatonin im Erzeugnis prinzipiell qualitativ enthalten ist (Melatonin positiv). Danach hat die TUA auch noch die Menge von 3 mg quantitativ innerhalb einer statistischen Schwankungsbreite bestätigt.

Somit ist erweisen, dass die Kapseln unbestritten den Wirkstoff Melatonin, ein Hormon, in eiern qualitativ messbaren und quantitativ feststehenden Menge enthalten"

Der KN-Code 30043900 ist eine Enthaltensbestimmung. Im Wortlaut des KN-Code 30043900 ist festgelegt:  - andere, Hormone oder [...] der Position 2937 "enthaltend".

Mithin kann die Festlegung im Gutachten C, Melatonin - zumindest in der hier vorliegenden Tagesdosierung - sei ein Bestandteil von gängigen Lebensmitteln, der mit der üblichen Nahrung aufgenommen werde und daher (auch) deswegen kein Arzneimittel sein könne, zolltariflich nicht überzeugen, wenn es zudem zu beachten gilt, dass sich der zolltarifliche Begriff "pharmazeutisches Erzeugnis" im Sinne der KN tatsächlich vom Begriff "Arzneimittel" als zollfremde Begrifflichkeit unterscheidet. 

Ebenso wenig kann deswegen die Festlegung im Gutachten G,  Melatonin sei ein in Pflanzen und Tieren vorkommender Stoff, der über Lebensmittel der täglichen Ernährung und damit auf natürlichem Wege (Pistazien, Steinpilze, Weintrauben) im Ausmaß von mehr als 3 mg täglich - das entspreche der im hier gegenständlichen Produkt enthaltenen Dosierung - zugeführt werden könne, im Hinblick darauf, dass zolltariflich zwingend eine "Enthaltensbestimmung" vorliegt, überzeugen.

Die Bf hat sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren bestritten, dass diesen Kapseln therapeutische oder prophylaktische Wirkung zukommt.

Aus der Beschreibung des Erzeugnisses geht hervor, dass Melatonin als Hormon den täglichen Schlafzyklus unterstützt und dass zwei Placebo-kontrollierte Studien durchgeführt wurden.

Nach Aussage des Vertreters der Bf in der mündlichen Verhandlung sollte mit den zwei in der Beschreibung erwähnten Studien die Wirkungsweise von Melatonin unter Beweis gestellt werden; die Studien wären greifbar. Sie wurden dem BFG jedoch nicht zur Verfügung gestellt.

Wenn die Studien das beschreiben, was der Vertreter gesagt hat, so ist dies aus der Sicht von E bereits mehr oder weniger ein Argument dafür, dass das Erzeugnis eine therapeutisch prophylaktische Wirkung hat. Die erwähnten Studien waren nach E mit ein Grund gewesen, das Erzeugnis nach 3004 zu reihen.

Auf das auf der Studie H (kurz: J) basierende Vorbringen in der Beschwerde, dass eine arzneiliche (prophylaktisch therapeutische) Wirkung im Wesentlichen bei einer Einnahme von in Lebensmitteln (Pistazien) enthaltenem Melatonin von bis zu 3 mg täglich nicht eintritt, bzw. erst dann eintritt, wenn die Dosis über der Zunahme des Melatonins in Lebensmitteln liegt, hat die Auskunftsperson - das BFG überzeugend - erwidert. E hat einerseits zunächst darauf verwiesen, dass gerade das Gutachten G sehr schön darlegt, was Melatonin alles kann, dass Melatonin nicht nur auf den Schlafrhythmus, sondern auch auf die Leber, auf die Bauchspeicheldrüse und die Schilddrüse wirkt, dass das Gutachten deutlich ist und Melatonin als wirksames Mittel beurteilt. Andererseits ist E bei Durchsicht der Studie J aufgefallen, dass es bezüglich der Wirksamkeit zwar keine Aussage trifft, aber am Schluss eine Grafik enthält, in der beschrieben wird, dass Melatonin auf den Organismus wirkt. 
Die Studie J ist nach E - kurz gefasst - eine Zusammenstellung dessen, dass man über Pistazien Melatonin aufnehmen kann, ein Darstellung darüber, was das über Pistazien aufgenommen Melatonin im Körper bewirkt (Anmerkung des BFG: oder nicht bewirkt) jedoch enthält die Studie nicht.  
Um ein Arzneimittel wie z.B. Circadin® - wozu es auch klinische Daten gibt - zuzulassen, müssen - so E - Placebo-kontrollierte Studien durchgeführt, Diagramme zur Konzentration von Wirkstoffen vorgelegt werden. Es gibt Untersuchungen, die eindeutig belegen, dass 2 mg Melatonin eine therapeutisch prophylaktische Wirkung haben. 
Bei der zolltariflichen Beurteilung ist nicht darauf zu achten, ob eine starke oder schwache prophylaktisch therapeutische Wirkung vorliegt, wesentlich ist, dass sie vorliegt, nur in seltenen Fällen reicht die Anwesenheit nicht aus; eingereiht wird nach Inhaltsstoffen. 
Für die TUA ist eine therapeutisch prophylaktische Wirkung ab einer Dosis von 0,3% gegeben. Dies ist nach E durch die Messbarkeit des Inhaltsstoffes Melatonin, durch die chemische Nachweisbarkeit des Inhaltsstoffes Melatonin, die eben bei 0,3% liegt, bedingt.
Von der TUA werden unter den Begriff "physiologische Wirkung" normale körperliche Abläufe wie z.B. der Ausscheidungsprozess, der Schweiß, die Verdauung subsummiert. Unter den Begriff "therapeutisch prophylaktisch" wird von der TUA subsummiert, was als Krankheit gilt.

Den Ausführungen von E ist aus der Sicht des BFG beizupflichten. 
Das Klinische Wörterbuch Pschyrembel übersetzt therapeutisch mit die Behandlung betreffend und wird Prophylaxe als Verhütung von Krankheiten und Verbeugung definiert.
Schlafstörungen werden von der WHO als anerkannte Krankheiten gelistet.
Eine Zubereitung im Sinne des Zolltarifs, die solche Störungen (Krankheiten) behandelt oder als Vorbeugung dient, wird als Pharmazeutische Zubereitung im Sinne des Positionstextes der Unterposition 3004 behandelt.
Eine solche Zubereitung muss aus der Sicht des behebenden Erkenntnisses des VwGH zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden "können".

Dagegen, dass die TUA im Gegenstand für Ihre Gutachten international anerkannte Fachliteratur zur Beurteilung herangezogen hat, konnte kein taugliches Argument vorgebracht werden, decken sich die Ausführungen der TUA und von G doch im Hinblick darauf, was Melatonin so alles kann, in Teilen. 

Melatonin wird während der Nacht von der Epiphyse, einer kleinen endokrinen Drüse im Zentrum des Gehirns, produziert (sie dazu auch die Beschreibung des Erzeugnisses). 
Die Sekretion des Hormons Melatonin nimmt in der Dunkelheit zu und unter Lichtexposition ab. Melatonin steuert den täglichen Tag-Nacht-Cyclus und ermöglicht somit den circadianen Rhythmus einer Reihe biologischer Funktionen, unter anderem des Schlaf-Wach-Cyclus.

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass in der Beschreibung des Erzeugnisses die Einnahme der Tagesdosis eine Stunde vor dem Schlafengehen empfohlen wird.  

Daneben ist es nicht unwesentlich auch noch darauf hinzuweisen, dass das circadiane Profil der Melatonin-Synthese von der wechselnden Zeitdauer der Nacht in Winter und Sommer beeinflusst ist. Viele Tiere nutzen die Unterschiede der Dauer der täglichen Melatonin-Produktion als ein jahreszeitliches Taktsignal, das photoperiodische Funktionen steuert wie beispielsweise Fell- bzw. Gefiederwachstum und Fortpflanzung. Melatonin ist auch ein starker Radikalfänger und ein wirkungsvolles Antioxidans. Viele biologische Auswirkungen von Melatonin werden durch die Bindung an den Melatonin-Rezeptor und damit dessen Aktivierung vermittelt würden. Melatonin-Rezeptoren sind im Gehirn und in der Retina nachgewiesen worden. Andere biologische Effekte sind aufgrund der Rolle von Melatonin als Antioxidans erklärbar. Aufgrund der Steuerung des circadianen Rhythmus ist Melatonin für die nächtliche Absenkung der Körpertemperatur und die Einleitung des Schlafs mitverantwortlich, sodass es bei Schlafrhythmusstörungen verwendet wird. Die Einnahme von Melatonin gleicht den Jetlag bei Flugreisen aus.

Dass die TUA nicht immer nur auf tagesaktuelle, aber noch geltende Stellungnahmen als Informationsquelle zurückgreifen muss, kann wohl nicht schädlich und kein Argument gegen eine solche Quelle sein, sodass nach wie vor gilt, dass  Melatonin als Substanz mit pharmakologischer Wirkung nicht als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig ist und grundsätzlich nur auf ärztlichen Rat hin eingenommen werden sollte (Ansicht des BfR in Deutschland).

Deshalb wird auch vom BFG beurteilt, dass Melatonin als Hormon in der Literatur referenzierte therapeutische oder prophylaktische Wirkung hat, wenn bereits die Bezeichnung und die Einreihung des Reinstoffes Melatonin für die Einreihung entsprechender Zubereitungen richtungsweisend ist.

Im Europäischen Zollinventar chemischer Substanzen wird Melatonin der Position 29379000 als anderes Hormon im Sinne des Zolltarifs zugewiesen.

Hormone sind per definitionem Wirkstoffe zu Steuerung biochemischer Prozesse im Organismus und haben daher im entsprechenden Anwendungsfeld in jedem Fall einen therapeutisch prophylaktischen Zweck.                  

Die gegenständliche Kapsel ist nach den Ausführungen in der Beschreibung als Mittel zur Unterstützung des natürlichen Schlafzyklus beschrieben. Das Hormon Melatonin als Inhaltsstoff hat in der vorliegenden Dosierung - wie oben dargelegt - genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften. 

Die Feststellung im Gutachten G, das Produkt habe eine rein physiologische Wirkung, kann angesichts der nun erwiesenen therapeutischen oder prophylaktischen Wirkung, nicht tragen. G führt Schlafstörungen auf unregelmäßige Lebensweisen zurück, die WHO hingegen listet für diese Entscheidung tragend Schlafstörungen als anerkannte Krankheit.   

Die Auslobung eines Produktes ist zolltariflich nur dann von Bedeutung, wenn in der Ankündigung in positivem Sinn auf therapeutische und prophylaktische Wirkungen der Zubereitung hingewiesen wird. Ist ein Produkt als pharmazeutische Zubereitung ausgelobt, wird es tariflich als solche behandelt. Grundsätzlich wird ein Erzeugnis jedoch entsprechend seiner objektiven Warenmerkmale und Eigenschaften bzw. seiner Inhaltsstoffe, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu ihren Abschnitten oder Kapiteln als entscheidende Kriterien für die zolltarifliche Einreihung von Waren festgelegt sind, eingereiht.

Zollfremde Begriffe wurden sowohl von der der Bf als auch von der TUA verwendet. Diese haben beiden nach Ansicht des BFG immer nur als Informationsquellen gedient.   

Entgegen der Ansicht der Bf ist im Beweisverfahren nicht offen geblieben, aus welchen konkreten Gründen dem Produkt eine therapeutische oder prophylaktische Wirkung zukommen soll.

Der VwGH hat dem BFG aufgetragen, sich umfassend und nachvollziehbar mit der hier gegenständlichen Frage, inwieweit dem Produkt eine therapeutische oder prophylaktische Wirkung zukommt, in einem Beweisverfahren auf fachlicher Ebene auseinander zu setzen. Dem BFG wurde vom VwGH aber keine wissenschaftliche Auseinandersetzung, keine klinische Beurteilung in Sinne einer Austestung der Wirkungsweise am Patienten, aufgetragen.

Die Antwort auf die Frage, dass dem Erzeugnis eine therapeutische oder prophylaktische Wirkung zukommt, beschränkt sich augenscheinlich - entgegen einem diesbezüglichen Vorbringen der Bf - nicht nur auf die bloße Wiedergabe einiger weniger Literaturzitate zum Thema Melatonin.

Im Rahmen der gegenständlichen Entscheidung musste das BFG die vorliegenden Gutachten frei würdigen. Dabei waren die Feststellungen in den Privatgutachten und die Feststellungen im Gutachten der TUA gegeneinander mit der Maßgabe der zolltariflichen Restriktionen abzuwägen.

Zum Vorbringen der Bf, in den von ihr dem Zollamt Wien und dem BFG vorgelegten VZTAs seien melatoninhaltige Waren als Lebensmittelzubereitungen eingereiht worden, ist grundsätzlich zu bemerken, dass Gegenstand der von der Bf vorgelegten und von ihr angesprochenen VZTAs andere Waren, als ""pure encapsulations, Melatonin 3 mg, hypo-allergenic dietary Supplement, 180 Capsules" waren und dass die VZTAs damit für das gegenständliche Verfahren nicht von Relevanz sind, weil eine VZTA die Zollbehörden nur dann bindet, wenn die in ihr beschriebene Ware einer angemeldeten in jeder Hinsicht entspricht und die VZTA noch gilt. Es hätte also das gegenständliche Erzeugnis in jeder Hinsicht einer in einer der vorgelegten VZTAs beschriebenen und als in dieser als Lebensmittelzubereitung eingereihten Ware gleichen müssen, um (möglicherweise) einen Widerspruch aufzuzeigen. Dies wurde aber nicht dargelegt und auch nicht behauptet.

Das Erzeugnis ist daher nach den Informationen über die das BFG aus der Sicht des abgabenbehördlichen und gerichtlichen Abgabenverfahrens verfügt, als Arzneiware der Position 3004 der KN zuzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des BFG ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen liegen hier nicht vor. D ie für die zolltarifliche Einreihung des Erzeugnisses ausschlaggebende Frage nach dessen therapeutischen oder prophylaktischen Eigenschaften ist die Lösung einer Tatsachenfrage auf fachlicher Ebene. 

Dass ein Sachverständigenbeweis im Sinne des § 177 Abs. 2 BAO nicht notwendig ist, wenn sich eine Behörde die erforderlichen Kenntnisse ihr zurechenbar auch anderweitig aneignen kann, ergibt sich aus der im Erkenntnis erwähnten Judikatur des VwGH. Die Rechtsprechung zum Beweismaß ist nicht uneinheitlich. Mit Gutachten, die von der TUA erstellt werden, hat sich der VwGH bereits mehrfach beschäftigt. 

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 269 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Beweisverfahren
Amtssachverständiger
Technische Untersuchungsanstalt
VZTA
Melatonin
Hormon
therapeutisch
prophylaktisch
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7200139.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at