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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.12.2017, RV/5100367/2015

Verzicht der Kindesmutter auf Differenzzahlung - Stattgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., Adresse , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt A vom , mit dem der Antrag auf Differenzzahlung  ab März/2012 bis April/2013 für das Kind Vorname ,geb. 0*, abgewiesen wurde,zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben. 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133   Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob dem Beschwerdeführer (im Folgenden mit Bf. abgekürzt) die beantragte Differenzzahlung im beschwerderelevanten Zeitraum zusteht.

Sachverhalt

Der  Bf. ,SV.Nr. 0**, seine damalige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau Frau B ,geb. 0** ,verheiratet mit dem Bf. seit 0***,und deren Kinder (1 Kind namens Vorname , geb.0****, aus einer früheren Ehe der Kindesmutter (KM) abstammend, sowie deren gemeinsames Kind (Tochter Vorname2  geb.0***) sind ungarische Staatsbürger. Ungarn ist Mitglied der Europäiischen Union .

Alle "Beteiligten" leben - und dies ist unstrittig - an gemeinsamer Adresse in Ungarn ,Adresse (gemeinsamer Haushalt ). Weiters war der Bf. im beschwerderelevanten Zeitraum in Österreich unselbständig erwerbstätig (ebenfalls unstrittig seit bei Fa. E , Adresse). Der Bf. hatte im beschwerderelevanten Zeitraum auch einen Wohnsitz/Wohnort in Adresse, auch ehemalige Zustelladresse). Die Kindesmutter war ebenfalls in Ungarn erwerbstätig (Arbeitgeber: S). Die nunmehrige Ehegattin , die ausschließlich mit ihren Kindern und ihrem nunmehrigen Mann=Bf.in Ungarn wohnt, bezog in Ungarn auch eine gleichartige ausländische Beihilfe (siehe Unterlagen des elektronischen Aktes) . 

In den beim österr. Finanzamt am 0*** persönlich eingereichten Anträgen des Bfs. auf Differenzzahlung hinsichtlich des Kindes Vorname für die Jahre 2012 und 2013  wurde von der Kindesmutter- zugunsten des Antragstellers u.Bf - auf die Differenzzahlung verzichtet. Die Unterschrift wurde ihrerseits am 0*** auf dem dafür vorgesehenen Formularfeld (Beih 38)geleistet. Zusätzlich hat sie auch noch den Antrag des Bfs. auf Differenzzahlung, datiert mit , unterzeichnet.

Mit Abweisungsbescheid v. wurde der Antrag mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen abgewiesen, da der Sohn Vorname bloß ein "Stiefkind" sei und daher dieses Kind kein solches iSd FLAG 1967 sei. Ein Anspruch für den Bf. bestünde daher nicht.

Beschwerde v.

"Sehr geehrte Damen und Herren, bezüglich ihres Abweisungsbescheides lege ich Beschwerde wie folgt ein. Sie haben in Ihrem Bescheid meinen Antrag auf Familienbeihilfe für mein Ziehkind Nachname Vorname für den Zeitraum zwischen März 2012 und April 2013 abgewiesen. Ihre Entscheidung bestreite ich aus dem folgenden Grund. Gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften über Antragsberechtigung bzgl. Familienbeihilfe werden leibliche Eltern und Stiefeltern gleichgehalten , wenn das Kind in einem Haushalt lebt, da diese tatsächlich für das Kind sorgen, und die damit verbundenen Kostentragung gegeben ist. Ich bin zwar nicht der leibliche Vater von Vorname , doch er lebt mit mir und seiner leiblichen Mutter in einem Haushalt. Die Kosten tragen wir mit seiner Mutter zusammen, da ich aber mehr verdiene als seine Mutter treffen die auftauchenden Erziehungskosten mich zum größeren Anteil. Meiner Ansicht nach entspricht ihre Entscheidung nicht dem Gleichbehandlungsprinzip. Aufgrund der obigen Ausführungen bitte ich um die Gewährung der beantragten Familienbeihilfe."

Beschwerdevorentscheidung v. (persönliche Zustellung durch Übergabe des Rückscheines am anlässlich pers. Vorsprache beim Finanzamt)

"Mit dem gegenständlichen Bescheid wurde Ihr Antrag vom auf Gewährung der Ausgleichszahlung für Nachname Vorname im Zeitraum März 2012 bis April 2013 abgewiesen. In Ihrer Beschwerde bringen Sie vor, dass Sie den überwiegenden Teil der Erziehungskosten für Ihren Ziehsohn Nachname Vorname tragen und er in einem gemeinsamen Haushalt mit Ihnen lebt. Hinsichtlich des von Ihnen geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung der Ausgleichszahlung für des in Ungarn lebende Kind Nachname Vorname Ihrer damaligen Lebensgefährtin (nunmehr Ehefrau) ist, da Sie ungarischer Staatsbürger sind, sohin Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, und im Streitzeitraum einen Wohnort in einem Mitgliedstaat der Union hatten, die Verordnung Nr. 883/2004 heranzuziehen. Entsprechend Art. 11 Nr. 3 Buchstabe a sowie Art. 68 Nr. i. Buchstabe a der Verordnung Nr. 883/2004 gilt für die Beurteilung ,da Sie im fraglichen Zeitraum in Österreich einer unselbständigen Beschäftigung nachgegangen sind, österreichisches Recht. Nach nationalem Recht - § 2 Abs. 3 lit. c FLAG - zählen zu den anspruchsvermittelnden Kindern auch Stiefkinder. Stiefkinder einer Person sind die nicht von ihr abstammenden leiblichen Kinder ihres Ehegatten und zwar auch dann, wenn der andere leibliche Elternteil des Kindes noch lebt. Unter Stiefkindern versteht man somit die aus einer früheren Ehe stammenden Kinder des Ehegatten dieser Person und die unehelichen Kinder dieses Ehegatten (vgl. Nowotny in Czsasar/Lenneis/Wanke FLAG, § 2 Rz 20).Ein Kind aus einer früheren Ehe Ihrer Lebensgefährtin stellt für Sie als Bf. kein anspruchsvermittelndes Stiefkind dar, da Sie mit der Kindesmutter nicht in aufrechter Ehe lebten. Sie haben die Kindesmutter erst am 0*** geheiratet .Aus dem Grund, dass das leibliche Kind Ihrer damaligen Lebensgefährtin nach österreichischem Recht kein Kind von Ihnen als Bf. im Sinne der anzuwendenden Rechtsvorschriften ist und daher Nachname Vorname auch nicht als Familienangehöriger von Ihnen im Sinne der Verordnung Nr. 883 /2004 zu qualifizieren ist, haben Sie keinen Anspruch auf österreichische Familienleistungen und somit auch keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung. Da im vorliegenden Fall aus den oben genannten Gründen die geforderte gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung der Ausgleichszahlung nicht vorliegt, erweist sich der angefochtene Bescheid sohin als rechtmäßig und war daher spruchgemäß au entscheiden."

Vorlageantrag v. (rechtszeitig-nach Fristverlängerungsantrag v., persönlich beim FA fristgerecht überreicht)

Darin wurde ausgeführt, dass der Anspruch auf Differenzzahlung aus dem Gesetz ableitbar sei , weswegen eine Stattgabe beantragt werde. Nochmals werde auf die bereits vorgelegte Heiratsurkunde hingewiesen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt bzw. Verfahrensablauf ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten elektronischen Akt sowie dem Parteienvorbringen.

Rechtslage

Unionsrechtslage

Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden abgekürzt: VO), die am in Kraft getreten ist, gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedsstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Für Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck "Familienangehöriger" jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird (Art. 1 lit. i Z. 1 sub lit. i der zitierten VO).

Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaates. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach dem zweiten Titel der Verordnung (§ 11 Abs. 1 der VO).

Vorbehaltlich der (im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangenden) Art. 12 bis 16 der Verordnung unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaats (Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO).

Aufgrund der nachgewiesenen durchgehenden Beschäftigung des Bfs. im entscheidungsrelevanten Zeitraum 03/2012 bis 04/2013 in Österreich (nichtselbständige Erwerbstätigkeit) unterliegt der Bf. gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a VO den österreichischen Rechtsvorschriften, die Kindesmutter aufgrund deren Erwerbstätigkeit in Ungarn den ungarischen Rechtsvorschriften.

Art. 68 der VO trifft für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auszugsweise  folgende Prioritätsregeln:

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge:

Anerster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

...

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren.

Erwägungen

Die Besonderheit des Beschwerdefalles liegt im von der Kindesmutter am erklärten Verzicht auf ihren vorrangigen Anspruch auf Differenzzahlung in Österreich (siehe Beih.38 Formular).

Erst durch die Verzichtsleistung der nunmehrigen Ehefrau (und vormaligen Lebensgefährtin, aber vorrangig Anspruchsberechtigten) ist der Anspruch auf Differenzzahlung für den Bf. - wie die folgenden Ausführungen zeigen werden- auch begründet.

Zu prüfen war daher nur mehr ,ob -  ausgelöst durch die Beschäftigung des Bfs. in Österreich, eine vom Bf. beantragte Gewährung eines Differenzbetrages/Unterschiedsbetrages iSd Art. 68 Abs. 2 der VO 883 /2004 bzw. VO 987/2009 in Betracht kommt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ua. im Erkenntnis vom , 2012/16/0054, nach Darstellung der betr. Artikel in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausgeführt:

"Sowohl die Verordnung Nr. 1408/71 wie auch die Verordnung Nr. 883/2004 (ab 0***) stellen sohin zum Begriff des Familienangehörigen auf das die betreffende Leistung gewährende innerstaatliche Recht ab."

Die Frage danach, ob für den Bf. ein Anspruch auf eine Differenzzahlung für das leibliche Kind Vorname der Lebensgefährtin (und nunmehrigen Ehefrau) besteht, ist daher nach innerstaatlichem Recht, sohin nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF, zu beurteilen.

Gem. § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder ….

Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Primär maßgeblich ist, ob es sich bei dem Kind überhaupt um ein solches im Sinne des FLAG handelt. Und danach wird in einem zweiten Schritt geprüft , ob das Kind im gemeinsamen Haushalt lebt. Die Haushaltszugehörigkeit bestimmt lediglich im weiteren jene Person, der vorrangig der Anspruch zusteht.

ad 1) § 2 Abs. 3 FLAG 1967 lautet:

"Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person

a) deren Nachkommen

b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen

c) deren Stiefkinder


d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186 a des ABGB)"

Der Anspruch des Bf auf eine Differenzzahlung nach österreichischem Recht setzt demnach voraus, dass zwischen ihm und dem Kind ein Verhältnis im Sinne des Kindesbegriffes nach § 2 Abs. 3 FLAG 1967 besteht, womit dieses Kind auch "Familienangehöriger" im Sinne des Art. 1 lit. i Z. 1 sublit. i der VO ist:

Nachkommen sind alle eigenen/leiblichen Kinder (Kinder, Enkel, Urenkel). Wahlkinder sind alle Adoptivkinder (Annahme an Kindes statt). Das Kind Vorname ist weder leibliches Kind noch Wahlkind des Bf.

Unter Stiefkindern versteht man die aus einer früheren Ehe stammenden Kinder des Ehegatten dieser Person sowie die unehelichen Kinder dieses Ehegatten (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 20 mit Hinweis auf ). Der Bf. bezeichnet das Kind Vorname auch als sein "Ziehkind".

Zu prüfen im Rahmen der umfassenden Prüfbefugnis des BFG (§ 279 BAO) verbleibt daher im gegenständlichen Fall noch , ob Vorname gemäß § 2 Abs. 3 lit d FLAG 1967 ein "Pflegekind" des Bfs. im Sinne der zitierten Bestimmungen des ABGB ist.

Gemäß § 186 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. 

Seit dem Kindrechtsänderungsgesetz 2001 bietet § 186 ABGB zwei Definitionsmerkmale, nämlich erstens die faktische – gänzliche oder partielle – Besorgung von Pflege und Erziehung des Kindes und zweitens das Bestehen oder die beabsichtigte Herstellung einer persönlichen Beziehung zwischen dem Kind und diesen seinen Betreuern, die an Intensität dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommt (Stabentheiner in Rummel, ABGB, 3. Auflage, § 186 Tz 1).

Die Pflegeelterneigenschaft setzt weder einen rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsakt voraus, sondern ist bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale kraft Gesetzes gegeben (Stabentheiner, a.a.O., Tz 2). Dass die Pflegeelterneigenschaft auch einer Einzelperson zukommen kann, wurde von der herrschenden Meinung auch schon zur Rechtslage vor dem KindRÄG vertreten (Stabentheiner, a.a.O., Tz 4b mwN). 

Auch der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht. In seinem Erkenntnis vom , 2008/15/0314 führte dieser aus:

"Verbindet der Gesetzgeber – wie hier – nach der Methode der rechtlichen (formalen) Anknüpfung abgabenrechtliche Folgen unmittelbar mit Kategorien und Institutionen anderer Rechtsgebiete, so übernimmt er, wenn sich nichts anderes aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, auch den Bedeutungsinhalt, der den Begriffen in der Heimatdisziplin zukommt (vgl. Erk. , 95/13/0071).

Nach § 186 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Demnach schreibt das Gesetz zwei Tatbestandsvoraussetzungen der Pflegeelternschaft vor, nämlich die tatsächliche Betreuung und eine bestimmte Qualität der Bindung. Bei Vorliegen beider Komponenten ist die Pflegeelternschaft kraft Gesetzes ohne Notwendigkeit eines rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsaktes gegeben (vgl. Barth/Neumayr, in Klang, § 186, Tz. 3). Auch Einzelpersonen kann die Pflegeelterneigenschaft zuteil werden (
§ 186a Abs. 1 ABGB). Dass die mit einem leiblichen Elternteil in Lebensgemeinschaft lebende Person bei Übernahme von Betreuungsleistungen und bei Vorliegen einer § 186 ABGB entsprechenden emotionalen Bindung als Pflegeelternteil gilt, entspricht der herrschenden Auffassung (vgl. Klang, a.a.O., Tz. 15)."

Festgehalten wird, dass die Regelungen betr. "Pflegeeltern" bis in § 186 und § 186 a ABGB (worauf in § 2 Abs. 3 FLAG verwiesen wird) getroffen wurden und seither, ab , nach der geltenden Rechtslage nunmehr nahezu gleichlautend in §§ 184 und 185 ABGB zu finden sind.

Im og. Beschwerdefall (VwGH 2008/15/0314 ) hatte der Beschwerdeführer mit der Kindesmutter einen gemeinsamen Haushalt gegründet und ua. ausgeführt, er habe die Absicht gehabt, eine emotionale Bindung zu den Kindern aufzubauen. Er habe die Kinder wie eigene behandelt. Durch die Aufnahme der Kinder in seinen Haushalt habe er deren Pflege und Erziehung als Pflegeelternteil besorgt. Zwischen den Kindern und ihm habe eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern sehr nahe kommende Beziehung bestanden; er habe die Aufgaben der Pflege auch selbst erfüllt. ...

Nicht anders ist der gegenständliche Beschwerdefall gelagert.

Im Hinblick auf die gesamte bestehende Familiensituation ,insbesondere auch auf das zwischenzeitig am 0*** geborene gemeinsame Kind, besteht für das BFG kein Zweifel daran, dass der Bf eine nähere, elternähnliche emotionale Beziehung auch zum Kind Vorname hat. Hinzu tritt der Umstand, dass mittlerweile die Verehelichung der Lebensgefährten am 0*** stattgefunden hat. Damit ist nach dem Dafürhalten des BFG das eine erforderliche Kriterium der "bestimmten Qualität der Bindung", dass also eine persönliche Beziehung zwischen dem Kind und dem Bf besteht, die an Intensität dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommt, als erfüllt zu betrachten ("Familien-Betrachtung").

Das Finanzamt behauptet auch nicht, dass aufgrund der durchgehenden Beschäftigung des Bfs. in Österreich und seiner damit verbundenen körperlichen Anwesenheit im Inland  eine "tatsächliche Betreuung" des Kindes Vorname in Ungarn nicht nachvollziehbar erscheine.

Es trifft daher zwar zu, dass der Bf im betreffenden Zeitraum in Österreich unselbständig erwerbstätig war, was jedoch in keiner Weise ausschließt, dass er sich in seiner Freizeit tatsächlich auch der Pflege und Erziehung des Kindes Vorname gewidmet hat. Eine teilweise Besorgung der Pflege und Erziehung des Kindes ist nach dem klaren Wortlaut des § 186 alter Fassung bzw. § 184 neuer Fassung ABGB ausreichend. Auch würde wohl niemand einem leiblichen österreichischen Kindesvater dessen Pflege- und Erziehungsrechte absprechen, nur weil er wochentags im Ausland erwerbstätig ist.

Das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft zwischen dem Bf. und der Kindesmutter (KM)  wurde vom BFG nie in Zweifel gezogen, sondern es galt vielmehr abzuklären, ob die genannten Voraussetzungen für die Annahme einer "Pflegeelternschaft" im Verhältnis zum Kind der Lebensgefährtin erfüllt sind. Ebenso kommt aufgrund der nachgewiesenen Haushaltszugehörigkeit des Kindes der Frage der überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten keine Entscheidungsrelevanz zu.

ad 2) Vorrangiger Anspruch der Kindesmutter

Es ist nach nationalem Recht zu beurteilen, wer von beiden Elternteilen primär den Anspruch auf die Familienbeihilfe bzw. auf die Auszahlung der Familienbeihilfe hat.

Nach dem diesbezüglich anzuwendenden § 2a FLAG 1967 geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor, wobei nach der gesetzlichen Vermutung zunächst die Mutter als Haushaltsführende anzusehen ist.

Verzicht der Kindesmutter am (Unterschriften am im Formular Beih 38 für die Jahre "2012 u. 2013")

Nach § 2a Abs. 2 FLAG kann der vorrangig anspruchsberechtigte Elternteil auf den Anspruch zugunsten des anderen Elternteiles verzichten. Dieser Verzicht kann auch rückwirkend erfolgen (mit dem der Erwerbstätigkeit des Bfs. () folgenden Monates - siehe auch Bescheid v. über den Zeitraum 03/2012 bis 04/2013). Dieser Verzicht ist nach Auffassung des BFG auch dann rechtswirksam, wenn er bloß den Anspruch des "Pflegevaters" betreffend Differenzzahlung umfasst und die mit der FB vergleichbare ausländische Beihilfe von der Kindesmutter in Ungarn bezogen wird.

Die im Beschwerdefall sohin primär anspruchsberechtigte Lebensgefährtin (nunmehrige Ehegattin des Bfs.) und Kindesmutter, hat im Antrag des Bfs. die entsprechende Verzichtserklärung iSd § 2 a Abs. 2 FLAG 1967 abgegeben, womit die Differenzzahlung an Familienbeihilfe  dem Bf zuerkannt werden kann und an ihn ausbezahlt werden kann. Auf § 12 FLAG 1967 wird abschließend hingewiesen.

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage war daher der Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer (ordentlichen) Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Als Rechtsfrage war im gegenständlichen Fall dagegen zu klären, ob das Verhältnis des Bf zum Kind unter einen der verschiedenen Tatbestände des § 2 Abs. 3 FLAG subsumiert werden kann. Diese Frage wurde bejaht und die Pflegeelternschaft des Bf angenommen. Das BFG stützte sich dabei auch auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ( ). Da das Erkenntnis nicht von dieser Rechtsprechung abweicht, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig .

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Verzicht der Kindesmutter
Pflegekind
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.5100367.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at