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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2018, RV/5101397/2017

Haftungsbescheid auch bei Überschuldung des Arbeitgebers zu erlassen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin A in der Beschwerdesache C, B vertreten durch Dr. Martin Stossier, Plobergerstraße 7, 4600 Wels , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Grieskirchen Wels vom , betreffend Haftungsbescheid / Lohnsteuer (07 - 08/2016)zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Das zuständige Finanzamt erließ gegen die nunmehrige Bf am einen Haftungsbescheid/Lohnsteuer für den Zeitraum 07-08/2016. Zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides war das Konkursverfahren über die nunmehrige Bf bereits eröffnet (Beschluss des LG vom ).

In einer rechtzeitig dagegen vom Masseverwalter eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Bf für diese Lohnsteuerverbindlichkeiten nicht hafte: durch Eröffnung des Konkursverfahrens stehe der Finanzbehörde mangels Forderung gegen den Arbeitgeber keine Insolvenzforderung auf Lohnsteuerzahlung zu. Diese müsste nämlich dem Gläubiger bereits zur Zeit der Konkurseröffnung zustehen, sodass ein Anspruch der Finanzbehörde ohne Vorliegen eines Haftungsbescheides nicht entstanden ist. Die nachträgliche Ausstellung eines Haftungsbescheides nach Eröffnung des Konkursverfahrens erfolge gegen die Vorschriften der Insolvenzordnung.

Das zuständige Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und brachte  begründend im Wesentlichen vor, dass nicht im Abgabenverfahren zu entscheiden ist, ob eine Anfechtbarkeit nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung vorliegt und es ohne Bedeutung ist, ob die Haftungsforderung eine Masse- oder eine Insolvenzforderung ist.

Im rechtzeitig dagegen eingebrachten Vorlageantrag wurde auf die Beschwerdebegründung verwiesen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gem. § 78 Abs.1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. …

Gem. § 79 Abs.1 leg.cit.  hat der Arbeitgeber die gesamte  Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, … an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.

Gem. § 82 leg.cit. haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.

Gem. § 83 Abs.1 leg.cit. ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner.

Lt. im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH (93/13/0056; 96/14/0080) ist Schuldner der Lohnsteuer gem. §§ 78 und 83 leg.cit. (nur) der Arbeitnehmer. – Der Arbeitgeber ist zum Einbehalten (§  78 leg.cit.) und zur Abfuhr (§ 79 leg.cit.)  der Lohnsteuer verpflichtet und haftet dafür. Ein auf diesen Haftungstatbestand begründetes Abgabenschuldverhältnis des Arbeitgebers zum Bund entsteht, wenn der Haftungstatbestand (Nichtabfuhr bei Fälligkeit) verwirklicht und die Haftung des Arbeitgebers bescheidmässig geltend gemacht wird. Erst unter dieser  Voraussetzung erfüllt der Arbeitgeber eine eigene Schuld gegenüber dem Gläubiger Bund und wäre demnach, sollte er im Zeitpunkt  der Zahlung zahlungsunfähig oder relevant überschuldet sein, zur quotenmäßigen Befriedigung aller Gläubiger verpflichtet.

Da unbestritten ist, dass der Bf für den Zeitraum, der vom in Beschwerde gezogenen Haftungsbescheid umfasst ist, Arbeitgeber war (und die betreffende Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer nicht erfolgte), ist diese Rechtsmeinung und Judikatur auch hier anzuwenden und ist unwesentlich, dass der Haftungsbescheid nach Eröffnung des Konkursverfahrens über ihn erlassen wurde. Lt. ständiger Rechtsprechung des VwGH wird das Recht bzw. die Pflicht der Abgabenbehörde, Abgabenansprüche (wie hier aus einem Haftungsbescheid) geltend zu machen, durch ein Insolvenzverfahren nicht berührt, und ist erst im Abgabeneinhebungsverfahren diesem Umstand Rechnung zu tragen ( ua), dh – auch wie im oa Judikat des OGH ausgeführt – die Zahlungsunfähigkeit bzw. relevante Überschuldung zum Zeitpunkt der Zahlung (also erst nach Erlassung des Haftungsbescheids) führt zu einer quotenmäßigen Befriedigung aller Gläubiger und wird also erst im Abgabeneinhebungsverfahren zu beachten sein.

Es war aus diesem Grund spruchgemäß zu entscheiden.

Eine Revision an den VwGH ist nicht zulässig. Gem. Art.133 Abs. 4 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erhoben werden, wenn es von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn eine Rechtsprechung des VwGH fehlt.

Das gegenständliche Erkenntnis gründet auf der Qualfikation von Haftungsbescheiden im Abgabenfestsetzungsverfahren und der Beachtung der Überschuldung des im Haftungsbescheid als Abgabenschuldner geltend gemachten Arbeitgebers erst im Abgabeneinhebungsverfahren sowie auf der dazu ergangenen Rechtsprechung. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Haftungsbescheid erlassen
Überschuldung des Arbeitgebers
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.5101397.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at