Keine Hochrechnung bei ganzjährig bezogenen, nicht bloß geringfügigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/15/0028. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/3100503/2019 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt A vom betreffend Einkommensteuer (ArbeitnehmerInnenveranlagung) für das Jahr 2016 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Die Abgabepflichtige erzielt als Angestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Am erließ das Finanzamt einen Bescheid betreffend Einkommensteuer (ArbeitnehmerInnenveranlagung) für das Jahr 2016, mit dem aufgrund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 anzusetzende AMS-Gelder von 4.165,20 € als steuerpflichtig behandelt wurden. Bei der Ermittlung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) seien zuerst die steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet sowie Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge berücksichtigt worden. Anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer sei sodann ein Durchschnittssteuersatz ermittelt und auf das Einkommen angewendet worden (Umrechnungsvariante). Danach sei anhand einer Kontrollrechnung festzustellen gewesen, ob sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge (somit bei Hinzurechnung auch der steuerfreien Bezüge) gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergebe. Da dies zutreffe, seien die AMS-Gelder als steuerpflichtig behandelt und der Tarif auf ein Einkommen von demnach 19.988,93 € angewendet worden. Die Einkommensteuer wurde für das Jahr 2016 mit 442,00 € festgesetzt.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Abgabepflichtige am fristgerecht Beschwerde. Sie sei im Jahr 2016 das ganze Jahr über als Dienstnehmerin bei der X-GmbH beschäftigt gewesen. Vom bis zum habe sie zusätzlich zu ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein „Weiterbildungsgeld“ nach dem AlVG 1977 erhalten, bezugsauszahlende Stelle sei das Arbeitsmarktservice Österreich gewesen. Mit dem angefochtenen Bescheid habe das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2016 unter Berücksichtigung des besonderen Progressionsvorbehaltes nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 festgesetzt. Diese Hochrechnung von Einkünften auf einen fiktiven Jahresbetrag sei dann nicht geboten, wenn ohnedies ganzjährig Einkünfte aus einem Dienstverhältnis bezogen worden seien (Hinweis auf , und LStR 2002 Rz 114).
3. Am erließ das Finanzamt eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit einer zum angefochtenen Bescheid gleich lautenden Begründung. Bei der Ermittlung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) wurden allerdings die steuerpflichtigen Einkünfte, soweit sie auf den Zeitraum des Bezuges der AMS-Gelder entfielen, mit 11.990,25 € als „Einkommen ohne Umrechnung“ nunmehr aus der Hochrechnung herausgenommen. Da sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge (somit bei Hinzurechnung auch der steuerfreien Bezüge) gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 auch gegenüber dieser Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergebe, seien die AMS-Gelder - wie bisher - als steuerpflichtig zu behandeln und der Tarif auf ein Einkommen von 19.988,93 € anzuwenden. Die Einkommensteuer wurde für das Jahr 2016 wiederum mit 442,00 € festgesetzt.
4. Am stellte die Abgabepflichtige fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Zur Begründung wiederholte sie ihr bisheriges Vorbringen.
II. Sachverhalt
1. Die Beschwerdeführerin (Bf.) steht in einem Dienstverhältnis zur X-GmbH, aus ihrer Tätigkeit als Angestellte erzielt sie steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitjahr 2016 war sie durchgehend vom 1. Jänner bis 31. Dezember bei diesem Arbeitgeber beschäftigt, die steuerpflichtigen Bezüge (KZ 245 des Lohnzettels) betrugen 18.296,82 €.
Aufgrund einer mit dem Arbeitgeber vereinbarten Bildungsteilzeit nach § 11a AVRAG bezog die Bf. vom bis zusätzlich zu ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Bildungsteilzeitgeld nach § 26a AlVG 1977, bezugsauszahlende Stelle war das Arbeitsmarktservice Österreich. Dieses Bildungsteilzeitgeld betrug im Streitjahr 2016 für den Zeitraum 1. Jänner bis 23. September 4.165,20 € (267 Tage x 15,60 €/Tag).
Während der aufrechten Bildungsteilzeit nach § 11a AVRAG war die Bf. für ihren Arbeitgeber im Rahmen einer Teilbeschäftigung tätig, wobei der monatliche Bruttolohn im Streitjahr 2016 (Jänner bis September) 1.607,45 € betrug. Nach dem Ende der Bildungsteilzeit war die Bf. wiederum im Rahmen einer Vollbeschäftigung tätig, wobei der monatliche Bruttolohn im Streitjahr 2016 (Oktober bis Dezember) 2.571,92 € betrug.
2. Mit Beschwerdevorentscheidung vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2016 mit 442,00 € fest, wobei der besondere Progressionsvorbehalt gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 zur Anwendung gelangte. Nachdem die Bf. im Veranlagungsjahr für 267 Tage Bildungsteilzeitgeld bezog, wurde die Einkommensteuer gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 unter Hochrechnung der außerhalb der Zeit des Bezuges dieser AMS-Gelder erzielten steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit berechnet. Die auf den Zeitraum des Bildungsteilzeitgeldbezuges entfallenden, mit 11.990,25 € ermittelten steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden als „Einkommen ohne Umrechnung“ zwar aus der Hochrechnung herausgenommen, sodann jedoch bei der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes erfasst, indem die auf einen Jahresbetrag umgerechneten steuerpflichtigen Einkünfte um die auf den Zeitraum des Bildungsteilzeitgeldbezuges entfallenden steuerpflichtigen Einkünfte erhöht wurden.
Auf das so nach Abzug der Sonderausgaben errechnete fiktive Einkommen wurde der Steuertarif angewendet. Für die sich solcherart ergebende Einkommensteuer (nach Abzug der Absetzbeträge) wurde ein Durchschnittssteuersatz von 16,30 % ermittelt. Bei Anwendung dieses Durchschnittssteuersatzes auf das von der Bf. tatsächlich erzielte steuerpflichtige Einkommen hätte sich eine Einkommensteuerfestsetzung von 1.027,00 € ergeben. Da sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge (somit bei Hinzurechnung auch der AMS-Gelder) gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer (von 442,00 €) ergab, wurden die AMS-Gelder als steuerpflichtig behandelt.
3.Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt, insbesondere aus den vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen, der Meldung betreffend die Bildungsteilzeit und der vom Produktmanagement übermittelten Gegenüberstellung der Hoch-/Kontrollrechnung für das Jahr 2016. Diese Gegenüberstellung der Hoch-/Kontrollrechnung für das Jahr 2016 ist der Beilage 1 zu entnehmen, die einen integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses bildet. Streit besteht darüber, wie das Bildungsteilzeitgeld von 4.165,20 € im Zuge der ArbeitnehmerInnenveranlagung zu erfassen ist.
III. Rechtslage
1. Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.
Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.
Gemäß § 33 Abs. 10 EStG 1988 ist ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen.
2. Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG):
Gemäß § 11a Abs. 1 AVRAG können Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen schriftlich eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte (Bildungsteilzeit) für die Dauer von mindestens vier Monaten bis zu zwei Jahren vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Die in der Bildungsteilzeit vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht unterschreiten. Eine neuerliche Bildungsteilzeit kann frühestens nach dem Ablauf von vier Jahren ab dem Antritt der letzten Bildungsteilzeit (Rahmenfrist) vereinbart werden. Die Bildungsteilzeit kann auch in Teilen vereinbart werden, wobei die Dauer eines Teils mindestens vier Monate zu betragen hat und die Gesamtdauer der einzelnen Teile innerhalb der Rahmenfrist, die mit Antritt des ersten Teils der Bildungsteilzeit zu laufen beginnt, zwei Jahre nicht überschreiten darf.
3. Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG 1977):
Gemäß § 26a Abs. 1 AlVG 1977 gebührt Personen, die eine Bildungsteilzeit gemäß § 11a AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, für die vereinbarte Dauer ein Bildungsteilzeitgeld bei Erfüllung näher genannter Voraussetzungen.
Gemäß § 26a Abs. 5 AlVG 1977 gilt § 26 Abs. 2 und 5 bis 8 AlVG 1977 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Weiterbildungsgeldes das Bildungsteilzeitgeld tritt.
Gemäß § 26 Abs. 8 AlVG 1977 gilt das Weiterbildungsgeld als Ersatzleistung gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400.
IV. Erwägungen
1. Die Bf. vereinbarte mit ihrem Arbeitgeber für die Zeit vom bis eine zweijährige Bildungsteilzeit nach § 11a AVRAG. Während dieser Zeit wurde ihre wöchentliche Normalarbeitszeit herabgesetzt, sie war für ihren Arbeitgeber nur mehr im Rahmen einer Teilbeschäftigung tätig. Die Bf. bezog während der zweijährigen Bildungsteilzeit zusätzlich zu ihren (verminderten) Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Bildungsteilzeitgeld nach § 26a AlVG 1977, bezugsauszahlende Stelle war das Arbeitsmarktservice Österreich. (Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde handelte es sich dabei nicht um ein „Weiterbildungsgeld“ nach § 26 AlVG 1977, das aufgrund einer - hier nicht gegebenen - Bildungskarenz nach § 11 AVRAG zustünde.)
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind nicht nur das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe, sondern auch an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit. Das Bildungsteilzeitgeld gilt aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (vgl. § 26a Abs. 5 AlVG 1977 iVm § 26 Abs. 8 AlVG 1977) als solche Ersatzleistung gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 (vgl. auch Jakom/Laudacher, EStG, 2017, § 3 Rz 16). Das im Streitjahr 2016 vom Arbeitsmarktservice Österreich ausbezahlte Bildungsteilzeitgeld von 4.165,20 € ist somit gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit, wobei diese Bezüge grundsätzlich eine Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 auslösen .
2.Zweck der Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 - so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 3. AbgÄG 1987, 277 BlgNR XVII. GP, 6 ff - ist es, einen rechtspolitisch unerwünschten Effekt zu beseitigen, der sich ergibt, wenn die steuerfreien Transferleistungen in einem Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) mit anderen, steuerpflichtigen Einkünften zusammentreffen. Dies könnte, insbesondere im Fall saisonaler Arbeitslosigkeit, wegen der zum Teil erheblichen Milderung der Steuerprogression dazu führen, dass das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten unter Berücksichtigung der im Wege der Veranlagung erhaltenen Lohnsteuererstattung höher wäre als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten (vgl. Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (55. Lfg 2013) zu § 3 EStG Tz 36). Die Hochrechnung betrifft nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der angeführten Transferleistungen bezogen wurden („für das restliche Kalenderjahr“). Die Berechnungsmethode hat den Effekt, dass bei Durchführung einer (ArbeitnehmerInnen-)Veranlagung jener Zeitraum, während dessen der Steuerpflichtige die angegebenen Transferleistungen bezieht, neutralisiert wird. Über die Steuerfreiheit hinausgehende Vorteile für die Transferleistungen sollen dadurch vermieden werden. Die Regelung ist verfassungskonform (vgl. Jakom/Laudacher, EStG, 2017, § 3 Rz 120).
3. Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 soll verhindern, dass das gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 steuerfreie Bildungsteilzeitgeld progressionsmindernd auf die außerhalb der Zeit der Bildungsteilzeit bezogenen Einkünfte wirkt. Das Hochrechnen von Einkünften auf einen fiktiven Jahresbetrag ist jedoch dann nicht geboten, wenn - so wie im vorliegenden Beschwerdefall - steuerpflichtige Einkünfte ohnedies ganzjährig bezogen werden (vgl. Jakom/Laudacher, EStG, 2017, § 3 Rz 122; vgl. , zu ganzjährig bezogenen Einkünften aus selbständiger Arbeit); das steuerfreie Bildungsteilzeitgeld entfaltet diesbezüglich keine progressionsmindernde Wirkung. Ganzjährig bezogene steuerpflichtige Einkünfte fiktiv um die in der Zeit der Bildungsteilzeit bezogenen Teile zu kürzen und dann die restlichen, außerhalb dieses Zeitraumes gelegenen Bezugsteile in die Hochrechnung einzubeziehen, führt zu einer dem Gesetzeszweck des § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht entsprechenden Progressionserhöhung der tatsächlich außerhalb der Zeit der Bildungsteilzeit erzielten anderen steuerpflichtigen Einkünfte (vgl. ; ; ; -I/13; ; ; ; ; ; ; ) .
Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 3. AbgÄG 1987, 277 BlgNR XVII. GP, 6 ff, stellen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Neutralisierung jenes Zeitraums, während dessen der Steuerpflichtige die angegebenen Transferleistungen bezieht, auf jene Fälle ab, in denen das Nettoeinkommen „eines nicht ganzjährig Beschäftigten“ unter Berücksichtigung der im Wege der Veranlagung erhaltenen Lohnsteuererstattung höher wäre als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten.
4. In seinem Erkenntnis vom , 94/13/0024, stellte der Verwaltungsgerichtshof zur Hochrechnung von Einkünften gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 Folgendes klar:
„Wie den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (277 BlgNR XVII. GP) zu entnehmen ist, hat die zitierte Bestimmung den Zweck, eine über die Steuerfreistellung des Arbeitslosengeldes hinausgehende Progressionsmilderung bei jenen Arbeitseinkünften zu vermeiden, die der Empfänger eines Arbeitslosengeldes allenfalls in Zeiträumen eines solchen Jahres erzielt, in denen er kein Arbeitslosengeld erhält. Solche Arbeitseinkünfte sollen nicht deswegen geringer besteuert werden, weil der Steuerpflichtige während eines Teiles des Jahres statt der Arbeitseinkünfte steuerfreies Arbeitslosengeld bezogen hat (vgl. auch die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , 89/14/0283). Da nämlich bei Durchführung eines Jahresausgleiches gemäß § 73 Abs. 2 EStG 1988 eine gleichmäßige Verteilung der Einkünfte auf sämtliche Monate des Kalenderjahres vorgesehen und der so ermittelte ‚Monatslohn‘ für die Steuerermittlung maßgebend ist, wird dieser fiktive Monatslohn entsprechend geringer, wenn in die Verteilung Zeiträume einbezogen werden, in denen keine Arbeitseinkünfte bezogen wurden. Solche Zeiträume sollen durch die Hochrechnung neutralisiert werden.“
Durch die Hochrechnung von Einkünften gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 sollen somit jene Zeiträume neutralisiert werden, „in denen keine Arbeitseinkünfte bezogen wurden“. Solche Zeiträume liegen im gegenständlichen Beschwerdefall nicht vor, weil die Bf. im Streitjahr 2016 ganzjährig (durchgehend) vom 1. Jänner bis 31. Dezember bei einem einzigen Arbeitgeber beschäftigt war.
§ 3 Abs. 2 EStG 1988 spricht die für „das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4)“ als Umrechnungsgegenstand an. Vor oder nach einem Arbeitslosengeld bezogene Einkünfte sind damit einer Umrechnung (Hochrechnung) zu unterziehen, während beispielsweise ganzjährig erwirtschaftete Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder ganzjährig bezogene Pensionen nicht mit hochgerechnet werden dürfen. Die kumulative Wirkung des Wortes „und“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sämtliche (laufenden) Einkünfte iSd § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4, sofern sie eben (nur) für den restlichen Teil des Kalenderjahres bezogen worden sind, umzurechnen sind (vgl. Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (55. Lfg 2013) zu § 3 EStG Tz 36, mit Hinweis auf LStR 2002 Rz 114).
5. In besagtem Erkenntnis vom , 94/13/0024, hat der Verwaltungsgerichtshof „noch auf Folgendes hingewiesen“:
„Der Umstand, dass das Gesetz ausdrücklich nur eine Umrechnung jener Arbeitseinkünfte vorsieht, ‚die für das restliche Kalenderjahr‘ bezogen wurden, ist offensichtlich auf die typisierende Betrachtungsweise zurückzuführen, dass während der Dauer eines Arbeitslosengeldbezuges regelmäßig keine ins Gewicht fallenden Arbeitseinkünfte zufließen. Gerade in Fällen, in denen neben dem Arbeitslosengeldbezug aber nur geringfügige Arbeitseinkünfte erzielt würden, wäre es mit der Zielsetzung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 unvereinbar, diese Bezugszeiträume nicht zu neutralisieren und den progressionsmildernden Umstand der Steuerbefreiung des Arbeitslosengeldes für die nicht befreiten Einkünfte zum Tragen kommen zu lassen.“
Das Abstellen des Verwaltungsgerichtshofes auf das Vorliegen bloß geringfügiger Arbeitseinkünfte neben dem Bezug von steuerfreien Transferleistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 lässt im gegenständlichen Beschwerdefall keine andere Beurteilung zu. Die Bf. hat während ihrer Bildungsteilzeit nach § 11a AVRAG daneben nicht bloß geringfügige Arbeitseinkünfte bezogen. Im Streitjahr 2016 erhielt sie neben dem Bildungsteilzeitgeld von ihrem Arbeitgeber für ihre Teilbeschäftigung einen monatlichen Bruttolohn von 1.607,45 € (für die Monate Jänner bis September 2016). Abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge von monatlich 275,20 € ergaben sich solcherart steuerpflichtige laufende Einkünfte von monatlich 1.332,25 €. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass ein Beschäftigungsverhältnis im Streitjahr 2016 dann als geringfügig galt, wenn das gebührende Entgelt den Betrag von monatlich 415,72 € nicht überstieg.
6. Im gegenständlichen Verfahren hat die Bf. unstrittig während des gesamten Veranlagungszeitraumes 2016 Erwerbseinkünfte von der X-GmbH in einem die Geringfügigkeit bei weitem überschreitenden Ausmaß bezogen, die auch zu versteuern sind. Der Bf. ist zuzustimmen, dass in diesem Fall keine Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 zu erfolgen hat. Eine Neutralisierung jenes Zeitraums, während dessen die Bf. die angegebenen Transferleistungen (Bildungsteilzeitgeld) bezogen hat, ist daher sachlich nicht gerechtfertigt.
Werden neben dem Bildungsteilzeitgeld ganzjährig nicht bloß geringfügige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen, hat eine Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht zu erfolgen, und zwar auch nicht hinsichtlich jener Teile, die außerhalb der Zeit der Bildungsteilzeit zugeflossen sind.
7. Der Beschwerde ist daher Folge zu geben und das im Jahr 2016 von der Bf. erzielte steuerpflichtige Einkommen ohne Anwendung der Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 zu versteuern.
Die Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2016 ist dem beiliegenden Berechnungsblatt (Beilage 2) zu entnehmen, das insoweit einen Bestandteil dieses Erkenntnisses bildet.
V. Zulässigkeit einer Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Durch die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist klargestellt, dass eine Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht zu erfolgen hat, wenn neben Bezügen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 ganzjährig nicht bloß geringfügige Einkünfte bezogen werden. Das vorliegende Erkenntnis ist im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen, weshalb im Beschwerdefall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 3 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 11a Abs. 1 AVRAG, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993 § 26a Abs. 1 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.3100532.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at