Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.01.2018, RV/5100240/2016

Vorsteuerabzug bei kostenlos zur Verfügung gestellten Eingangsumsätzen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die A in der Beschwerdesache B , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Gmunden Vöcklabruck vom , 122162/14 betreffend Umsatzsteuer 2013 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Umsatzsteuer wird für 2013 festgesetzt mit - 865.445,62 €

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die nunmehrige Bf (eine GmbH & Co KG) richtete im beschwerdegegenständlichen Zeitraum eine Gartenausstellung an mehreren öffentlichen Plätzen aus.

Nach einer Betriebsprüfung erfolgte eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2013 – im darauf am ergangenen (und in Beschwerde gezogenen) Umsatzsteuerbescheid 2013 wurden die Vorsteuern ua um 4.315,64 € (Bereich A) und 220,00 (Bereich B) gekürzt, da das Finanzamt davon ausging, dass die Bf für diese beiden Bereiche keine Einkommenserzielungsabsicht hatte, da sie dort einen öffentlichen, eintrittsfreien Zugang bot : diese Bereiche waren also lt. Ansicht des Finanzamts der nichtunternehmerischen Sphäre der Bf zuzuordnen, weshalb ihr diesbezüglich das Recht auf Vorsteuerabzug nicht zustand, während für die eintrittspflichtigen Bereiche der Vorsteuerabzug gewährt wurde.

In einer rechtzeitig dagegen eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bf bei Durchführung der Ausstellung eine nachhaltige Einnahmenerzielungsabsicht hatte und sie eine einheitliche, nach außen gerichtete Tätigkeit war. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass gewisse Bereiche eintrittsfrei zugänglich waren. Der am Investitionsvolumen gemessene  weitaus überwiegende Teil der Ausstellung (mehr als 70 %) sei nur gegen Entgelt zugänglich. Innerhalb ein und derselben Tätigkeit zwischen einem unternehmerischen und einem nichtunternehmerischen Bereich zu unterscheiden, sei nicht nur nicht sachgerecht, sondern würde auch den umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriff des § 2 UStG ad absurdum führen, da es durchaus betriebswirtschaftliche Gründe gäbe, die einen Unternehmer dazu veranlassen, gewisse Leistungen kostenfrei anzubieten: dies diene va dazu, potentiellen Besuchern die Inhalte der Ausstellung nahe zu bringen und so das Interesse für den eintrittspflichtigen Bereich zu wecken. Weiters wurde erwähnt, dass auch im Bereich B, der kostenlos zugänglich sei, von der Bf insoweit Einnahmen erzielt werden, als sie ein Kongress-und Theaterhaus betreibe, das integraler Bestandteil der Ausstellung ist: hier gibt es während der Ausstellung kostenpflichtige Konzerte und werde auch der hauseigene Gastronomiebetrieb vom erhöhten Besucheraufkommen während der Ausstellung  profitieren, da er so seine Einnahmen verbessern werde. Auch habe die pauschale Zahlung des Tourismusverbandes an die Bf für den kostenfreien Zugang seiner Übernachtungsgäste zur Ausstellung Entgeltcharakter: der Tourismusverband möchte seinen Übernachtungsgästen den kostenfreien Zugang zur Ausstellung ermöglichen und kaufe diese Leistung von der Bf pauschal zu.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit BVE ab: begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Sachverhalt unstrittig und im BP-Bericht vom , der zum integrierenden Bestandteil des Bescheids erklärt werde, dargelegt sei. Die Vorgangsweise des Finanzamts entspreche der ständigen Spruchpraxis der Finanzverwaltung. Das EUGH-Erkenntnis Sveda vom (C-126/14) bringe nichts für das Beschwerdebegehren, da es dabei um die Unternehmereigenschaft an sich gehe, die der Bf jedoch ohnehin zugestanden und im Verfahren außer Streit gestellt wurde. – Aus dem BP-Bericht gehe hervor, dass aufgrund des Umstandes, dass die Bf nicht plane, für bestimmte Bereiche der Ausstellung Eintritte zu verlangen, für diese Bereiche keine Einnahmenerzielungsabsicht der Bf gegeben sei und die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Vorsteuern zu versagen sind.

In einem rechtzeitig dagegen eingebrachten Vorlageantrag wurde auf das EUGH-Urteil Sveda vom (C-126/14) Bezug genommen und entgegen der Rechtsmeinung des Finanzamts eine hohe Relevanz für das gegenständliche Beschwerdebegehren  behauptet, da danach der Umstand, dass eine Leistung kostenlos zur Verfügung gestellt werde, keine nichtwirtschaftliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen begründe. Vielmehr komme es auf die objektive  Zweckrichtung  eines Eingangsumsatzes an. Die objektive  Zweckrichtung  des kostenlosen Zugangs zu den Bereichen A und B sei eindeutig, da so den Besuchern Wesen und Umfang der Ausstellung näher gebracht und das Interesse für den kostenpflichtigen Bereich geweckt werde. Die Eingangsumsätze, für die das Finanzamt die Vorsteuer versagte, stünden also in objektivem Zusammenhang mit der Erbringung von steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen und stünde der Vorsteuerabzug für diese Eingangsumsätze zu.

Aus einer Vereinbarung vom zwischen der Bf und dem Tourismusverband der Stadt, in der die Bf die Ausstellung ausrichtet, geht hervor, dass der Tourismusverband jedem Gast, der in einem Betrieb der Stadt übernächtige, während seines Aufenthalts in der Stadt den Besuch der Ausstellung gratis ermögliche. Die Bf wünsche, dass möglichst viele dieser Übernachtungsgäste auch die Ausstellung besuchen bzw. bei längerem Aufenthalt sie auch öfters besuchen. – Weiters sei es im Interesse des Tourismusverbands, dass der Bereich B auch während der Ausstellung ohne Eintritt zugänglich sei: dies sei nötig ua für die Durchführung der vom Tourismusverband dort organisierten Konzerte und für den Erhalt eines attraktiven Umfelds für Kongressteilnehmer und Besucher eines Festivals. Das Pauschale umfasste 150.000 € netto und wurde in Monatstranchen von 10.000 € netto entrichtet.

Die Stadtgemeinde der Stadt, in der die Bf  die Ausstellung ausrichtete, war zu 100 % an einer GmbH beteiligt, die Komplementärin der Bf ist (ihre Kommanditistin ist die Stadtgemeinde).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 2 Abs.1 UStG  sieht einen auf  Art 9 Abs.1 MwSt-RL basierten Unternehmerbegriff insoweit vor, als Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, wobei das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers umfasst. Als Steuerpflichtiger gilt lt Art 9 Abs.1 MwSt-RL, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. Als wirtschaftliche Tätigkeit gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleisters … . Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.

§ 12 Abs.1 Z 1 UStG sieht einen auf Art 167 MwSt-RL und Art 168 lit.a MwSt-RL basierten Abzug von Vorsteuer durch den Unternehmer vor für an ihn von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Wie das Finanzamt  in der BVE ausführt, stehe die Unternehmereigenschaft der Bf außer Streit. Wenn das Finanzamt jedoch meint, dass  Gegenstand  des EUGH-Urteils Sveda vom (C-126/14) die Unternehmereigenschaft an sich sei, so ist es irriger Meinung, als Streitgegenstand die Auslegung des Art 168 MwSt-RL ist und der Gerichtshof  dabei zum Erkenntnis gelangte, dass Art 168 MwSt-RL dahin auszulegen ist, dass einem Steuerpflichtigen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens (Sveda) das Recht auf Abzug der Vorsteuer gewährt wird, die für den Erwerb oder die Herstellung von Investitionsgütern für eine beabsichtigte  wirtschaftliche Tätigkeit mit Bezug zum Tourismus- und Freizeitgewerbe im ländlichen raum entrichtet wurde, die zum einen unmittelbar dazu bestimmt sind, von der Öffentlichkeit kostenfrei genutzt zu werden, und es zum anderen ermöglichen können, besteuerte Umsätze zu erzielen, sofern ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den mit den Eingangsumsätzen verbundenen Kosten und einem oder mehreren das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnenden Ausgangsumsätzen oder mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen erwiesen ist.

Lt. Art 168 lit. a MwSt-RL  ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedsstaat, in dem er die Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer die in diesem Mitgliedsstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw erbracht wurden oder werden, abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

Bei Subsumierung des beschwerdegegenständlichen Sachverhalts unter die oa Normen und Richtlinien ist bei Beachtung des EUGH-Urteils Sveda vom (C-126/14) insoweit eine Anwendbarkeit des EUGH-Urteils Sveda auf den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt gegeben, als entscheidungswesentlich zu klärende Frage in beiden Fällen ist, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen mit den durchgeführten Arbeiten verbundenen Ausgaben und den beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeiten bestehe , da die betreffende Fläche unmittelbar dazu bestimmt ist, von der Öffentlichkeit kostenfrei genutzt zu werden.

Aus den Ausführungen des EUGH im Urteil Sveda (Rn 17, 18, 21-23) ist zu entnehmen, dass ein Vorsteuerabzug dann zusteht, wenn der Steuerpflichtige als Unternehmer gerierte (was das Finanzamt auch bestätigt) und die mit den betreffenden Investitionsgütern (und folglich auch Dienstleistungen) verbundenen Kosten letztlich zur Ausübung der von der Bf beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind. Bei Sveda wurde diese Frage durch den EUGH bejaht, da der betreffende Bereich (Freizeitweg) als ein Mittel angesehen wurde, Besucher anzuziehen, um ihnen durch den Verkauf diverser Verbrauchswaren und die eröffnete Möglichkeit, entgeltliche Unterhaltungsangebote und Badeeinrichtungen in Anspruch zu nehmen, Gegenstände und Dienstleistungen anzubieten. – Im beschwerdegegenständlichen Fall hat das Finanzamt nicht bestritten, dass diese Umstände auch hier gegeben wären, sondern hat sich auf den Standpunkt zurückgezogen, dass die Bereiche, die einen eintrittsfreien und öffentlichen Zugang bieten, der nichtunternehmerischen Sphäre der Bf zuzuordnen wären. Diese Argumentation ist nicht nur nicht belegt, sondern widerspricht auch der Rechtsansicht des EUGH im oa Urteil Sveda, zumal auch vom Finanzamt unbestritten blieb, dass in den eintrittsfreien und öffentlichen Bereichen die Bf ein Kongress-und Theaterhaus betreibt, das integraler Bestandteil der Ausstellung ist: hier gibt es während der Ausstellung kostenpflichtige Konzerte (die zwar vom Tourismusverband organisiert werden) und werde jedenfalls der hauseigene Gastronomiebetrieb der Bf vom erhöhten Besucheraufkommen während der Ausstellung 

profitieren, da er so seine Einnahmen verbessern  werde. Allein die Einkommenssteigerung des Gastronomiebetriebs ist vergleichbar mit den oben zu Sveda aufgezählten Verkäufen diverser Verbrauchswaren und die eröffnete Möglichkeit, entgeltliche Unterhaltungsangebote und Badeeinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Dass dies möglicherweise auf einem unterschiedlichen Angebotsniveau zueinander liegen mag, ist offenkundig entscheidungswesentlich unbedeutend.

Aus dem beschwerdegegenständlichen Sachverhalt geht nicht hervor, dass das kostenlose Zugänglichmachen der Bereiche A und B für die Öffentlichkeit unter einen Befreiungstatbestand der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt. Auch beziehen sich die Kosten, die die Bf für die Errichtung der Gartenausstellung in den Bereichen A und B bezahlte, nicht auf außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer liegende Tätigkeiten, da sie der von der Bf beabsichtigten Tätigkeiten (Ausrichtung einer Gartenausstellung) zugeordnet werden können. Die unmittelbare kostenfreie Verwendung von Investitionsgütern stellt also unter den gegebenen Umständen nicht den direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen den mit den Eingangsumsätzen verbundenen Kosten und einem oder mehreren das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnenden Ausgangsumsätzen oder mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Bf in Frage, weshalb das Recht auf Vorsteuerabzug unberührt bleibt (sh auch Sveda, Rn 31-35).

Da ein analoger Sachverhalt zu Sveda, Rn 37 vorliegt, ist bei Beachtung obiger Ausführungen der Vorsteurabzug zu gewähren und spruchgemäß zu entscheiden.

 Eine Revision an den VwGH ist nicht zulässig. Gem. Art.133 Abs. 4 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erhoben werden, wenn es von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn eine Rechtsprechung des VwGH fehlt.

Das gegenständliche Erkenntnis gründet auf der Qualfikation von Vorsteuern iZm der kostenfreien Verwendung von Investitionsgütern sowie auf der dazu ergangenen Rechtsprechung. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 2 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Schlagworte
Vorsteuerabzug
Eingangsumsätze
kostenlose Leistungen
Interesse erwecken
kostenpflichtiger Bereich
Verweise
EuGH, C-126/14
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.5100240.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at