Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.01.2018, RV/5101752/2015

Vertreterhaftung bei einer bei einer GmbH & Co. KG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch UNICONSULT Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Bahnhofstraße 35a, 4910 Ried im Innkreis, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels zu StNr.: xxx vom , betreffend Haftung gemäß § 9 iVm §§ 80ff BAO für Abgabenschuldigkeiten der Fa. Ing. A. K. GmbH & Co. KG zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert und die Haftung für folgende Abgabenschuldigkeiten der Fa. Ing. A. K. GmbH & Co. KG geltend gemacht:


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Umsatzsteuer 6/2014
1.928,24 Euro
Lohnsteuer 07/2014
782,65 Euro
Dienstgeberbeitrag 07/2014
134,39 Euro

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Parteienvorbringen:

Haftungsverfahren:

Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführerin (Bf.) von der belangten Behörde die Möglichkeit eingeräumt zur beabsichtigten Geltendmachung einer Vertreterhaftung für die bei der Ing. A. K. GmbH & Co. KG aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 6.472,34 eine Stellungnahme abzugeben.

Dazu führte der rechtliche Vertreter im Anbringen vom aus, dass nach Ansicht der Bf. keine Haftung gegeben sei und nach österreichischem Recht ein Haftungsdurchgriff nicht bekannt sei. Weiters habe die Bf. keine Ungleichbehandlung vorgenommen, es haben zum Zeitpunkt der Fälligkeiten keine Rückstände bestanden bzw. die Geldmittel nicht ausgereicht um eine Gläubigergleichbehandlung durchzuführen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Haftung gemäß § 9 iVm §§ 80ff BAO für nachfolgend dargestellte Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 5.472,34 Euro der Ing. A. K. GmbH & Co. KG geltend gemacht: 


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in €
Umsatzsteuer
06/2014
5.236,06
Lohnsteuer
07/2014
871,35
Dienstgeberbeitrag
07/2014
354,93
Summe
 
5.472,34

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich aus der Konkurseröffnung allein zwar noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit ergebe, diese jedoch nach ständiger Rechtsprechung bereits dann gegeben sei, wenn im Laufe des Insolvenzverfahrens feststehe, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden könne. Eine voraussichtliche Quote oder die Dauer des Konkursverfahrens sei nicht bekannt.


Gemäß § 9 Abs. 1 der BAO würden die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit haften, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehöre insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Vertreter würden mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben des Vertretenen haften, wenn sie an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden treffe. Leichte Fahrlässigkeit gelte bereits als Verschulden.


Im 1. Bericht des Masseverwalters der Ing. A. K. GmbH & Co. KG () werde ausgeführt, dass im Unternehmen zu hohe Kosten in Bezug auf den erwirtschafteten Umsatz zu bedienen gewesen seien. Das Unternehmen habe nicht über die Aufträge, die zu einer der Unternehmensgröße entsprechenden Auslastung geführt hätten, verfügt. Weiters sei das Unternehmen nicht fristenkongruent finanziert. Insbesondere seien Investitionen ins Gebäude (Superädifikat) aus dem laufenden Budget bezahlt worden, anstelle dafür eine eigene Finanzierung aufzustellen.
Aufgrund dieser Tatsachen sei von einer zumindest leichten Fahrlässigkeit seitens der Geschäftsführerin auszugehen.

Am  wurde ein Vorhalt zur Ergänzung an die Bf. versendet. In der am eingelangten Stellungnahme des nunmehrigen Vertreters der Bf. wurde lediglich ausgeführt, dass in keinster Weise eine Ungleichbehandlung erfolgt sei. Dem Schreiben waren aber keine Nachweise über die Gläubigergleichbehandlung (Kontoauszüge, etc.) beigelegt worden. Weiters sei ausgeführt worden, dass nach österreichischem Recht ein Haftungsdurchgriff nicht bekannt sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) obliege es der Bf., Nachweise dafür, wieviel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden sind und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise habe das Finanzamt davon auszugehen, dass die Bf. die ihr obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt habe, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall sei. Unter diesen Umständen hafte die Bf. für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (vgl. ).
Zum Haftungsdurchgriff wurde ausgeführt, dass bei einer GmbH & Co. KG die KG durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer vertreten werde. Dieser habe auch die abgabenrechtlichen Pflichten der KG zu erfüllen und hafte bei schuldhafter Pflichtverletzung für die Abgaben der KG gemäß § 9 BAO (vgl. ). Die belangte Behörde gehe davon aus, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der vom Haftungsbescheid umfassten Abgaben zwar Gesellschaftsmittel vorhanden waren, diese aber nicht zur (anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet worden waren. Da bei der Tilgung der Schulden der Gesellschaft die Abgabenschulden schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten behandelt wurden, sei von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes auszugehen gewesen.
Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer sei vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe der Arbeitgeber die Verpflichtung, einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung zu bringen, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, sodass die vom niedrigeren Auszahlungsbetrag einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden könne. Die Lohnabgaben 07/2014 wurden laut Feststellung der Prüferin im Bericht über die Außenprüfung vom weder gemeldet noch abgeführt. Die Umsatzsteuer 06/2014 wurde selbst berechnet und dem Finanzamt elektronisch gemeldet.

In der Beschwerde der Bf. vom wurde eingewendet, dass das Konkursverfahren der Ing. A. K. GmbH & Co. KG noch nicht beendet sei und derzeit noch die Verwertung durch den Masseverwalter erfolge. Es sei jedenfalls mit einer zweistelligen Quote zu rechnen. Die Bf. bestreite daher ausdrücklich die Uneinbringlichkeit. Diese sei jedoch Voraussetzung für die Haftung. Unabhängig davon wurde der Haftungsdurchgriff verneint, entspreche es doch dem Wesen einer GmbH & Co. KG, dass grundsätzlich nur die GmbH als Haftende zu bezeichnen sei. Der Haftungsbescheid sei daher unrichtig bezeichnet, was hiermit als Verfahrensmangel ausdrücklich gerügt werde. Weiters sei festzuhalten, dass seitens der Bf. keine Gläubigerungleichbehandlung erfolgt sei, die Kreditlinien seien nicht offen gewesen und hätte eine Gläubigergleichbehandlung lediglich eine Quote von 20% ergeben.

Im weiteren Ermittlungsverfahren wurde nach Vorhalt vom in der Stellungnahme vom vorgebracht, dass zum Fälligkeitszeitpunkt gar keine Überweisungen vorgenommen worden seien. Die Löhne seien erst am   (laut den beigelegten Kontoauszügen) überwiesen worden, sodass es zu einer ursächlichen Ungleichbehandlung von 41% gekommen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Bf., als Haftungspflichtige für die aushaftenden Abgabeschuldigkeiten der Ing. A. K. GmbH & Co. KG, im Ausmaß von 3.167,76 Euro in Anspruch genommen wurde.

Die Haftung wurde hinsichtlich folgender Abgabeschuldigkeiten geltend gemacht:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in €
 Quote in %
Quote in €
Umsatzsteuer
06/2014
5.236,06
41
2.146,78
Lohnsteuer
07/2014
871,35
100
871,35
Dienstgeberbeitrag
07/2014
354,93
41
149,62
Summe
 
5.472,34
 
3.167,76

In der BVE der belangten Behörde wurde als Begründung angeführt, dass die Bf. in der ausgeführt wurde, dass ein Vertreter gemäß § 9 BAO nur unter der Voraussetzung für die Haftung in Anspruch genommen werden kann, wenn die Abgaben beim Primärschuldner nicht eingebracht werden können. Über die Primärschuldnerin sei das Konkursverfahren eröffnet worden, die Verwertung sei noch im Gange und es sei jedenfalls mit einer zweistelligen Quote zu rechnen.
Ungeachtet dessen gab der Vertreter der Haftungsschuldnerin in der Vorhaltsbeantwortung vom jedoch bekannt, dass seitens der Abgabepflichtigen keine Gläubigerungleichbehandlung erfolgt sei, da die Kreditlinien nicht offen gewesen seien. Eine Gläubigergleichbehandlung hätte lediglich eine Quote von 20 % ergeben. Weiters sei in der Eingabe vom bekanntgegeben worden, dass zum Fälligkeitszeitpunkt keinerlei Zahlungen vorgenommen worden seien, erst am  seien die Löhne bezahlt worden und es sei dadurch zu einer Ungleichbehandlung von 41 % gekommen.
Laut 2. Bericht des Masseverwalters der Primärschuldnerin vom werde die Verwertung des beweglichen Anlage - und Umlaufvermögens innerhalb der nächsten drei Monate abgeschlossen sein, eine bislang versuchte Verwertung zu Fortführungswerten sei nicht zu bewerkstelligen. Das Superädifikat im Eigentum der Primärschuldnerin sei an eine Bank verpfändet und ohne die Grundstücke nicht verwertbar. Bei einer Versteigerung sei keine Hyperocha zu erwarten. Die Höhe der zu erwartenden Quote werde vom Masseverwalter nicht genannt. Nach der Gegenüberstellung der angemeldeten Forderungen und des derzeitigen Standes des Massekontos ergäbe sich eine derzeitige Quote von 1,2 %. Nach der Verwertung werde eine Quote nicht über 20 % zu erwarten sein. Die Uneinbringlichkeit der restlichen Konkursforderungen stehe außer Zweifel.

Die Bf. als Haftungsschuldnerin werde somit für die Umsatzsteuer 06/2014 und den Dienstgeberbeitrag 07/2014 mit der laut Eingabe vom bekannt gegebenen Ungleichbehandlung von 41 % in Anspruch genommen.

Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer ist vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe nämlich der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Nach dieser Bestimmung habe der Arbeitgeber die Verpflichtung, einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung zu bringen, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, sodass die vom niedrigeren Auszahlungsbetrag einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden könne.

Dagegen wurde ein Vorlageantrag vom eingebracht.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

In der Stellungnahme der belangte Behörde im Vorlagebericht vom wurde ausgeführt, dass nach derzeitigem Stand der Aktiva ohne Berücksichtigung der Verfahrenskosten lediglich eine Quote von 1,2% zu erreichen wäre. In der Vorhaltsbeantwortung vom  sei von der Bf. durch die Auszahlung der Löhne eine Ungleichbehandlung des Abgabengläubigers mit 41% eingeräumt worden, welche in der BVE vom  hinsichtlich der Umsatzsteuerund des Dienstgeberbeitrages berücksichtigt worden war. Da die Löhne für 07/2014 noch ausbezahlt worden waren, sei die Haftung für die Lohnsteuer zur Gänze gegeben.

Wesentlicher Verlauf des Insolvenzverfahrens der Primärschuldnerin:

Am wurde über die Ing. A. K. GmbH & Co. KG (Primärschuldnerin), Adresse, PLZ O, FN FN, mit Beschluss des Landesgerichtes (LG) Wels ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet (xx). Mit Beschluss vom wurde die Bezeichnung des Verfahrens auf Konkursverfahren abgeändert. Über Antrag des Masserverwalters wurde die Schließung des Unternehmens mit Beschluss des Konkursgerichtes vom bewilligt. Mit Beschluss vom wurde der Schlussverteilungsentwurf des Masseverwalters vorgelegt und mit Beschluss vom genehmigt. Die Konkursgläubiger erhielten eine Konkursquote von 10,18%. Nach der Schlussverteilung wurde der Konkurs mit Beschluss vom (rechtskräftig mit ) aufgehoben.

Es ergibt sich folgender Sachverhalt:

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin (Bf.) am Löhne überwiesen hat und es zu einer ursächlichen Ungleichbehandlung gekommen ist. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme der Bf. vom , welche in der BVE vom vollinhaltlich Berücksichtigung fand.

Fest steht, dass die im Anbringen der belangten Behörde vom detailliert angeführten Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkursverfahrens zu xx (LG Wels) nicht einbringlich sind.

Im Konkurs der Primärschuldnerin wurde ein Quote von 10,18% ausgeschüttet, die im bisherigen Verfahren nicht berücksichtigt worden ist. Daraus ergibt sich eine Verringerung der Haftungsschuld auf nunmehr insgesamt 2.845,28 Euro wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Haftung bisher in €
- 10,18% Quote in €
Haftung neu in €
Umsatzsteuer
06/2014
2.146,78
-218,54
1.928,24
Lohnsteuer
06/2014
871,35
-88,70
782,65
Dienstgeberbeitrag
07/2014
149,62
-15,23
134,39
 
 
 
Summe:
2.845,28

In der Stellungnahme der Behörde vom , welche der Bf. mit Beschluss vom zur Kenntnis gebracht wurde, wurde neben der obigen Berechnung der Haftungsschuld unter Berücksichtigung der Konkursquote von 10,18 % ergänzend vorgebracht, dass vom Einkommensteuerkonto der Bf., als Haftungsschuldnerin, am ein Betrag iHv 1.118,52 Euro umgebucht worden ist. Dadurch sei noch ein Betrag von 1.726,76 Euro aus der Haftungsschuld offen. 

Über das Vermögen der Bf., als Haftungsschuldnerin, wurde am am LG Wels ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (x) eröffnet. Mit Beschluss vom wurde ein Sanierungsplan mit einer Quote von 20 %, zahlbar in 4 Raten zu 5% (zahlbar binnen 4 Wochen, 12 Monaten, 18 Monaten, 24 Monaten) bestätigt.

Rechtslage

Gemäß § 9 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 BAO idF BGBl. I 180/2004 lautet:

"(1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG (BGBl. I 142/2000) zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war."

§ 224 BAO in der Fassung BGBl 151/1980 lautet:

"(1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig."

§ 78 Abs. 3 EStG 1988 in der Fassung BGBl I 132/2002 lautet:

„Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.“

Erwägungen

Die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Die Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (vgl. VwGH, , 94/14/0173).

1. Zur Vertreterhaftung

Die Bf. bestreitet, dass sie von der belangten Behörde als im haftungsgegenständlichen Zeitraum bestellte Alleingeschäftsführerin der Ing. A. K. GmbH & Co. KG als Vertreterin iSd § 80 BAO gilt und für die Abgaben der KG zur Haftung für eine gegenüber der Ing. A. K. GmbH & Co. KG fällige Abgabenforderung iHv insgesamt 6.472,34 Euro (Umsatzsteuer 6/14, Lohnabgaben 7/14, Dienstgeberbeitrag 07/14) gemäß § 9 Abs. 1 BAO herangezogen werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH hat bei einer GmbH & Co. KG, bei welcher wie im vorliegenden Fall die KG durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführerin, vertreten wird, die Geschäftsführerin der GmbH die abgabenrechtlichen Pflichten, die die KG betreffen, zu erfüllen. Sie haftet bei schuldhafter Pflichtverletzung für die Abgaben der KG. Die Geschäftsführerin hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden (vgl. ).

Wenn die Bf. in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom  vorgibt, dass ein "Haftungsdurchgriff" nach dem österreichischen Recht nicht bekannt sei und sie daher nicht zur Haftung herangezogen werden könne, so widerspricht dies der ständigen Rechtsprechung des VwGH, wonach eine Haftung bei schuldhafter Verletzung sehr wohl zulässig ist.  

2. Zur Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach §  9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt somit die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin voraus (vgl. ; ; ). Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin liegt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH dann vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen in das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (vgl. ; ; ).

Am wurde über die Ing. A. K. GmbH & Co. KG (Primärschuldnerin), Adresse, PLZ O, FN FN, mit Beschluss des LG Wels ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet (xx). Die Konkursgläubiger erhielten eine Konkursquote von 10,18%. Nach der Schlussverteilung wurde der Konkurs mit Beschluss vom mit Rechtskraft  aufgehoben. Die Uneinbringlichkeit der bei der Primärschuldnerin noch aushaftenden Abgabenschuldigkeiten steht damit fest.

Ein Teil der offenen Haftungsschuld wurde von der Bf. bereits entrichtet. Dass mit einer Rechtsmittelerledigung die Haftung im Haftungsverfahren für den Zeitpunkt der Erlassung der Rechtsmittelerledigung ausgesprochen wird, bedeutet nicht, dass die Bezahlung der Haftungsschuld durch den Haftungspflichtigen selbst zum Erlöschen der Haftung führen könnte (). Die Bezahlung des Haftungsbetrages durch den Haftenden selbst steht in seiner rechtlichen Qualität als Tilgung einer Abgabenschuld so unter der Bedingung des Verbleibens des Haftungsbescheides im Rechtsbestand, wie auch außerhalb eines Haftungsfalles ein Abgabenschuldner mit der Bezahlung einer vorgeschriebenen Abgabenschuld einen Tilgungstatbestand nur für den Fall setzt, dass seine Beschwerde gegen den Abgabenbescheid erfolglos bleibt ().

3. Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde gegenüber der Bf. im Vorhalt vom die Bf. aufgefordert sich zur Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes zu äußern. Dagegen hat die Bf. in ihrer Stellungnahme vom lediglich vorgebracht, dass keine Ungleichbehandlung erfolgt sei. Diese Behauptung wurde jedoch durch keinerlei Nachweise belegt. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH wäre es Sache der Bf. gewesen darzutun, weshalb sie nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Nicht die Abgabenbehörde hatte daher ihre Schlechterstellung gegenüber anderen Gläubigern zu beweisen, sondern die zur Haftung herangezogene Vertreterin hatte nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, dieser Nachweis ist jedoch unterblieben (vgl. ). 

Zudem hat die Bf. die Ungleichbehandlung mit einem Quotenschaden von 41 % durch Überweisung der Löhne am in der schriftlichen Stellungnahme vom  eingestanden. Dies wurde auch durch entsprechende Kontoauszüge belegt. Damit steht eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes fest.

Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer ist vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen (vgl. ). Aus dem Prüfbericht der Abgabenbehörde vom geht hervor, dass die Bf. ihre abgabenrechtlichen Pflichten dadurch verletzt hat, dass sie die Lohnabgaben für 07/2014 weder gemeldet noch abgeführt hat. 

4. Verschulden

Nach der Rechtsprechung ist im Falle, dass eine Pflicht nicht erfüllt wurde, die Verschuldensvermutung gegeben (vgl. ). Die Bf. hat wie bereits ausreichend dargelegt, die Lohnabgaben weder gemeldet noch abgeführt. Eine Darlegung konkreter Gründe, warum die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich war, ist nicht erfolgt, weshalb von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen war.

5. Kausalzusammenhang

Die Pflichtverletzung muss ursächlich für die Uneinbringlichkeit sein (vgl. ). Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. )

Von der Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die gegen einen solchen Kausalzusammenhang sprechen und die Abgabenbehörde ist zu Recht von einer Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Abgabenausfall ausgegangen.

6. Berechnung der Haftungsschuld

Die im Konkursverfahren der Primärschuldnerin zur Auszahlung gelangte Quote ist im bisherigen Verfahren nicht berücksichtigt worden. Die Berechnung der Haftungsschuld wurde der Bf. mit Beschluss vom zur Kenntnis gebracht und blieb unwidersprochen.

Daraus ergibt sich folgende Haftung:  


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Umsatzsteuer 6/2014
1.928,24 Euro
Lohnsteuer 07/2014
782,65 Euro
Dienstgeberbeitrag 07/2014
134,39 Euro
Summe
2.845,28 Euro

7. Ermessen

Die Geltendmachung der Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, dass sich innerhalb der vom Gesetz auferlegten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat (vgl. ). D ie Ermessensentscheidung ist iSd § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Die Geltendmachung der Haftung ist in der Regel ermessenskonform, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich ist (vgl. VwGH, , 89/15/0067). Berechtigte Interessen der Bf. gegen die Inanspruchnahme der Haftung wurden nicht vorgebracht.

Der angefochtene Bescheid war wie im Spruch dargelegt abzuändern.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

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