Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.10.2015, RV/2100672/2015

Schulung und Verpflegung als einheitliche Leistung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin AA in der Beschwerdesache

GmbH, X, vertreten durch Rauch Wirtschaftstreuhand GesmbH, Habersdorfer Straße 8, 8230 Hartberg,

gegen die Bescheide des Finanzamt BB vom , betreffend Umsatzsteuer 2008 - 2012 und Umsatzsteuerfestsetzung 12/2013 sowie 4/2014 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin, die GmbH erzeugt und vertreibt Waren mittels Direktvertriebes. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung der Jahre 2008 - 2013 wurde Folgendes festgestellt:

Um den Vertrieb zu forcieren werden den Vertriebspartnern diverse Schulungen angeboten. Die Kosten dieser Schulungen (Raummieten, Equipment, Seminarunterlagen, Kosten für Vortragende) werden von der Bf. getragen. Die bei den Schulungen anfallenden Hotelkosten (Nächtigung und Frühstück) werden von den Teilnehmern (Vertriebspartnern) selbst getragen. Die Teilnahme an den Schulungen ist lt. Veranstaltungshinweis kostenlos. An die Seminarteilnehmer (Vertriebspartner) wird jedoch pro Person eine „Verpflegungspauschale“ mit einem USt-Satz von 10% in Rechnung gestellt.

Die Betriebsprüfung ging davon aus, dass die Verpflegung eine unselbständige Nebenleistung zur Schulung darstellt und daher das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt. In den angefochtenen Bescheiden wurde die „Verpflegungspauschale“ dem Normalsteuersatz von 20% unterworfen.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde erklärte die Bf, dass es in der Natur der Sache liege, dass der Besuch der Werbeveranstaltungen kostenlos ist.

Ab Mitte des Jahres 2008 seien bei den Schulungen zusätzlich Speisen angeboten worden, welche den Besuchern in Form eines Verpflegungspauschales verrechnet wurden.

Da der Zweck der Abhaltung der Werbeveranstaltungen nicht die unmittelbare Einnahmenerzielung, sondern der Aufbau bzw. die Erweiterung des Vertriebssystems der GmbH ist, könne die Werbeveranstaltung als solche keine Hauptleistung darstellen. Auch mangels Entgeltlichkeit des Besuches der Veranstaltungen stelle die Schulung keine Hauptleistung dar, sondern werde ohne die Absicht der Erlangung einer Gegenleistung erbracht. Daher könne die Verpflegung der Teilnehmer keine Nebenleistung sein, sondern stelle selbst eine Hauptleistung dar.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt aus, dass nach den Ermittlungen der Betriebsprüfung die Teilnahme ohne die Bezahlung der "Verpflegungspauschale" überhaupt nicht möglich ist. Auch für die so genannten „ Infoabende “ müssen von den Vertriebspartnern Tickets erworben werden, ohne die der Zutritt für Gäste, das heißt für potentielle Vertriebspartner, erst gar nicht möglich ist. Inhaltlich bekräftigte das Finanzamt die Auffassung, dass das Bereitstellen von Speisen und Getränken im Rahmen einer Schulung aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers jedenfalls als Nebenleistung anzusehen ist, die lediglich den Zweck hat, die Hauptleistung (Schulung) abzurunden.

Im Vorlageantrag verwies die Bf. abermals auf die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente.

Aus dem Arbeitsbogen der BP ergibt sich, dass in den beispielhaft beigelegten Ausgangsrechnungen der Leistungsinhalt unterschiedlich bezeichnet ist: In der Rechnung Nr. 240 aus dem Jahr 2008 wird eine „Tagungspauschale“ iHv 29 Euro verrechnet. Laut beiliegender Anmeldung beträgt die „Tagungspauschale 29 Euro (inklusive Verpflegung)“. In den AR Nr. 456, 543, 570 und 882 desselben Jahres werden wiederum unterschiedlich hohe „Verpflegungspauschalen“ verrechnet. Die Rechnung 306357 des Jahres 2008 bezeichnet die Leistung als „Akademie 26. – “, die Rechnung 320791 desselben Jahres als „ GesmbH Partner-Basistraining“ wobei lt. dort beiliegender Anmeldung eine „Verpflegungspauschale“ zu leisten ist. Der Anmeldung zur „Start up Convention des Jahres 2009“ ist zu entnehmen, dass der Ticketpreis (für Teilnahme und Verpflegung) 129 Euro beträgt. Die Rechnung Nr. 1164 aus dem Jahr 2009 weist eine Tagungspauschale als Leistungsinhalt aus während die Rechnung Nr. 1227 desselben Jahres eine Verpflegungspauschale ausweist. Lt. Anmeldung zum „ Infoabend “ am ist ein „ Infobeitrag “ iHv 10 Euro zu begleichen. In der AR Nr. AT1200024364 des Jahres 2012 wird die 2-tägige Veranstaltung „Train the Trainer“ verrechnet. Der Preis von 214 Euro beinhalte 139 Euro Verpflegungspauschale und 1 Übernachtung zu 75 Euro.

Aus den im Arbeitsbogen abgelegten Eingangsrechnungen ergibt sich, dass die jeweiligen Unternehmer am Veranstaltungsort zT Tagespauschalen (Rechnung der Fa. A vom ), zT Buffet und Getränke (Rechnung B vom ) in Rechnung gestellt haben.

Allen Schulungen gemeinsam ist der Umstand, dass die Teilnahme an den jeweiligen Veranstaltungen laut Ermittlung der Betriebsprüfung bzw. laut der im Akt aufliegenden Anmeldeformulare an die Entrichtung des wie immer bezeichneten Beitrages geknüpft ist. Nach Entrichtung des Beitrages erhält man eine Rechnung und kann an den zum vereinbarten Zeitpunkt stattfindenden Schulungen teilnehmen und die dabei dargebotene Verpflegung konsumieren.

In der mündlichen Verhandlung am erläuterte der Geschäftsführer die Umstände der Schulungen, die die Bf. intern als „Events“ bezeichnet: Ab 2008 haben die Events einen so großen Umfang angenommen, dass es aus organisatorischen Gründen notwendig war, die Teilnehmer mit einem Buffet zu verpflegen. Das Buffet war der Firmenphilosophie entsprechend vegetarisch, zum Teil sogar vegan. Die Getränke wurden von den Teilnehmern stets gesondert geordert und bezahlt. Davor wurden die Events in diversen Hotels mit à la carte Verpflegung durchgeführt. Die Verpflegungskosten wurden im Zuge der Planung kalkuliert und den Teilnehmern mit unterschiedlicher Textierung in Rechnung gestellt. Die Textierung ist auf Marketinggründe zurückzuführen.

Da sich bei einem Buffet einzelne Teilnehmer nicht ohne weiteres ausschließen lassen ist man dazu übergegangen, die Inanspruchnahme der Verpflegung als Anmeldungsvoraussetzung vorzusehen.

Insgesamt stellen die Events für die Bf. eine sehr effiziente Form von Werbung dar. Dies lässt sich auch anhand der Umsatzzahlen belegen. In den den Teilnehmern ausgehändigten schriftlichen Unterlagen bzw. den allgemeinen Unternehmensinformationen auch im Internet ist stets angeführt, dass die Teilnahme an den Events kostenlos ist.

Der Aufbau der Events selbst orientiert sich an den Präsentationen von Apple. Präsentiert werden neue Studien, zB. zu Produkten , die Werbeagentur stellt das neue Produktdesign vor, die Produktionsabteilungen erläutern die Sicherheit der Produkte, sodass bei den Teilnehmern ein "must have" Gefühl geweckt wird.

Der steuerliche Vertreter ergänzte, dass die Events ausschließlich Zwecken der Bf. (Absatz der erzeugten Produkte) dienen. Daher sei keinesfalls von einer Leistung im Sinne des UStG auszugehen. Den Teilnehmern sei klar, dass der Besuch der Veranstaltung kostenlos ist. Ansonsten würden sich ja unzählige Vertriebspartner durch die Werbung in die Irre geführt fühlen.

Rechtslage

§ 1 (1) UStG 1994 : Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. (….)

§ 4 (1) UStG 1994 : Der Umsatz wird im Falle des § 1 Abs. 1 Z 1 nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten (Solleinnahme); dazu gehören insbesondere auch Gebühren für Rechtsgeschäfte und andere mit der Errichtung von Verträgen über Lieferungen oder sonstige Leistungen verbundene Kosten, die der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung dem Unternehmer zu ersetzen hat.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Im Beschwerdefall hat die Bf. zur Absatzförderung von ihr selbst als „Events“ bezeichnete Veranstaltungen durchgeführt. Fest steht, dass die Teilnehmer (laut Angaben der Bf. Vertriebspartner und Kunden) bei Besuch der Schulungen neben der Weitergabe von Produkt- und Vertriebsinformationen auch Speisen konsumiert haben. Die Anmeldung zu den Events war mit der Entrichtung der strittigen „Verpflegungspauschale“ bzw. des „ Infobeitrages “ verbunden.

Maßgebend für die Steuerbarkeit iSd UStG ist der Leistungsaustausch. Ein Leistungsaustausch liegt vor, wenn zwischen der Leistung des Unternehmers und der Gegenleistung des Leistungsempfängers ein innerer Zusammenhang besteht (vgl. Wieland in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, § 1 Rz 82). Dieser innere Zusammenhang liegt jedenfalls vor, wenn eine Gegenleistung erbracht wird, um die Leistung zu erhalten (do ut des-Gedanke, Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 1 Tz 63 und die dort zitierte Judikatur).

Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung sind hingegen nicht erforderlich (Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 1 Tz 62; Wieland in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, § 1 Rz 89; Mayr/Ungericht UStG4, § 1 Anm 3 und die dort zitierte Judikatur).

Tatsächlich waren die Teilnehmer der Veranstaltungen bereit, ein Entgelt zu entrichten, auch wenn das Event der Absatzförderung der Bf. gedient hat. Dementsprechend geht selbst die Bf. von einem Leistungsaustausch aus, hat sie ja die Verpflegungspauschale der Umsatzsteuer (zum ermäßigten Steuersatz) unterworfen.

Für die Besteuerung relevant ist neben dem Leistungsaustausch an sich, welche Leistung tatsächlich ausgeführt und entgolten wird (zB ). Der Umfang einer Leistung ist dabei in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen (für alle: Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 1 Tz 31).

Die Bf. erbringt eine Mehrzahl von Leistungen (Schulung, Verpflegung) und erhält dafür ein Entgelt in Form eines „Verpflegungs- oder Infobeitrages“. Für Zwecke der Besteuerung ist die Bf. davon ausgegangen, dass das Entgelt ausschließlich für die Verpflegung entrichtet wird; für die praktische Abwicklung der Schulungen war die Entrichtung des „Verpflegungsbeitrages“ jedoch zwingende Voraussetzung für eine Anmeldung.

Dem von der Judikatur entwickelten Grundsatz der Unteilbarkeit der Leistung widerspricht es, einen einheitlichen Rechtsvorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten (Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Tz 31 unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH).

Auch der EuGH geht unter bestimmten Umständen von einer einheitlichen Leistung aus. Im , „Field Fisher Waterhouse LLP” beurteilt er so genannte „Leistungsbündel“ folgendermaßen:

Wenn ein Umsatz mehrere Elemente umfasst, stellt sich die Frage, ob er als aus einer einheitlichen Leistung bestehend oder als mehrere eigene und selbständige, hinsichtlich der Mehrwertsteuer getrennt zu beurteilende Leistungen anzusehen ist. Denn aus der Rechtsprechung des EuGH geht hervor, dass unter bestimmten Umständen mehrere formal unterschiedliche Einzelumsätze, die getrennt erbracht werden und damit jeder für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen könnten, als einheitlicher Umsatz anzusehen sind, wenn sie nicht selbständig sind (,“ Part Service“).

Hierzu hat der EuGH entschieden, dass eine Leistung als einheitlich anzusehen ist, wenn der Steuerpflichtige zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. in diesem Sinne , „Levob Verzekeringen und OV Bank“ und „Everything Everywhere“).

Dies ist ferner auch der Fall, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die steuerlich wie die Hauptleistung behandelt werden. Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. in diesem Sinne „CPP“, „Part Service“ sowie samt verbundener Rs C-499/09, C-501/09 und C-502/09, „Bog u. a.“).

Um festzustellen, ob es sich bei den erbrachten Leistungen um mehrere selbständige Hauptleistungen oder um eine einheitliche Leistung handelt ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln.

Im Beschwerdefall liegt das Wesen des Umsatzes in der Vermittlung von Kenntnissen über die Produkte und das Vertriebssystem der Bf. Den Teilnehmern kommt es nämlich darauf an, Wissen zu erwerben um in weiterer Folge daraus gegebenenfalls Einkünfte erzielen zu können. Anders als beim Besuch eines Restaurants steht die Verpflegung nicht im Vordergrund. Es widerspricht nämlich den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass jemand einen ganzen Tag Vorträge anhört nur um sich entgeltlich an einem Buffet zu verköstigen.

Auch wenn die Bf. in ihren Rechnungen zT ausdrücklich eine „Verpflegungspauschale“ ausgewiesen hat, steht die Zahlung der „Verpflegungspauschale“ wirtschaftlich mit dem Besuch der Schulungen in Verbindung. Die Bf. kann diese einheitliche Leistung durch Abrechnungsmodalitäten nicht künstlich aufspalten.

Im Beschwerdefall ist die Verpflegung der Teilnehmer als Nebenleistung zur einer Schulung anzusehen, weil sie für die Teilnehmer keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. in diesem Sinne „CPP“, „Part Service“ sowie , samt verbundener Rs C-499/09, C-501/09 und C-502/09 „Bog u. a.“ bzw. , , oder u.v.a).

Unselbständige Nebenleistungen teilen das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung (Ruppe/Achatz, UStG 19944, § 1 Tz 31 unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH), im Beschwerdefall den Normalsteuersatz.

Da die einheitliche Leistung „Event und Verpflegung“ aufgrund des Grundsatzes der Unteilbarkeit der Leistung nicht in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgespalten werden kann und das Wesen des Umsatzes in der mit dem Normalsteuersatz zu versteuernden Wissensvermittlung liegt, war die Beschwerde wie im Spruch ersichtlich abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise









ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.2100672.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at