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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.11.2017, RV/7105411/2017

Rückzahlung und Abrechnung, vorzeitige Tilgung bei Ratenvereinbarung durch Verrechnung von Gutschriften mit von der Einbringung ausgesetzten Abgaben zulässig

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Gänserndorf Mistelbach vom , Steuernummer XY, betreffend Rückzahlung gemäß § 239 Abs. 1 BAO und Abrechnung gemäß § 216 BAO zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass die Vorsteuergutschriften 02/2017 und 04/2017 zu Recht mit der von der Einbringung gemäß § 231 Abs. 1 BAO ausgesetzten Umsatzsteuer 02/2016 gemäß § 213 Abs. 1 BAO verrechnet wurden, weshalb daher kein rückzahlbares Guthaben vorlag.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) die Überweisung der Gutschrift in Höhe von € 4.461,88 auf sein Bankkonto.

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Das Finanzamt wies das Ansuchen mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass die zur Rückzahlung beantragte Gutschrift zur (teilweisen) Tilgung seiner Abgabenschuldigkeiten heranzuziehen gewesen sei.

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Dagegen erhob der Bf. am Beschwerde und wandte ein, dass auch für das Finanzamt Art. 18 Abs. 1 B-VG gelte, wonach die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden dürfe.

Es gebe aber keine gesetzliche Norm, die dem Finanzamt im gegenständlichen Fall das Recht einräume, ein Vorsteuerguthaben zurückzubehalten und in nicht nachvollziehbarer Weise unter dem Titel „Wiederaufnahme von Konkursforderungen Tagessaldo - € 837,31“ mit einem Betrag von € 5.211,88 zur Tilgung nicht fälliger Forderungen zu verwenden. Denn die zweite Quote aus dem Sanierungsverfahren YZ des Landesgerichtes Korneuburg (€ 3.717,09) werde erst im Dezember 2017 fällig, die nächste Rate aus der Vereinbarung vom betreffend das Absonderungsrecht des gepfändeten Traktors in Höhe von € 750,00 erst am .

Die Zurückbehaltung der Gutschriften „zur (teilweisen) Tilgung“ seiner nicht fälligen Abgabenschuldigkeiten finde sohin im Gesetz keine Deckung.

Der Bf. stelle daher den Antrag, der Beschwerde Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen Bescheides die Rückzahlung der Gutschriften zu verfügen.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte begründend aus, dass die Umsatzsteuergutschrift von € 5.211,88 gemäß § 215 BAO mit dem vorhandenen Pfandrecht für die Zugmaschine John Deere gegenverrechnet worden sei. Das Pfandrecht bestehe in Höhe von € 27.000,00.

Im Zuge des Sanierungsverfahrens sei eine Sanierungsplanquote von 24% bestätigt worden. Um die Erfüllung dieses Sanierungsplanes nicht zu gefährden, sei vom Finanzamt eine ratenweise Abstattung des Pfandrechtes bewilligt worden.

Das Umsatzsteuerguthaben sei mit den Schuldigkeiten aus dem Pfandrecht verrechnet worden, wodurch sich die Laufzeit der Ratenzahlungen verringere.

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Der Bf. beantragte daraufhin mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass das Finanzamt erstmals in der Beschwerdevorentscheidung dargelegt habe, ein Umsatzsteuerguthaben in der Höhe von € 5.211,88 auf seine Schuldigkeiten aus einem Pfandrecht verrechnet zu haben, wodurch sich die Laufzeit der vereinbarten Ratenzahlungen verringere.

Auch diese Vorgangsweise finde im Gesetz keine Deckung. Denn der vom Finanzamt zitierte § 215 Abs. 1 BAO ordne ausdrücklich an, dass ein sich aus der Gebarung unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt sei, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden sei und dies nicht gelte, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt sei.

§ 215 BAO gebe dem Finanzamt daher nicht das Recht, die Ratenvereinbarung vom einseitig und willkürlich abzuändern. Denn den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung zuwider werde gerade dadurch die Erfüllung des Sanierungsplanes gefährdet, zumal die nächste Quotenzahlung über ca. € 29.000,00 im Dezember 2017 fällig werde. Der Bf. brauche daher jetzt das Geld und könne nicht vereinbarte Ratenzahlungen leisten, die erst im 1. Halbjahr 2020 fällig würden.

Aber selbst wenn eine derartige „Verrechnung“ gesetzlich möglich wäre, hätte sie zugunsten der drückenden Schulden zu erfolgen. Dies seien aber zweifellos die in nächster Zukunft anstehenden Raten und nicht Raten, die erst 2020 fällig würden.

Sein Umsatzsteuerguthaben sei daher gemäß § 215 Abs. 4 BAO zurückzuzahlen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Ein sich aus der Gebarung (§ 213) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist gemäß § 215 Abs. 1 BAO zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) kann gemäß § 239 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.

Ein Guthaben im Sinne des § 215 BAO stellt sich als Ergebnis der Gebarung auf dem Abgabenkonto dar, wobei in den Fällen der zusammengefassten Verbuchung der Gebarung nach § 214 Abs. 1 BAO Zahlungen und sonstige Gutschriften zunächst grundsätzlich auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen sind.

Strittig ist, ob das aus der Verbuchung der Vorsteuergutschrift 04/2014 von € 4.375,82 auf dem Abgabenkonto des Bf. in Höhe von € 4.461,88 im Zeitpunkt der Antragstellung ausgewiesene Guthaben antragsgemäß an den Bf. zurückzuzahlen ist. Da infolge der Verrechnung dieses Guthabens mit der von der Einbringung gemäß § 231 Abs. 1 BAO ausgesetzten Umsatzsteuer 02/2016 in Höhe von € 5.211,88 (€ 4.461,88 zuzüglich einer sonstigen Gutschrift von € 750,00) am am Abgabenkonto das zum Zeitpunkt der Antragstellung vermeintliche Guthaben von € 4.461,88 nicht mehr besteht (das derzeit ausgewiesene Guthaben von € 535,47 resultiert aus den erst nach Antragstellung am , und wirksam gewordenen Vorsteuergutschriften 06-08/2017 und einer Zahlung vom ), war dem Rückzahlungsantrag schon deswegen der Erfolg zu versagen gewesen.

Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist gemäß § 216 BAO über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

In Wahrheit besteht ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto der Bf. Ein derartiger Streit ist aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht in einem Verfahren nach § 239 Abs. 1 BAO, sondern in einem solchen nach § 216 BAO auszutragen (). Da sich aus dem Vorbringen der Bf. ergibt, dass strittig ist, ob die Verrechnung des Guthabens mit von der Einbringung ausgesetzten Abgaben zulässig sei, andernfalls ein Rückzahlungsanspruch zu Recht bestünde, ist der angefochtene Bescheid nach seinem materiellen Gehalt einer Deutung als Abrechnungsbescheid im Sinne des § 216 BAO zugänglich ().

Strittig ist, ob zum Zeitpunkt der Antragstellung, dem , auf dem Abgabenkonto des Bf. ein rückzahlbares Guthaben in der beantragten Höhe von € 4.461,88 bestand.

Dem Vorbringen des Bf., dass gemäß § 215 Abs. 1 BAO Guthaben nicht zur Tilgung von Abgabenschuldigkeiten verwendet werden dürften, deren Einhebung ausgesetzt ist, ist entgegenzuhalten, dass die gegenständliche Umsatzsteuer 02/2016, mit der die Vorsteuergutschriften 02/2017 und 04/2017 auf dem Abgabenkonto des Bf. verrechnet wurden, nicht von der Einhebung gemäß § 212a BAO, sondern von der Einbringung gemäß § 231 Abs. 1 BAO ausgesetzt war (bzw. zu einem Teil noch ausgesetzt ist). Eine Verrechnung mit von der Einbringung ausgesetzter Abgaben steht § 215 Abs. 1 BAO jedoch nicht entgegen.

Bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen ist gemäß § 213 Abs. 1 BAO, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, für jeden Abgabepflichtigen, bei Gesamtschuldverhältnissen für die Gesamtheit der zur Zahlung Verpflichteten, die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen.

Außerdem nahm das Finanzamt im gegenständlichen Fall aber gar keine Guthabensverwendung nach § 215 Abs. 1 BAO auf ein anderes Abgabenkonto des Bf. bei derselben Abgabenbehörde vor, sondern stellt diese Verrechnung eine Gebarung auf demselben Abgabenkonto des Bf. gemäß § 213 Abs. 1 BAO dar.

Auch der Einwand des Bf., dass die Verrechnung mit nicht fälligen Ratenzahlungen erfolgt sei, geht ins Leere, weil nur die Verwendung von Guthaben gemäß § 215 Abs. 1 BAO die Fälligkeit der zu verrechnenden Abgabenschuldigkeiten voraussetzt, nicht aber die Gebarung nach § 213 Abs. 1 BAO.

Darüber hinaus bleibt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durch die Bewilligung von (im gegenständlichen Fall durch die Vereinbarung vom für das Absonderungsrecht des gepfändeten Traktors gewährten) Zahlungserleichterungen ohnehin der Fälligkeitstag unberührt (). Die Bewilligung von Zahlungserleichterungen hat dem § 230 Abs. 5 BAO zufolge zwar die Wirkung, dass Einbringungsmaßnahmen während der Dauer des Zahlungsaufschubes weder eingeleitet noch fortgesetzt dürfen (Ritz, BAO5, § 212 Tz 15), jedoch lässt sich auch daraus nichts gewinnen, weil die Gebarung gemäß § 213 Abs. 1 BAO keine Einbringungsmaßnahme darstellt (vgl. , zur Verwendung von Guthaben nach § 215 BAO; Ellinger/Bibus/Ottinger, Abgabeneinhebung, § 215 Tz 4).

Die Abgabenbehörde durfte und musste, da die Gebarung nicht in ihrem Ermessen steht, daher zu Recht die Vorsteuergutschriften 02/2017 und 04/2017 bzw. das nur vermeintliche Abgabenguthaben mit der von der Einbringung gemäß § 231 Abs. 1 BAO ausgesetzten Umsatzsteuer 02/2016 verrechnen und die beantragte Rückzahlung abweisen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 215 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 215 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 213 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7105411.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
NAAAC-16104