Dienstgeberbeitragspflicht von Beschäftigungsvergütungen an einen "Gesellschafter-Geschäftsführer"
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Senat1 und die weiteren Senatsmitglieder Senat2, Senat3 und Senat4 im Beisein der Schriftführerin SF in der Beschwerdesache der Firma Bfin., über die Berufung (jetzt: Beschwerde) vom , gerichtet gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Umgebung vom , betreffend die Festsetzung von Lohnsteuer gemäß § 202 BAO iVm § 82 EStG 1988 für die Jahre 2001 bis 2004, sowie die Festsetzung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DB) und von Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag (DZ; auch KU2) gemäß § 201 BAO, jeweils für die Jahre 2001 bis 2005, nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung (jetzt: Beschwerde) wird teilweise Folge gegeben:
Die angefochtenen Bescheide betreffend die Festsetzung von Lohnsteuer gemäß § 202 BAO iVm § 82 EStG 1988 für die Jahre 2001 bis 2004 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Im Zuge einer Außenprüfung stellte das prüfende Organ fest, dass die Beschwerdeführerin bei der Verrechnung der Bezüge eines Arbeitnehmers auf Grund eines bei ihr eingebrachten Antrages das so genannte „große Pendlerpauschale“ berücksichtigt hat.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass auf Grund der überprüften Verhältnisse nur das „kleine Pendlerpauschale“ zustand. In der Folge nahm das Finanzamt die Beschwerdeführerin als gemäß § 82 EStG 1988 haftenden Arbeitgeber in Anspruch.
Außerdem stellte die Prüferin fest, dass die dem an der Beschwerdeführerin wesentlich beteiligten Gesellschafter und Geschäftsführer gewährten Vergütungen bis einschließlich März 2005 nicht dem Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DB) unterworfen worden waren und auch kein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ; auch KU2) entrichtet worden war.
Auch diese Abgaben wurden mit Bescheiden vom festgesetzt.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung (jetzt: Beschwerde) führte die Beschwerdeführerin durch ihren bevollmächtigten Vertreter auszugsweise aus:
„…Die Lohnsteuernachforderung betrifft lt. Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung (…) die Nichtanerkennung des großen Pendlerpauschales für den Dienstnehmer … .Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung ist ausdrücklich festgehalten ´kein Verschulden des Dienstgebers´.
Gem. § 83 Abs. 2 EStG 1988 wird hinsichtlich der Lohnsteuer der Arbeitnehmer unmittelbar in Anspruch genommen, wenn er eine unrichtige Erklärung abgegeben hat oder seiner Meldepflicht gem. § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 nicht nachgekommen ist.
Die Lohnsteuerrichtlinien führen dazu in Rz 274 aus, dass der Arbeitnehmer gem. § 83 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 unmittelbar in Anspruch zu nehmen ist, außer es liegt ein Verschulden des Arbeitgebers vor, … Gerade ein derartiges Verschulden liegt aber nach den Feststellungen der Außenprüfung nicht vor. …
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden folgende … Nachforderungen erhoben:
…
Bemessungsgrundlage dieser Festsetzungen sind die von unserer Gesellschaft in den Streitjahren ausbezahlten Geschäftsführerbezüge an den wesentlich beteiligten Geschäftsführer … Nach der mit verstärktem Senat geänderten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () wird die Dienstgeberbeitrags-Pflicht seit November 2004 dahingehend ausgelegt, dass für die Beurteilung der Dienstnehmereigenschaft bei wesentlich beteiligten Geschäftsführern ein einziges Merkmal genügt, nämlich die Eingliederung des Geschäftsführers in den betrieblichen Organismus des Unternehmens. ….
Im vorliegenden Fall kommt daher die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO vom zur Anwendung. …“
Das Finanzamt hat diese Berufung, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht hat das Finanzamt selbst den Antrag gestellt, der Berufung betreffend die Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Lohnsteuer Folge zu geben.
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über diese Berufung ist mit auf das Bundesfinanzgericht übergegangen, welches nunmehr über diese Berufung als Beschwerde zu entscheiden hat.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Der Umstand, dass die Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 Z 1 und 4 vorliegen, steht einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht entgegen.
Gemäß § 83 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner.
Nach § 83 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 wird der Arbeitnehmer unmittelbar in Anspruch genommen, wenn der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung abgegeben hat oder seiner Meldepflicht gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 nicht nachgekommen ist.
Wie das Finanzamt richtig erkannt hat, stellt der vorliegende Fall einen solchen dar, in dem nur der Arbeitnehmer als Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch genommen werden kann.
Der Beschwerde war daher in diesem Punkt Folge zu geben; Die angefochtenen Haftungsbescheide waren aufzuheben.
Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu entrichten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen.
Gemäß § 41 Abs. 2 FLAG 1967, in der ab 1994 anzuwendenden Fassung des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, sind Dienstnehmer alle Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinn des § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinn des § 22 Z 2 EStG 1988.
Gemäß § 41 Abs. 3 FLAG, idF BGBl. 818/1993, ist der Dienstgeberbeitrag von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen. Arbeitslöhne sind dabei Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinn des § 22 Z 2 EStG 1988.
Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Nach § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 fallen unter die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) aufweisende Beschäftigung gewährt werden.
Die Verpflichtung zur Entrichtung des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag (DZ), der von der in § 41 FLAG 1967 festgelegten Bemessungsgrundlage zu erheben ist, gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , 96/15/0121, und vom , 96/15/0094) werden Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 vom wesentlich beteiligten Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. dann erzielt, wenn, bezogen auf die tatsächlich vorzufindenden Verhältnisse, feststeht,
- dass der Gesellschafter-Geschäftsführer zufolge kontinuierlicher und über einen längeren Zeitraum andauernder Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung in den Organismus des Betriebes seiner Gesellschaft eingegliedert ist,
- dass ihn unter Bedachtnahme auf die Einnahmen- bzw. Ausgabenschwankungen kein ins Gewicht fallendes Unternehmerwagnis trifft und
- dass er eine laufende, wenn auch nicht notwendig monatliche Entlohnung erhält (vgl. z.B. , 2001/14/0052, , , und ).
Von dieser ständig vertretenen Rechtsauffassung ist der Verwaltungsgerichtshof mit dem auch von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis , insoweit abgegangen, als, in Abkehr von der Annahme einer Gleichwertigkeit der oben genannten Kriterien, die Kriterien des Fehlens eines Unternehmerwagnisses und des laufenden Anfallens einer Entlohnung in den Hintergrund zu treten haben und entscheidende Bedeutung vielmehr dem Umstand zukommt, ob der Gesellschafter bei seiner Tätigkeit in den betrieblichen Organismus des Unternehmens der Gesellschaft eingegliedert ist.
Die Frage nach dem Kriterium der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Gesellschaft ist weiterhin nach jenem Verständnis von diesem Tatbestandsmerkmal zu beantworten, zu dem der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtssprechung gefunden hat. Nach diesem Verständnis wird dieses Merkmal durch jede nach außen hin auf Dauer angelegte erkennbare Tätigkeit hergestellt, mit der der Unternehmenszweck der Gesellschaft, sei es durch ihre Führung, sei es durch operatives Wirken auf ihrem Betätigungsfeld, verwirklicht wird, ohne dass dabei von Bedeutung wäre, in welcher Weise die aus der Tätigkeit erzielten Einkünfte zu qualifizieren wären, wenn die Tätigkeit nicht für die Gesellschaft geleistet würde. Beispielsweise spricht die kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung für die Eingliederung (vgl. die Erkenntnisse vom , 99/14/0255, vom , 98/15/0200, und vom , 99/14/0339).
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter die Gesellschaft als selbstständiger Geschäftsführer vertritt. Auf Grund dieser jahrelangen Tätigkeit als Geschäftsführer ist die Eingliederung des Gesellschafters in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin im Zusammenhalt mit der auf Dauer angelegten nach außen hin erkennbaren Tätigkeit als Betriebsleiter, mit der der Unternehmenszweck der Gesellschaft durch die Führung der Gesellschaft und dem operativen Betätigungsfeld des Geschäftsführers verwirklicht wird, jedenfalls als gegeben anzunehmen.
Im Erkenntnis vom , G 109/00, hat der Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass verschiedene Merkmale eines Dienstverhältnisses, die im Zusammenhang mit einer weisungsgebundenen Tätigkeit Indizien für ein Dienstverhältnis wären, im Falle der, auf die gesellschaftsrechtliche Beziehung zurückzuführenden, Weisungsungebundenheit ihre Unterscheidungskraft verlieren und daher für die Lösung der Frage, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses im Vordergrund stehen, nicht brauchbar sind. Zu den Merkmalen, die in diesem Sinn vor dem Hintergrund der Weisungsgebundenheit ihre Indizwirkung verlieren, gehören nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes: das Unterworfensein unter betriebliche Ordnungsvorschriften über Arbeitsort, Arbeitszeit und "Arbeitsverhalten", das Unterliegen einer betrieblichen Kontrolle und Disziplinierung, der Anspruch auf Mindestentlohnung nach dem Kollektivvertrag, die Ansprüche auf Sonderzahlungen und auf Abfertigung, der Anspruch auf Urlaub, die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf Arbeitslosenversicherung, auf Vorrechte im Konkurs des Arbeitgebers und auf Insolvenz-Ausfallgeld, der Schutz nach dem Arbeitsverfassungsrecht, die Begünstigung nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz und schließlich auch die Befugnis, sich in der Tätigkeit durch wen immer vertreten zu lassen.
Aber auch die Kriterien des Fehlens eines Unternehmerrisikos und der laufenden Entlohnung müssen demnach in den Hintergrund treten und es kommt ihnen daher keine entscheidende Bedeutung zu (vgl dazu abermals das Erkenntnis des ), sodass sich das bundesfinanzgerichtmit dieser Frage im gegenständlichen Verfahren nicht näher auseinanderzusetzen braucht.
Im Ergebnis vertritt das Bundesfinanzgericht die Auffassung, dass die Beschäftigung des wesentlich beteiligten Gesellschafters mit Ausnahme der Weisungsgebundenheit sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweist. Er erzielte aus seiner Beschäftigung für die Gesellschaft demnach Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988, weshalb er im Sinn des § 41 Abs. 2 FLAG 1967 "Dienstnehmer" ist. Dies löst die Pflicht aus, von den Bezügen des Geschäftsführers den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und in der Folge den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten.
Der Beschwerde konnte daher in diesem Punkt kein Erfolg beschieden sein.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Bundesfinanzgericht nur in der Sache entscheiden darf. Sache in gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist nur das Verfahren hinsichtlich der Abgabenfestsetzung, nicht aber das Einhebungsverfahren, weshalb in diesem Erkenntnis zu der von der Beschwerdeführerin genannten Verordnung des Bundesministers für Finanzen keine Aussagen getätigt werden dürfen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at