Gilt die Zirkusakademie als Berufsausbildung iSd FLAG?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Armin Treichl, über die Beschwerde der Frau a, b, c, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom , SVNr d, betreffend Abweisung des Antrages vom betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Oktober 2016 für das Kind e e1, SVNr f
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Feldkirch den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Familienbeihilfe für das Kind e1 ab Oktober 2016 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:
„Der Lehrgang für Zirkuspädagogik stellt keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar (geringes Unterrichtsausmaß, keine Zwischenprüfungen, Diplomarbeit = Reflexion, keine Prüfung über erlernte Fähigkeiten).“
In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:
„1. Wir haben uns seit Frühsommer dieses Jahres bemüht, zu erfahren, ob wir bei einer Ausbildung an der Zirkusakademie weiterhin Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Die unterschiedlichen Auskünfte durch Mitarbeiterinnen des Finanzamts geben Anlass zur Annahme, dass es auch für die Sachbearbeiterinnen einen gewissen Ermessensspielraum gibt.
In einer ersten Information wurde uns gesagt, dass unsere Tochter einen Nachweis über 10 Stunden brauche. Wir erhielten nach dem ersten Antrag weder eine Zahlung noch einen Bescheid.
Dann erfuhren wir, dass ein Nachweis über 20 Stunden notwendig sei.
Als unsere Tochter Anfang Oktober mit der Ausbildung startete und herausfand, dass sie sehr wohl die Möglichkeit hatte, mehr Stunden zu absolvieren, konnte sie in unserem neuen Antrag 25 Stunden belegen, trotzdem wurde uns nach dem 2. Antrag der Abweisungsbescheid ab Oktober 2016 (obwohl ich der Mitarbeiterin, die am Schalter noch fehlende Informationen ergänzte, gesagt hatte, dass die letzte Zahlung im Juni erfolgt sei) zugestellt.
2. Das BMF schreibt, der Lehrgang stelle keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar:
Im Glossar des BMF findet sich unter dem Stichwort Ausbildung folgende Information:
„Bildungsmaßnahmen zur Erlangung von Kenntnissen, die eine künftige Berufsausübung ermöglichen“ (https://www.bmf.av.at/suche/eraebnis.html?searchterm=Ausbildung, )
Unsere Tochter möchte Zirkuskünste und Zirkuspädagogik unbedingt hauptberuflich ausüben. Die Zirkusakademie in Wien ist die einzige Einrichtung in Österreich, die eine Ausbildung in dieser Richtung anbietet:
„2001 wurde die Zirkus Akademie Wien gegründet, um die Lust an der Bewegung und die Faszination der Zirkuswelt auch Erwachsenen zu ermöglichen. Sie ist ein zweijähriger Lehrgang für Zirkuskünste und Zirkuspädagogik, um die oben genannten Zielsetzungen auch für Erwachsene umzusetzen. Damit wurde erstmals dem Bedürfnis nach solch einer Ausbildung in Österreich Rechnung getragen." (http://www.kaos.at/info/unsere-geschichte.html. )
Laut Auskunft der Zirkusakademie Wien bietet die Akademie definitiv einen Ausbildungslehrgang an, der ab 2017 auch zertifiziert sein wird (das Verfahren zur Akkreditierung läuft). Zudem ist diese Ausbildung absolut notwendig, um genügend Kenntnisse und Fähigkeiten für die Aufnahmeprüfung in eine weiterführende Zirkusschule (z.B. Berlin) zu schaffen, die viel Erfahrung und Praxis voraussetzt, dann aber ebenfalls einen entsprechenden, anerkannten Abschluss bietet:
„Abschluss der Weiterbildung
Die Weiterbildung wird durch den Austausch mit der BAG Zirkuspädagogik e.V. und mit anderen nationalen und europäischen Aus- und Weiterbildungsinstituten der Zirkuspädagogik systematisch weiterentwickelt. Die erfolgreiche Absolvierung der Weiterbildung führt zum Abschluss „Geprüfte*r Zirkuspädagog*in" (http://www.cabuwazi.de/Akademie/cca vollzeitweiterbildung-zirkuspaedagoik.php )
3. Das BMF bemängelt zu geringes Unterrichtsausmaß: Unsere Tochter absolviert Unterrichts-und Trainingseinheiten im Ausmaß von 25 Wochenstunden. Für eine Arbeitsstelle neben diesen Zeiten gibt es leider nicht viele Möglichkeiten. Außerdem: welcher Student geht schon mehr als 20 Stunden auf die Uni?
4. Das BMF kritisiert, dass es sich bei der Diplomarbeit nur um eine Dokumentation und Reflexion handelt: Das mag zwar sein, trotzdem muss unsere Tochter eine Diplomarbeit schreiben, die betreut wird und kostet:
€ 350,- Diplombetreuung
(http://www.kaos.at/fileadmin/redaktion/ZA/Zirkus Akademie Wien Webfolder 2013.pdf.)
5. Da sich eine geregelte Arbeit für unsere Tochter kaum ausgeht und sie aufgrund der unkonventionellen Ausbildung keinen Studentenstatus hat, sind die Kosten für uns Eltern noch höher als für Eltern von „anerkannten Studentinnen“:
Ausbildung: € 1.800,-pro Jahr, € 350,-Diplombetreuung, Miete für Wohnung, Lebensunterhalt, Vollpreis bei öffentlichen Verkehrsmitteln, Unfallversicherung. Bei Wegfall der Familienbeihilfe würden noch € 100,- pro Monat für die Selbstversicherung bei der Gebietskrankenkasse dazukommen, was insgesamt eine sehr hohe Belastung darstellt.
Daher bitte ich höflichst um eine neuerliche Überprüfung der Situation und eine wohlwollende Entscheidung (d.h. Familienbeihilfe ab Juli 2016), die uns und vor allem unsere Tochter nicht für einen etwas unkonventionellen Berufswunsch bestraft.“
Das Finanzamt Feldkirch hat die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:
„Mit Bescheid vom wurde Ihr Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Tochter e1 ab dem abgewiesen. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmung angeführt, dass der Lehrgang für Zirkuspädagogik keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstelle (geringes Unterrichtsausmaß, keine Zwischenprüfungen, Diplomarbeit = Reflexion, keine Prüfung über erlernte Fähigkeiten).
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde von wenden Sie dagegen ein, dass Ihre Tochter Zirkuskünste und Zirkuspädagogik hauptberuflich ausüben möchte und dass die Zirkusakademie in Wien die einzige Einrichtung sei, die eine Ausbildung in dieser Richtung anbiete. Ihre Tochter absolviere Unterrichts- und Trainingseinheiten im Ausmaß von 25 Wochenstunden. Die Tochter müsse für den Abschluss eine Diplomarbeit schreiben.
Gem. § 2 Abs. 1 Familienleistenausgleichsgesetz haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Nach den Bestimmungen des FLAG 1967 besteht für volljährige Kinder nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden. Als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 ist eine schulische oder kursmäßige Ausbildung dann zu werten, wenn in deren Rahmen das für das künftige Berufsleben notwendige Wissen umfassend vermittelt und die erforderlichen Fertigkeiten erlernt werden. Ganz essentiell ist der Abschluss eines genau umrissenen Berufsbildes, das bedeutet, der Auszubildende muss nach Absolvierung in der Lage sein, ein bestimmtes Berufsbild zu erfüllen.
Der Besuch von im Allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichteten Veranstaltungen kann dagegen nicht als Berufsausbildung gewertet werden, selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere spezifische Berufsausbildung Voraussetzung oder nützlich ist.
Zudem ist eine Ausbildung nur dann eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967, wenn sie nach Art und Dauer die volle oder überwiegende Zeit der Teilnehmer beansprucht.
Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Der VwGH hat hierzu in seiner (st) Rsp folgende Kriterien entwickelt (s für viele zB ; ; ), wobei erwähnt sei, dass teilweise auch die Judikatur zu § 16 Abs 1 Z 10 und zu § 34 Abs 8 EStG herangezogen werden kann:
Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen.
Ziel einer Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen.
Eine Berufsausbildung kann unabhängig davon vorliegen, ob ein „gesetzlich anerkannter Ausbildungsweg“, „ein gesetzlich definiertes Berufsbild“ oder ein „gesetzlicher Schutz der Berufsbezeichnung“ existiert (s ).
Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein.
Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus.
Unter den Begriff „Berufsausbildung“ sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.
Bei kursmäßigen Veranstaltungen kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet.
Der Besuch von im Allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichteten Veranstaltungen kann dagegen nicht als Berufsausbildung gewertet werden, selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere spezifische Berufsausbildung Voraussetzung oder nützlich ist.
Hier ist zu differenzieren zwischen Ausbildungsmaßnahmen, die im Rahmen einer schulischen oder kursmäßigen Ausbildung erfolgen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, die Vorbereitung auf die Prüfung(en) also im Wege des Selbststudiums erfolgt.
Beiden Ausbildungsmaßnahmen ist gemeinsam, dass sie die volle Zeit des Auszubildenden in Anspruch nehmen müssen. Was hierunter zu verstehen ist, ist weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des VwGH diesbezüglich eine klare Aussage. Auch im Fall des Besuches einer Maturaschule führt der VwGH nur allgemein aus, das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg manifestiere sich im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar sei nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler müsse aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (s zB ) (siehe FLAG-Kommentar von Csaszar, Lenneis, Wanke, FLAG § 2, RZ 35). Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, wie etwa auch bei der Berufsreifeprüfung (s Rz 44), ist nach der Judikatur des UFS als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB RV/0121-F/07; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt. Die Qualifizierung der allgemein bildenden Schulausbildung als Berufsausbildung kann auch bei einem Fernstudium gegeben sein, wenn ein Schulunterricht von bloß zehn Wochenstunden durch verstärkte „Hausausgaben“ und Vorbereitungszeit sowie E-Learning kompensiert wird (s ; ). In , wird der zeitliche Aufwand für ein Vollzeitstudium mit 20 bis 25 Wochenstunden zuzüglich Hausaufgaben beziffert. Bei einer postgradualen Ausbildung zur klinischen Psychologin (s auch ABC der Berufsausbildung, Rz 45, „Psychologin“) hat der UFS einen durchschnittlichen Arbeitsaufwand von „mehr als 30 Wochenstunden“ als in zeitlicher Hinsicht genügend zielstrebig angesehen ().
ME liegt eine Berufsausbildung iSd FLAG - analog zum Besuch einer AHS und BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt (siehe FLAG-Kommentar von Csaszar, Lenneis, Wanke, FLAG § 2, RZ 39 und 40). Es ist daher zu prüfen, für welchen Beruf Ihre Tochter e1 in der Zirkusakademie ausgebildet wird.
Laut den Unterlagen der Zirkus Akademie Wien dauert die Ausbildung zwei Jahre. Im zweiten Jahr kann zwischen den Studienrichtungen Zirkuspädagogik und/oder Zirkuskünste gewählt werden. Es ist somit keine Ausbildung in einem genau definierten Beruf vorgesehen.
Zielgruppe der Zirkus Akademie Wien sind Personen, die bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, wie Freizeit- und Kindergartenpädagog/innen, Lehrer/innen, Schauspieler/innen, Sozialpädagog/innen, Sportler/innen, Tänzer/innen.
Sie spricht auch jeden an, die/der an einer spielerischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und seinen Ausdrucksmöglichkeiten interessiert ist.
Die Zirkus Akademie Wien steht jedermann /- frau offen, speziell ansprechen will die Zirkus-Akademie Wien Menschen, die Zirkus als Bereicherung ihrer pädagogischen bzw. künstlerischen Arbeit sehen.
In der Zielgruppe sind keine Personen angeführt, die einen genau definierten Zirkusberuf erlernen möchten.
Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Laut den vorliegenden Unterlagen gibt es keine Ausbildungsvorschrift. Es ist am Schluss der Ausbildung eine Diplomarbeit zu erstellen, in welcher der persönliche Ausbildungsweg dokumentiert und reflektiert wird. Es ist nicht in jedem der einzelnen Unterrichtsfächer eine Prüfung abzulegen, um den Ausbildungsstand und das Erreichen des Ausbildungszieles zu überprüfen. Auch in der Diplomarbeit ist nicht das Erreichen des Ausbildungszieles maßgebend, sondern nur die Dokumentation und Reflexion des Ausbildungsweges.
Aus den Unterlagen der Zirkus Akademie Wien im Internet ist nur ersichtlich, dass für den Abschluss des zweijährigen Kurses 680 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten und somit 510 Stunden à 60 Minuten zu absolvieren sind.
Der Lehrgang beginnt am und endet am . Er dauert somit 21 Monate.
Daraus ergibt sich, dass in einer Woche ca. 5,6 Stunden Unterricht stattfinden (510 Stunden : 21 Monate : 4,3 Wochen/Monat). Zuzüglich des Selbststudiums von 10 Stunden ergibt dies 15,6 Stunden pro Woche.
Somit nimmt die Ausbildung nicht die volle bzw. überwiegende Zeit in Anspruch.
Da dieser Lehrgang die Teilnehmer nicht auf einen genau definierten Beruf ausbildet und keine Prüfungen abgelegt werden, die das Erreichen des Ausbildungszieles überprüfen und der Lehrgang nicht die volle bzw. überwiegende Zeit in Anspruch nimmt, liegt keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes vor.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.“
Im Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:
„1. Das BMF kritisiert das ungenügende Stundenausmaß:
Diesbezüglich steigen die Anforderungen eigenartigerweise mit jeder uns erteilten Auskunft:
Erstauskunft 10 Stunden, zweite Auskunft 20 Stunden, im Schreiben von Herrn g [Beschwerdevorentscheidung] gar 30 Stunden. Seines Erachtens „liegt eine Berufsausbildung im Sinne des iSd FLAG - analog zum Besuch einer AHS oder BHS-generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt.“
Da unsere Tochter bereits eine BHS-Matura mit gutem Erfolg abgelegt hat, scheint mir dieser Vergleich genauso unpassend wie eine Parallele zur „postgradualen Ausbildung zur klinischen Psychologin“ mit einem „durchschnittlichen Aufwand von mehr als 30 Wochenstunden“. Wenn schon verglichen werden soll, so wäre das dem Alter und der Vorbildung entsprechend wohl eher der Aufwand, den durchschnittliche Studentinnen betreiben. Aus persönlicher Erfahrung wage ich zu behaupten, dass wenige 25 oder gar mehr Wochenstunden (inklusive Eigenstudium) investieren.
Was die Berechnung der tatsächlichen Wochenstunden des zweijährigen Lehrganges betrifft, so möchte ich darauf hinweisen, dass zu der Berechnung von Herrn g leider veraltete Unterlagen des Erstsachbearbeiters / der Erstsachbearbeiterin herangezogen wurden. Das längst gültige Stundenausmaß ist ebenfalls auf dem der Beschwerde angehängten Folder bzw. der Homepage der ZAK ersichtlich und beträgt nicht 680 sondern 840 Stunden.
Aus dem Stundenplan unserer Tochter, der von der Leitung der ZAK bestätigt wird, geht hervor, dass unsere Tochter mindestens 25 Stunden (über 30 UE à 45 Min) pro Woche absolviert, womit ihre Ausbildung zumindest die überwiegende Zeit in Anspruch nimmt.
2. Es wird bemängelt, dass keine Ausbildung in einem genau definierten Beruf vorgesehen ist und die Zielgruppe der Zirkusakademie Personen sind, „die diese Ausbildung als Ergänzung zu ihrem Beruf (Pädagoginnen, Tänzerinnen, Schauspielerinnen etc.) oder als Bereicherung für ihre persönliche Entwicklung betrachten“(aus dem Folder). Das mag stimmen, aber richtig ist auch, dass die Akademie für alle offen ist und dass in der Beschwerde vom Unterlagen beigelegt waren, die mögliche Berufsbilder aufzeigen. Hier noch einmal zur Verdeutlichung:
Mögliche Berufs-/Tätigkeitsfelder nach Abschluss der Ausbildung:
InstruktorIn in Universitätssportinstituten
InstruktorIn in Sportvereinen
Freizeitbetreuung
Nachmittagsbetreuung an Schulen
Animateurinnen und Darstellerinnen im Tourismusbereich
Freiberufliche ZirkusartistInnen
Da im 2. Ausbildungsjahr zwischen Zirkuspädagogik und Zirkuskünsten gewählt werden kann, könnte man auch sagen, dass unsere Tochter, je nach Wahl, danach Zirkuspädagogin oder Zirkusartistin ist.
Allerdings betrachtet sie ihre Ausbildung nach den 2 Jahren noch nicht als abgeschlossen und bereitet sich zielstrebig auf Aufnahmeprüfungen in mehrere weiterführende Zirkusschulen vor, um ihre Berufsaussichten noch zu verbessern (exemplarische Liste ebenfalls wie gefordert der Beschwerde beigelegt).
Darüber hinaus möchte ich festhalten, dass in zahlreichen Studiengängen ebenfalls keine genau definierten Berufe angegeben werden. Welchen Beruf übt man z.B. nach den Studien Kultur- und Sozialanthropologie, Genderstudies, Publizistik, Kunstgeschichte, etc. aus? Für Studien wird kein Beruf sondern der Abschluss (Bachelor, Master) ausgeschrieben. Wird den Studenten deswegen die Familienbeihilfe auch verweigert?
3. Inzwischen wurde die Zirkusakademie mit dem Wien-Cert ausgezeichnet, das die Ausbildung anerkennt. Das Oe-Cert wird als Nächstes angestrebt. Die Anforderungen für das Wien-Cert können im entsprechenden Handbuch unter folgendem Link nachgelesen werden: http://www.oeibf.at/wiencert/db/calimero/tools/proxy.php?id=12593
4. Das BMF bezieht sich in der Beschwerdevorentscheidung ausschließlich auf meine Beschwerde vom und lässt sowohl die mitgelieferten Unterlagen als auch das ausführliche Telefonat von Herrn h der Zirkusakademie Wien, mit Herrn j völlig unkommentiert. Dies ist für mich nicht nachvollziehbar.
5. Doch selbst wenn alle Argumente und Dokumente außer Acht gelassen werden, gibt es zumindest einen Grund für die Gewährung der Familienbeihilfe: Ich habe das Hauptargument in meiner Beschwerde nicht erwähnt, weil ich niemandem schaden wollte. Im Telefonat von Herrn h wurde es allerdings zur Sprache gebracht: Uns sind inzwischen 4 Teilnehmerinnen des Lehrganges aus den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Vorarlberg bekannt, welche die Familienbeihilfe problemlos erhalten. Das macht es schwer, einzusehen, warum ausgerechnet wir die Beihilfe nicht erhalten sollen.
Die Tatsache, dass im Rechtsstaat Österreich nicht alle gleich behandelt werden und es - wie ich in der Beschwerde bereits vorsichtig angedeutet habe - sehr wohl vom guten Willen der Sachbearbeiterinnen oder deren Interpretation der Gesetzeslage (die anscheinend nicht immer klar ist und deshalb Spielraum offen lässt) abhängig ist, ob jemand die Familienbeihilfe bekommt oder nicht, ist absolut inakzeptabel.“
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Das Bundesfinanzgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Die am xx.xx.xxxx geborene e1 e besucht seit Oktober 2008 einen zweijährigen Lehrgang der Zirkusakademie in Wien. Dieser Lehrgang vermittelt eine Basis in den Grundtechniken des „Neuen Zirkus“: Schauspiel, Akrobatik, Tanz und Zirkuskünsten wie Jonglage, Equilibristik und Artistik. Das Gesamtausmaß der Ausbildung beträgt 840 Unterrichtseinheiten. Eine Unterrichtseinheit dauert 45 Minuten. Der Lehrgang dauert vom 1. Okober 2016 bis zum . Die Unterrichtseinheiten verteilen sich auf folgende Fächer:
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KÖRPERTHEATER • Techniken des Ausdrucks • Körperarbeit • Sensibilisierung • Dramaturgische Gestaltung von Szenen | 60 UE |
IMPROVISATION • Spielen mit Spontaneität • Erschaffung von Szenen im Moment | 20 UE |
CLOWNERIE • Das Spiel mit dem Scheitern • Entdecken des/der inneren Clowns/Clownin | 40 UE |
JONGLAGE • Wurftechnik • Objektbalance • Schwingen und Drehen | 60 UE |
EQUILIBRISTIK • Balancieren auf Objekten: Einrad, Balancierkugel, Spann- und Schlappseil etc. | 60 UE |
AKROBATIK • Allgem. Körperbeherrschung: Spannungsübungen, Mobilisieren, Kräftigen und Dehnen etc. • Bodenakrobatik • Partner- und Gruppenakrobatik • Helfen und Sichern bei der Partnerakrobatik | 90 UE |
ARTISTIK • Grundlagen der Luftartistik: Trapez, Vertikaftuch, Ring, Vertikalseil etc. • Trampolin: Grundsprünge • Einführung Russischer Barren: einlache Bäanceübungen • Einführung Schleuderbrett: Absprungtechnik und Haltung | 90 UE |
VERTIEFENDE SCHWERPUNKTSETZUNG | 240 UE |
SPEZIALISIERUNG ZIRKUSPÄDAGOGIK • Theorie: Pädagogische Grundlagen, Beobachtung & Reflexion • Praxis mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen: Betreuen, Aufwärmen, Anleiten von Spielen, Hellen & Sichern ODER | 90 UE |
SPEZIALISIERUNG ZIRKUSKÜNSTE • Theoretische Konzepte des Zirkustheaters • Erarbeiten einer eigenen Nummer • Möglichkeit zur Mitarbeit bei einer Zirkus- oder Theaterproduktion | 90 UE |
DIPLOMARBEIT • Dokumentation und Reflexion des persönlichen Ausbildungsweges an der Zirkusakademie Wien | 90 UE |
Die Verteilung dieser 840 Unterrichtseinheiten auf 91 Wochen (52 Wochen für bis und 39 Wochen für bis ) ergibt 9,23 Unterrichtseinheiten zu 45 Minuten pro Woche, das sind ca 7 Stunden pro Woche. Für jede absolvierte Unterrichtseinheit muss eine freie unterrichtsbezogene Trainingseinheit absolviert werden. Wenn man der Tochter der Beschwerdeführerin unterstellt, dass sie für jede Unterrichtsstunde noch eine Stunde trainiert, kommt sie auf 14 Stunden pro Woche. Das Vorbringen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin jede Woche 20 Unterrichtseinheiten (=15 Stunden) belege, so ist dies mit der Tatsache, dass der gesamte Lehrgang 840 Unterrichtseinheiten umfasst, nur dann vereinbar, wenn der Lehrgang lediglich 21 Wochen pro Jahr umfasst. Wenn man noch die zwei jeweils einwöchigen Sommerpflichtpraktika zu 10 Unterrichtseinheiten pro Tag miteinbezieht, so kommt man auf 980 Unterrichtseinheiten, was zu 10,76 Unterrichtseinheiten, das sind ca 8 Stunden pro Woche führt. Wenn man der Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach ihre Tochter 10 Stunden zusätzlich trainiert, Glauben schenkt, so wendet diese lediglich ca 18 Stunden pro Woche für den Lehrgang der Zirkusakademie auf. Aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigung über die von ihrer Tochter belegten Unterrichts- und freien Trainingseinheiten geht hervor, dass dies Montag bis Donnerstag erst jeweils um 14:00 Uhr und am Freitag erst um 17:30 Uhr begonnen haben. Am Sonntag hat ihr Training um 12:00 Uhr begonnen.
Zielgruppe für diesen Lehrgang der Zirkusakademie sind
„Freizeit- und KindergartenpädagogInnen, Lehrerinnen, SchauspielerInnen, SozialpädagogInnen, SportlerInnen, TänzerInnen und jede/r, die/der an einer spielerischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und seinen Ausdrucksmöglichkeiten interessiert ist“.
Mögliche Berufs-/Tätigkeitsfelder nach Abschluss der Ausbildung:
InstruktorIn in Universitätssportinstituten
InstruktorIn in Sportvereinen
Freizeitbetreuung
Nachmittagsbetreuung an Schulen
AnimateurInnen und DarstellerInnen im Tourismusbereich
Freiberufliche ZirkusartistInnen
Am Ende des Lehrganges gibt es eine kommissionelle Prüfung vor allen Lehrenden der Akademie.
Die Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf einer Auskunft der Zirkusakademie sowie der Homepage der Zirkusakademie.
Dieser Sachverhalt wird vom Bundesfinanzgericht rechtlich folgendermaßen beurteilt:
§ 2 Abs 1 lit b erster Satz FLAG lautet:
„(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.“
Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schulausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.
Es ist zu differenzieren zwischen Ausbildungsmaßnahmen, die im Rahmen einer schulischen oder kursmäßigen Ausbildung erfolgen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, die Vorbereitung auf die Prüfung(en) also im Wege des Selbststudiums erfolgt.
Beiden Ausbildungsmaßnahmen ist gemeinsam, dass sie die volle Zeit des Auszubildenden in Anspruch nehmen müssen. Was hierunter zu verstehen ist, ist weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des VwGH diesbezüglich eine klare Aussage. Auch im Fall des Besuches einer Maturaschule führt der VwGH nur allgemein aus, das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg manifestiere sich im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar sei nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler müsse aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (s zB ).
Bei einem Studium werden 60 ECTS Punkte pro Jahr gefordert. Die ECTS-Punkte geben den durchschnittlichen Gesamtaufwand für Studierende an. Mit diesen Anrechnungspunkten ist der relative Anteil des mit den einzelnen Studienleistungen verbundenen Arbeitspensums zu bestimmen, wobei das Arbeitspensum eines Jahres 1500 Echtstunden zu betragen hat und diesem Arbeitspensum 60 Anrechnungspunkte zugeteilt werden.
Eine Berufsausbildung iSd FLAG liegt – analog zum Besuch einer AHS und BHS oder einem ordentlichen Studium – generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt.
Da wie bereits vom BFG festgestellt wurde die wöchentlichen Unterrichts- und Trainingseinheiten lediglich 18 Stunden betragen haben und diese wie aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigung der Zirkusakademie frühestens um 14:00 Uhr begonnen haben, wäre es für die Beschwerdeführerin zumutbar gewesen, halbtags zu arbeiten.
Da der Besuch der Zirkusakademie nicht den von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderten zeitlichen Umfang erreicht, besteht bereits aus diesem Grund kein Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe.
Da bereits auf Grund des zu geringen zeitlichen Umfangs keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG vorliegt, war nicht mehr zu prüfen ob die Zirkusakademie in qualitativer Hinsicht eine Berufsausbildung darstellt.
Hinsichtlich des Vorbringens, dass 4 Teilnehmer des Lehrgangs der Zirkusakademie Familienbeihilfe erhalten, ist für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, da gemäß Art 18 B-VG die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf. Aus der rechtswidrigen Gewährung von Familienbeihilfe an diese vier Personen kann daher die Beschwerdeführerin keinen Rechtsanspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe ableiten.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall hat sich das Bundesfinanzgericht an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes gehalten. Ein ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.1100275.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at