Kein Aufrechnungsverbot von Guthaben aus der Einkommensteuerveranlagung im Abschöpfungsverfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom , betreffend Rückzahlung eines Guthabens gemäß § 239 BAO,
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Anträge vom 8. und auf Rückzahlung eines Guthabens in Höhe von € 8.170,49 ab. Das Guthaben sei gemäß § 215 Abs. 1 BAO zur teilweisen Tilgung anderer Abgabenschuldigkeiten des Beschwerdeführers zu verwenden gewesen.
Dagegen wurde mit Eingabe vom im Wege von FinanzOnline das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Begründend wurde vorgebracht, dass die Abweisung des Antrages unrichtig sei, weil es sich um ein Konkurs-/Abschöpfungsverfahren handle. Das Guthaben stehe der Masse zu und sei gemäß der Abschöpfungsvereinbarung, dem auch das Finanzamt zugstimmt habe, an alle Gläubiger zu verteilen.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit der irrtümlich als Bescheid bezeichneten Beschwerdevorentscheidung vom ab. Der während des Abschöpfungsverfahrens geltende § 206 Abs. 1 Insolvenzordnung normiere nur eine Exekutionssperre. Die auf § 215 Abs. 1 BAO gestützte Verrechnung stelle jedoch keine Exekutionsmaßnahme dar.
Dagegen wurde mit Eingabe vom der Antrag auf Entscheidung der Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt. Ergänzend wurde begründend im Wesentlichen vorgebracht, dass mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom das Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden sei. Das sich aus der Einkommensteuerveranlagung 2015 ergebende Guthaben sei den Bezügen zuzuordnen, welche von der Abtretungserklärung gemäß § 199 Abs. 2 IO erfasst seien. Die Beträge seien aus dem pfändbaren Einkommensbestandteilen des Schuldners anhand der vorgeschriebenen Einkommensteuervorauszahlungen geleistet worden. Aus diesem Grund seien die Voraussetzungen gemäß § 206 Abs. 3 IO für eine Aufrechnung nicht gegeben, zumal es sich nicht um eine nach §§ 19, 20 IO zulässige Aufrechnungslage handle. Die einschlägige Rechtsprechung, wonach das Guthaben aus einer Arbeitnehmerveranlagung nicht dem Aufrechnungsverbot des § 206 Abs. 3 IO unterliege, sei auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar, weil der Schuldner kein Arbeitnehmer sei. Ganz generell gelte, dass die insolvenzrechtlichen Vorschriften über die Aufrechnung im Konkurs den Vorschriften des Abgabenrechts über die Verrechnung von Guthaben und Steuerschuldigkeiten vorgehen würden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
II. Sachverhalt:
Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom wurde über das Vermögen des Beschwerdeführers der Konkurs eröffnet. Nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens wurde der Konkurs mit Beschluss vom aufgehoben.
Aus der Einkommensteuerveranlagung 2015 (Beschwerdevorentscheidung vom ) und dem Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2015 vom ) ergab sich auf dem Steuerkonto ein Guthaben in Höhe von € 8.170,49, welches das Finanzamt nach einer gemäß § 231 Abs. 2 BAO wiederaufgenommenen Einbringung am und am mit Konkursforderungen verrechnete.
III. Beweiswürdigung:
Der relevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig und zweifelsfrei aus dem vorgelegten Akt des Finanzamtes und der Gebarung auf dem Steuerkonto.
IV. Rechtliche Erwägungen:
Gemäß § 213 Abs. 1 BAO ist bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen für jeden Abgabepflichtigen, bei Gesamtschuldverhältnissen für die Gesamtheit der zur Zahlung Verpflichteten, die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen.
Nach § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat.
Nach § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit sie nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 BAO zurückzuzahlen.
Gemäß § 239 Abs. 1 erster Satz BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.
Aufgrund des § 216 BAO hat die Abgabenbehörde auf Antrag einen Abrechnungsbescheid zu erlassen, mit dem über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber abzusprechen ist, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist.
Im verfahrensgegenständlichen Beschwerdefall besteht Streit darüber, ob das Finanzamt das sich aus der Veranlagung zur Einkommensteuer 2015 und der Gutschrift von Anspruchszinsen auf dem Steuerkonto ergebende Guthaben einem Aufrechnungsverbot im laufenden Abschöpfungsverfahren unterliegt.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der angefochtene Bescheid seinem materiellen Inhalt nach als Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO gedeutet werden (vgl. ).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt weiters in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB ) die Auffassung, dass den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechts der Vorrang vor den Verrechnungsvorschriften der BAO zukommt.
Nach § 20 Abs. 1 erster Satz Insolvenzordnung (IO) in der hier anzuwendenden Fassung des BGBl I Nr. 69/2014 ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden ist. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, dass nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens sich der frühere Gemeinschuldner nicht mehr auf diese insolvenzrechtliche Aufrechnungsbeschränkung berufen kann (vgl. , mwH; Fischerlehner in SWK 2002, S 840, mit Hinweis auf Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, §§ 19, 20 KO, Rz 14).
Der eine Gutschrift ausweisende Einkommensteuerbescheid 2015 (Beschwerdevorentscheidung) sowie der ebenfalls eine Gutschrift ergebende Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2015, jeweils vom , sind nach Aufhebung des Konkursverfahrens ergangen und auch die Buchungsvorgänge sowie die (durch die Zusendung entsprechender Buchungsmitteilungen hinlänglich zum Ausdruck gebrachte) Aufrechnungserklärung sind nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Das bedeutet, dass die vom Finanzamt vorgenommene Verrechnung des Guthabens nicht dem Aufrechnungsverbot des § 20 Abs. 1 erster Satz IO unterlag. Vielmehr ist nach rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine auf § 215 Abs. 1 BAO gestützte Verrechnung einer Konkursforderung sowohl mit vor als auch mit nach Aufhebung entstandenen Steuergutschriften zulässig (vgl. SWK-Spezial, Juni 2002, Insolvenz und Steuern, S. 51). Erst ab der - hier noch nicht erfolgten - Restschuldbefreiung (§ 213 ff IO) dürfen später entstandene Gutschriften mit Forderungen, die unter die Restschuldbefreiung fallen, nicht mehr verrechnet werden.
Im Abschöpfungsverfahren normiert § 206 Abs. 1 IO lediglich ein Exekutionsverbot, das aber der vorgenommenen Aufrechnung nicht im Wege stand. Bei der Verrechnung nach § 215 Abs. 1 BAO handelt es sich nämlich nicht um eine Exekutionsmaßnahme, sondern um eine Entrichtungsform (vgl. Ritz, BAO6, § 211 Tz 16).
Der Beschwerdeführer meint, dass das Guthaben den Bezügen zuzuordnen sei, die von der Abtretungserklärung gemäß § 199 Abs. 2 IO erfasst seien. Die Beträge seien aus den pfändbaren Einkommensbestandteilen des Schuldners anhand der vom Finanzamt vorgeschriebenen Einkommensteuervorauszahlungen geleistet worden. Aus diesem Grund seien die Voraussetzungen gemäß § 206 Abs. 3 IO für eine Aufrechnung nicht gegeben.
Dem kann nicht gefolgt werden. Der Einkommensteuer ist das Einkommen zu Grunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Der Abgabenanspruch hat seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Bei den in Rede stehenden Rückforderungsansprüchen des Beschwerdeführers handelt es sich um nichts anderes als um negative Abgabenansprüche. Auch solche Ansprüche entstehen kraft Gesetzes (Ritz , BAO6, § 4 Tz 2). Der Abgabenanspruch auf Einkommensteuer des Bundes setzt zwar Einkünfte aus einen der im Einkommensteuergesetz genannten Einkunftsarten voraus, seine Rechtsgrundlage findet sich aber im öffentlichen Recht. Bei der im Beschwerdefall entstandenen Einkommensteuergutschrift handelt es sich nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (Bund). Solche Ansprüche unterliegen keinem Pfändungsschutz. Dem Aufrechnungsverbot des § 206 Abs. 3 IO unterliegen nicht nur Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis, sondern auch solche auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion. Bei der Auslegung des Begriffes wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion kann § 290a Abs. 1 Z 2 bis 12 EO als Grundlage dienen (vgl. ). Eine Einkommensteuergutschrift ist den genannten Leistungen nicht gleichzusetzen. Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich der Gutschrift von Anspruchszinsen. Insofern geht auch das Vorbringen ins Leere, dass nur im Falle einer „Arbeitnehmerveranlagung“ ein Guthaben nicht dem Aufrechnungsverbot des § 206 Abs. 3 IO unterliege.
Da sich die Ansicht des Beschwerdeführers, die vom Finanzamt vorgenommene Verrechnung sei aus insolvenzrechtlicher Sicht nicht zulässig, aus den dargelegten Gründen als unzutreffend erweist, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
V. Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da in der Beschwerde keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme und das Bundesfinanzgericht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, war die Revision als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 215 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 206 Abs. 3 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 20 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.3100802.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at