Dienstreisen auf der Strecke Wohnung-Arbeitsstätte-Wohnung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache der Bf über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 zu Recht erkannt:
Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Im Zuge einer Lohnabgabenprüfung stellte der Prüfer neben anderen nicht strittigen Punkten fest, dass für einen Dienstnehmer der geprüften Bank für die Strecke A (Wohnort des Dienstnehmers als auch Standort der Filiale A), B (Zentrale) und C (Dienstort) und zurück für die Mitnahme und Abholung von Poststücken ein Kilometergeld gewährt wurde. Da diese Strecke mit dem Pendlerpauschale abzugelten sei, sei eine Nachversteuerung vorzunehmen gewesen.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ unter Hinweis als Begründung auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung die nunmehr angefochtenen Bescheide.
In den dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerden wird eingewendet, dass der betreffende Dienstnehmer zu der ersten Arbeitsstätte A gefahren sei und dort die Post geholt habe und sie zur Zentrale nach B gebracht habe. Dort hätte er die Post für C übernommen. Hätte der Dienstnehmer die Post nicht mitgenommen, wäre von den Arbeitsstätten jeweils jemand gesondert zur Hauptanstalt gefahren und hätte die Post geholt bzw. gebracht. In diesen Fällen wäre es sehr wohl möglich gewesen, ein steuerfreies Kilometergeld zu verrechnen. Weiters werde angeführt, dass der Dienstort des betroffenen Dienstnehmers ab 2009 von C nach B verlegt worden sei und er bei Kundenterminen in C die Post nach C mitgenommen habe und dies als Posttransport verrechnet habe. Nach RZ 710a LStR 2002 könne für Fahrten zwischen zwei Arbeitsstätten auf jeden Fall steuerfreies KM-Geld verrechnet werden.
Das Finanzamt legte die Beschwerden ohne Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen an die damals zuständige Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Über die Beschwerden wurde erwogen:
Die geprüfte Bank hatte in den strittigen Jahren ihre Zentrale in B und in A und C Filialen. Der betroffene Dienstnehmer hatte seinen Wohnort in A, D-Straße, und seinen Dienstort, zumindest in den Jahren 2005, 2006, 2007 und 2008, unbestritten in der Filiale in C, E-Straße. Ab dem Jahr 2009, so wurde vorgebracht, sei der Dienstort des Dienstnehmers von C nach B verlegt worden und er habe bei Kundenterminen in C die Post nach C mitgenommen und dies als „Posttransport“ verrechnet.
Nach den Angaben der Beschwerdeführerin fuhr der Dienstnehmer von seinem Wohnsitz in A, D-Straße, zur Filiale in A, F-Straße (Entfernung 700m), dann weiter zur Filiale in B, G-Straße (Entfernung 8,3 km), und von dort weiter zu seinem Dienstort zur Filiale in C, E-Straße (Entfernung 6,2 km). Insgesamt ergibt sich für die mit GoogleMaps gemessene Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Entfernung von 15,5 km.
Nach den übermittelten Lohnzetteln des betroffenen Dienstnehmers wurde bei der Lohnverrechnung für diese Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 das sogenannte große Pendlerpauschale bei einer einfachen Fahrtstrecke von 2 km bis 20 km für das Jahr 2005 in Höhe von 243 Euro, für das Jahr 2006 in Höhe von 270 Euro, für das Jahr 2007 in Höhe von 283 Euro, für das Jahr 2008 in Höhe von 319,50 Euro und für das Jahr 2009 in Höhe von 342 Euro, berücksichtigt, weil ihm im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht zumutbar war.
Die Beschwerdeführerin vergütete dem Dienstnehmer für die Fahrten von seinem Wohnort A über B zu seiner Arbeitsstätte nach C für die Mitnahme von Post Kilometergelder. Aus den vorgelegten Reiserechnungen ist ersichtlich, dass vereinzelt Dienstreisen zu anderen Orten unternommen wurden, die vom Prüfer nicht nachversteuert wurden. Strittig ist demnach, ob das für die Strecke Wohnung – Arbeitsstätte – Wohnung neben dem Pendlerpauschale steuerfrei ausbezahlte Kilometergeld den Lohnabgaben zu unterziehen ist und weiters, ob die Arbeitsstätte des betroffene Dienstnehmers dem Vorbringen der Beschwerdeführerin entsprechend tatsächlich ab dem Jahr 2009 von C nach B verlegt wurde.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch Werbungskosten. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) gezahlt werden, nicht zu den einzelnen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Wie diesen Bestimmungen des EStG 1988 zu entnehmen ist, werden für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten in pauschaler Form des Verkehrsabsetzbetrages oder, wie im gegenständlichen Fall, als Pendlerpauschale steuerlich berücksichtigt, während Dienstreisekostenvergütungen in der tatsächlichen Höhe, geschätzt mit dem Kilometergeld, als Werbungskosten anerkannt werden. Die Abgrenzung der pauschal steuerlich zu berücksichtigenden Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und der mit dem Kilometergeld vergüteten Fahrtaufwendungen bei Dienstreisen ist für die Beurteilung der Frage, ob die an den betroffenen Dienstnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vergüteten Kilometergelder für den Transport von Poststücken als nicht steuerbar belassen werden können, von entscheidender Bedeutung.
In Hofstätter/Reichel (Sutter/Pfalz), Kommentar zum EStG 1988, wird in Tz 23 zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG die Ansicht vertreten, dass die Kosten der Fahrt trotzdem mit dem Verkehrsabsetzbetrag und dem Pendlerpauschale abgegolten sind (LStR 2002 Rz 270a), wenn die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte Kunden besucht. Nur zusätzliche Wegstrecken, die durch den Kundenbesuch erforderlich sind, sind beruflich veranlasste Fahrten (km-Geld als Werbungskosten bzw. nach § 26 Z 4 nicht steuerbare Fahrtkostenersätze).
In Jakom5, Kommentar zum EStG, Tz 30 zu § 16, wird ausgeführt, dass für Fahrten von der Hauptarbeitsstätte zu einer weiteren Arbeitsstätte und retour grundsätzlich Fahrtkosten zustehen würden. Werden an einem Tag zwei oder mehrere Arbeitsstätten angefahren, so stehen Fahrtkosten nur für jene Strecke zu, die die Strecke Wohnung-Hauptarbeitsstätte-Wohnung übersteigt. Für Fahrten von der Wohnung zu einer weiteren Arbeitsstätte und zurück zur Wohnung stehen Fahrtkosten insoweit zu, als diese Strecke länger ist als die Strecke Wohnung-Hauptarbeitsstätte-Wohnung.
In der Entscheidung des UFS, RV/0426-I/07, vom , wird darauf hingewiesen, dass bei auf der Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte (oder umgekehrt) unternommenen dienstlichen Verrichtungen Werbungskosten in tatsächlicher Höhe lediglich für zusätzlich zurückgelegte, über das Ausmaß der Strecke, welche durch den Verkehrsabsetzbetrag und ein allfällig zustehendes Pendlerpauschale abgegolten ist, hinausgehende Fahrtstrecken berücksichtigt werden dürfen (vgl. in diesem Sinne ).
Im gegenständlichen Fall wurde neben dem Pendlerpauschale für ein und dieselbe Fahrtstrecke Kilometergeld vergütet. Der betroffene Arbeitnehmer fuhr von seiner Wohnung ohne einen Umweg in Kauf nehmen zu müssen über die Filialen A und B zu seiner Arbeitsstätte nach C und wieder zurück. Wenn der betroffene Dienstnehmer auf der Fahrtstrecke von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte und zurück dienstliche Tätigkeiten verrichtet, ohne dass ihm ein Mehraufwand für die durch das Pendlerpauschale abgegoltenen Fahrten entsteht, kann ein für diese Strecke vom Arbeitgeber vergüteter Fahrtkostenzuschuss nicht als nicht steuerbar beurteilt werden. Das ergibt sich schon aus dem Gesetzestext, wonach mit dem Verkehrsabsetzbetrag und dem Pendlerpauschale alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten sind, und wird in den zitierten Literaturmeinungen bestätigt.
Betreffend das Jahr 2009 wurde vorgebracht, dass die Arbeitsstätte des betroffenen Dienstnehmers ab 2009 nach B verlegt wurde. Über Vorhalt wurde die Beschwerdeführerin ersucht, zum Nachweis des Vorbringens, dass der Dienstort des betroffenen Dienstnehmers ab 2009 von C nach B verlegt worden sei und er bei Kundenterminen in C die Post nach C mitgenommen habe und dies als Posttransport verrechnet habe, geeignete Unterlagen (Dienstvertrag, sonstige Vereinbarungen, …) sowie Aufzeichnungen über die durchgeführten und mit Kilometergeld vergüteten Fahrten vorzulegen.
Es wurden daraufhin ein mit dem betroffenen Dienstnehmer abgeschlossener Dienstzettel aus dem Jahr 1988, eine Vereinbarung aus dem Jahr 2003 sowie die Reiserechnungen übermittelt.
In Punkt 6. ist in dem vorgelegten Dienstzettel aus dem Jahr 1988 als Dienstort angeführt: Tätigkeitsgebiet der Bank, ohne Anspruch auf ausschließliche Dienstverwendung in der Hauptgeschäftsstelle oder in einer bestimmten Zweigstelle. Daraus ist in Verbindung mit Punkt 5., wonach der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, dass er in allen Bereichen der Bank, ohne Anspruch auf eine bestimmte Verwendung, eingesetzt wird, herauszulesen, dass der Dienstnehmer keinen Anspruch hat, in einer bestimmten Filiale tätig zu sein, nicht jedoch, dass die Arbeitsstätte des betroffenen Dienstnehmer konkret ab dem Jahr 2009 von C nach B verlegt wurde.
In der vorgelegten Vereinbarung aus dem Jahr 2003 wurde neben der Anpassung einer Funktionszulage festgehalten, dass die Fahrtkostenvergütung vom Wohnort A nach C bis auf weiteres so wie bisher, ohne Bezugnahme auf einen Transport von Poststücken, aufrecht bleiben würden. Für den Posttransfer zu Mittag von C nach B würde der jeweilige durchführende Mitarbeiter der Bankstelle C die Kilometergeldvergütung erhalten.
Aus dieser Vereinbarung kann ebenso nicht ersehen werden, dass die Arbeitsstätte des betroffenen Dienstnehmers ab dem Jahr 2009 von C nach B verlegt worden wäre. Vielmehr ist darin von einer „Fahrtkostenvergütung“, und nicht von einem Transport von Poststücken, zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte die Rede. Ein Posttransfer wird überhaupt nur zu Mittag für die Strecke von der Filiale C nach B angesprochen.
Auch aus den vorgelegten Reiserechnungen, denen das Datum, die Angaben „von“ (bei den relevanten Reisen immer A) und „nach“ (entweder C oder B), der Zweck (immer "Transport") und die Kilometeranzahl der Reise zu entnehmen ist, kann nicht ersehen werden, dass die Arbeitsstätte des betroffenen Dienstnehmers ab dem Jahr 2009 von C nach B verlegt worden wäre. Nach dem vorgelegten Dienstzettel ist als Dienstort das gesamte Tätigkeitsgebiet der Bank zu sehen, ohne Anspruch auf ausschließliche Dienstverwendung in der Hauptgeschäftsstelle oder in einer bestimmten Zweigstelle. Somit kann die Arbeitsstätte des betroffenen Dienstnehmers nach den in den Reiserechnungen angeführten Zielorten sowohl in C als auch in B sein. Da beide Orte durch das Pendlerpauschale abgedeckt sind, ist ein Mehraufwand für den allfälligen Transport von Poststücken nicht erkennbar.
Zusammenfassend hat das Finanzamt daher zu Recht die an den betroffenen Dienstnehmer vergüteten Kilometergelder aus den dargestellten Gründen der Steuerpflicht unterzogen. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme und Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen die Unzulässigkeit der Revision sprechen würden, nicht vorgebracht wurden, war unter Hinweis auf den Gesetzestext und die zitierte Literaturmeinung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.2100284.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at