Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.11.2017, RV/2101714/2016

Diätverpflegung für Magenkrankheit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., Adr., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe (Gutschrift) sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer, im Folgenden kurz Bf. genannt, beantragte bei der Arbeitnehmerveranlagung 2015 ua. eine außergewöhnliche Belastung aufgrund seiner Behinderung von 70% und pauschale Freibeträge für eine Diät aufgrund einer Gallen-, Leber-, Nieren und Magenerkrankung.

Mit Bescheid vom anerkannte das Finanzamt den Freibetrag wegen eigener Behinderung nach § 35 Abs. 3 EStG 1988, nicht aber einen Freibetrag für Mehraufwendungen für eine Diätverpflegung.

Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde eingebracht und die Anerkennung des Freibetrages für eine Magen-Diät aufgrund einer chronischen Gastroduodenitis begehrt. Vorgelegt wurde ein Bescheid des Bundessozialamtes Wien Niederösterreich Burgenland vom , wonach ein Grad der Behinderung von 70 % attestiert wurde.

Nach einem eingeholten Sachverständigengutachten wurden folgende Gesundheitsschädigungen festgestellt:


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1
Angstsyndrom
3 Stufen über URS da anhaltende affektive und somatische Beschwerden
30%
2
Geschwürskrankheit bei Z.n. gastrointestinaler Blutung, chronische Gastroduodenitis ORS da rezidiv, Beschwerden unter Dauermedikation
30%
3
Myocardschaden mit interkurrentem Vorhofflimmern
ORS da notwendige Dauermedikation und rezid. Flimmerarhythmie
40%
4
Nasenkrümmung nach rechts nach Septum-OP
MRS da bei klinischem Befund Infektionsgefahr besteht
20%
5
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
URS da nur lumbal geringfügige Bewegungseinschränkung
20%  

Der führende Grad der Behinderung unter der Nummer 3 wurde dabei um 3 Stufen erhöht, weil eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe.

Weiters wurde eine Bestätigung des Amtsarztes vom vorgelegt, die folgende Feststellungen trifft: "Bei Herrn Bf. besteht ein blutendes Zwölffingerdarmgeschwür im Spt. 1987, strenge Diät erforderlich, Herzmuskelschaden, bei Zustand nach Herzmuskelentzündung mit Rhytmusstörungen. Die diesbezügliche Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt 50% dauernd."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abschlägig entschieden und darauf verwiesen, dass die Bestätigung des Bundessozialamtes vom die ältere Bestätigung des Amtsarztes des Magistrates außer Kraft setze. Der Bescheid attestiere zwar eine Geschwürkrankheit, aber keine einzuhaltende Magendiät.

Gegen diese Erledigung wurde der Vorlageantrag gestellt. Die chronische Geschwürskrankheit habe sich noch verschlimmert und impliziere die vom Bundessozialamt attestierte Geschwürskrankheit auch die zuvor (1988) zuerkannte Magendiät.

Mit Schreiben vom wies das Bundesfinanzgericht den Bf. darauf hin, dass das Erfordernis einer Diät auf geeignete Weise (zB durch eine Eintragung in den Behindertenpass oder durch eine ärztliche Bestätigung) nachzuweisen sei und die im Jahre 1988 ausgestellte amtsärztliche Bescheinigung durch die Erlassung eines Bescheides des Bundessozialamtes ihre Wirksamkeit verloren habe, weil die aktuellere Einstufung sämtliche frühere Feststellungen ersetze. Gleichzeitig wurde dem Bf. die Möglichkeit geboten, ein ärztliches Attest über die Notwendigkeit einer Diät beizubringen.

Vorgelegt wurde daraufhin ein ärztliches Attest vom eines Internisten über die durchgeführte Gastroskopie, die das Vorliegen einer Refluxösophagitis I-II sowie eine Cardiainsuffizienz bestätigte. Als Diagnose wurde angeführt: Anbehandelter art. Hypertonus, Steatosis hepatis. Als Dauermedikamente wurden ausgewiesen: CONCOR FTBL 5mg, MENCORD FTBL 40mg, CITALOPRAM +PH FTBL 20mg, Durotiv MSR TBL 40mg. Die Beurteilung lautete: "Aufgrund der Refluxösophagitis und Cardiainsuffizienz empfehle ich die Gabe für zumindest sechs Wochen. Weiters wurde mit dem Patienten dringendst körperliches Ausdauertraining für zumindest 3 x 30 min. pro Woche, Gewichtsreduktion sowie das Einhalten einer Magendiät vereinbart. Kontrolle in 6 Monaten, bei Bedarf jederzeit. In der nachträglich eingelangten Histologie findet sich ein unauffälliger Befund, keine Heliobacter-Infektion nachweisbar."

Dem Finanzamt wurden die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht. Eine Äußerung des Finanzamtes erfolgte dazu nicht. 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist, ob der pauschale Freibetrag für Diätverpflegung aufgrund einer Magenkrankheit als außergewöhnliche Belastung ohne Abzug des Selbstbehaltes zu berücksichtigen ist.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm ein Freibetrag (Abs. 3.) zu (§ 35 Abs. 1 EStG 1988).

Nach § 35 Abs. 2 EStG 1988 bestimmt sich die Höhe der Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Diese richtet sich in den Fällen, in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hierfür maßgebenden Einschätzung. Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständig ist im gegenständlichen Fall das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 124b Z 111 EStG 1988 ist § 35 Abs. 2 EStG 1988 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004 erstmals auf Bescheinigungen anzuwenden, die nach dem ausgestellt werden. Bescheinigungen, die vor dem gemäß § 35 Abs. 2 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 180/2004 ausgestellt werden, gelten ab als Bescheinigungen im Sinne des § 35 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004. Bescheinigungen, die vor dem Jahr 2005 ausgestellt wurden, sind jedoch nur solange weiter gültig, bis eine aktuellere Einstufung erfolgt. Die aktuellere Einstufung ersetzt dann sämtliche früheren Feststellungen (Jakom/Vock, EStG10, § 35 Rz 7; ). Die Abgabenbehörde hat ihrer Entscheidung die jeweils vorliegende amtliche Bescheinigung zugrunde zu legen ().

Die im Jahre 1988 ausgestellte amtsärztliche Bescheinigung über die Minderung der Erwerbsfähigkeit, die auch eine Bestätigung über die Notwendigkeit einer Magendiät enthielt, hat daher ihre Wirksamkeit durch die Erlassung eines Bescheides des Bundessozialamtes verloren.

Die aufgrund der §§ 34 Abs. 6 und 35 Abs. 7 EStG 1988 ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl Nr. 303/1996 idF BGBl Nr. 430/2010) sieht vor, dass bei einem Steuerpflichtigen, der Aufwendungen ua. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat, die in §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind (§ 1 der VO). Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt (§ 1 Abs. 2 der VO).

§ 2 der VO bestimmt: "Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei

- Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70 Euro

- Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51 Euro

- Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 42 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen."

Gemäß § 1 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 der VO ist für die Berücksichtigung von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bei eine Magenkrankheit ein auf diese Krankheit zurückführender Grad der Behinderung von mindestens 25% Voraussetzung. Bei mehreren Behinderungen ist daher zu prüfen, ob diese jeweils die 25%-Grenze überschreiten (Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, § 35 Rz 30).

Der Bf. hat durch einen Bescheid des Bundessozialamtes vom  nachgewiesen, dass bei ihm eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 % vorliegt, wobei auch eine Magenkrankheit mit einem Grad der Behinderung von 30 % festgestellt wurde. Der Nachweis der Notwendigkeit zur Einhaltung einer Diätverpflegung kann durch eine Bescheinigung eines Arztes oder durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erfolgen (Wanke w.o., § 35 Rz 42).

Aus dem Befund des Internisten vom ergibt sich die Notwendigkeit einer Magendiät. In Anbetracht der Tatsachen, dass lt. dem Attest des Amtsarztes aus dem Jahre 1988 seit September 1987 eine Geschwürkrankheit besteht, die auch 11 Jahre später im Jahre 1998 vom Bundessozialamt als chronische Magenerkrankung neuerlich bestätigt wurde und mit einem Grad der Behinderung von 30% eingeschätzt wurde, sieht es das Bundesfinanzgericht durch die Bestätigung des Internisten als erwiesen an, dass eine Magendiät auch im Veranlagungsjahr 2015 erforderlich war.

Die Mehraufwendungen wegen einer Krankendiätverpflegung waren daher mit 42 Euro monatlich, di 504 Euro jährlich, ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen, weil die Magendiät mit der Einstufung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zusammenhängt und eine über 25% hinausgehende Erwerbsminderung des Leidens festgestellt wurde. Der Beschwerde war daher stattzugeben. Die außergewöhnlichen Belastungen betragen demnach:


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Freibetrag § 35 (3) EStG
363 €
Freibetrag § 2 der VO BGBl. II Nr. 303/1996
504 €
Gesamt
867 €

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war, sondern eine Tatsachenfrage in freier Beweiswürdigung zu beurteilen war.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.2101714.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at