Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Rechtsirrtum iZm Parkometerstrafen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser in der Verwaltungsstrafsache gegen Bf., Adr., vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Reichsratsstraße 13, Wien, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBI. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei vom gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien vom
(betreffend Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Einsprüche gegen
die Strafverfügungen zu den GZ. MA 67-PA-526594/5/8, MA 67-PA-533415/5/7, MA 67-
PA-533521/5/4, MA 67-PA-536927/5/5, MA 67-PA-536992/5/7, MA 67-PA-538520/5/9, MA 67-PA-544530/5/7, MA 67-PA-544547/5/0, MA 67-PA-544738/5/8, MA 67-PA-544810/5/3, MA 67-PA-544875/5/9, MA 67-PA-54551O/5/5, MA 67-PA-551083/5/0, MA 67-PA-551206/5/9, MA 67-PA-551298/5/7, MA 67-PA-551323/5/2, MA 67-PA-551618/5/6, MA 67-PA-552836/5/2, MA 67-PA-553940/5/0, MA 67-PA-556613/5/0, MA 67-PA-560850/5/9, MA 67-PA-561773/5/5, MA 67-PA-568708/5/1, MA 67-PA-569491/5/7 betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Parkometergesetz 2006) zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Zurückweisungsbescheid bestätigt.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Strafverfügungen zu den GZ. MA 67-PA-526594/5/8, MA 67-PA-533415/5/7, MA 67-
PA-533521/5/4, MA 67-PA-536927/5/5, MA 67-PA-536992/5/7, MA 67-PA-538520/5/9, MA 67-PA-544530/5/7, MA 67-PA-544547/5/0, MA 67-PA-544738/5/8, MA 67-PA-544810/5/3, MA 67-PA-544875/5/9, MA 67-PA-54551O/5/5, MA 67-PA-551083/5/0, MA 67-PA-551206/5/9, MA 67-PA-551298/5/7, MA 67-PA-551323/5/2, MA 67-PA-551618/5/6, MA 67-PA-552836/5/2, MA 67-PA-553940/5/0, MA 67-PA-556613/5/0, MA 67-PA-560850/5/9, MA 67-PA-561773/5/5, MA 67-PA-568708/5/1, MA 67-PA-569491/5/7 betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Parkometergesetz 2006 wurde dem Beschwerdeführer (Bf.) für das Abstellen seines Kraftfahrzeugs mit dem behördlichen Kennzeichen W-Zahl ohne gültigen Parkschein in näher bezeichneten gebührenpflichtigen Kurzparkzonen (1220 Wien, Genochplatz 4, Genochplatz 2-5, 1020 Wien, Karl-Czerny-Gasse 2, Karl-Cerny-Gasse 15) Geldstrafen zu den in den Strafverfügungen genannten Zeitpunkten in Höhe von € 254,00 (Strafverfügung vom ) sowie von jeweils € 253,00 (Strafverfügungen vom , , , , , ), von jeweils € 273,00 (Strafverfügungen vom , , , , , , , ), von jeweils € 272,00 (Strafverfügungen vom , , , ), € 282,00 (Strafverfügungen vom , , ), € 292,00 (Strafverfügungen vom und vom ), vorgeschrieben. Der Bf. habe dadurch § 5 Abs. 2 der Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005 idgF iVm § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl für Wien Nr. 9/2006 idgF verletzt.
Gegen diese Strafverfügungen wurden vom Rechtsanwalt des Bf. am Einsprüche und Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Diese wurden wie folgt begründet:
"Mit wurde erst heute bei Rücksprache mit meinem ausgewiesenen Vertreter bewusst, dass rechtskräftige Strafverfügungen gegen mich vollstreckbar wurden und zwar für Taten im Deliktszeitraum vom bis , die ich jedoch selbst nie begangen habe.
Ich habe, als ich im Jahre 2014 davon Kenntnis erlangt habe, unverzüglich bei der LPD Wien PI Quadenstaße, nämlich am Anzeigebestätigung wegen Veruntreuung meines PKWs mit dem Kennzeichen W-Zahl erstattet und Herrn T, geb. , wohnhaft in Adr.2 als jene Person zur Anzeige gebracht, die meinen PKW veruntreut hatte.
Die mir nunmehr angelasteten Verletzungen des Wiener Parkometergesetzes hat offensichtlich Herr T. zu verantworten.
Ich ging seinerzeit irrtümlich davon aus, das eine Anzeigenbestätigung bei der LPD Wien ausreichen würde, um mich vor weiteren Strafen zu schützen und habe erst in der heutigen Besprechung mit meinem ausgewiesenen Vertreter davon Kenntnis erlang, das dem offensichtlich nicht so ist.
Ich beantrage daher wegen dieses unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignis, das mich einer rechtzeitigen Erhebungen von Rechtsmitteleinsprüchen und Berufungen gehindert hat, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, diesen Schriftsatz als Einspruch gegen Strafverfügungen zuzulassen und die wider mich geführten Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Beweis: beiliegende Anzeigebestätigung vom "
Am richtete die Magistratsabteilung 67 (Parkraumüberwachung) einen Vorhalt betreffend die verspätete Einbringung eines Rechtsmittels an den Bf. Dazu erging am folgende Stellungnahme des Rechtsanwalts des Bf.:
"Zum Vorhalt der verspäteten Einbringung eines Rechtsmittels, erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass ich aufgrund eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses, nämlich wegen eines Irrtums über die Wirkung der Anzeigenbestätigung bei der LPD Wien vom , B6/415493/2014 betreffend die Veruntreuung meines PKW´s Mazda 323 mit dem Kennzeichen W Zahl, daran gehindert war, fristgerecht Einspruch gegen die Strafverfügung zu erheben. Ich ging davon aus, dass nach der polizeilichen Anzeige dieses mit gerichteter Strafe bedrohten Vergehens, Übertretungen nach dem Parkometergesetz nicht mehr mir, sondern dem tatsächlichen Fahrzeuglenker T. angelastet werden. Ich ging davon aus, dass Polizei und Magistrat bei derartigen Delikten zusammenarbeiten und datenmäßig miteinander vernetzt sind, sowie es der Fall ist, wenn ein Verdacht gegen den Staatsbürger gerichtet ist. Dass die LPD Wien in keinem direkten Zusammenhand mit der MA 67 - Parkraumüberwachung steht, hat sich meiner Kenntnis entzogen, da ich der Meinung war, das diese Behörden miteinander vernetzt sind. Bemerkt habe ich diesen, meinen Irrtum, der mich an der fristgerechten Einspruchserhebung gehindert hat, erst nach Zustellung der Vollstreckungsaufträge und Besprechung mit meinen ausgewiesenen Vertreter am , sodass sich die Wiedereinsetzungsanträge und Einsprüche als fristgerecht erweisen."
Daraufhin erließ die Magistratsabteilung 67 am insgesamt 24 gleichlautende Bescheide, mit denen die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen stand vom abgewiesen und die Einsprüche vom gegen die jeweiligen Strafverfügungen wegen Verspätung zurückgewiesen wurden.
Die Begründung lautete wie folgt:
"§ 71 Abs. 1 AVG zufolge ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen
Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil
erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder
unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten
oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer
Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine
Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält,
dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei
Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die
Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Sie hatten am Anzeige wegen Veruntreuung Ihres Fahrzeuges mit dem
Kennzeichen W-Zahl erstattet und seien seinerzeit davon ausgegangen, dass
durch die polizeiliche Anzeige dieses mit gerichtlicher Strafe bedrohten Vergehens,
die Übertretungen nach dem Parkometergesetz nicht mehr Ihnen, sondern dem
tatsächlichen Fahrzeuglenker angelastet werden - dieses unvorhersehbare und
unabwendbare Ereignis Sie an der rechtzeitigen Erhebung des Rechtsmittels
gehindert habe. Erst bei der Rücksprache mit Ihrem ausgewiesenen Vertreter am
sei Ihnen bewusst geworden sei, dass rechtskräftige, vollstreckbare
Strafverfügungen vorlägen und beantragten die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand (zu insgesamt 24 rechtkräftigen, vollstreckbaren Strafverfügungen).
Dazu wird festgestellt:
Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem
Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann. Unvorhergesehen ist es
hingegen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und seinen
Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht
nicht erwarten konnte (vgl. hierzu u.a. E des Zl. 91/06/0162;
Zl. 92/04/0194).
Ein Verschulden an der Versäumung der Frist hindert die Wiedereinsetzung nicht,
wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens im Sinne von bloß leichter
Fahrlässigkeit handelt; grobe Fahrlässigkeit hindert die Wiedereinsetzung. Auch
ein Rechtsirrtum bzw. die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift kann einen
Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der
Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist.
Als grob fahrlässig ist ein Verhalten dann zu bewerten, wenn dieses auf auffallende
Sorglosigkeit zurückzuführen ist, der Fehler also einem ordentlichen Menschen in
dieser Form nicht passiert.
Der Wiedereinsetzungswerber hätte bereits mit der rechtswirksamen Zustellung der
(ersten) Strafverfügung (im Jänner 2015) erhebliche Bedenken hinsichtlich seiner
Auffassung - mit der Anzeigeerstattung wegen Veruntreuung des Fahrzeuges im
Dezember 2014 seien auch die mit diesem Fahrzeug begangenen Übertretungen
des Parkometergesetzes gewissermaßen ,,erledigt“ gewesen - haben und sich an
eine rechtskundige Person wenden müssen oder z.B. die Behörde kontaktieren
können.
Wenn sich der Rechtsmittelwerber die Strafverfügung(en) von der Post
abgeholt hätte, hätte er angesichts der enthaltenen Rechtsmittelbelehrung und der
unmissverständlichen Konsequenzen die die Unterlassung eines Einspruches nach
sich ziehen (... Wenn Sie keinen Einspruch erheben, ist der Bescheid sofort
vollstreckbar. Sie haben dann den Strafbetrag unverzüglich zu überweisen...) die
zwingende Notwendigkeit einen Einspruch zu erheben, erkannt.
Da ihm selbst nach der vierundzwanzigsten Strafverfügung - gegen die er die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Schreiben vom beantragte -
keine Bedenken kamen, sondern erst auf die Vollstreckungsverfügung(en), war eine
auffallende Sorglosigkeit zweifelsfrei zu bejahen und spruchgemäß zu entscheiden.
II.
Die Strafverfügung wurde nach einem Zustellversuch vom am selben
Tag bei der Post Geschäftsstelle 1220 Wien hinterlegt (Hinterlegung gem. § 17 Abs.
1 ZustG) und ist ab dem zur Abholung bereitgehalten worden, da Ihnen
das Schriftstück beim Zustellversuch nicht übergeben werden konnte.
Mit dem Tag der Bereithaltung zur Abholung gilt gemäß § 17 Abs. 3 ZustG eine
hinterlegte Sendung als zugestellt, wenn ein Zustellmangel nicht unterlaufen ist und
sich auch nicht ergeben hat, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der
Abgabestelle vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte.
Die Einspruchsfrist begann daher am und endete am .
Der Einspruch wurde trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung jedoch
erst am mittels E-Mail, somit nach Ablauf der im § 49 Abs. 1 VStG
festgesetzten zweiwöchigen Einspruchsfrist eingebracht.
Bemerkt wird, dass es sich bei der Einspruchsfrist des § 49 Abs. 1 VStG um eine
gesetzlich festgelegte Frist handelt, die von der Behörde nicht erstreckt werden darf.
Der Behörde ist es deshalb durch die verspätete Einbringung des Einspruches
rechtlich verwehrt eine Sachentscheidung zu treffen und kann aus diesem Grund
auch nicht auf allfällige diesbezügliche Einwände eingegangen werden.
Der Einspruch war daher als verspätet zurückzuweisen."
Dagegen brachte der Bf. fristgerecht eine Beschwerde mit folgender Begründung ein:
"Als Beschwerdegründe werden Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht
Während sich die Unabwendbarkeit eines Ereignisses an der Wahrnehmbarkeit eines
Durchschnittsmenschens orientiert, sieht das Gesetz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dann vor, wenn an der Versäumung nur ein Verschulden minderen Grades vorliegt.
Ich bin Drittstaatsangehöriger, der deutschen Sprache nicht perfekt mächtig und habe keine Kenntnisse, was den formalen Ablauf von Verwaltungsverfahren bzw..
Verwaltungsstrafverfahren betrifft.
Mein Intelligenzgrad erreicht auch nur ein derart geringes Niveau, das mir solches nicht
zugemutet werden kann.
Die Erstbehörde hat es verabsäumt, diesbezüglich Erhebungen zu pflegen, um den
Verschuldensgrad ausmessen zu können.
Die Tatsache, dass Rechtsmittelbelehrungen auf den einzelnen Bescheiden angemerkt sind, ist deshalb nicht entscheidend, weil ich durch den Irrtum verblendet war, dass die unverzügliche Anzeige des unbefugten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen bei der Polizei, mich auch jeglicher Verantwortung entbindet, die dem Veruntreuer des Fahrzeuges anzulasten ist.
Mir war nicht erkennbar, dass es zwischen den Strafbehörden untereinander keine
Datenverknüpfung gibt, die Derartiges hintanhalten könnten.
Ich bin daher davon ausgegangen, dass meine fristgerechte Anzeige bei der Behörde, wonach das Kraftfahrzeug veruntreut wurde, mich bis zum Wiederauffinden und zur Rückgabe des Kraftfahrzeuges von jeder Verantwortlichkeit entbinden würde.
Dies entspricht meinem persönlichen Intellekt und Rechtsgefühl, das mich offensichtlich
getäuscht hat, wodurch ich durch einen minderen Grad des Versehens daran gehindert war, fristgerecht Einsprüche gegen die diversen Strafverfügungen zu erheben.
Es liegt eben im Wesen des Irrtums, dass einem Irrenden Fehler unterlaufen, die einem
Intelligenten und Hochbegabten und mit der Rechtsangelegenheit Vertrauten nur schwer verständlich erscheinen mögen, jedoch nichts daran hindert, dass mir nur aus diesem Blickpunkt nur ein geringes, persönliches Verschulden angelastet werden kann, welches die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindert.
Ich stelle daher die
ANTRÄGE
die Bescheide im antragsstattgebenden Sinne abzuändern, meine Einsprüche materiell zu
behandeln und die wider mich geführten Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, da ich
offensichtlich nicht tatbildhaft gehandelt habe, weil das Fahrzeug zu den in den
Strafverfügungen angeführten Tatzeitpunkten veruntreut war und daher nicht ich, sondem
tatsächlich Herr T, VSNR Zahl2, wohnhaft in Wien,
Adr2 für die Normenverletzungen haftet."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bilden die Fragen, ob die Anträge des Bf. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom wegen Versäumung der Frist zur Einbringung von Einsprüchen gegen die gegenständlichen Strafverfügungen mit Bescheid vom zu Recht abgewiesen wurde und ob die Einsprüche vom gegen die gegenständlichen Strafverfügungen zu Recht wegen Verspätung zurückgewiesen wurden.
Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist daher nicht (mehr) die Rechtmäßigkeit der Verhängung einer Geldstrafe wegen Verletzung der Parkometerabgabeverordnung durch Abstellen eines Fahrzeuges ohne Parkschein in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone.
1) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG 1991 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Nach § 71 Abs. 2 AVG 1991 muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Im Fall der Versäumung einer Frist hat nach Abs. 3 leg.cit. die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.
Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach § 71 Abs. 4 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet nach Abs. 5 leg.cit. keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.
Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt nach § 72 Abs. 1 AVG das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zielt darauf ab, die für eine Partei durch eine nichtverschuldete Versäumung einer Frist resultierenden Nachteile zu beseitigen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand soll verhindern, dass einer Partei, die gegen ein unverschuldet und unvorhergesehen eintretendes Ereignis nichts unternehmen konnte, durch Unterlassung der fristgerechten Vornahme einer verfahrensrechtlich bedeutsamen Handlung einen Rechtsnachteil erleidet (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71, Rz. 1).
Der Wiedereinsetzungsantrag ist nur rechtzeitig, wenn er gemäß § 71 Abs. 2 AVG 1991 spätestens zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt wird.
Im vorliegenden Fall enthält die als Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 AVG zu wertende Eingabe vom lediglich Ausführungen darüber, dass der Bf. einem Irrtum unterlägen wäre.
Auch wenn das Bundesfinanzgericht davon ausgeht, dass der Bf. (wie vorgebracht) nicht gut Deutsch kann und einen minderen Grad der Intelligenz aufweist, hätte er bei Abholung der Strafverfügungen vom Postamt die Rechtsmittelbelehrungen lesen können, in denen er auf die Frist hingewiesen wurde oder sich die Strafverfügungen übersetzen lassen können.
Der Bf. unterlag nach seinen eigenen Angaben einem Irrtum wegen seiner Anzeige bei der Polizei. Er nahm an, die Polizei tauschte mit der MA 67 Daten aus. Ein Rechtsirrtum ist laut VwGH-Judikatur nur dann wiedereinsetzungsfähig, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens im Sinne von bloß leichter
Fahrlässigkeit handelt; grobe Fahrlässigkeit hindert die Wiedereinsetzung. Auch
ein Rechtsirrtum bzw. die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift kann einen
Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der
Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist.
Als grob fahrlässig ist ein Verhalten dann zu bewerten, wenn dieses auf auffallende
Sorglosigkeit zurückzuführen ist, der Fehler also einem ordentlichen Menschen in
dieser Form nicht passiert.
Der Wiedereinsetzungswerber hätte bereits mit der rechtswirksamen Zustellung der
(ersten) Strafverfügung (im Jänner 2015) erhebliche Bedenken hinsichtlich seiner
Auffassung - mit der Anzeigeerstattung wegen Veruntreuung des Fahrzeuges im
Dezember 2014 seien auch die mit diesem Fahrzeug begangenen Übertretungen
des Parkometergesetzes gewissermaßen ,,erledigt“ gewesen - haben und sich an
eine rechtskundige Person wenden müssen oder z.B. die Behörde kontaktieren
können.
Wenn sich der Rechtsmittelwerber die Strafverfügung(en) von der Post
abgeholt hätte, hätte er angesichts der enthaltenen Rechtsmittelbelehrung und der
unmissverständlichen Konsequenzen die die Unterlassung eines Einspruches nach
sich ziehen (... Wenn Sie keinen Einspruch erheben, ist der Bescheid sofort
vollstreckbar. Sie haben dann den Strafbetrag unverzüglich zu überweisen...) die
zwingende Notwendigkeit einen Einspruch zu erheben, erkannt.
Keine Wiedereinsetzungsgründe sind nach der Rechtsprechung mangelnde deutsche Sprachkenntnis, Arbeitsüberlastung und familiäre Probleme ().
Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum sind zwar nach ständiger Rechtsprechung keine Wiedereinsetzungsgründe, könnten jedoch in Ausnahmefällen einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, etwa wenn der Irrtum von der Behörde veranlasst wurde. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht der Fall.
Da ihm selbst nach der vierundzwanzigsten Strafverfügung - gegen die er die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Schreiben vom beantragte -
keine Bedenken kamen, sondern erst auf die Vollstreckungsverfügung(en), war eine
auffallende Sorglosigkeit zweifelsfrei zu bejahen.
Der Bf. hätte sich erkundigen können. Er hat nicht dargestellt, inwieweit es ihm nicht möglich war, Erkundigungen einzuholen. Darum liegt kein minderer Grad des Verschuldens vor und somit ist der Irrtum des Bf. kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund. Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht.
2) Zurückweisung der Einsprüche wegen Verspätung
Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist das Dokument zu hinterlegen, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Von der Hinterlegung ist nach § 17 Abs. 2 ZustellG der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
Das hinterlegte Dokument ist nach § 17 Abs. 3 ZustellG mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
Gemäß § 1 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, wird die Gemeinde ermächtigt, durch Verordnung für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen gemäß § 25 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2005, die Entrichtung einer Abgabe auch für mehrspurige Kraftfahrzeuge vorzuschreiben, die lediglich zum Zwecke des Aus- und Einsteigens von Personen oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit halten.
Nach § 4 Abs. 1 Parkometergesetz sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen.
Nach § 1 Parkometerabgabeverordnung, ABl der Stadt Wien Nr. 51/2005 idgF, ist für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) eine Abgabe zu entrichten.
Nach § 5 Abs. 1 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005 idgF, gilt die Abgabe mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.
Zur Entrichtung der Abgabe sind nach Abs. 2 dieser Verordnung der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.
Unstrittig ist, dass die angefochtenen Strafverfügungen gemäß den aktenkundigen Rückscheinen nach erfolglosen Zustellversuchen beim Postamt 1220 Wien hinterlegt und ab , , , , erstmals zur Abholung bereit gehalten worden sind. Die Strafverfügungen haben eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung beinhaltet.
Mit Vorhalt des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, Parkraumüberwachung, vom ist dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten worden, einen Zustellmangel im Sinn des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz geltend zu machen und diesen durch Belege glaubhaft zu machen. Mit der Beantwortung vom ist ein Zustellmangel im Sinn des § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes nicht behauptet worden.
Beweiswürdigung
Eine Abfrage im Zentralen Melderegister ergab, dass die Adresse Adr. die Adresse des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers seit gewesen war.
Der Rückschein, auf dem die Zustellung durch den Zusteller beurkundet wird (§ 22
Abs. 1 ZustG) ist eine öffentliche Urkunde, die Beweis über die Zustellung macht. Als öffentliche Urkunde begründet ein "unbedenklicher" - d.h. die gehörige äußere Form aufweisender Zustellnachweis die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorgangs, doch ist der Einwand der Unechtheit oder der Unrichtigkeit zulässig (zuletzt ). Derartige Einwände sind im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt.
Es ist aktenkundig, dass die gegenständlichen Strafverfügungen mit Wirkung der Zustellung an den genannten Tagen postamtlich hinterlegt wurden. Ab diesem Tag wurde die Strafverfügungen erstmals zur Abholung bereitgehalten, die zweiwöchige Rechtsmittelfrist begann daher ab diesen Tagen zu laufen.
Trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung in den Strafverfügungen wurde der vom Beschwerdeführer in Form einer Mail erhobene Einspruch gegen die in Rede stehende Strafverfügungen nicht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist, sondern erst nach Fristablauf beim Magistrat der Stadt Wien, MA 67, somit verspätet eingebracht. Damit waren die mit datierten Einsprüche des Beschwerdeführers in den im Spruch genannten Angelegenheiten zu Recht von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen worden.
In der Stellungnahme vom gibt der Bf. die nicht fristgerechte Einspruchserhebung zu und bringt keine Zustellprobleme etc. vor. Die Einbringung der Einsprüche war damit verspätet, sodass die Zurückweisung dieser Einsprüche durch die belangte Behörde mit Bescheid vom zu Recht erfolgte.
Die Beschwerde erwies sich daher insgesamt als unbegründet und war somit gemäß § 50 VwGVG abzuweisen.
Zur Zulässigkeit der Revision
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Wie über ein verspätetes Rechtsmittel zu entscheiden ist, ist durch die Rechtsprechung geklärt, das Bundesfinanzgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Es liegen daher im Streitfall keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die ordentliche Revision ist daher für die belangte Behörde nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 71 Abs. 1 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.7500187.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at