Aufhebung wegen Unzuständigkeit des Finanzamtes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache Bf, abc, Ungarn, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom betreffend Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung/Differenzzahlung) für die Kinder AB, BB, CB, DB, EB, AA, KB und LB ab 07/2013 zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Monate 07/2013 bis 10/2013 – ersatzlos – aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Am langte beim Finanzamt ein Antrag der Beschwerdeführerin (Bf) auf Gewährung einer Differenzzahlung für ihre acht Kinder ein (Beih 38).
Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens wurde dieser Antrag mit Bescheid vom ab 07/2013 abgewiesen, da der Umfang der Tätigkeit und die daraus resultierenden Einnahmen zu gering seien, um von einer nachhaltigen und gewinnbringenden gewerblichen Tätigkeit im Sinne der VO 883/2004 sprechen zu können.
Die Bf brachte daraufhin mit Schriftsatz vom Beschwerde ein.
Nach einem weiteren Vorhalteverfahren sowie nach Betriebsstättenbesichtigungen bzw. Außenerhebungen durch die Finanzpolizei wies das Finanzamt diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Hinweis auf Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004, auf § 23 Abs. 1 EStG 1988 und § 29 BAO und unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/14/0226 ab.
Mit Schriftsatz vom stellte die Bf daraufhin einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Finanzgericht.
Mit Bericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
DAZU WIRD ERWOGEN:
1 Sammelbescheid – Anspruchszeitraum - Antragstellung:
Jeder Bescheid ist nach § 93 Abs. 2 BAO ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
Der Bescheid hat nach § 93 Abs. 3 BAO ferner zu enthalten:
a) Eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;
b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, dass das Rechtsmittel begründet werden muss und dass ihm aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).
Die Familienbeihilfe wird nach § 10 Abs. 1 erster Halbsatz FLAG 1967 nur auf Antrag gewährt.
Die Familienbeihilfe wird nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es der Abgabenbehörde nicht verwehrt, mehrere Absprüche in Form von Sammelbescheiden zu erlassen. Dabei ist es als ausreichend und unproblematisch anzusehen, dass ein solcher Sammelbescheid die Bezeichnung „Bescheid“, den Bescheidadressaten und die Rechtsmittelbelehrung nur einmal enthält. Dies ändert nichts daran, dass jeder Spruch für sich gesondert anfechtbar ist bzw. für sich gesondert der Rechtskraft fähig ist. (, , Schwaiger in SWK 22/2010, S 695 ff, ).
Der gegenständliche Abweisungsbescheid vom spricht über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung/Differenzzahlung) der Bf für ihre acht Kinder hinsichtlich der Monate "ab Juli 2013" ab.
Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der in § 10 Abs. 2 FLAG 1967 gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein. (, VwGH vom25.03.2010, 2009/16/0121, 2009//16/0127).
Der Abweisungsbescheid vom ist dementsprechend ein Sammelbescheid, da er über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Anspruchs auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) für jedes der acht Kinder und zwar für jedes (einzelne) Monat beginnend mit Juli 2013 abspricht.
Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt, gleiches gilt für eine Ausgleichszahlung gemäß § 4 Abs. 4 FLAG 1967. Bei den Verfahren betreffend Familienbeihilfe und Ausgleichszahlung, die gemäß § 4 Abs. 6 FLAG 1967 als Familienbeihilfe gilt, handelt es sich also um zwingend antragsgebundene Verfahren, wobei sich aus § 10 Abs. 2 FLAG 1967 – wie bereits ausgeführt - eine monatliche Betrachtungsweise ergibt und das Verfahren für jedes Kind gesondert zu führen ist. (, ).
Wird im Antragsvordruck das vorgesehene Feld, ab wann die Familienbeihilfe beantragt wird, nicht ausgefüllt, dann wird die Möglichkeit einer rückwirkenden Beantragung nicht ausgeschöpft und es ist davon auszugehen, dass mit diesem Antrag die Familienbeihilfe vom Tag der Antragstellung an begehrt wird. (Vgl. , )
Die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes ohne Vorliegen eines Antrages belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde. Das trifft auch dann zu, wenn die Behörde bei einem antragsbedürftigen Verwaltungsakt über den gestellten Antrag hinausgeht. (vgl. , , ).
In dem von der Bf ohne Angabe eines Datums unterzeichneten Antragsformular „Beih 38“ blieb das vorgesehene Feld, ab wann die Familienbeihilfe/Differenzzahlung beantragt wird („für den Zeitraum von – bis“), bei allen acht Kindern unausgefüllt. Dieses Antragsformular langte laut Eingangsstempel am beim Finanzamtes L ein. Es ist somit entsprechend den vorstehenden Ausführungen davon auszugehen, dass mit diesem Antrag die Familienbeihilfe/Differenzzahlung ab 11/2013 begehrt wurde.
Der gegenständliche Abweisungsbescheid vom , welcher sich ausdrücklich auf den Antrag vom bezieht, spricht für alle acht Kinder über den Zeitraum ab 07/2013 ab. Das Finanzamt hat somit hinsichtlich der Monate 07/2013 bis 10/2013 seine Entscheidungskompetenz überschritten, sodass der Abweisungsbescheid betreffend die acht Kinder der Bf für den Zeitraum 07/2013 bis 10/2013 ersatzlos aufzuheben ist. (Vgl. , ).
Der Bf steht es in weiterer Folge frei, beim Finanzamt einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe/Differenzzahlung/Ausgleichszahlung für die Monate 07/2013 bis 10/2013 einzubringen. Res judicata (entschiedene Sache) steht einem solchen Antrag nicht entgegen, da mit dem gegenständlichen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes keine inhaltliche Entscheidung hinsichtlich dieser Monate getroffen wird. (Vgl. ).
2 Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen finden in der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Deckung, sodass die Revision nicht zuzulassen ist.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.7106503.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at