Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.10.2017, RV/6100250/2017

Keine Wiederaufnahme aufgrund nachträglich geänderter Rechtsprechung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde der X-GmbH, Adr., vertreten durch Stb., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg – Land, Aigner Straße 10, 5020 Salzburg, vertreten durch Mag. Josef Nußbaumer, vom 9 . Jänner 2017 betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Energieabgabenvergütung für 2011 zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Sachverhalt

A/1. Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) betreibt ein öffentliches Freibad und ist somit ein Dienstleistungsbetrieb. Mit Schreiben vom beantragte sie die Vergütung von Energieabgaben 2011 in Höhe von EUR 7.136,39 und legte dem Finanzamt entsprechende Beilagen und Belege vor. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom einen Betrag (Gutschrift) von EUR 575,05 für den Zeitraum Jänner 2011 fest und führte in der Begründung aus, für Dienstleistungsbetriebe bestehe ab kein Anspruch auf Energieabgabenvergütung. Aufgrund der Entscheidung des stehe die Vergütung für Jänner 2011 aber noch zu. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom stellte die Bf. durch ihren steuerlichen Vertreter einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Energieabgabenvergütung 2011. In der Begründung verwies die Bf. vorerst auf den geschilderten Verfahrensgang und führte weiter aus, dass aufgrund der fehlenden Genehmigung durch die Europäische Kommission die Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe gemäß § 2 Abs 1 EnAbgVergG idF BudBG 2011 nicht mit in Kraft getreten sei und die ENAV für Dienstleistungs­betriebe weiterhin zustehe. Daher werde die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 lit b bzw. c beantragt und die Vergütung der restlichen Energieabgaben in Höhe von EUR 6.561,34 urgiert.

A/2. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Wiederaufnahmeantrag ab mit der Begründung, im Antrag seien keine neuen Tatsachen angeführt, die zu einer Wiederaufnahme führen könnten. Entscheidungen von Gerichten stellten keine Wiederaufnahmegründe dar.

Die dagegen erhobene Beschwerde führt aus, das Bundesfinanzgericht habe mit Erkenntnis vom , RV/5100360/2013 entschieden, dass aufgrund der fehlenden Genehmigung durch die europäische Kommission die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe gemäß § 2 Abs 1 EnAbgVergG idF BudBG 2011 nicht mit in Kraft getreten sei und die ENAV für Dienstleistungsbetriebe weiterhin zustehe. Gleichzeitig werde die Aussetzung der Entscheidung über diese Beschwerde beantragt, bis der VwGH die Amtsrevision gegen dieses Erkenntnis - anhängig unter der Zahl Ro 2016/15/0041 - entschieden habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Der Bescheid über die Festsetzung der Energieabgabenvergütung habe lediglich den Teilbetrag für Jänner 2011 festgesetzt bzw. gutgeschrieben. Der Bescheid sei also eine teilweise Stattgabe des Antrages gewesen und habe indirekt auf eine Gesetzesänderung verwiesen, welche jetzt nachträglich gar nicht in Kraft getreten sei. Daher sei die Begründung und damit auch der Bescheid vom hinfällig und die Energieabgabe 2011 wie ursprünglich beantragt gutzuschreiben.

A/3. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

B. Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung

Der vorstehend angeführte Sachverhalt geht aus dem vom Finanzamt vorgelegten Akt hervor und ist unstrittig.

B/1. Gemäß § 303 Abs 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach Abs 2 leg.cit. hat der Wiederaufnahmsantrag die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird und die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten.

Der Wiederaufnahmeantrag der Bf. zieht den Neuerungstatbestand bzw. den Vorfragentatbestand des § 303 BAO heran und weist auf die Rechtsprechung des

Bundesfinanzgerichts hin, wonach die Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe ab nicht in Kraft getreten sei und die ENAV daher für Dienstleistungsbetriebe weiterhin zustehe.

Gemäß § 2 Abs 1 EnAbgVergG idF BudBG 2011, BGBl. I 2010/111 besteht ein Anspruch auf Vergütung ab nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht. Mit dieser Neufassung des § 2 Abs 1 leg.cit. wurde also der Anspruch auf Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe eingeschränkt.

Nach der Rechtsprechung des gelangt jedoch die einschränkende Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 für den Kalendermonat Jänner 2011 nicht zur Anwendung. Darauf gründet sich auch der Bescheid vom über die Festsetzung der ENAV, dessen Aufhebung nunmehr begehrt wird.

Der Wiederaufnahmeantrag bezieht sich auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5100360/2013, worin das BFG die Ansicht vertritt, dass die einschränkende Fassung des § 2 EnAbgVergG für 2011 gar nicht in Kraft getreten sei und somit der Anspruch auf Vergütung der Energieabgaben auch Dienstleistungsbetrieben zustehe.

Damit gründet sich der Antrag auf Wiederaufnahme aber auf eine Gerichtsentscheidung, die einen im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bekannten Sachverhalt nachträglich rechtlich anders beurteilt. Nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung sind Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden aber keine Wiederaufnahmsgründe, die den Neuerungstatbestand erfüllen (etwa ; , 2002/16/0286). Neue Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existent waren, aber erst später hervorkommen (nova reperta; Ritz, BAO5, § 303 Tz 23, 30).

Außer Streit steht, dass der dem Energievergütungsantrag zugrunde liegende Sachverhalt dem Finanzamt bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannt war. Auch der Wiederaufnahmeantrag verweist nicht darauf, dass nachträglich Sachverhaltselemente neu hervorgekommen wären. Damit kann der Antrag aber nicht zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Neuerungstatbestand führen.

B/2. Es sind aber auch die Tatbestandselemente des § 303 Abs 1 lit c BAO nicht erfüllt. Eine Wiederaufnahme beim Vorfragentatbestand setzt ua voraus, dass die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend (rechtskräftig) geworden ist (vgl zu § 69 AVG, , ZfVB 1989/5/1752).

EuGH-Entscheidungen sind keine Wiederaufnahmsgründe der entschiedenen Vorfrage ( G 5/09 ua; ; , 2007/16/0073; , 2008/16/0053; , 2008/13/0161). Nicht zuletzt wegen mangelnder Parteienidentität sind Vorabentscheidungen (Art 267 AEUV) daher keine Wiederaufnahmsgründe für Verfahren anderer (als des „Anlassverfahrens“) Parteien (zB Tumpel/ Gaedke, SWK 2002, S 96; Ehrke, ÖStZ 2002, 296). Ebenso wenig sind VwGH-Entscheidungen, die wegen des Vorranges von Unionsrecht eine nationale Vorschrift für unanwendbar beurteilen, für Verfahren anderer Parteien als Wiederaufnahmsgründe anzusehen (Ritz, BAO5, § 303 Tz 40).

Somit ist die Ansicht des Finanzamtes zu bestätigen, dass eine geänderte Rechtsprechung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde keinen Wiederaufnahmegrund hinsichtlich eines bereits bekannten Sachverhaltes darstellt. Damit ist aber auch klargestellt, dass der Ausgang des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof zu Zahl Ro 2016/15/0041 nicht von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist. Der Anregung der Bf. auf Aussetzung der Entscheidung über die Beschwerde (ein Antragsrecht sieht § 271 BAO nicht vor) kommt daher keine Berechtigung zu.

Aus den angeführten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.

D. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig , wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Zur gegenständlichen Rechtsfrage existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
Fuchs in AFS 2018/1, 25
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.6100250.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at