Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.10.2017, RV/7104616/2017

Es liegt kein Versicherungsverhältnis iSd § 1 VersStG vor, wenn der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalles die am Depot vorhandene Summe zahlen muss, welche sich aus der Einmalprämie des Bf. und der Veranlagung dieses Geldbetrages ergibt. Es ist kein Wagnis für den Versicherer ersichtlich (fortgesetztes Verfahren; der VwGH 12.9.2017, Ra 2017/16/0123 hat das Erkenntnis BFG 15.12.2014, RV/7100853/2011 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.DDr. Hedwig Bavenek-Weber in der Beschwerdesache des ****BF+ADRESSE**** vertreten durch Dr. Helmut Moritz, Steuerberater, Schottenbastei 6/8, 1010 Wien ge­gen den Bescheid gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr. ****x1****, StNr. ****x2**** be­tref­fend Wiederaufnahme Versicherungssteuer (§ 1 Abs. 1 VersStG) zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO wird – ersatzlos – aufgehoben.

 Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Nach dem Sachverhalt schloss der Bf. „als Versicherungsnehmer“ am einen Vertrag über eine „anteilsgebundene Lebensversicherung“ ab und verpflichtete sich, einen Einmalbetrag von 390.000 Euro zu zahlen. Mit Zahlung trat der Vertrag in Kraft. Die Versicherung verpflichtete sich, im Versicherungsfall (Tod des Versicherungsnehmers) den Gegenwert des internen Fonds in der Vertragswährung auszuzahlen und bei einem Totalrückkauf den Gegenwert des internen Fonds abzüglich 0,25% des internen Fonds auszuzahlen. Im Todesfall erfolgt eine direkte Auszahlung an die Begünstigten, die Begünstigten erhalten den aktuellen Wert der Anlagen direkt ausbezahlt, nach dem Stand des Depots am Todestag. Die Einmalprämie des Bf. wird in einen internen Fonds investiert, der gesondert vom übrigen Vermögen der Versicherungsgesellschaft angelegt wird. Ein Wechsel der Anlagen ist jederzeit möglich. Hingewiesen wurde sehr ausführlich auf die Risiken, da bei negativer Anlagenentwicklung der Auszahlungsbetrag tiefer sein kann, als das ursprünglich eingesetzte Kapital und eine bestimmte Leistung bei Auszahlung nicht garantiert wird.

Das Finanzamt beurteilte diesen Vertrag als anteilsgebundene Lebensversicherung, die der Versicherungssteuer unterliegt.

Mit Bescheid gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO vom setzte das Finanzamt die Versicherungssteuer von einer Bemessungsgrundlage von 390.000 Euro x 4% = 15.600 Euro fest. In der Begründung gab das Finanzamt an, dass es sich um den Wiederaufnahmetatbestand des § 201 BAO handle und übte das Ermessen aus. Der vorliegende Vertrag versichere das Risiko des Ablebens, es liege daher eine anteilsgebundene Lebensversicherung vor. Es würden auch im Antrag die Vertragspartner ausdrücklich als Versicherungsnehmer bzw. die versicherten Personen als solche bezeichnet. Die Versicherungssteuer betrage gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 lit. b VersStG 4% vom Einmalerlag von 390.000 Euro.

Fristgerecht wurde dagegen Berufung erhoben. Eingewendet wurde, dass der Sinn und Zweck der Vermögensveranlagung aus der Polizze hervorgehe. Es werde in attraktive Anlagen investiert und gleichzeitig die Vermögensnachfolge einfach und individuell geregelt. Die Prämienzahlung erfolge durch Einmalzahlung, mit welcher Kapitalanlagen entweder diskretionär oder im Rahmen eines bestimmten Vermögenverwaltungsmandates erworben werden könnten. Ein- und Rückzahlungen seien während der gesamten Laufzeit möglich, ebenso eine Änderung der Kapitalanlagen oder des Verwaltungsmandates. Im Versicherungsfall werde den Begünstigten der zu diesem Zeitpunkt aktuelle Wert der Kapitalanlagen ausbezahlt. Das Finanzamt ****FINANZAMT**** sei davon ausgegangen, dass dieser Vertrag nicht einer österreichischen Lebensversicherung vergleichbar sei. Im gegenständlichen Fall werde kein Risiko übernommen, die Versicherung übernehme weder ein Langlebigkeits- noch ein Todesfallrisiko. Die Auszahlung der Versicherungssumme hänge ausschließlich von dem der Versicherung gewidmeten Vermögen ab. Steige dieses, so steigt auch die Auszahlungssumme, falle es, so werde auch die Versicherungsleistung geringer.

Mit Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht das Rechtsmittel als unbegründet ab und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Dagegen erhob der Bf. außerordentliche Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis die Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aus folgenden Gründen auf:

§ 1 Abs. 1 des Versicherungssteuergesetzes 1953 (VersStG) samt Überschrift lautet:

Gegenstand der Steuer

‚§ 1 (1) Der Steuer unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgeltes auf Grund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.‘

Als Versicherungsvertrag im Sinne des VersStG gilt gemäß § 2 Abs. 1 l leg. cit. auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste der Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können.

Als Versicherungsvertrag gilt gemäß § 2 Abs. 2 VersStG nicht ein Vertrag, durch den der Versicherer sich verpflichtet, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten.

Zutreffend führt das Bundesfinanzgericht an, dass der Begriff des Versicherungsverhältnisses als Voraussetzung der Versicherungssteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 VersStG) im VersStG nicht umschrieben ist.

Ebenfalls zutreffend bezeichnet das Bundesfinanzgericht im Revisionsfall den Tod des Versicherungsnehmers als das versicherte Risiko, den Eintritt des Versicherungsfalles, der die Leistungspflicht des Versicherers auslöst.

Begrifflich entspringt eine Versicherung dem Bestreben, sich gegen die Folgen eines Risikos, die Folgen des Versicherungsfalles, abzusichern. Die Absicherung erfolgt somit nicht gegen das Risiko, welches mit Eintritt des Versicherungsfalls eben bereits verwirklicht ist, sondern gegen die Folgen desselben. So werden Sachversicherungen etwa nicht gegen das schädigende Ereignis oder den Schaden selbst abgesichert (z.B. Sturm oder Sturmschaden), sondern zur Absicherung, daraus entstehende Folgen (Kosten) nicht tragen zu müssen.

Einem Versicherungsverhältnis wohnt die Ungewissheit inne, ob im Einzelfall die Summe der bezahlten Versicherungsentgelte und des sich daraus (nach allfälliger Veranlagung) ergebenden Betrages dem im Versicherungsfall zu leistenden Betrag der Versicherungsleistung entspricht. Ein Versicherungsverhältnis erfordert das Wagnis des Versicherers (mit dem Versicherungsentgelt als Gegenleistung für die Übernahme dieses Wagnisses - vgl. auch Bavenek-Weber, Der Begriff der Leistung bei den Gebühren und Verkehrsteuern, in FJ 2000/ 7-8, 208), im Einzelfall mehr leisten zu müssen, als er vorn Versicherungsnehmer erhalten hat, was dadurch ausgeglichen werden soll, dass in anderen Einzelfällen ein Versicherungsnehmer mehr leistet, als der Versicherer dann im Versicherungsfall zu leisten hat, oder ein Versicherungsnehmer etwas leistet, ohne dass der Versicherungsfall eintritt (vgl. auch Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 32 und 34 ff).

Das Versicherungssteuergesetz 1953 knüpft in seinem § 1 an § 1 des Versicherungssteuergesetzes 1937 an.

Das Versicherungssteuergesetz 1937, DRGBl. I Nr. 83, bestimmte in § 2 Abs. 1 Z 2, dass als Versicherungsvertrag im Sinn dieses Gesetzes auch ein Kapitalansammlungsvertrag oder ein Sparversicherungsvertrag ohne Übernahme eines Wagnisses (Beispiel: Bausparvertrag) gelten.

Das Versicherungssteuergesetz 1937 sah bereits solche Verträge ohne Übernahme eines Wagnisses nicht als Versicherungsverträge oder Versicherungsverhältnisse, sondern stellte diese durch Fiktion („gilt auch“) den Versicherungsverhältnissen gleich.

Durch Art. I lit. a der Verkehrsteuernovelle 1948, BGBl. Nr. 57, wurde das Versicherungssteuergesetz 1937 geändert und entfiel in § 2 Abs. 1 die Z 2.

Das Versicherungssteuergesetz 1953 enthält eine Fiktion, wie sie bis zum Jahr 1948 im § 2 Abs. 1 Z 2 des Versicherungssteuergesetzes 1937 normiert war, nicht.

Auch daraus lässt sich ableiten, dass das Versicherungssteuergesetz 1953 für der Versicherungssteuer unterliegende Versicherungsverhältnisse ein durch den Versicherer übernommenes Wagnis, eine Ungewissheit des Verhältnisses zwischen einbezahltem und allenfalls veranlagtem Versicherungsentgelt (Prämien udgl.) und bei Eintritt des Versicherungsfalles zu zahlender Versicherungsleistung, erfordert.

Auch ein Versicherungsvertrag iSd Versicherungsaufsichtsgesetzes erfordert ein bestimmtes Wagnis und läge etwa nicht vor, wenn das Versicherungsunternehmen im Ablebensfall außer der Pflicht zur Rückerstattung des für das Ausmaß der Deckungsrückstellung maßgeblichen Werts der Fondsanteile im Zeitpunkt des Ablebens keine darüber hinaus gehende Verpflichtung zur Erbringung einer (Mindest—)Leistung träfe (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/17/0081). Ob es ausreicht, dass das Wagnis theoretisch vorhanden, dessen tatsächlicher Eintritt aber unwahrscheinlich ist (vgl. zu einer Mindesttodesfallleistung von 10 % der bis zum Versicherungsfall des Todes einbezahlten Nettoprämien das zum Ertragsteuerrecht ergangene hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0012), kann im vorliegenden Revisionsfall dahin gestellt bleiben.

Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass im Revisionsfall der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalles die am Depot vorhandene Summe zahlen müsse, welche sich aus der Einmalprämie des Revisionswerbers und der Veranlagung dieses Geldbetrages ergebe. Da somit kein Wagnis im erwähnten Sinn für den Versicherer ersichtlich ist, fehlt es an einem Versicherungsverhältnis im Sinn des § 1 des VersStG.“

Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Versicherungssteuerbescheid ersatzlos aufzuheben.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG i.V.m. § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung keine Revision zulässig, da es bereits eine Rechtsprechung gibt ( ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

Zitiert/besprochen in
Bavenek-Weber in BFGjournal 2017, 410
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7104616.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at