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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 21.09.2017, RV/7105320/2015

Zurückweisung einer Beschwerde als nicht rechtzeitig

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/16/0004. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen des MK, Adr1, gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom , betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde Herrn MK als Haftungspflichtigen gemäß § 9 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der K-GmbH im Ausmaß von € 258.809,05 in Anspruch.

Mit Eingabe vom erhob Bf, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen des MKals Beschwerdeführer (Bf) gegen Haftungsbescheid vom Beschwerde und führte Folgendes aus:

„Konkursverfahren

Mit Beschluss vom Da1 wurde zu AZ Z1 des Handelsgerichtes Wien das Konkursverfahren über das Vermögen der MT, Inhaber: MK (geb. Da2), FN Nr1, Adr2, kurz: Schuldner, eröffnet und der Einschreiter zum Masseverwalter bestellt (Beilage A).

Beschwerde gegen Haftungsbescheid vom

Forderungsanmeldung/Bestreitung in der Prüfungstagsatzung

Mit Forderungsanmeldung vom meldete die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, diese vertreten durch das Finanzamt Wien 8/16/17, im Insolvenzverfahren des Schuldners Abgabenforderungen zu Abgabenkonto Nr2 iHv EUR 255.230,74 aufgrund eines Rückstandsausweises vom des Finanzamts Wien 8/16/17 an.

Weil der Schuldner bei der Prüfung der angemeldeten Forderungen angab, keine Kenntnis von gegenständlichen Abgabenforderungen zu haben, und der Einschreiter diesen Umstand zu überprüfen hat, wurde die angemeldete Forderung in der Prüfungstagsatzung am vom Masseverwalter bestritten.

Aufgrund der Bestreitung wurde dem Masseverwalter am per E-Mail der damalige Haftungsbescheid vom zu Steuernummer Nr3, kurz: Haftungsbescheid, mit dem Hinweis übermittelt, dass die Zustellung am durch Hinterlegung erfolgte. Als Zustelladresse wurde damals die Adr3 angegeben.

Rechtsmittelerklärung

Der Masseverwalter erhebt gegen den Haftungsbescheid vom zu Steuernummer Nr3 (Bezug Nr4), dem Masseverwalter am per E-Mail zugestellt, Beschwerde und ficht den Haftungsbescheid zur Gänze an.

Der Masseverwalter geht zwar davon aus, dass in Hinblick auf § 98 BAO iVm §§ 28 ff ZustG keine ordnungsgemäße Zustellung des Haftungsbescheides (per E-Mail) an den Einschreiter vorliegt, ungeachtet dessen führt der Masseverwalter im Folgenden aus advokatorischer Vorsicht das Rechtsmittel aus.

Beschwerdeausführungen

Keine Zustellung durch Hinterlegung am

Nach den dem Masseverwalter vorliegenden Unterlagen und Informationen wurde der gegenständliche Haftungsbescheid dem Schuldner nicht ordnungsgemäß zugestellt.

Der Schuldner gab an, keine Kenntnis vom gegenständlichen Haftungsbescheid bzw seiner Hinterlegung zu haben. Für diese Argumentation spricht insbesondere, dass

a) der Schuldner laut beiliegender Meldeauskunft (Beilage B) zum Zeitpunkt der Hinterlegung bereits über zwei Jahre nicht mehr in der Adr4, aufrecht gemeldet war, und

b) die K-GmbH zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Haftungsbescheids bereits im Firmenbuch gem § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht war (damals war zu AZ Z2 ein Konkursverfahren anhängig), sodass tatsächlich davon auszugehen ist, dass der Haftungsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde.

5 Jahresfrist - Haftungen gem § 224 BAO

Gemäß § 224 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß § 224 Abs. 1 BAO ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

Die Erlassung von Haftungsbescheiden ist eine Einhebungsmaßnahme; sie ist daher nur innerhalb der fünfjährigen Einhebungsverjährungsfrist zulässig (vgl. Ritz, BAO § 224 Rz 4 und Rz 10 mwN).

Verjährung gem § 238 BAO

Das Recht zur Einhebung oder zwangsweisen Einbringung einer fälligen Abgabe verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Laut dem dem Haftungsbescheid angeschlossenen Rückstandsausweis wurden die gegenständlichen Abgabenforderungen bereits in den Jahren 2001 bis 2004 fällig, sodass die Einhebungsverjährung hinsichtlich sämtlicher Abgabenforderungen spätestens Ende 2009 abgelaufen sein muss.

Die Einhebungsverjährung als solche ist für Steuerschuldner und Haftungspflichtige einheitlich zu betrachten, sodass die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheide nur zulässig ist, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten ist (vgl. zu 97/16/0501; Ritz, BAO, § 238 Rz 5 mwN).

Weil nach den dem Masseverwalter vorliegenden Informationen die Einhebungsverjährung gegenüber dem Steuerpflichtigen jedenfalls eingetreten ist, hätte am kein Haftungsbescheid gegen den Schuldner mehr erlassen werden dürfen. Daran vermag auch eine etwaige Anmeldung der Abgabenforderung im vormaligen Insolvenzverfahren der K-GmbH (AZ Z2 des HG Wien) nichts zu ändern, weil die Verjährung gegenüber dem Schuldner mit dem Ablauf des Tages von Neuem zu laufen beginnt, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist (Oktober 2005) und seither mehr als fünf Jahre verstrichen sind (Ritz, BAO, § 238 Rz 14 mwN).

Bescheiden kommt eine Unterbrechungswirkung iSd § 238 Abs 2 BAO nur dann zu, wenn sie bekannt gegeben, also bei schriftlichen Bescheiden, wenn sie zugestellt wurden (Ritz, BAO, § 238 Rz 16 mwN). Eine Zustellung des Haftungsbescheides ist in vorliegendem Fall seinerzeit aber gerade nicht erfolgt.

Aber selbst wenn das Finanzamt davon ausgehen sollte, dass eine Unterbrechung der Einhebungsverjährung bereits durch das bloße nach außen In-Erscheinung Treten des hinterlegten Haftungsbescheids gegen den Schuldner als Amtshandlung auch ohne dessen Kenntnisnahme erfolgt ist, was der Masseverwalter ausdrücklich bestreitet, wäre die Verjährung inzwischen eingetreten, weil mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt.

Überdies: Keine Vertreterhaftung gem § 9 BAO

Gem § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Für die Haftung gem § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung, zu welchen es insbesondere gehört, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht, wobei es für die Haftung nach § 9 BAO irrelevant ist, ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft (vgl Ritz, BAO, § 9 Rz 9 ff mwN).

Aufgrund der Tatsache, dass im März 2003 und somit in zeitlicher Nähe zu den Abgabenschuldigkeiten ein Konkursverfahren über das Vermögen der K-GmbH eröffnet wurde, ist aus Sicht des Einschreiters der Umstand mangelnder liquider Mittel objektiviert. Nach den dem Masseverwalter vorliegenden Informationen war es dem Schuldner überdies aufgrund der Konkurseröffnung über das Vermögen der K-GmbH und dem damit zusammenhängenden Wegfall seiner Vertretungsmacht sowie mangels Zustellung des gegenständlichen Haftungsbescheides nicht möglich, im Rahmen des Verwaltungsverfahrens darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muss zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Selbst wenn dem Schuldner demnach eine Pflichtverletzung iS einer Verletzung der Aufklärungspflicht über nicht ausreichendes liquides Vermögen zur Abgabenentrichtung vorgeworfen werden könnte, was vom Masseverwalter erneut ausdrücklich bestritten wird, so wäre die Abgabe auch ohne diese etwaige Pflichtverletzung uneinbringlich gewesen, weil die ursprüngliche Steuerschuldnerin auch dann über kein ausreichendes liquides Vermögen verfügt hätte.

Selbst für den Fall, dass man entgegen obiger Ausführungen zum Ergebnis kommen sollte, dass eine Vertreterhaftung zu bejahen wäre, so dürfte eine Haftung auch jedenfalls nur für jene Abgaben, deren Zahlungstermin während aufrechten Vertretungsverhältnisses des Schuldners für die K-GmbH entstanden ist, bestehen.

Aus den genannten Gründen stellt der Masseverwalter daher die höflichen Anträge, der Beschwerde Folge zu geben und den Haftungsbescheid vom des Finanzamts Wien 8/16/17 zu Steuernummer Nr5 aufzuheben; in eventu der Beschwerde Folge zu geben und den Haftungsbescheid vom des Finanzamts Wien 8/16/17 zu Steuernummer Nr5 im Sinne der obigen Ausführungen neu festzusetzen.“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde gemäß § 260 BAO zurück und führt zur Begründung aus:

„Die Zustellung des Haftungsbescheides vom erfolgte durch Hinterlegung am . Zustelladresse war Adr4. Der Abgabenschuldner war zwar seit an dieser Adresse behördlich nicht mehr gemeldet, jedoch wurde von ihm diese Anschrift als Wohnadresse am angegeben ( siehe Beilage). Daher ist sehr wohl davon auszugehen, dass Herr K Kenntnis vom Haftungsbescheid haben hätte können, und eine ordnungsgemäße Zustellung vorliegt.

Die Beschwerde und der Antrag auf Wiedereinsetzung werden daher zurückzuweisen.“

Mit Vorlageantrag vom stellte der Bf den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend wie folgt aus:

„Das Finanzamt geht zu Unrecht davon aus, dass die Zustellung des Haftungsbescheides vom am durch Hinterlegung erfolgte. Der Schuldner war laut Meldeauskunft zum Zeitpunkt der angeblichen Hinterlegung bereits über zwei Jahre nicht mehr in der Adr4, aufrecht gemeldet. Überdies war die K-GmbH zu jenem Zeitpunkt im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit bereits gem § 40 FBG gelöscht (damals war zu AZ Z2 ein Konkursverfahren anhängig). Es ist daher tatsächlich davon auszugehen, dass der Haftungsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde.

Abgesehen davon ist inzwischen sowohl die Festsetzungsverjährung als auch die Einhebungsverjährung eingetreten und besteht mangels schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten keine Vertreterhaftung gem § 9 BAO.“

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist oder

b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 245 Abs. 1 erster Satz BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Laut Aktenlage erfolgte die Zustellung des Haftungsbescheides vom durch Hinterlegung am 27.  Oktober 2005 an der Zustelladresse Adr4.

Der Einwand, dass der Abgabenschuldner seit an dieser Adresse behördlich nicht mehr gemeldet war, übersieht, dass es auf die polizeiliche Meldung nicht ankommt (). Wesentlich ist, dass die Wohnung tatsächlich bewohnt wird. Diesbezüglich wurde dem Bf bereits mit Beschwerdevorentscheidung vorgehalten, dass von MK selbst mit Eingabe vom 17. August 2005 (Poststempel am Kuvert vom ) diese Anschrift als Wohnadresse angegeben wurde, ohne dass der Bf dem etwas entgegnet hätte.

Es wurden weder eine allfällige Abwesenheit von der Abgabestelle behauptet noch konkrete Angaben über Zeitraum und Grund der Abwesenheit vom Bf vorgebracht, obwohl es Sache des Empfängers ist, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen ().

Der von einem Postbediensteten ordnungsgemäß ausgestellte Rückschein über die Zustellung eines Poststückes durch Hinterlegung macht als öffentliche Urkunde Beweis über die Rechtswirksamkeit der Zustellung.

Die Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges hängt auch nicht davon ab, dass dieser dem Zustellempfänger zur Kenntnis gelangt () . Daher ist die Angabe, keine Kenntnis vom gegenständlichen Haftungsbescheid bzw seiner Hinterlegung zu haben, für die Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges ohne Bedeutung.

Inwiefern die eingewendete Löschung der K-GmbH zu jenem Zeitpunkt im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit einen Einfluss auf die Rechtswirksamkeit des Zustellvorganges haben sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Im Beschwerdefall erfolgte die Zustellung des Haftungsbescheides vom somit gemäß § 17 ZustellG durch Hinterlegung. Laut Zustellnachweis ist der als ersten Tag der Abholfrist genannt. Nach § 17 Abs. 3 ZustellG gilt das hinterlegte Dokument am ersten Tag der Abholfrist, somit am , als an MK zugestellt.

Mit diesem Tag hat die Monatsfrist im Sinne des § 245 Abs. 1 erster Satz BAO für die Einbringung der Beschwerde zu laufen begonnen. Die Beschwerde hat der Bf bei der Abgabenbehörde laut Eingangsstempel am eingebracht, somit nach Ablauf der gemäß § 245 Abs. 1 erster Satz BAO vorgesehenen Frist. Demzufolge war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.7105320.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at