Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.10.2017, RV/5300016/2015

Finanzstrafbehördliche oder gerichtliche Zuständigkeit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Hinblick auf ausgesprochene Beschlagnahmen

Entscheidungstext

weitere GZ. RV/5300017/2015

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Binder in der Finanzstrafsache gegen BF, geb. am 19XX, Pensionist und Autohändler, dzt. WS, vertreten durch Dr. Franz Xaver Berndorfer, Rechtsanwalt, Lüfteneggerstraße 12, 4020 Linz, wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 und 2 lit. a, 38 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG); Strafnummer (StrNr.) 12, Finanzamt FA1 als Finanzstrafbehörde (Amtsbeauftragter AB), über die Beschwerden des Beschuldigten vom und vom  gegen die Bescheide der genannten Finanzstrafbehörde vom und vom , betreffend jeweils die Beschlagnahme von an der Anschrift in S (Lagerhalle samt Büro) vorgefundenen Unterlagen und Gegenständen im genannten Finanzstrafverfahren gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG,

zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird stattgegeben und werden die angefochtenen Bescheide wegen Unzuständigkeit der genannten Finanzstrafbehörde ersatzlos aufgehoben.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Urteil des Landesgerichtes Wels (als Schöffengericht) vom , 34, wurde der (nunmehrige) Beschwerdeführer (Bf.) wegen Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 und 2 lit. a FinStrG für schuldig gesprochen. Nach dem Urteilstenor habe der Bf. „… als die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Firma A***** GmbH faktisch Wahrnehmender im Bereich des Finanzamtes FA1 vorsätzlich

1. in der Zeit vom bis unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen für die Monate Jänner 2005 bis Jänner 2007 eine Verkürzung an Vorauszahlung von Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt € 471.656,30 dadurch bewirkt und dies nicht nur für möglich gehalten, sondern für gewiss gehalten, dass er

a) zu den jeweiligen Fälligkeitstagen weder die geschuldete Umsatzsteuervorauszahlung entrichtet, noch Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht hat (iHv € 114.638,97);

b) umsatzsteuerpflichtige Vorgänge infolge durchgeführter Schwarzverkäufe nicht erfasst hat (Schwarzgeschäfte iHv. € 65.786,67, Geschäftsfall 'Au***** GmbH' iHv € 15.350,00 sowie Verkauf gepfändeter Fahrzeuge iHv € 2.000,00),

c) in unzulässiger Weise Differenzbesteuerung vorgenommen hat (falsche Eingangsrechnungen/falsche Buchungen iHv € 62.966,68),

d) zu Unrecht Vorsteuer aus Privataufwendungen geltend gemacht hat (iHv € 10.913,97);

2. in der Zeit vom bis zum unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich zur Abgabe wahrheitsgemäßer Normverbrauchsabgabe-Anmeldungen für die Monate Jänner 2004 bis Jänner 2007 eine Verkürzung an Normverbrauchsabgaben in Höhe von € 316.608,87 dadurch bewirkt, dass er

a) zu den jeweiligen Fälligkeitstagen weder die geschuldete Normverbrauchsabgabe entrichtet, noch Anmeldungen eingereicht hat (iHv € 60.848,01);

b) normverbrauchsabgabepflichtige Lieferungen infolge durchgeführter Schwarzverkäufe nicht erfasst hat (iHv Schwarzgeschäfte iHv € 192.747,59);

c) normverbrauchsabgabepflichtige Lieferungen durch Fingieren einer bisherigen inländischen Zulassung infolge Vortäuschung von Fahrzeugankäufen bei inländischen Privatpersonen nicht der Besteuerung unterworfen hat (falsche Eingangsrechnungen/falsche Buchungen iHv € 40.904,67);

d) normverbrauchsabgabepflichtige Lieferungen zwar nachträglich in der Buchhaltung erfasst, aber in der für Oktober 2004 geltenden NOVA-Anmeldung nicht erklärt hat (iHv € 22.304,59);

3. in der Zeit vom bis unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich zur Abgabe von Kapitalertragssteuer-Anmeldungen für den Zeitraum bis eine Verkürzung an Kapitalertragssteuer in Höhe von insgesamt € 277.931,50 dadurch bewirkt, dass er als Gesellschafter bzw. Machthaber folgende, nicht offengelegte Vorteile aus der A***** GmbH gezogen hat, nämlich

a) Zuflüsse aus Schwarzgeschäften (Schwarzgeschäfte iHv € 122.398,76, Geschäftsfall 'Au***** GmbH' iHv € 34.625,00 sowie Verkauf gepfändeter Fahrzeuge iHv € 16.962,50)

b) Zuflüsse infolge gefälschter Einkaufsbelege (iHv € 21.909,97);

c) Zuflüsse infolge Vortäuschung eines fingierten Einkaufs (Geschäftsfall 'Manuele F*****' iHv € 13.250,00 sowie Geschäftsfall 'Xaver U*****' iHv €  10.200,81); d) Zuflüsse aus der Nichtbezahlung von Fahrzeugeinkäufen (Geschäftsfall 'J***** OHG' iHv € 12.517,29 und Geschäftsfall 'Kai B*****' iHv € 12.700,00);

e) Zuflüsse aus der Tragung privater Aufwendungen durch die A***** GmbH (iHv € 33.367,18);

4. bis zum , trotz mehrmaliger Aufforderung zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 es unterlassen, für das Veranlagungsjahr 2004 (Jänner bis Dezember 2004) eine solche Erklärung einzureichen und dadurch versucht, eine Abgabenverkürzung in Höhe von € 121.102,28 zu bewirken.“ (Darstellung laut Rechtsinformationssystem/Judikatur/Justiz, Entscheidungstext des ).

Mit der zuletzt genannten Entscheidung hat der OGH in nichtöffentlicher Sitzung, in teilweiser Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde des Bf., dieses, im Übrigen unberührt bleibende, Urteil in den Schuldsprüchen zu Pkt. 1 bis 3 sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht verwiesen, weil im Urteil des Landesgerichtes im Wesentlichen eine ausreichend konkretisierte Subsumtionsbasis für einen Schuldspruch in Form einer Aufschlüsselung der einzelnen Fakten unterlassen worden war.

Damit war die beschriebene Finanzstrafsache wieder in einen verfahrensrechtlichen Zustand dergestalt verfallen, demzufolge beim Landesgericht Wels gegen den Bf. ein gerichtliches Finanzstrafverfahren wegen des Vorwurfes im Amtsbereich des Finanzamtes FA1 begangener Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 1 und 2 lit. a FinStrG in einem weit über der aktuellen gerichtlichen Zuständigkeitsgrenze liegendem Ausmaß anhängig gewesen ist.

Am hat im fortgesetzten landesgerichtlichen Verfahren eine Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Wels (als Schöffengericht) zur dg. GZ. 56 stattgefunden, welche zum Zweck weiterer Zeugeneinvernahmen auf den vertagt wurde (Finanzstrafakt StrNr. 12, Bl. 174 ff, 185 ff, 199 ff, 207 ff, Protokoll Hv als Beilage zu den verfahrensgegenständlichen Beschwerden).

Am hat die Finanzpolizei (als handelndes Organ) des Finanzamtes FA1 als Abgabenbehörde [§ 12 Abgabenverwaltungsorganisations-Gesetz (AVOG)] bei der Firma P, S, eine Nachschau durchgeführt und ermittelt, dass der Bf. dort, offensichtlich in Ausübung einer neuerlichen gewerblichen Tätigkeit als Autohändler (siehe die offenbar ihm zuzurechnenden Inseratanzeigen und das E-Mail eines Beamten der Finanzstrafbehörde FA1 an die Wiener Steuerfahndung vom , genannter Finanzstrafakt Bl. 4 bis 18), Container aufgestellt und seit eineinhalb Jahren eine, in weiterer Folge, unmittelbar im Anschluss an die Nachschau, vom Finanzamt FA1 als Bestandnehmer angemietete Lagerhalle samt angeschlossenem Büro (Schlösseraustausch nach Anmietung durch das Finanzamt), gemietet hatte, in welcher von der Finanzpolizei in Vollziehung eines Sicherstellungsauftrages des Finanzamtes FA2 (der Bf. war dort unter der StNr. 78 mit der angeblichen Wohnanschrift in WS1, steuerlich erfasst) 34 bzw. 33 PKW, darunter 25 Oldtimer und 4 Rennwägen, gepfändet wurden (genannter Finanzstrafakt, Bl. 22).

Am wurde dem bis dahin abgabenbehördlich zuständigen Finanzamt FA2 seitens des Finanzamtes FA1 mitgeteilt, dass im Hinblick auf die bei der vorangeführten Nachschau und darüber hinaus da. getroffenen Wahrnehmungen mit Bestimmtheit davon ausgegangen werden könne, dass sich der tatsächliche Wohnsitz des Bf. an der Anschrift in WS2, befinde, und wurde infolgedessen die abgabenbehördliche Zuständigkeit im Wege einer EDV-mäßigen Abtretung des Steueraktes vom genannten Wiener Finanzamt auf das Finanzamt FA1 übertragen (Kontoabfrage zur StNr. 910 vom ; genannter Finanzstrafakt, Bl. 23 f, Aktenvermerk des Finanzamtes FA1 als Abgabenbehörde bzw. die mit den gegenständlichen Beschwerden jeweils vorgelegte Abtretungsmitteilung an den Bf.; jeweils vom ).

Dabei wurde die (neue) abgabenbehördliche Zuständigkeit, wie folgt, begründet:

Laut Auskunft des für die Verhaftung des Bf. am zuständigen Richters des Landesgerichtes Wels sei die angebliche Wohnanschrift des Genannten in WS1, eine Scheinanschrift bzw. die Anschrift einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei (auch nach späterer Aktenlage zutreffend) gewesen und sei der Bf. in einem seiner Ehegattin gehörenden Wohnhaus in WS2, verhaftet worden (letzteres – siehe auch unten – laut Vorbringen des Bf. unzutreffend); dort seien offenbar auch die Fotos für die Verkaufsinserate der vom Bf. angebotenen Fahrzeuge aufgenommen worden und befinde sich dieser Ort auch in räumlicher Nähe zum aufgefundenen PKW-Lager bzw. zur (einzigen) Wohnanschrift seiner Ehegattin EG, in WSEG (genannter Finanzstrafakt, Bl. 23 f, Aktenvermerk vom ).

Das Finanzamt FA1 hat, wohl weil von keiner diesbezüglichen Anhängigkeit eines Finanzstrafverfahrens gegen den Bf. beim bezeichneten Wiener Finanzamt auszugehen war (§ 58 Abs. 1 lit. f 2. Halbsatz FinStrG), in diesem Zusammenhang auch eine finanzstrafbehördliche Zuständigkeit in Anspruch genommen, wobei jedoch diese als eine verwaltungsbehördliche angesehen wurde (vgl. Bl. 25 des genannten Strafaktes, Aktenvermerk vom über ein Gespräch des beim genannten Finanzamt zuständigen Strafreferenten mit der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Wels, wonach der tatsächliche Wohnsitz des Bf. unbekannt sei bzw. sich möglicherweise in einem umgebauten Bauernhof der Ehegattin in WS2, befinde).

Dem entsprechend, wurde von der Steuerfahndung (für das Finanzamt FA1) dem Vorsitzenden des Spruchsenates II beim Finanzamt Linz als Organ des Finanzamtes FA1 als Finanzstrafbehörde, Bericht erstattet (Finanzstrafakt Bl. 36 bis 45; Bericht der Steuerfahndung; Team Fahndung 01, vom ) und ebenso von der bezeichneten Finanzstrafbehörde – im Grunde des § 83 Abs. 2 FinStrG – gegen den Bf. (als Beschuldigten) wegen des Verdachtes von im Zeitraum 2013 bis 2015 neuerlich begangener Finanzvergehen gemäß §§ 33 Abs. 1, 2 lit. a iVm 38 FinStrG ein finanzstrafbehördliches Untersuchungsverfahren eingeleitet (Bescheid vom , zugestellt an den Bf. am , Finanzstrafakt Bl. 64 ff bzw. Bl. 114).

Gleichzeitig (am ) ordnete der bezeichnete Spruchsenatsvorsitzende (als Organ des Finanzamtes FA1 als Finanzstrafbehörde) gegenüber den Organen der Steuerfahndung, Team Fahndung 01, namens der Finanzstrafbehörde, an, an folgenden Orten bzw. Räumlichkeiten jeweils eine Hausdurchsuchung durchzuführen (Finanzstrafakt Bl. 52 ff):

1.) WS1, als Meldeadresse des Bf.,

2.) WSEG, Hauptwohnsitz der Ehegattin des Beschuldigten, sowie

3.) WS2, Liegenschaftseigentümerin Ehegattin des Bf., vermuteter tatsächlicher Wohnsitz des Bf.

Diese Anordnung sollte sich außerdem auf alle Kraftfahrzeuge sowie Schließfächer und Tresore bei Banken und anderen Instituten, zu deren Benützung der Bf. befugt sei, erstrecken.

Bei den gesuchten Unterlagen handle es sich um sämtliche beweisrelevanten Unterlagen zu den steuerlich nicht erklärten Umsätzen und Einkünften und Unterlagen über Einkommen, Vermögenszugänge und Privataufwendungen des BF.

Insbesondere würden Erlösaufzeichnungen aller Art und alle Belege, die über die tatsächlichen Umsätze des Bf. Aufschluss geben, Aufzeichnungen und Belege über Ein- und Verkäufe von Fahrzeugen und sonstigen Wareneinkäufe, Unterlagen über Einkommen, Belege über Privataufwendungen und Lebenshaltungskosten, Sparbücher, Aufzeichnungen über. Bargeldbewegungen und Bargeldverwendungen, Bankkonten, Bankschließfächer, EDV-Anlagen (Hard- und Software elektronischer Datenverarbeitungsanlagen und mobile Geräte wie Notebooks, etc.), sonstige Speichermedien sowie sonstige Hilfsmittel und Unterlagen gesucht.

Begründend wurde u. a. ausgeführt, dass aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen, es sich bei der eine abgabenbehördliche Zuständigkeit des FA FA2 begründenden Wohnanschrift in WS1, höchstwahrscheinlich um eine Scheinmeldung handle und der tatsächliche Wohnsitz des Bf. in WS2, zu vermuten sei.

Der seit in Pension befindliche Bf. betreibe, nachdem er zumindest bis ins Jahr 2007 als faktischer Geschäftsführer verschiedener ihm zuzurechnender Autohandelsfirmen aufgetreten sei, offensichtlich zumindest seit dem Jahr 2012 einen gewerblichen, bisher weder dem Finanzamt, noch der Gewerbebehörde offengelegten Autohandel als Einzelunternehmer. Dies ergebe sich aus im Zeitraum Jänner 2012 bis August 2014 vom Bf. geschalteten in verschiedenen Tageszeitungen erschienenen (640) Zeitungsinseraten, in denen Kraftfahrzeuge zum Verkauf angeboten worden seien, wobei der aus diesen Annoncen im Schätzungswege ermittelte Verkaufserlös der angebotenen Fahrzeuge bei etwa € 886.000,00 liege.

Darüber hinaus habe eine Kontrolle durch die Finanzpolizei am ergeben, dass der Bf. in einer persönlich von ihm von der Firma P in S, angemieteten Lagerhalle 33 Stück, großteils zum Verkauf bestimmte Kraftfahrzeuge eingelagert habe.

Da für die Jahre 2012 bis 2014 weder Umsatz- noch Einkommensteuererklärungen bei der Finanzbehörde eingebracht worden bzw. es für die Monate Jänner bis einschließlich Juni 2015 keine Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. keine Entrichtungen von Umsatzsteuervorauszahlungen gegeben habe, bestehe der begründete Verdacht, dass der Bf.

I. im Zeitraum von 2013 bis 2015 vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten, nämlich durch die Nichtabgabe von Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für die Jahr 2012 bis 2014, eine Verkürzung von Umsatz- und Einkommensteuern in noch zu bestimmender Höhe bewirkt, und

II. im Zeitraum März bis August 2015 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen an den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten, nämlich durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen bei gleichzeitiger Nichtentrichtung der diesbezüglich darauf entfallenden Umsatzsteuervorauszahlungen für die Voranmeldungszeiträume Jänner bis Juni 2015, eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen in noch zu bestimmender Höhe bewirkt, und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe,

wobei es ihm jeweils darauf angekommen sei, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und er dadurch die Finanzvergehen zu I. der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1, 38 Abs. 1 FinStrG, und zu II. der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 2 lit. a, 38 Abs. 1 FinStrG begangen habe.

Die Durchführung einer Durchsuchung der bezeichneten Räumlichkeiten und Gegenstände – so der Spruchsenatsvorsitzende – erscheine deshalb gerechtfertigt, weil davon auszugehen sei, dass sich an den genannten Orten Unterlagen und Gegenstände wie oben angeführt befänden, die im Finanzstrafverfahren gegen den Bf. als Beweismittel in Betracht kämen.

Die Zuständigkeit des Spruchsenatsvorsitzenden für die Ausstellung der Durchsuchungsanordnung ergebe sich nach § 93 Ab. 1 iVm § 58 Abs. 2 FinStrG, zumal auf Grund des derzeitigen Verfahrensstandes nicht von einer gerichtlichen Zuständigkeit ausgegangen werden könne.

Ebenfalls am erstellte das Finanzamt FA1 (als Finanzstrafbehörde) gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG die erste der hier beschwerdegegenständlichen, an die oben genannten, bereits mit der Durchführung der Hausdurchsuchungen beauftragten Finanzamtsorgane gerichtete Anordnungen, in der seit dem bereits im Gewahrsam des Finanzamtes FA1 (Mietverhältnis mit dem Liegenschaftseigentümer) befindlichen, zuvor vom Bf. angemieteten Lagerhalle und Büro in S, sämtliche beweisrelevanten Unterlagen und Gegenstände zu den steuerlich nicht erklärten Umsätzen und Einkünften und Unterlagen über Einkommen, Vermögenszugänge und Privataufwendungen des Bf., insbesondere Erlösaufzeichnungen aller Art; über die tatsächlichen Umsätze des Bf. Aufschluss gebende Belege; Aufzeichnungen und Belege über Ein- und Verkäufe von Fahrzeugen und sonstige Wareneinkäufe; Kfz-Typenscheine, Autoschlüssel; Unterlagen über Einkommen; Belege über Privataufwendungen und Lebenshaltungskosten; Sparbücher; Aufzeichnungen über Bargeldbewegungen und Bargeldverwendungen, Bankkonten, Bankschließfächer; EDV-Anlagen; sonstige Speichermedien sowie sonstige Hilfsmittel und Unterlagen, zu beschlagnahmen (Finanzstrafakt Bl. 123 bis 126; idF. Beschlagnahmeanordnung 1).

Begründend dazu wurde darauf verwiesen, dass sich am genannten Ort nach einem ersten Augenschein neben den bereits gepfändeten vorgefundenen Fahrzeugen auch als Beweismittel im Finanzstrafverfahren gegen den Bf. zur StrNr. 12 in Betracht kommende Unterlagen und Gegenstände befänden.

Der seit in Pension befindliche Bf. betreibe, nachdem er zumindest bis ins Jahr 2007 als faktischer Geschäftsführer verschiedener ihm zuzurechnender Autohandelsfirmen aufgetreten sei, offensichtlich seit dem Jahr 2012 einen gewerblichen, bisher weder dem Finanzamt, noch der Gewerbebehörde offengelegten Autohandel als Einzelunternehmer. Dies ergebe sich aus den im Zeitraum Jänner 2012 bis August 2014 vom Bf. geschalteten in verschiedenen Tageszeitungen erschienenen (640) Zeitungsinseraten, in denen Kraftfahrzeuge zum Verkauf angeboten worden seien, wobei der aus diesen Annoncen im Schätzungswege ermittelte Verkaufserlös der angebotenen Fahrzeuge bei etwa € 886.000,00 liege.

Darüber hinaus habe eine Kontrolle durch die Finanzpolizei am ergeben, dass der Bf. in der persönlich von ihm am genannten Ort angemieteten Lagerhalle 33 Stück, großteils zum Verkauf bestimmte Kraftfahrzeuge eingelagert habe.

Bisher seien für die Jahre 2012 bis 2014 weder Umsatz- noch Einkommensteuererklärungen bei der Finanzbehörde eingebracht worden bzw. gebe es für die Monate Jänner bis einschließlich Juni 2015 keine Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. keine Entrichtungen von Umsatzsteuervorauszahlungen, sodass daher der begründete Verdacht bestehe, dass der Bf. die bereits in der vorgenannten Hausdurchsuchungsanordnung vom genannten Finanzvergehen begangen habe.

Da die angeführten Aufzeichnungen bzw. Belege als Beweismittel im zuvor eingeleiteten Finanzstrafverfahren gegen den Bf. in Betracht kämen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In Vollziehung dieser dem Bf. nachweislich am zugekommenen Beschlagnahmeanordnung (Bl. 126 des Finanzstrafaktes; Übernahmebestätigung des Bf.) wurden an der genannten Anschrift die in der Auflistung zur Niederschrift und Bestätigung zur Beschlagnahme vom genannten Unterlagen bzw. Gegenstände des Bf. beschlagnahmt und in (finanz)amtliche Verwahrung genommen (Bl. 127 bis 130 des Finanzstrafaktes).

Am erging weiters eine (ergänzende) Anordnung des genannten Spruchsenatsvorsitzenden auf Durchführung einer Hausdurchsuchung, an die Organe der Steuerfahndung, Team 01, namens der Finanzstrafbehörde, hinsichtlich folgender (weiterer) Orte bzw. Räumlichkeiten (Finanzstrafakt Bl. 86 ff):

4.) WS3 (vom Bf. angemietete Ferienwohnung),

5.) gA1 (Grundstück mit 8 Containern, für das der Bf. über ein lebenslanges Nutzungsrecht verfüge), sowie

6.) gA2 (vom Bf. angemietete Garage).

In der weitestgehend den Begründungen der früheren Anordnungen vom entsprechenden Entscheidungsgrundlagen wurde darauf verwiesen, dass davon auszugehen sei, dass sich auch an den vorgenannten Orten als Beweismittel im gegenständlichen Finanzstrafverfahren in Betracht kommende Unterlagen und Gegenstände der genannten Art befänden (Bl. 118 ff Finanzstrafakt).

Mit Bericht des Finanzamtes FA1/Fachbereich Strafsachen vom wurde die (zuständige) Staatsanwaltschaft Wels über die sich bisher gegen den Bf. ergebende Verdachtslage und den Umstand, dass bei Vollzug der Anordnungen des Spruchsenatsvorsitzenden weitere Fahrzeuge und umfangreiches Belegmaterial zum Vorschein gekommen seien, in Kenntnis gesetzt (Finanzstrafakt Bl. 76 f, Schreiben vom ) und wurde von der Finanzstrafbehörde – zwecks weiterer Klärung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts – hinsichtlich des gegebenenfalls entsprechend auszudehnenden Zeitraumes 2012 bis 2015 eine Prüfung gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG angeordnet (Bl. 73 bis 75 des Finanzstrafaktes; Aktenvermerk des Strafreferenten).

Nachdem offenbar bei der ersten Beschlagnahme (Beschlagnahmeanordnung 1) in der vormals vom Bf. angemieteten Lagerhalle samt Büro in S, nicht alle im Zusammenhang mit den zur StrNr. 12 gegen den Bf. erhobenen finanzstrafrechtlichen Vorwürfen als Beweismittel in Frage kommenden Unterlagen und Gegenstände sichergestellt worden waren bzw. werden konnten, wurde am von der genannten Finanzstrafbehörde eine weitere, im Wesentlichen gleichlautende, diesmal sowohl an Organe der Abgabenbehörde, als auch der Finanzstrafbehörde des Finanzamtes gerichtete, Beschlagnahmeanordnung erstellt (Begründung wie Beschlagnahmeanordnung 1; Bl. 146 bis 150 des Finanzstrafaktes; idF. Beschlagnahmeanordnung 2).

Vollzogen wurde diese, dem Bf. nachweislich am zugekommene Beschlagnahmeanordnung am (Finanzstrafakt Bl. 149 bis 161; Übernahmebestätigung des Bf. bzw. Aktenvermerk vom samt einer Aufstellung der beschlagnahmten und in finanzamtliche Verwahrung genommenen Unterlagen und Gegenstände).

Mit zwei, jeweils an das Finanzamt FA1 als Finanzstrafbehörde gerichteten Anbringen vom (zur Beschlagnahmeanordnung 1) und vom (zur Beschlagnahmeanordnung 2) erhob der Bf. durch seinen sich in der erstgenannten Eingabe (erstmals) auf eine „in der gegenständlichen Abgabensache“ erteilte Vollmacht gemäß § 8 Rechtsanwaltsordnung berufenden Vertreter, gegen die genannten Bescheide vom und vom form- und fristgerecht Beschwerde iSd §§ 150, 152 FinStrG und begehrte darin jeweils, die angefochtenen Bescheide sowohl wegen örtlicher, als auch wegen sachlicher Unzuständigkeit der jeweils einschreitenden (bescheiderlassenden) Behörde, ersatzlos aufzuheben.

Die örtliche Unzuständigkeit, so die Beschwerde(n), gründe sich darauf, dass der Bf. vom an in der JA1, bzw. ab der 30. Kalenderwoche in der JA2 inhaftiert gewesen sei. Seit dem würde der Bf. in der JA3 eine mehrjährige Haftstrafe verbüssen, sodass entweder das Finanzamt FA2, oder das Finanzamt FA3, jedenfalls aber nicht das Finanzamt FA1 zuständig sein könne. Zuvor sei der Hauptwohnsitz des Bf., der sich auch regelmäßig bei seiner Gattin in O aufgehalten habe, in W gelegen, sodass sich bis zur Inhaftierung eine örtliche Zuständigkeit der Wiener Abgabenbehörde ergäbe. Im Übrigen werde bestritten, dass die polizeiliche Festnahme des Bf. in O erfolgt sei, sondern sei diese Festnahme in Wahrheit aufgrund bzw. im Zuge einer freiwilligen Aufsuchung der Polizeiinspektion K in W durch den Bf. erfolgt.

Im Hinblick auf eine ebenfalls vorliegende sachliche Unzuständigkeit wurde vorgebracht, dass der bescheiderlassenden Behörde bekannt sei, dass gegen den Bf. unter der Aktenzahl 56 beim Landesgericht Wels ein gerichtliches Finanzstrafverfahren anhängig sei, in welchem für den eine (weitere) Verhandlung anberaumt worden sei. Daraus ergebe sich aber eine gerichtliche Zuständigkeit für die nunmehr gegen den Bf. erhobenen Tatvorwürfe, sodass die angefochtenen Beschlagnahmeanordnungen jeweils von einer (sachlich) unzuständigen Behörde ergangen seien.

In Fortsetzung des vor dem Landesgericht Wels als Schöffengericht anhängigen Verfahrens (Durchführung einer mündlichen Verhandlung am ) zur dg. GZ. 56, wurde der Bf. mit Urteil vom , in weiterer Folge bestätigt mit GZ. 13 Os 5/16h-4, im zweiten Rechtsgang wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehungen nach §§ 33 Abs. 1 und 2 lit. a, 38 Abs. 1 lit. a (aF) FinStrG für schuldig gesprochen, weil er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes FA1 als abgabenrechtlich Verantwortlicher der E-GmbH "… sowie deren Vor- und Nachfolgegesellschaften bzw. Vorrats- und Mantelgesellschaften …" vorsätzlich gewerbsmäßig

1) vom bis zum unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen (im nunmehr im Urteil nach Voranmeldungszeiträumen gegliederte) Verkürzungen [von Vorauszahlungen] iHv. insgesamt € 454.306,28 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat,

2) vom bis zum unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige- Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen gegliederte) Verkürzungen an Normverbrauchsabgabe iHv. insgesamt € 316.804,86 bewirkt hat, sowie

3) vom bis zum unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen gegliederte) Verkürzungen an Kapitalertragsteuer iHv. insgesamt € 190.925,90 bewirkt hat,

weshalb über ihn, unter Bedachtnahme auf den bereits rechtskräftigen Schuldspruchpunkt 4 (versuchte Hinterziehung an Umsatzsteuer betreffend das Veranlagungsjahr 2004 iHv. € 121.102,28 nach §§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG) des im Übrigen aufgehobenen Urteiles des Landesgerichtes Wels, 34 gemäß §§ 33 Abs. 5, 38 Abs. 1 (aF) FinStrG eine unbedingte Geldstrafe von € 1,600.000,00 und, für den Fall deren Uneinbringlichkeit, gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwölf Monaten, sowie gemäß § 15 FinStrG eine unbedingte Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt wurde (Ablichtung des Urteils im genannten Finanzstrafakt).

Nach Zurückweisung einer vom Bf. gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde durch den OGH und (verfügten) Zuleitung der sowohl vom Bf., als auch von der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde erhobenen Berufungen an das Oberlandesgericht Linz, wurde mit dessen Berufungsentscheidung vom , GZ. 1112, in teilweiser Stattgabe der Berufung des Bf., die vorgenannte unbedingte Freiheitsstrafe auf drei Jahre abgemildert (Ablichtung Urteil im genannten Finanzstrafakt).

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 89 Abs. 1 hat die (örtlich und sachlich zuständige) Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von als Beweismittel in Betracht kommenden Gegenständen anzuordnen, wenn dies zur Beweissicherung geboten ist. Der Bescheid ist dem anwesenden Inhaber des in Beschlag zu nehmenden Gegenstandes zuzustellen bzw., bei dessen Nichtanwesenheit, nach § 23 Zustellgesetz (ZustG) zu hinterlegen.

§ 56 Abs. 2 FinStrG zufolge gelten u. a. für Erledigungen, soweit das FinStrG nichts anderes bestimmt, die Bestimmungen der §§ 85 bis 113 Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß. Für Zustellungen gelten daneben auch noch die Vorschriften des ZustG (§ 56 Abs. 3 FinStrG).

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind; d. h. bei schriftlichen Erledigungen, sofern nicht anders bestimmt, durch deren Zustellung (vgl. dazu auch § 98 leg. cit.).

Gemäß § 53 Abs. 1 FinStrG in der für den Beschwerdefall maßgeblichen geltenden Fassung ist das Landesgericht als Schöffengericht zur Ahndung von Finanzvergehen zuständig gewesen, wenn das Finanzvergehen vorsätzlich begangen wurde und der mutmaßliche Wertbetrag, nach dem sich die Strafdrohung richtet (strafbestimmender Wertbetrag), € 100.000,00 übersteigt oder wenn (wie letztendlich im gegenständlichen Fall) die Summe der maßgeblichen zusammentreffenden vorsätzlich begangenen Finanzvergehen € 100.000,00 übersteigt und alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen. Zusammentreffen können nur Finanzvergehen, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.

Zur angesprochenen örtlichen und sachlichen Zuständigkeit einer Finanzstrafbehörde im gegebenen Fall führt § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG aus, dass dasjenige Finanzamt als Finanzstrafbehörde zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens zuständig ist, welches auch zur Erhebung der beeinträchtigten Abgaben (hier: Einkommen- und Umsatzsteuer des – so die Annahme – Bf. als Einzelunternehmer) oder zur Handhabung der verletzten Abgabenvorschriften (zur Erhebung der gegenständlichen Einkommen- und Umsatzsteuer) zuständig ist.

Des weiteren bestimmt § 59 Abs. 3 FinStrG, dass eine Finanzstrafbehörde, die von einer strafbaren Tat Kenntnis erlangt, im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeit zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens zuständig ist, solange (hier nicht relevant) Gefahr im Verzug gegeben ist oder solange nicht ein Umstand hervorgekommen ist, der die ausschließliche Zuständigkeit einer anderen Finanzstrafbehörde begründet.

Zur Abgrenzung zwischen verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Zuständigkeit in einer Finanzstrafsache führt § 53 Abs. 8 FinStrG aus:

Kann eine Prüfung, ob das Gericht nach den Abs. 1 bis 4 zur Anwendung gelangt (etwa weil ein und dieselbe Finanzstrafbehörde nach § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG mangels Hervorkommen der ausschließlichen Zuständigkeit einer anderen Finanzstrafbehörde auch für bestimmte verfahrensgegenständliche Fakten zuständig wäre) noch nicht vorgenommen werden, so hat die Finanzstrafbehörde im verwaltungsbehördlichen Verfahren alle zur Sicherung der Beweise erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Solche Maßnahmen der Finanzstrafbehörde sind wegen Unzuständigkeit nicht anfechtbar, wenn sich später die gerichtliche Zuständigkeit herausstellt. In diesem Sinne auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (etwa , und ), wonach eine (gerichtliche) Unzuständigkeitsentscheidung im Fall einer von der Finanzstrafbehörde angenommenen Gerichtszuständigkeit im Hinblick auf § 54 Abs. 5 FinStrG (Unzuständigkeitsentscheidung des Gerichtes) tunlichst vermieden werden solle.

Gemäß § 20 Abs. 1 AVOG 2010 gilt als Wohnsitzfinanzamt dasjenige Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige einen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei mehrfachem Wohnsitz im Bereich verschiedener Finanzämter gilt als Wohnsitzfinanzamt jenes, in dessen Bereich sich der Abgabepflichtige überwiegend aufhält.

Gemäß § 20 Abs. 2 AVOG 2010 ist das Wohnsitzfinanzamt u. a. zuständig für die Erhebung der Einkommensteuer bei unbeschränkter Steuerpflicht (Z 1) und für die Erhebung der Umsatzsteuer (Z 2).

Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat gemäß § 26 Abs. 2 BAO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er z. B. an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt (bspw., wie im gegenständlichen Fall, ein Strafgefangener in einer bestimmten Justizanstalt nach Antritt seiner mehrjährigen Haftstrafe; vgl. dazu etwa Ritz, BAO5, § 26 Tz 3 mwN).

Vorweg wird darauf hingewiesen, dass die aktenkundigen bzw. in der Beschwerde genannten Justizanstalten [im Amtsbereich der „Wiener Finanzämter“ bzw., ab , im Bereich des Finanzamtes FA3 (JA3)] als Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Bf. nur dann als subsidiärer Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit zur Abgabenerhebung in Betracht gekommen wären, wenn nach den Umständen des Falles nicht davon auszugehen gewesen wäre, dass der Bf. neben diesen gewöhnlichen (Haft-)Aufenthalten auch Inhaber eines oder mehrerer Wohnsitze gewesen ist, die er aber gegenüber der Abgabenbehörde zwecks Verschleierung seiner (neuerlichen) geschäftlichen Betätigung, aus verständlichen Gründen nach Möglichkeit geheim zuhalten trachtete.

Aufgrund der Scheinanmeldung des Bf. an der Anschrift einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei hatte sich ursprünglich des Finanzamt FA2 als Abgabenbehörde zur Erhebung der Einkommen- und Umsatzsteuer betreffend den Bf. für zuständig erachtet und ist es in formaler Hinsicht ursprünglich, wohl auch gewesen.

Gemäß § 6 AVOG 2010 endete diese abgabenbehördliche Zuständigkeit zur Erhebung von Abgaben aber mit dem Zeitpunkt, in dem eine andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen (die Innehabung des einzigen Wohnsitzes im Amtsbereich des Finanzamtes FA1 bzw. – bei mehrfachem Wohnsitz – der überwiegende Aufenthalt in seinem Amtsbereich) Kenntnis erlangt hatte und hat – aufgrund der am u. a. hinsichtlich der (geklärten) Wohnsitzfrage (tatsächlicher Wohnsitz in WS2) gegebenen Erkenntnislage – das Finanzamt FA1 zum Zeitpunkt der Einleitung des Finanzstrafverfahrens gegen den Bf. am wegen des Verdachtes (zusätzlich zu den bereits gegen ihn erhobenen, gerichtsanhängigen Vorwürfen von Vergehen nach dem FinStrG von ihm (neuerlich) begangener Abgabenhinterziehungen betreffend den Zeitraum 2012 bis 2015 durch die Finanzstrafbehörde, eine abgabenbehördliche Zuständigkeit iSd § 20 AVOG in Anspruch genommen.

Die einschreitende Finanzstrafbehörde FA1 bzw. deren handelnden Organe haben am , zum Zeitpunkt der Erstellung/Ausfertigung der Beschlagnahmeanordnung 1, diese (abgabenbehördliche) Beurteilung der für die Zuständigkeitsfrage vorhandenen Indizien jedoch (vorerst) nicht übernommen bzw. geteilt, sondern bei ihren Prozesshandlungen (vor dem ), wohl mangels einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit einer nach § 53 Abs. 1 FinStrG auch für die verfahrensgegenständlichen Vorwürfe bestehenden Gerichtszuständigkeit (vgl. ), noch nicht von einem zuständigkeitsbegründenden Wohnsitzes des Bf. an der Anschrift in WS2, iSd § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG (siehe dazu den Einleitungsbescheid vom , in dem laut Begründung ein tatsächlicher Wohnsitz des Bf. an der vorgenannte Anschrift in O lediglich „… zu vermuten …“ sei; Finanzstrafakt Bl. 65; bzw. die Anordnung der Hausdurchsuchungen vom , der zufolge das Anwesen an der genannten Anschrift lediglich der vermutete tatsächliche Wohnsitz des Bf. sei und von einer gerichtlichen Zuständigkeit nicht ausgegangen werden könne; Finanzstrafakt Bl. 47 bis 49) ausgegangen.

Erst nach Durchführung weiterer Erhebungshandlungen (z. B. Hausdurchsuchungen am ; Finanzstrafakt Bl. 133 ff), offenbar unter dem Eindruck der dabei gemachten und ausgewerteten Wahrnehmungen, hat die Finanzstrafbehörde FA1 ihre diesbezügliche Beurteilung geändert und, indem sie am entsprechend den Bestimmungen des dritten Unterabschnittes iVm § 100 Strafprozessordnung (StPO) an die (im Falle einer gerichtlichen Zuständigkeit auch für die neuen Tatvorwürfe) zuständige Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Wels berichtet hat (Bl. 76 des Strafaktes), erstmals festgestellt, dass der Bf. bereits zum Zeitpunkt des finanzstrafbehördlichen Einschreitens am an der Anschrift in WS2, seinen zuständigkeitsbegründenden Wohnsitz iSd § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG (und in weiterer Folge auch relevant für die gerichtliche Zuständigkeit iSd § 53 Abs. 1 FinStrG) gehabt hat.

Damit ergibt sich, dass die Finanzstrafbehörde bis zum von einer vorläufigen Zuständigkeit nach §§ 53 Abs. 8 und 59 Abs. 3 FinStrG und erst mit der Erstattung des vorstehend genannten Berichtes an die Staatsanwaltschaft von einer gerichtlichen Zuständigkeit iSd § 53 Abs. 1 FinStrG ausgegangen ist, sodass daher zum Zeitpunkt der Erstellung der Beschlagnahmeanordnung 1 (noch) eine entsprechende (sachliche und örtliche) Zuständigkeit gegeben gewesen war und somit auch einer nachträglichen geänderten Zuständigkeit im Grunde des § 53 Abs. 8 letzter Satz FinStrG keine eigenständige Bedeutung zukäme (vgl. etwa Fellner, FinStrG6, § 53 Rz 31 ff, mwN).

Indem aber im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Bescheide (die Beschlagnahmeanordnung 2 ist nach dem und damit bereits schon von einer zu diesem Zeitpunkt unzuständigen Behörde erstellt worden) entsprechend dem § 97 Abs. 1 BAO auf den Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe (Zustellung) und nicht auf den Zeitpunkt ihrer Ausfertigung zu beurteilen ist (Beschlagnahmeanordnung 1; vgl. dazu etwa Stoll, BAO-Kommentar, 1005; bzw. Fellner, aaO, § 56 Rz 17, mwN), waren die nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern von der verwaltungsbehördlichen Finanzstrafbehörde  erlassenen Sicherungsmaßnahmen (vgl. §§ 109 bis 115 StPO iVm 195 Abs.1, 206 FinStrG) als rechtswidrig aufzuheben.

Darauf, dass in weiterer Folge auf Basis der dargestellten Rechtslage, abgeleitet aus der Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde FA1 nach § 58 Abs. 1 lit. f FinStrG, hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Fakten sich tatsächlich (im Nachhinein) eine gerichtliche Zuständigkeit des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht ergeben hat und die dem Bf. im gegenständlichen Verfahren vorgeworfenen (neuerlichen) Abgabenhinterziehungen auch Gegenstand einer Erörterung in der am fortgesetzten Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Wels gewesen sind (Urteil zur dg. GZ. 56, Seite 28 unten), ohne dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft oder der Vertreter des Finanzamtes einen Antrag gestellt hätten, die selbständige Verfolgung dieser neu aufgetauchten Fakten dem Staatsanwalt gemäß § 263 Abs. 1 StPO vorzubehalten und, indem auch der Urteilsausspruch des Landesgerichtes keinen solchen Vorbehalt enthalten hat (Ausfertigung vom ), und dadurch der diesbezügliche Strafverfolgungsanspruch der Republik Österreich erloschen ist, wird hingewiesen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die gegenständliche Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes stützt sich auf die vorgelegten Aktenstücke und war auf Basis einer gesicherten Rechtslage zu treffen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 89 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 56 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 56 Abs. 3 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 53 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 58 Abs. 1 lit. f FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 59 Abs. 3 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 53 Abs. 8 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 AVOG 2010, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Beschlagnahmeanordnung
Bescheiderlassung
Zuständigkeit
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.5300016.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at