Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.09.2017, RV/5101663/2016

Beihilfenschädlicher Studienwechsel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom zu VNR 001 über die Rückforderung für das Kind K(VNR 002) im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2016 zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 4.135,90 € zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin bezog für ihren am geb. geborenen Sohn bis einschließlich Februar 2016 Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen.

Der Sohn der Beschwerdeführerin betrieb ab dem Wintersemester 2012 an der Uni Graz ein Lehramtsstudium für die Fächer Chemie und Mathematik. Prüfungen wurden nur im ersten Studienjahr abgelegt, und das Studium nach vier Semestern abgebrochen.

Ab dem Wintersemester 2014 studierte der Sohn der Beschwerdeführerin an der TU Graz Biomedical Engineering (Bachelorstudium).

In einem Vorhalt vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, bis einen allfälligen Anrechnungsbescheid der TU Graz betreffend für das Bachelorstudium angerechnete Prüfungen aus dem Lehramtsstudium vorzulegen. Ferner sollte die Beschwerdeführerin angeben, wann das Lehramtsstudium tatsächlich abgebrochen wurde, da für das Studienjahr 2013/14 keine abgelegten Prüfungen aufscheinen würden. Schließlich wurde um Mitteilung ersucht, ob die Vorlesungen in diesem Zeitraum noch besucht worden seien.

Dazu wurde erst am mitgeteilt, dass die Vorlesungen im Studienjahr 2013/14 zwar noch besucht worden seien, jedoch keine Prüfungen mehr abgelegt worden wären, da Mitte Sommersemester 2014 die Entscheidungen für einen Studienwechsel an die TU Graz (Biomedical Engineering) gefallen sei und die Prüfungen aus dem Lehramtsstudium für das neue Studium nicht mehr „dienlich“ gewesen wären.

Daraufhin forderte das Finanzamt mit Bescheid vom gemäß §§ 26 Abs. 1 FLAG iVm § 33 Abs. 3 EStG die im Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2016 von der Beschwerdeführerin zu Unrecht für ihren Sohn bezogenen Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt 4.135,90 € zurück. Nach einem Studienwechsel nach dem jeweils 3. inskribierten Semester (oder zweitem Ausbildungsjahr) bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe erst dann, wenn die oder der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt hat. Es seien daher alle Semester aus den vorherigen Studien, in denen eine Fortsetzungsmeldung vorgelegen ist und für die Familienbeihilfe bezogen wurde, in Bezug auf die Wartezeit bis zur Wiedergewährung der Familienbeihilfe für das neue Studium heranzuziehen. Da der Sohn der Beschwerdeführerin das Lehramtsstudium nach dem vierten Semester abgebrochen habe (schädlicher Studienwechsel), stehe die Familienbeihilfe erst nach einer Wartezeit von vier Semestern wieder zu. Da in dieser Zeit jedoch Familienbeihilfe weiterhin bezogen worden wäre (Studienwechsel sei nicht bekannt gegeben worden), müsse die Beihilfe für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2016 rückgefordert werden. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe frühestens wieder ab Oktober 2016.

Dieser Bescheid wurde laut Rückschein durch Hinterlegung zugestellt. Die Abholfrist begann am , die Rechtsmittelfrist endete - da der auf einen Samstag fiel - am .

Gegen diesen Bescheid richtet sich die undatierte, am zur Post gegebene Beschwerde, in der auch um "Aussetzung der Zahlung" ersucht wurde. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass sie immer einen Studiennachweis gebracht habe. Aus diesem sei auch hervorgegangen, dass ihr Sohn das Studium gewechselt habe. Sie habe nicht gewusst, dass dies ein sogenanntes schädliches Verhalten sei. Ihr Sohn habe ihr mitgeteilt, dass er diesbezüglich am Anfang seines Lehramtsstudiums nicht aufgeklärt worden sei. Sie und ihr Ehemann seien Eltern von sechs mittlerweile erwachsenen Kindern. Da sie ihren Kindern jeglichen Schul- und Ausbildungswunsch erfüllt hätten, nebenbei ihr Haus gebaut hätten, wären sie immer schon in einer finanziell angespannten Situation gewesen. Drei Kinder hätten auch ein Internat besucht, weil dem Wunsch, eine Ausbildung bei den Sängerknaben und ein Besuch in der HTL W nachgekommen worden sei. Durch die sechs Kinder sei es ihr auch oft nicht möglich gewesen, einer sogenannten Arbeit nachzugehen. Sie habe Jahre als "nur Hausfrau" verbracht. So gesehen hätten sie mit einem Lohn unter dem Mindesteinkommen auskommen müssen. Nächstes Jahr stehe die Pension an und da bekomme sie durch ihre "Abwesenheitsjahre am öffentlichen Arbeitsmarkt" bedingt durch eine verantwortungsbewusste Mutterrolle auch nur einen minimalen Pensionslohn, der der Mindestsicherung ähnle, obwohl sie sechs regelmäßige Steuerzahler hervor gebracht habe. Das werde von unserem Staat ja auch nicht berücksichtigt. Kurzum, je mehr Kinder desto mehr zahle man drauf. Auch wenn sie (und ihr Ehemann) momentan Doppelverdiener seien, hätten sie immer sparen müssen, da das Haus in ganz kleinen Schritten fertiggestellt worden sei. Jetzt stehe schon die Renovierung ins Haus, die aber auch nur bedingt erledigt werden könne. Manche Räume seien immer nur provisorisch eingerichtet worden. Sie wünsche sich beispielsweise gerne nach 40 Jahren das abgewohnte Mobilar auswechseln zu können oder eine neue Versiegelung für die Holzböden. Aber das müsse einfach noch warten, weil die Kinder immer oberste Priorität gehabt hätten und deshalb die nötigen Rücklagen fehlen würden. Das Studium ihres Sohnes in Graz sei bis vor Kurzem () in jeder Weise von den Eltern finanziert und somit der gesamte Unterhalt mit Studium finanziert worden. Fahrt, Wohnung, Leben, alles sei von ihnen bezahlt worden, und bei einem Studenten sei das nicht wenig. Sie seien jetzt fast 38 Jahre ihren elterlichen Pflicht des Unterhaltes für die Kinder in jeder Weise nachgekommen. Sie hätten deshalb bis jetzt keine Rücklagen und ersuchten deshalb um Aufhebung des Bescheids. Diese Summe sei für sie eine astronomische und ehrlich gesagt wüssten sie nicht, wie sie diese zurückbezahlen sollten, noch dazu, wo sie bis Juni für den gesamten Unterhalt aufgekommen wären und keinerlei andere staatliche Zuschüsse bekommen hätten. Sie bitte daher, in diesem Sinne von einer Rückforderung abzusehen.

Das Finanzamt ging in damaliger Unkenntnis des oben erwähnten Rückscheines zunächst von einer verspätet eingebrachten Beschwerde aus, und wies diese mit Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Ergänzend hielt das Finanzamt fest, dass auch eine materielle Überprüfung des Beschwerdebegehrens zu keinem anderen Ergebnis führen würde. Der Sohn der Beschwerdeführerin habe unstrittig sein Studium nach dem dritten inskribierten Semester gewechselt und damit einen schädlichen Studienwechsel im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG iVm § 17 StudFG verwirklicht. Ob er zu Beginn seines Studiums über diesen Umstand aufgeklärt wurde, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Zu den weiteren Ausführungen in der Beschwerde im Hinblick auf die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin werde angemerkt, dass die Möglichkeit bestehe, eine Zahlungserleichterung (zB. Ratenzahlung) zu beantragen.

Im Vorlageantrag vom wies die Beschwerdeführerin neuerlich darauf hin, dass ihr Sohn hinsichtlich eines schädlichen Studienwechsels nicht aufgeklärt worden sei. Er habe sich nach vier Semestern entschieden, ein medizinisches Studium zu nehmen, da er zwischenzeitlich, durch den freiwilligen Rettungsdienst "infiziert", etwas Medizinisches auch beruflich ergreifen wollte. Leider habe er den Aufnahmetest zum Medizinstudium knapp nicht geschafft, so habe er sich für das Medizintechnikstudium entschieden. Sein mathematisches Vorwissen könne er bei diesem Studium sehr gut gebrauchen. Sie habe durch die Studiennachweise das Finanzamt auch in Kenntnis gesetzt, dass ihr Sohn studiert, habe aber nicht gewusst, dass ein Studienwechsel schädlich sei und somit die für ihn wichtige Familienbeihilfe wegfalle. Sie möchte aber betonen, dass sie und ihr Ehegatte als sechsfache Eltern immer und zu jeder Zeit für den Unterhalt aufgekommen seien. Ihre finanzielle Situation sei immer sehr angespannt gewesen. Durch die Kinder und die Errichtung des Eigenheims hätte jeder Euro bewusst eingesetzt werden müssen um durchzukommen. Zu Beginn des Studiums hätte sie noch zwei weitere unversorgte Kinder gehabt. Im Mai sei durch die Lehrabschlussprüfung (eines Kindes) die letzte Familienbeihilfe weggefallen. Ihre Großfamilie habe das geringe Einkommen ihres Mannes aufgebraucht. Sie habe selber mit 49 Jahren nochmals in den Arbeitsmarkt zurückkehren müssen, trotz der Kinderschar. Das Haus sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausfinanziert gewesen und der Wille der Kinder, zu den Sängerknaben zu gehen, sei auch berücksichtigt worden. Drei Kinder seien in einem Internat gewesen, da habe das geringe Einkommen ihres Mannes nicht mehr gereicht. Ihre Doppelbelastung habe in einem totalen Zusammenbruch geendet, Burnout. Nach monatelangem Ausfall sei sie wieder arbeiten gegangen und sie arbeite gerne für die Öffentlichkeit und für ihre Familie. Jetzt stünden ihr Mann und sie kurz vor der Pension. Ihr verdientes Geld sei zur Gänze in das Haus und die Kinder investiert worden. Ihre kleine Pension lasse sie zwar leben aber nicht prassen. 4.135,90 € zurückzuzahlen sei für sie ein Vermögen. Sie ersuche um "Nachsicht" mit der Bitte, dass ihr dieser Betrag "erlassen" werde. Sie seien ihrer Elternpflicht immer nachgekommen. Sie hätten keine Therapien oder Hilfen vom Jugendamt benötigt. Ihre Kinder seien alle wieder Steuerzahlen und leisteten somit auch den Beitrag für die Gesellschaft. Ihr Sohn habe nicht einen schädlichen Studienwechsel gewollt, sondern erkannt, dass es für ihn einen besseren Weg für seine Zukunft in diesem (neuen) Studium gäbe. Er habe vorsätzlich niemandem schaden wollen. Sie ersuche daher um "Nachlass der Rückforderungen".

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und wies zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde darauf hin, dass sich aus dem erst nachträglich hervorgekommenen und daher im Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung noch nicht berücksichtigten Rückschein zum Abweisungsbescheid ergäbe, dass die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde. Zur Frage des schädlichen Studienwechsels wurde auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen. Mangels Vorlage eines Anrechnungsbescheides könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Anerkennung von Vorstudienzeiten erfolgt sei.

Beweiswürdigung

Der festgestellte und unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus den zitierten Aktenteilen sowie den Anmerkungen und Eintragungen in der Beihilfendatenbank.

Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden.

Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz (StudFG) 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.

Zu den in § 3 StudFG genannten Einrichtungen zählen die österreichischen Universitäten, damit auch die Universität Graz sowie die TU Graz (Graz University of Technology).

§ 17 StudFG (Studienwechsel) normiert:

(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

1. Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind,

2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,

3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,

4. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 3.

(3) Nicht als Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 und 2 gilt der Wechsel von der Studienrichtung Medizin zur Studienrichtung Zahnmedizin für Studierende, die die Studienrichtung Medizin vor dem Studienjahr 1998/99 aufgenommen haben und den Studienwechsel spätestens im Sommersemester 2001 vornehmen.

(4) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt haben. Anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.

Der Begriff Studienwechsel bedeutet nach herrschender Lehre und Rechtsprechung den Betrieb einer anderen Studienrichtung als jener, die in den vorangegangenen Semestern betrieben wurde. Wenn ein Studierender das begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes in den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt, liegt jedenfalls ein Studienwechsel vor. Kein Studienwechsel liegt dagegen vor bei einem Wechsel der Studieneinrichtung bei gleichbleibender Studienrichtung (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Tz 95 f mit Hinweis auf ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichshofes ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Studienwechsel im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt, bevor auf einen solchen Studienwechsel die Bestimmungen des § 17 StudFG angewendet werden können.

Im gegenständlichen Fall hat der Sohn der Beschwerdeführerin zunächst an der Uni Graz ein Lehramtsstudium für die Unterrichtsfächer Chemie und Mathematik betrieben, dieses jedoch nicht abgeschlossen, sondern anschließend das Bachelorstudium Biomedical Engineering an der TU Graz begonnen. In diesem Fall liegt unbestritten ein Studienwechsel im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vor, auf den die Bestimmungen des § 17 StudFG anzuwenden sind. Ein solcher Studienwechsel ist gemäß § 17 Abs. 2 Zif. 1 StudFG nur dann nicht beihilfenschädlich, wenn die gesamten Vorstudienzeiten für das neue Studium angerechnet werden, weil sie diesem Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Beschwerdeführerin trotz Aufforderung des Finanzamtes im Vorhalt vom kein Anrechnungsbescheid der TU Graz vorgelegt, demzufolge im Lehramtsstudium abgelegte Prüfungen für das Bachelorstudium Biomedical Engineering angerechnet worden wären. Dies ist auch insofern naheliegend, als der Sohn der Beschwerdeführerin im ersten Studienjahr des Lehramtsstudiums nur eine geringe Anzahl von Prüfungen abgelegt hat (in der Beihilfendatenbank sind lediglich Prüfungen im Ausmaß von insgesamt 23,5 ECTS angemerkt) und im zweiten Studienjahr keinerlei Prüfungen mehr abgelegt wurden; abgesehen davon unterscheiden sich die Studienpläne der beiden Studien derart grundlegend, dass schon aus diesem Grund eine Anrechnung von Prüfungen aus einem Lehramtsstudium für das Bachelorstudium Biomedical Engineering nicht in Betracht kommen wird.

Das Finanzamt hat daher im angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die Bestimmung des § 17 Abs. 4 StudFG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Familienbeihilfe erst nach einer Wartezeit von vier Semestern, somit ab Oktober 2016 wieder zustünde, wobei allerdings zu beachten ist, dass der Sohn der Beschwerdeführerin am bereits das 24. Lebensjahr vollendet hat (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG).

Damit stand der Beschwerdeführerin für die verfahrensgegenständlichen Monate Oktober 2014 bis Februar 2016 kein Anspruch auf Familienbeihilfe zu.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht erhalten hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (§ 26 Abs. 1 FLAG). Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 letzter Satz EStG auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.

Aus § 26 Abs. 1 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 3 mit Hinweis auf ; ). Aus diesem Grund kann das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen (Unkenntnis der Beihilfenschädlichkeit eines Studienwechsels, fehlende diesbezügliche Aufklärung des Sohnes ab Beginn des Lehramtsstudiums, Kenntnis des Finanzamtes vom Studienwechsel, angespannte finanzielle Lage, Verwendung der Familienbeihilfe) der gegenständlichen Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Der Vollständigkeit halber wird noch völlig unpräjudiziell angemerkt, dass bereits das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend auf die Möglichkeit einer allfälligen ratenweisen Entrichtung des Rückforderungsbetrages hingewiesen hat. Dies setzt allerdings ein entsprechendes Zahlungserleichterungsansuchen im Sinne des § 212 BAO voraus.

Daneben kommt bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 236 BAO auch eine allfällige Nachsicht des Rückforderungsbetrages in Betracht. Nach dieser Bestimmung können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Dies gilt auch für die gegenständlich rückgeforderten Beträge (vgl. § 2 lit. a BAO und Czaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Tz 24 mit Hinweis darauf, dass es sich beim Nachsichtsverfahren gemäß § 236 BAO um ein von der Rückforderung getrenntes Verfahren handelt).

Die Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten durch Nachsicht setzt einen hierauf gerichteten Antrag voraus. Der Antrag auf Nachsicht ist ein Anbringen iSd § 85 Abs. 1 BAO und unterliegt der Entscheidungspflicht (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 236 Tz 2). Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (Ritz, a.a.O. § 85 Tz 1 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Die Beschwerdeführerin hat im Vorlageantrag ausdrücklich auch um "Nachsicht" bzw. "Nachlass der Rückforderungen" ersucht und umfangreiches Vorbringen erstattet, aus denen ihrer Ansicht nach eine persönlich bedingte Unbilligkeit der Einhebung des Rückforderungsbetrages vorliegt. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes liegt damit ein Antrag im Sinne des § 236 BAO vor, über den das Finanzamt mit rechtsmittelfähigem Bescheid abzusprechen hat.

Informativ wird jedoch noch darauf hingewiesen, dass den Antragsteller im Nachsichtsverfahren eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, und er somit einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun hat, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt beim Nachsichtswerber. Dazu gehört auch, dass das Vorliegen einer behaupteten persönlichen Unbilligkeit, welche ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen voraussetzt, nachvollziehbar dargetan hat. Dazu zählt insbesondere auch ein ziffernmäßig konkretisiertes Vorbringen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Abgabenschuldners, welches bislang nicht erstattet wurde. Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

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