Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.09.2017, RV/5100259/2014

Beurteilung der Verwendungsabsicht

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2018/15/0008. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5100259/2014-RS1
Gibt es Indizien, die für und die gegen eine bestimmte Verwendungsabsicht sprechen, kommt der vom Beschwerdeführer behaupteten Absichtserklärung besonderes Gewicht zu. Hat demnach ein Unternehmer ausgeführt, dass er beabsichtigt hat, den in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen und ins Inland verbrachten Gegenstand des Anlagevermögens (konkret ein Kraftfahrzeug) ganz überwiegend privat zu nutzen, liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb nicht vor. Daran ändert auch eine (zunächst nicht geplante) nachgelagerte, nicht bloß geringfügige unternehmerische Verwendung nichts.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Thomas Krumenacker in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Holzinger & Partner Stb GmbH & Co KG, Simbach 7, 4070 Eferding, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom , betreffend Umsatzsteuer 2009 zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert.

Der mit 20% zu versteuernde innergemeinschaftliche Erwerb wird mit 78,00 € angesetzt.
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit -2.025,21 € (Gutschrift).

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) wird für nicht zulässig erklärt.

Entscheidungsgründe

1. Gang des Verfahrens bis zur Beschwerde:

Der BF ist seit steuerlich vertreten. Ab besitzt er eine Gewerbeberechtigung. Am hat der BF eine UID-Nummer beantragt. Am hat der BF von einem deutschen Autohändler einen am erstmals zum Verkehr zugelassenen Audi A4 geliefert bekommen. Der Autohändler hat 9.243,700 € zuzüglich 19% deutsche Umsatzsteuer von 1.756,30 €, in Summe also 11.000,00 € in Rechnung gestellt. Am hat der BF die Gemischtwarenhandlung seines Vaters übernommen. Im Unternehmensbereich befand sich ein Opel Combo. Am hat der BF eine NoVA-Anmeldung betreffend den Audi beim Finanzamt abgegeben. Nach dem Fahrtenbuch hat der BF den Audi bereits ab für Fahren zu Einschulungen verwendet. Ende Mai 2009 hat der BF den Opel Combo verkauft. Am hat der BF einen VW-Golf angeschafft und diesen auf ein Wechselkennzeichen mit dem Audi angemeldet. Anfang April 2010 hat der BF den Audi verkauft.

Über telefonischen Vorhalte hat der steuerliche Vertreter am mittels E-Mail Folgendes mitgeteilt:
Der BF habe den Audi als Privatperson erworben. Die Rechnung lautet auch auf den BF als Privatperson und auf seine private Adresse. Im Zeitpunkt des Kaufes war (bis Ende Mai 2009) ein Opel Combo im Unternehmensbereich und daher habe keine Notwendigkeit für ein zweites Auto bestanden. Im April und Mai 2009 hat der BF den Audi für Fahren zu Einschulungen verwendet. Nachdem der Opel Combo Ende Mai 2009 verkauft wurde, hat der BF ab Juni 2009 die Warenzustellungen mit seinem Privat-KFZ durchgeführt.
Beim Kauf des Audis könne es sich maximal um Vorbereitungstätigkeiten handeln. Wenn der Audi aber privat angeschafft wurde, wobei die Absicht im Zeitpunkt der Anschaffung maßgeblich sei, sei nicht rückwirkend eine Anschaffung für das Unternehmen zu unterstellen (vgl. Ruppe/Achatz, § 2 Tz 135). Dies auch dann, wenn die unternehmerische Nutzung mehr als 10% beträgt.
Der Kilometerstand des Audis habe bei Kauf ca. 131.000 und bei Verkauf ca. 149.000 betragen. Ab August 2009 habe der BF beabsichtigt, den Audi zu verkaufen und habe der BF beinahe alle unternehmerischen Fahrten mit dem VW-Golf durchgeführt. Der Audi sei nur mehr in geringem Ausmaß unternehmerisch genutzt worden. Die Wareneinkäufe seien von den Lieferfirmen zum Geschäft zugestellt worden, Einkaufsfahrten seien nur ausnahmsweise als Ergänzung des Warensortiments durchgeführt worden. Der VW-Golf habe dafür eine ausreichende Ladekapazität gehabt.

Auf ein Auskunftsersuchen teilte der Käufer des Audis mit, dass der Kilometerstand bei Kauf ca. 145.000 betragen habe.

Das Finanzamt hielt dem BF am vor, es sei beabsichtigt, aufgrund des Erwerbes des Audis eine Erwerbsteuer von 20% des Nettokaufpreises, somit 1.848,74 € vorzuschreiben. Den (o.a.) Ausführungen des steuerlichen Vertreters sei entgegenzuhalten, dass bei Vorbereitungshandlungen, die ihrer Art nach sowohl zur unternehmerischen als auch zur privaten Verwendung bestimmt sein können, die Unternehmensbezogenheit nicht sofort abschließend beurteilt werden könne. Dies erfordere aber eine nachträgliche Beurteilung des Sachverhaltes.
Vom bis zum (Anschaffung des VW-Golf; gemeint wohl bis zum ) sei nur der Audi auf den BF zugelassen gewesen. In diesem Zeitraum seien unternehmerische Fahrten im Ausmaß von 3.829 Kilometern mit dem Audi vorgenommen worden. Dies sein daraus abzuleiten, dass der BF dafür das amtliche Kilometergeld als Betriebsausgabe geltend gemacht hat. Unter Zugrundelegung der (o.a.) Kilometerstände einerseits und der angeführten unternehmerischen Fahren andererseits ergibt sich eine unternehmerische Nutzung von mindestens 21,29% und maximal 38.29%, also in jedem Fall eine unternehmerische Nutzung von mehr als 10%.
Aus den angeführten Gründen (gemeint wohl: der erforderlichen nachträglichen Beurteilung, aufgrund der auf die Absicht bei Kauf zu schließen sei, den Audi in nicht bloß untergeordnetem Ausmaß unternehmerisch zu nutzen) sei die Erwerbsteuer vorzuschreiben.

Der steuerliche Vertreter vertrat die Ansicht, dass der Unternehmer eine Wahlmöglichkeit, habe, ein Fahrzeug, mit dem auch unternehmerische Fahrten vorgenommen werden, dem Unternehmen zuzuordnen oder nicht. Eine Verpflichtung, ein solches Fahrzeug dem Unternehmen zuzuordnen, bestehe nicht.

Das Finanzamt erließ einen Umsatzsteuerbescheid, in dem es die strittige Erwerbsteuer vorschrieb und führte zur Begründung aus, dass für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen gemäß § 21 BAO in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform maßgebend sei. Inhaltlich wiederholte das Finanzamt seine Ausführungen im o.a. Vorhalt und führte aus, dass nach dem Kauf des Audis eine eindeutig mehr als 10%-ige unternehmerische Nutzung vorliegt, weshalb die Lieferung als für das Unternehmen ausgeführt gilt. Damit war Erwerbsteuer vorzuschreiben.

2. Beschwerde:

In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass gemäß Art. 1 UStG 1994 ein innergemeinschaftlicher Erwerb u.a. nur dann vorliegt, wenn der Unternehmer den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt. Gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen sowie Einfuhren nur insoweit als für das Unternehmen ausgeführt behandeln, als sie tatsächlich unternehmerischen Zwecken dienen, sofern sie mindestens zu 10% unternehmerischen Zwecken dienen. Diese Zuordnung hat der Unternehmer bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes dem Finanzamt schriftlich mitzuteilen.

Dient die bezogene Leistung zu mindestens 10% unternehmerischen Zwecken, stehe (bei voller Zuordnung zum Unternehmen) der volle Vorsteuerabzug zu. Jenseits der 10%-Grenze bestehe daher ein Wahlrecht, die Leistung entweder zur Gänze oder aber nach Maßgabe der unternehmerischen Verwendung als für das Unternehmen ausgeführt zu behandeln.

Demnach habe der BF eine Wahlmöglichkeit, aber keine Verpflichtung, die Lieferung des strittigen Fahrzeuges, mit dem auch unternehmerische Fahrten unternommen wurden und für welches auch Kilometergeld geltend gemacht wurde, als für das Unternehmen ausgeführt gelten zu lassen.

Als Hinweis für die Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmen könne die Verwendung der UID-Nummer seitens des Erwerbers gesehen werden. Mit Bekanntgabe der UID-Nummer bringe der Unternehmer gegenüber dem Lieferer zum Ausdruck, dass er den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt und die Lieferung im Bestimmungsland der Erwerbsbesteuerung unterzogen wird. Im vorliegenden Fall hat aber der BF beim Kauf des strittigen Fahrzeuges keine UID-Nummer bekanntgegeben. Weiters hat der BF das strittige Fahrzeug auch nicht in das Anlageverzeichnis aufgenommen und auch keine Abschreibung geltend gemacht. Es lag daher beim BF, eine Zuordnungsentscheidung zur Unternehmens- oder zur Privatsphäre nach eigenem Willen vorzunehmen.

Nach dem Urteil des EuGH C-415/98, Bakcsi, verbiete die Mehrwertsteuerrichtlinie dem Steuerpflichtigen nicht, ein Investitionsgut, das sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke erworben und auch tatsächlich gemischt genutzt wird, in vollem Umfang im Privatvermögen zu belassen und es dadurch vollständig dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen. Schon nach dem Urteil des EuGH C-291/92, Armbrecht, könne ein Unternehmer, der einen Teil eines auch unternehmerisch genutzten Gegenstandes in seinem Privatvermögen belassen möchte, durch keine Bestimmung der Richtlinie daran gehindert werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehe daher ein Wahlrecht, ein gemischt genutztes Wirtschaftsgut zur Gänze dem Privatvermögen zuzuordnen. Der BF hat die Zuordnungsentscheidung zugunsten des Privatvermögens getroffen, weil er beim Kauf des strittigen Fahrzeuges seine UID-Nummer nicht verwendet und das Fahrzeug auch nicht in das Anlageverzeichnis aufgenommen hat.

3. Beschwerdevorentscheidung:

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung wurde wie folgt begründet:

3.1. Sachverhalt:

Zum Sachverhalt wird auf die umfangreichen Darstellungen im Vorhalt vom sowie in der (gesonderten) Begründung des Umsatzsteuerbescheides 2009 vom verwiesen.

Zur strittigen Frage, ob das Fahrzeug ursprünglich für rein private Zwecke angeschafft worden war, wird zusammenfassend ausgeführt, dass das Finanzamt weiterhin davon ausgeht, dass das Kraftfahrzeug Audi A4 Avant TDI bereits für gemischte private und unternehmerische Zwecke angeschafft wurde:

Bereits am wurde vom Abgabepflichtigen die Vergabe einer UID beantragt. Weiters wurde bereits mit die Vergabe einer Gewerbeberechtigung bei der Gewerbebehörde erwirkt. Die Beauftragung des steuerlichen Vertreters erfolgte bereits mit . Für das am gekaufte Fahrzeug wurde eine mit datierte NoVA-Anmeldung beim Finanzamt abgegeben. Lt. Fahrtenbuch dürfte das Kraftfahrzeug unmittelbar nach der Zulassung bereits ab Anfang April 2009 für betriebliche Fahrten (Vorbereitungshandlungen – Einschulung) verwendet worden sein. In der Nachricht der steuerlichen Vertretung vom wird bestätigt, dass der BF den Audi im April und Mai 2009 für Fahrten zur Einschulung verwendet habe.

In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung eine freie Beweiswürdigung ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hat, muss sie ihre Tatsachenfeststellungen auf den Akten entsprechende Annahmen oder auf logisch haltbar Schlüsse stützen.

In freier Beweiswürdigung geht das Finanzamt auf Grund der geschilderten Aktenlage daher davon aus, dass bereits bei der Anschaffung des Fahrzeuges eine teilweise betriebliche Nutzung vorgesehen war. Lt. Aktenlage betrug die betriebliche Nutzung überdies mehr als zehn Prozent.

3.2. Zur Entscheidung des VwGH in einem gleichgelagerten Fall:

Im Erkenntnis des wurde der eigentliche Streitpunkt des Verfahrens, nämlich ob das vom UFS angenommene Zuordnungswahlrecht im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichem Erwerb tatsächlich besteht, nicht beantwortet.

Der VwGH verwies jedoch auf die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 1 lit. b letzter Satz UStG 1994, wonach eine von der Fiktion der lit. a dieser Bestimmung abweichende Zuordnung des Unternehmers "bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes dem Finanzamt schriftlich mitzuteilen" ist (unstrittig sei, dass das Fahrzeug zu mehr als 10 % für unternehmerische Zwecke verwendet worden sei). Eine solche Mitteilung lag im vom VwGH entschiedenen Fall unstrittig nicht vor. Erweist sich die von der belangten Behörde angenommene Zuordnung des gemischt genutzten Fahrzeugs zum Privatvermögen schon aus diesem Grund als gegenüber dem Finanzamt nicht wirksam, wenn die Regelungen über den Vorsteuerabzug herangezogen werden, so erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Bestreitung der Anwendbarkeit der den Vorsteuerabzug betreffenden Judikatur des EuGH.

Die Zuordnungsentscheidung ist ein dem Finanzamt mitzuteilender Willensakt (vgl. dazu Heinrich, a.a.O., 473; Kolacny/Caganek, UStG3 (2005), § 12 Anm. 9; Payerer, a. a.O., Rz 116; Ruppe/Achatz, a.a.O., § 12 Tz 119, mit Hinweisen auf die diesbezügliche Änderung der Rechtslage zum und hg. Judikatur für Zeiträume davor). Gründe dafür, diese Mitteilung nicht für erforderlich zu halten, wenn die Zuordnung zum Privatbereich - im Sinne der von der belangten Behörde zitierten Judikatur des EuGH - über den privat genutzten Teil hinausgehen soll, sind lt. VwGH nicht erkennbar.

3.3. Rechtliche Erwägungen des Finanzamtes zu Ihrer Beschwerde:

Beim ig. Erwerb eines gemischt unternehmerisch und privat genutzten Gegenstandes besteht nach Auffassung des Finanzamtes auf Grund des zu beachtenden Bestimmungslandprinzips kein Zuordnungswahlrecht zum Privatvermögen. Durch die Steuerbefreiung der ig. Lieferung und der Besteuerung des ig. Erwerbs wird eine klare Abgrenzung der Steuerhoheit der betroffenen Mitgliedstaaten gewährleistet (vgl. EMAG Handel Eder OHG). Das Bestimmungslandprinzip als Grundlage des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten ist auch in der VO 1777/2005 des Rates vom normiert, wonach der Bestimmungsmitgliedstaat seine Besteuerungskompetenz unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands bzw. der Beförderung wahrnimmt (vgl. Art. 21 der VO 177/2005). Nach dem Gemeinschaftsrecht ist zunächst die Besteuerung des ig. Erwerbs vorzunehmen und wird damit die Besteuerungshoheit des Bestimmungsmitgliedstaates sichergestellt. Erst im Anschluss daran kann der Unternehmer – in einem zweiten Schritt - seine (allfällige) Zuordnungsentscheidung zum Privatvermögen gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994 dem Finanzamt gegenüber zur Kenntnis bringen.

Abgesehen davon hat der Unternehmer die allfällige Zuordnung eines gemischt genutzten Gegenstandes zum Privatvermögen bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes dem Finanzamt mitzuteilen (vgl. § 12 Abs. 2 Z 1 lit. b UStG 1994). Eine solche schriftliche Mitteilung ist nicht erfolgt. Auch das Nichtverwenden der UID sowie die Nichtaufnahme des Fahrzeuges in das Anlageverzeichnis sowie die Angabe des Verwendungszweckes als „privat“ im Formular NOVA2 stellen keine schriftliche Mitteilung an das Finanzamt iS der oa Bestimmung des UStG dar und können diese auch nicht ersetzen.

4. Vorlageantrag:

Im Vorlageantrag führte der BF aus, dass sich im Zeitpunkt des Kaufes des Audis ein Lieferwagen im Firmeneigentum befand, weshalb der Kauf eines zweiten Firmenwagens auszuschließen sei. Er habe den Audi lediglich für Fahrten zur Einschulung verwendet, damit im Geschäft die Belieferung von Kundschaften gewährleistet war. (Anmerkung: Laut telefonischer Auskunft des BF hatte er 10 Angestellte.) Im Mai 2009 habe er sich entschlossen, eines der beiden Fahrzeuge zu verkaufen, weil er es nicht für notwendig gehalten habe, zwei Fahrzeuge zu halten. Ab Verkauf des Lieferwagens (Ende Mai 2009) habe er den Audi auch für unternehmerische Fahrten genutzt.

5. Weitere Ermittlungen:

Der Richter vertrat gegenüber dem Finanzamt die Ansicht, dass entscheidend sei, welche objektivierbare Verwendungsabsicht der BF im Zeitpunkt des Kaufes des Audis hatte. Zwecks Beantwortung der Frage nach der Verwendungsabsicht sei u.a. von Bedeutung, ob der BF außer dem Opel Combo noch ein anderes Fahrzeug hatte und ersuchte das Finanzamt abzufragen, ob im Zeitpunkt des Kaufes des Audis noch ein weiteres Fahrzeug auf den BF zugelassen war. Das Finanzamt teilte darauf mit, dass eine derartige Abfrage nicht mehr möglich sei, dass es aber laut glaubwürdige Aussage des BF im Zeitpunkt des Kaufes des Audis kein weiteres privates KFZ gab. Das Finanzamt geht daher (ebenso wie der BF) davon aus, dass es sich bei dem vom steuerlichen Vertreter im E-Mail vom erwähnten Privat-KFZ, das ab Juni 2009 für Zustellungen verwendet wurde, um den streitgegenständlichen Audi handelt. Zumindest bis zum Kauf des VW Golf () sei daher der Audi für unternehmerische Fahrten verwendet worden.
Betreffend die objektivierbare Verwendungsabsicht wiederholte das Finanzamt seine Ansicht, dass die unmittelbar nach dem Kauf des Audis erfolgte Verwendung für unternehmerische Fahren (als Vorbereitungshandlung) das wesentliche Indiz dafür sei, dass eben nicht die Absicht bestand, den Audi ganz überwiegend privat zu nutzen.

Zum Nachweis dafür, dass im Zeitpunkt des Kaufes des Audis kein weiteres Fahrzeug auf ihn zugelassen war, machte der BF die Annahmestelle jener Versicherung namhaft, bei der Fahrzeuge des BF mit einem anderen Kennzeichen als jenem, unter dem der Audi angemeldet wurde, versichert waren. Über telefonische Nachfrage durch den Richter bestätigte die zuständige Sachbearbeiterin, dass das letzte mit einem anderen Kennzeichen versehene Fahrzeug am abgemeldet wurde.

Über telefonischen Vorhalt teilte der BF mit, dass er betrieblich unerfahren gewesen sei, weshalb er zunächst annahm, dass der Opel Combo für das Unternehmen unerlässlich sei. Der Audi sollte nur für die Fahrten zur Einschulung, also ganz untergeordnet unternehmerisch verwendet werden, um (wie bereits im Vorlageantrag ausgeführt) während dieser Verwendung Belieferungen von Kunden (durch einen der Angestellten) zu gewährleisten. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass der Audi für unternehmerische Zwecke genügt. Erst dann bzw. deshalb sei der Entschluss gefasst worden, den Opel Combo zu verkaufen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

A. Sachverhaltsfeststellung:

Unstrittig liegt folgender Sachverhalt vor:

Im Zeitpunkt des Kaufes des Audis stand dem BF auch der Opel Combo, aber sonst kein weiteres Fahrzeug zur Verfügung. Der BF hat den Audi im April und Mai 2009 für unternehmerische Fahrten zu Einschulungen verwendet. Ende Mai 2009 wurde der Opel Combo verkauft und ab diesem Zeitpunkt zumindest bis zum Kauf des VW Golf () wurde der Audi auch für unternehmerische Zwecke verwendet, und zwar zu mindestens 21,29%.

B. Rechtslage:

Nach Art. 1 Abs. 1 UStG 1994 unterliegt auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt der Umsatzsteuer.

Nach Art. 1 Abs. 2 UStG 1994 lautet:
Ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt liegt vor, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Ein Gegenstand gelangt bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates, auch wenn der Lieferer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat;
2. der Erwerber ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, oder
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt, und
3. die Lieferung an den Erwerber
a) wird durch einen Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt und
b) ist nach dem Recht des Mitgliedstaates, der für die Besteuerung des Lieferers zuständig ist, nicht auf Grund der Sonderregelung für Kleinunternehmer steuerfrei.

Nach Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet.

Nach § 12 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 gelten Lieferungen und sonstige Leistungen sowie die Einfuhr von Gegenständen als für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie für Zwecke des Unternehmens erfolgen und wenn sie zu mindestens 10% unternehmerischen Zwecken dienen.

Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Leistungsbezuges (Ruppe/Achatz4, § 12 Tz 102). Da im Zeitpunkt des Leistungsbezuges noch keine tatsächliche Verwendung stattfindet, u.a. die Beurteilung, ob der Gegenstand für das Unternehmen erworben wird oder nicht, jedoch bereits bei Erwerb zu erfolgen hat, ist die im Zeitpunkt des Leistungsbezuges durch objektive Anhaltspunkte belegte Verwendungsabsicht maßgeblich (vgl. Krumenacker in ÖStZ19/2006, 414, Pkt. 1.1., Ruppe/Achatz 4, § 12 Tz 246 mwH).

Dies bedeutet für den konkreten Fall, dass das Bundesfinanzgericht zu beurteilen hat, welche objektivierbare Absicht die BF im Zeitpunkt des Erwerbs des Audis hatte.

War wie vom BF behauptet geplant, den Audi nur vorübergehend und nur in geringem Ausmaß (nämlich für Fahrten zur Einschuldung) unternehmerisch, somit also ganz überwiegend privat zu verwenden, liegt mangels Erwerbs für das Unternehmen kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor.

Andernfalls wäre (weil die unternehmerische Nutzung nicht unter 10% lag) zu beurteilen, ob es dem BF freigestanden wäre, den Audi seinem Privatvermögen zuzuordnen. Wäre dies zu bejahen, wäre ebenfalls kein innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern.

C. Beurteilung der Verwendungsabsicht des BF:

Die Beurteilung der Absicht des BF hat gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu erfolgen.

Es trifft nun zu, dass die nachgelagerte tatsächliche Verwendung ist ein Indiz dafür ist, welche Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Kaufes des Audis bestand. Allerdings ist dies nur ein Indiz. Andere vorgebrachte Umstände und Beweggründe sind daher ebenfalls zu würdigen.

Für die vom BF behauptete Absicht spricht, dass im Zeitpunkt des Kaufes ein anderes Fahrzeug (Opel Combo) für unternehmerische Zwecke zur Verfügung stand, für private Zwecke hingegen kein anderes. Glaubwürdig ist auch,
dass  der BF betrieblich unerfahren war, weshalb er zunächst annahm, dass der Opel Combo für das Unternehmen unerlässlich ist,
dass der Audi nur für die Fahrten zur Einschulung, also ganz untergeordnet unternehmerisch verwendet werden sollte, um während dieser Verwendung Belieferungen von Kunden (durch einen der Angestellten) zu gewährleisten
und dass sich erst im Nachhinein herausgestellt hat, dass der Audi für unternehmerische Zwecke genügt, weshalb der BF erst dann bzw. deshalb der Entschluss gefasst hat, den Opel Combo zu verkaufen.

Weiters spricht die bloß geringe Steuersatzdifferenz (92,44 €) dagegen, dass der BF gegenüber dem deutschen Autohändler unzutreffend als Privatperson (diesfalls 19% deutsche Umsatzsteuer) anstatt richtig als Unternehmer (diesfalls 20% österreichische Erwerbsteuer) aufgetreten ist.

Es wäre allerdings auch möglich, dass dem BF bereits beim Kauf des Audis bewusst war, dass der Audi auch für unternehmerische Zwecke ausreichend ist und dass er bereits beim Kauf des Audis die Absicht hatte, den Opel Combo zu verkaufen. Diesfalls wäre davon auszugehen, dass der BF bereits beim Kauf die Absicht hatte, den Audi nicht bloß geringfügig unternehmerisch zu nutzen. Dies hätte zur Folge, dass bei Verneinung des Zuordnungswahlrechts ein innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern wäre.

Gibt es wie im konkreten Fall Gründe, die für die vom BF behauptete Absicht sprechen, als auch Gründe, die dagegen sprechen, kommt der Behauptung des BF besonderes Gewicht zu. In freier Beweiswürdigung kommt das Bundesfinanzgericht daher zum Schluss, dass die vom BF behauptete Absicht vorlag. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt daher nicht vor. Daran ändert auch die (zunächst nicht geplante) nachgelagerte, nicht bloß geringfügige unternehmerische Verwendung nichts.

Die Frage, ob ein Zuordnungswahlrecht besteht, stellt sich daher nicht.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Keiner der genannten Gründe liegt jedoch vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Verwendungsabsicht
Zuordnungswahlrecht
Innergemeinschaftlicher Erwerb
Verweise



Zitiert/besprochen in
Fuchs in AFS 2017/6, 226
ECLI
ECLI:AT:BFG:2017:RV.5100259.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at