Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.08.2017, RV/2100517/2012

Begründet die Möglichkeit des Besuchs einer Lehrwerkstätte in der Freizeit in einer vom Wohnort aus nicht zu den erforderlichen Zeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren AHS eine auswärtige Berufsausbildung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988, wenn sich im Einzugsbereich des Wohnortes eine andere AHS befindet.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der Frau Bf über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Bruck Leoben Mürzzuschlag vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin war in den strittigen Jahren 2007, 2008, 2009 und 2010 mit ihren beiden Söhnen A und B in C wohnhaft. Im Zuge der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen beantragte sie für A für den Zeitraum September 2007 bis Dezember 2010 und für B für den Zeitraum September 2009 bis Dezember 2010 außergewöhnliche Belastungen für die auswärtige Berufsausbildung ihrer Söhne im Gymnasium1.

Das Finanzamt verweigerte die Berücksichtigung der beantragten außergewöhnlichen Belastungen mit der Begründung, dass das Gymnasium1 mit einer AHS vergleichbar sei und laut Routenplaner die Kilometeranzahl zwischen Wohnort und Schulort 23 km betragen würde. Die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Schulort sei zeitlich daher noch zumutbar, weshalb der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG nicht gewährt hätte werden können.

In den dagegen eingebrachten Beschwerden verweist die Beschwerdeführerin im Wege ihrer bevollmächtigten steuerlichen Vertretung darauf, dass im Gymnasium1 wesentlich bessere Ausbildungsmöglichkeiten bestehen würden. So würden neben der gymnasialen Ausbildung auch noch drei Lehrberufe (Tischler, Fotograf und Goldschmied) angeboten werden. Für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit der auswärtigen Berufsausbildung sei entsprechend RZ 875 der LStR der Grundsatz der Berücksichtigung des Kindeswohls zu beachten (VwGH 91/14/0085 vom ). Vergleiche man die Ausbildungsmöglichkeiten des Gymnasiums 1 mit dem Gymnasium 2, so sei insbesondere aufgrund der Möglichkeiten neben der Matura noch zusätzlich drei Lehrberufe zu erlernen eine wesentliche Verbesserung der Ausbildungssituation und somit der Entfaltungsmöglichkeiten gegeben.

Über Ersuchen wurden Schulbesuchsbestätigungen übermittelt und mitgeteilt, dass B ab der 5. Klasse den Schwerpunkt Goldschied und A den Schwerpunkt Tischler gewählt habe.

Das Finanzamt legte die Beschwerden ohne Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen an die damals zuständige Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Das von den beiden am und am geborenen Söhnen der Beschwerdeführerin besuchte Gymnasium1 ist vom Schultyp her eine Allgemeinbildende Höhere Schule (AHS). Die Kinder der Beschwerdeführerin besuchten in den strittigem Jahren jeweils die Unterstufe im Gymnasium1. Der Ort 1 war nach den Angaben der Beschwerdeführerin von ihrem damaligen von 1 23 km entfernten Wohnort C zu den erforderlichen Zeiten mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht erreichbar, weswegen der von der Schule angebotene Busdienst, dessen Kosten ebenso wie die Verpflegung und ein Schulsachkostenbeitrag mit dem Schulbeitragspauschale abgedeckt waren, in Anspruch genommen wurde. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin war die im angegebenen Zeitraum von ihren Söhnen besuchte Schule eine Ganztagsschule. Ein Internatsbetrieb ist nicht zur Verfügung gestanden.

In den eingebrachten Beschwerden bestätigt die Beschwerdeführerin, dass sich im Einzugsbereich ihres damaligen Wohnortes eine Schule desselben Schultyps (Gymnasium) befinden würde. Das Finanzamt verweist in seinem Vorlagebricht darauf, dass das von den Kindern der Beschwerdeführerin besuchte Gymnasium1 mit einer AHS im Einzugsbereich in dem 16 km entfernten 2 vergleichbar sei.

Die Beschwerdeführerin bringt im Zusammenhang mit dem Umstand, dass ihre Kinder das Gymnasium1 und nicht das Gymnasium 2 besuchten, vor, dass neben der gymnasialen Ausbildung auch noch drei Lehrberufe (Tischler, Fotograf und Goldschmied) angeboten würden und dadurch wesentlich bessere Ausbildungsmöglichkeiten bestanden hätten.

Auf der Homepage des Gymnasiums 1 wird hiezu ausgeführt, dass es ab der 5. Klasse zusätzlich zum normalen Fächerkanon der AHS in der Freizeit die Möglichkeit gebe, eine handwerkliche Ausbildung zu erlangen. Die eigens eingerichteten Werkstätten würden von qualifizierten Meistern geleitet werden. Die Ausbildung in den Lehrwerkstätten ermögliche eine Lehrabschlussprüfung nach der Matura.

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Das Einkommensteuergesetz definiert den in § 34 Abs. 8 EStG verwendeten Begriff der „entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit“ nicht. Der VwGH stellt bei der Auslegung dieser Wortfolge auf einen gleichartigen Ausbildungsabschluss und auf die Vergleichbarkeit der Ausbildung ihrer Art nach ab. Diese Kriterien gelten nicht nur für die Ausbildung an einer Hochschule, sondern an einer Schule schlechthin. Die Formulierung “entsprechende" ist damit nicht im Sinne von "gleich", sondern von "gleichwertig" zu verstehen (vgl. Erk. des 2003/ 15/0058, mit weiteren Nachweisen).

Inwieweit zwei Ausbildungsgänge ihrer Art nach vergleichbar sind, ist eine auf Ebene der Sachverhaltsermittlung zu lösende Frage ().

Für die Vergleichbarkeit der „entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten“ bietet sich der Typenkatalog des SchOG (Schulorganisationsgesetz) an. Die Auslegung abgabenrechtlicher Normen betreffend die Berufsausbildung an Hand der Bestimmungen des SchOG wird auch vom Verwaltungsgerichtshof (vgl. ) und vom UFS (vgl. RV/0269-S/02 vom ; RV/2654-W/02 vom ; RV/1430-W/04 vom ) vorgenommen.

Bei der von den Kindern der Beschwerdeführerin besuchten und zu den erforderlichen Zeiten mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht erreichbaren Schule in 1 und bei der im Einzugsbereich gelegenen und damit mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Schule in 2 handelt es sich unstrittig um Schulen der gleichen Form der allgemeinbildenden höheren Schule, nämlich des in § 36 Z 1 lit. a SchOG mit Unter- und Oberstufe genannten Gymnasiums. Somit ist nach der oben genannten Judikatur von einer gleichwertigen Ausbildungsmöglichkeit im Sinne des Erkenntnisses des 2003/ 15/0058, auszugehen.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass im Gymnasium in 1 auf Grund der Möglichkeit des Besuches einer Lehrwerkstätte in der Freizeit bessere Ausbildungsmöglichkeiten für ihre Kinder bestehen würden, ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei offensichtlich um keine Ausbildungsziele zur Erlangung der Matura und damit der angestrebten Ausbildung in einer AHS handelt, da den Lehrplänen der AHS laut Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Lehrpläne der allgemeinbildenden höheren Schulen, BGBl. Nr. 88/1985, in der geltenden Fassung, Pflichtgegenstände für die Handwerksausbildung, wie z.B. beim Lehrplan des Werkschulheimes, nicht entnommen werden können. Überdies ist der Besuch der Lehrwerkstätte, wie aus den vorgelegten Bestätigungen ersichtlich, mit keinerlei Abschlussprüfung verbunden, da erst nach Ablegung der Matura die Berufsschule besucht und die erforderlichen Prüfungen abgelegt werden könnten. Gemäß § 34 Abs. 1 SchOG ist es zudem Aufgabe der allgemein bildenden höheren Schulen, den Schülern eine umfassende und vertiefte Allgemeinbildung zu vermitteln und sie zugleich zur Universitätsreife zu führen. Hinzu kommt im gegenständlichen Fall, dass die Kinder der Beschwerdeführerin in den strittigen Jahren die Unterstufe des Gymnasiums in 1 besucht haben und die in Rede stehende Möglichkeit des Besuchs der Lehrwerkstätte erst ab der 5. Klasse, also in der Oberstufe, angeboten wird.

Zusammenfassend bestand aus den dargestellten Gründen im Einzugsbereich des damaligen Wohnortes der Beschwerdeführerin und ihrer Söhne in C eine gleichwertige Ausbildungsmöglichkeit in 2, sodass eine außergewöhnliche Belastung nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht zu berücksichtigen und daher spruchgemäß zu entscheiden war. Auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte fehlende Erreichbarkeit des Schulortes 1 von ihrem damaligen Wohnort aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den erforderlichen Zeiten musste daher nicht mehr eingegangen werden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme und Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen die Unzulässigkeit der Revision sprechen würden, nicht vorgebracht wurden, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

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