Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2018/16/0001. Zurückweisung mit Beschluss v. .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Richter V. und die beisitzende Richterin R. sowie die fachkundigen Laienrichter 1 und 2, im Beisein der Schriftführerin S., in der Beschwerdesache Bf, Adr, vertreten durch Vertr., Adr1, über die als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigende Berufung vom gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels, vertreten durch VZa, vom , Zahl ******/*****/2013, betreffend Haftung nach § 11 BAO, in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Berufungsentscheidung vom , GZ. xxxxxxxx, wurde der Beschwerdeführer nach § 11 Abs. 1 MinStG 1995 iVm § 11 und § 38 Abs. 1 lit. a und § 13 FinStrG der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Mineralölsteuer rechtskräftig schuldig erkannt. Er habe im Zeitraum bis zum im Amtsbereich des Zollamtes Wels bzw. Linz Wels vorsätzlich 62.513,58 Liter im Sinne des § 9 Abs. 1 MinStG 1995 gekennzeichnetes Gasöl (Heizöl) verbotswidrig verwendet bzw. zu verwenden versucht, indem er die Arbeiter der S-KEG ( bis bzw. der S-KG (1. Jänner bis angewiesen, das vom Tankstellenpächter F., 4600 Wels, an die KEG bzw. KG gelieferte Heizöl zu einem anderen Zweck als zum Verheizen, nämlich zur Befüllung der Motorentanks der von der genannten Gesellschaft betriebenen Estrichpumpen zu verwenden.
Mit Bescheid vom , Zahl ******/****/1/2012, zog das Zollamt den Beschwerdeführer gemäß § 11 BAO zur Haftung für die hinterzogenen Mineralölsteuerbeträge im Ausmaß von insgesamt € 14.761,02 heran.
Dagegen legte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom Berufung ein und führte begründend aus, dass aus dem Spruch des Berufungserkenntnises im Finanzstrafverfahren eindeutig hervorgehe, dass der Beschwerdeführer wegen der Hinterziehung eigener Abgabenschuldigkeiten verurteilt worden sei. Unter Haftung verstehe man aber nur "ein Einstehenmüssen" für fremde Abgabenschulden. Daher würden nach § 11 BAO bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte auch nur haften, wenn sie nicht selbst abgabepflichtig seien.
Das Zollamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom , Zahl ******/****/2/2012, als unbegründet ab. Im Abgabenverfahren habe sich der Unabhängige Berufungssenat der Argumentation des Vertreters angeschlossen, dass Schuldner des Nachversteuerungsbetrages gemäß § 10 Abs. 1 MinStG 1995 derjenige sei, der das Gasöl verbotswidrig verwendet habe, also derjenige der tatsächlich die verbotswidrige Verwendung ausgeführt habe. Im gegenständlichen Fall also die Arbeitnehmer der S-KEG (bzw. KG). An dem im Finanzstrafverfahren festgestellten Sachverhalt ändere sich dadurch nichts. Nur dieser tatsächliche Sachverhalt sei für die Beurteilung maßgeblich, ob es sich bei den hinterzogenen Mineralölsteuerbeträgen um eigene oder fremde Abgabenschulden handle und nicht eine aus dem Zusammenhang gerissene missverständliche Wortfolge. Der Beschwerdeführer sei nicht selbst Steuerschuldner und könne daher zur Haftung herangezogen werden.
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom brachte der Beschwerdeführer vor, dass § 11 BAO eine rechtskräftige "Verurteilung" im finanzstrafbehördlichen bzw. gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraussetze und diese Verurteilung Tatbestandsmerkmal und keine Vorfrage im Sinne des § 116 BAO sei. Der Beschwerdeführer wurde aber eindeutig wegen Hinterziehung eigener Abgabenschuldigkeiten rechtskräftig verurteilt bzw. für schuldig erkannt. Die davon abweichende Rechtsansicht im Abgabenverfahren sei daher völlig unmaßgeblich. Dies sei dem Zollamt offenbar völlig bewusst, weil es im Strafverfahren ersucht habe, den Beschwerdeführer als Bestimmungstäter schuldig zu sprechen. Da unter Haftung nur ein Einstehenmüssen für fremde Abgabenschulden verstanden werden könne, erweise sich die Berufungsvorentscheidung als inhaltlich rechtswidrig.
Mit Eingabe vom zog der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter den Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurück. Der zuständige Richter beantragte darauf am von sich aus die Entscheidung über die Beschwerde durch den Senat, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichshofes zur Person des Steuerschuldners bei der gegebenen Sachlage fehle. In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden von den Parteien im Wesentlichen die bisherigen Standpunkte beibehalten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist gemäß § 323 Abs. 38 BAO die am beim Unabhängigen Finanzamt als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängig gewesene Beschwerde vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
§ 11 BAO lautet:
"§ 11. Bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden."
Die Haftung nach § 11 BAO setzt somit eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren voraus, mit dem der zur Haftung Herangezogene als Verurteilter eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde.
Der Beschwerdeführer wurde unstrittig mit Berufungsentscheidung des Finanzstrafsenates Linz 6 als Organ des Unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz rechtskräftig wegen des Finanzvergehens der teils versuchten, teils vollendeten, vorsätzlichen gewerbsmäßigen Hinterziehung von Mineralölsteuer gemäß § 11 Abs. 1 MinStG 1995 iVm § 38 Abs. 1 lit. a und § 13 FinStrG verurteilt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (vgl. zB ; , mwN). An die von vom Strafgericht vertretenen steuerlichen Rechtsauffassungen ist die Abgabenbehörde im Abgabenverfahren und somit auch im Haftungsverfahren nicht gebunden. Die steuerrechtliche Beurteilung des Lebenssachverhaltes, an dessen Feststellung sie gebunden ist, obliegt dessen ungeachtet weiterhin der mit der Vollziehung der Abgabengesetze betrauten Abgabenbehörde (vgl. ebenso ).
Der Vertreter des Beschwerdeführers vermag auch mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra 2016/07/0040 vom zum "Überraschungsverbot" nichts für sich zu gewinnen. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihrer rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Damit ist aber nicht gemeint, dass der Berichterstatter in einem Senatsverfahren dem Beschwerdeführer vor der Entscheidung seine Rechtsansicht mitzuteilen hat. Im Übrigen war dem Vertreter des Beschwerdeführers bekannt und bewusst, dass im gegenständlichen Fall die Frage des Steuerschuldners zu beantworten ist. Außerdem wurde vom Zollamt bereits in der Berufungsvorentscheidung ausgeführt, dass es auf den Sachverhalt ankomme, der sich aus der im Finanzstrafverfahren ergangenen Berufungsentscheidung vom ergebe
Im finanzstrafbehördlichen Verfahren wurde festgestellt und davon geht auch dieses Erkenntnis aus, dass der Beschwerdeführer Arbeiter der S-KEG bzw. (ab. ) S-KG angewiesen hat, das vom Tankstellenpächter F., 4600 Wels, gelieferte gekennzeichnete Gasöl (Heizöl) zu einem anderen Zweck als zum Verheizen, nämlich zur Befüllung der Motorentanks der von der genannten Gesellschaft betriebenen Estrich-Pumpen zu verwenden.
Der Beschwerdeführer war somit ein an der Tat Beteiligter im Sinne des § 11 BAO, jedoch im Hinblick auf die anzuwendende Bestimmung des § 10 MinStG 1995 nicht auch Schuldner der Mineralölsteuer. Schuldner des Nachversteuerungsbetrages ist gemäß § 10 Abs. 1 MinStG 1995 derjenige, der gekennzeichnetes Gasöl verbotswidrig verwendet, also derjenige, der tatsächlich die verbotswidrige Verwendung ausführt. Nach § 9 Abs. 8 MinStG 1995 darf mit Ausnahme der hier nicht interessierenden Fälle des Abs. 6 gekennzeichnetes Mineralöl nicht in einen Behälter eingefüllt werden, der mit einem Motor in Verbindung steht. Solches Mineralöl, das sich in einem Behälter befindet, der mit dem Motor eines Fahrzeuges verbunden ist, gilt als vorschriftswidrig verwendet. Der Beschwerdeführer hat nach den Feststellungen der Finanzstrafbehörde das Einfüllen in die Motorentanks der Estrichpumpen nicht selbst vorgenommen bzw. das steuerbegünstigte Gasöl nicht selbst verwendet. Die tatsächliche Verwendung, das Einfüllen des gekennzeichneten Gasöls in die mit einem Motor verbundenen Estrichpumpen haben die Arbeiter der Gesellschaft vorgenommen. Der Beschwerdeführer ist somit nicht Handelnder und deshalb auch nicht Steuerschuldner im Sinne des § 10 Abs. 1 MinStG 1995 (vgl. Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, MinStrG, § 10 Rz 7).
Die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht durch Entrichtung erloschen ist. Die Haftungsinanspruchnahme setzt jedoch nicht voraus, dass die Abgabenschuld dem oder den Primärschuldnern gegenüber überhaupt geltend gemacht wurde. Bei der Haftung nach § 11 BAO handelt es sich um eine unbeschränkte Primärhaftung und nicht etwa um eine Ausfallshaftung (vgl. , mwN; ).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Rechtsfrage, ob ein geschäftsführender Gesellschafter einer Personengesellschaft die andere Personen anweist, gekennzeichnetes Gasöl (Heizöl) verbotswidrig zu verwenden, selbst zum Abgabenschuldner wird und somit nicht zur Haftung nach § 11 BAO herangezogen werden kann, fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher als zulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 10 Abs. 1 MinStG 1995, Mineralölsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 630/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2017:RV.5200172.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at